23Verbot der Diskriminierung überlassener Teilzeitbeschäftigter
Verbot der Diskriminierung überlassener Teilzeitbeschäftigter
Unechte Betriebsvereinbarungen, die sich auf Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs beziehen, sind verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art iSd § 10 Abs 3 AÜG.
Nach Abschnitt VI.1. Abs 4 des KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung gilt eine Reduktion der Normalarbeitszeit im Betrieb des Beschäftigers auch für überlassene Arbeitskräfte, der Überlassungslohn ist dennoch auf Grundlage der in den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen festgelegten Normalarbeitszeit zu berechnen. Eine Umgehung dieser kollektivvertraglichen Anordnung durch eine „Teilzeit-Vereinbarung“ mit dem Überlasser, die die „Synchronisierung“ mit der innerbetrieblichen Vollarbeitszeit des Beschäftigers bezweckt, ist unwirksam.
Eine Verkürzung der Normalarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich im Betrieb des Beschäftigers muss auch für überlassene Teilzeitbeschäftigte gelten und zu einer aliquoten Verkürzung ihrer Arbeitsverpflichtung bei entsprechendem Lohnausgleich führen, um eine Diskriminierung gem § 19d Abs 6 AZG zu vermeiden.
Die Kl waren bzw sind überwiegend seit 2013 bei der Bekl, einem Personaldienstleistungsunternehmen, beschäftigt. In ihren Dienstverträgen wurde das zeitliche Ausmaß ihrer Arbeitsverpflichtung jeweils mit 36 Wochenstunden festgelegt und festgehalten, dass sich der DN bei Überlassung an einen Betrieb mit einer längeren Normalarbeitszeit zu einer entsprechend längeren Arbeitszeit verpflichtet. Auf die Dienstverhältnisse ist der KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung anzuwenden, der eine Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden vorsieht.
Die Kl waren durchgehend an die M GmbH überlassen, die dem KollV für die Metallindustrie (Normalarbeitszeit: 38,5 Stunden) unterliegt. In diesem Unternehmen wird seit 1.9.1985 aufgrund einer „BV“ in den Schichtbetrieben nur mehr 36 Stunden wöchentlich gearbeitet. Alle AN der Beschäftigerin, die in den Genuss der 36 Stunden-Woche kommen, erhalten nach der „BV“ vollen Lohnausgleich. Die Kl wurden im Rahmen des Schichtmodells eingesetzt, haben 36 Stunden pro Woche gearbeitet und wurden unter Anwendung des gebührenden Stundenlohns und des Referenzzuschlags für 36 Wochenstunden entlohnt.
Die Kl begehren mit ihren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen die Zahlung offener Lohnansprüche und der darauf entfallenden BMSVG-Beiträge auf Basis einer 38,5-Stundenwoche. Seit Jänner 2013 seien nach § 10 Abs 3 AÜG Arbeitszeitverkürzungen durch betriebliche Regelungen des Beschäftigers auch für überlassene Arbeitskräfte wirksam. Der Überlassungslohn sei so zu berechnen, als wäre der AN für so viele Arbeitsstunden eingesetzt, als diese der Beschäftiger-KollV als Normalarbeitszeit vorsehe. Die Teilzeitarbeitsverträge seien in Umgehungsabsicht geschlossen worden.
Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass sich § 10 Abs 3 AÜG nur auf Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs, nicht aber der Entlohnung beziehe und daher für überlassene Arbeitskräfte keine Wirkung entfalte. Die Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 36 Stunden sei wirksam vereinbart worden.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. [...]
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl keine Folge. [...]
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragen die Kl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Bekl beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.242
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Die Kl sind der Ansicht, dass ihre Dienstverträge keine Teil-, sondern eine Vollzeitvereinbarung enthielten. Anspruchsgrundlage der Klagsansprüche sei Abschnitt VI./1 Abs 4 des KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung und § 10 Abs 3 AÜG. Selbst bei Annahme einer Teilzeitbeschäftigung wären sie wie andere Teilzeitbeschäftigte beim Beschäftiger zu stellen, wodurch ihre Arbeitsverpflichtung beim Beschäftiger nur 33,66 Wochenstunden betrage und sie regelmäßig 2,34 Stunden Mehrarbeit geleistet hätten.
Dazu war Folgendes zu erwägen:
1. Die Kl meinen zunächst, dass ihre Dienstverträge iS einer Vollzeitbeschäftigung zu verstehen seien.
Nach § 19d Abs 1 AZG liegt Teilzeitarbeit vor, wenn die vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche Normalarbeitszeit oder eine durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte kürzere Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet. Einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung ist gleichzuhalten, wenn eine durch BV festgesetzte kürzere Normalarbeitszeit mit anderen AN, für die kein BR errichtet ist, einzelvertraglich vereinbart wird. Da die mit den Kl vereinbarte Wochenarbeitszeit von 36 Stunden die im KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung vorgesehene Normalarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden unterschreitet, liegt eine Teilzeitvereinbarung vor.
Dagegen spricht auch nicht die weitere Klausel in den Dienstverträgen, wonach sich die Kl bei Überlassung an einen Betrieb mit einer längeren Normalarbeitszeit „zur entsprechend längeren Arbeitszeit“ verpflichten. Damit wird zunächst nur der Fall bedacht, dass im Beschäftigerbetrieb eine längere Normalarbeitszeit (dh mehr als 38,5 Wochenstunden) als bei der Bekl als Überlasserin gelten könnte. Die Verpflichtung zu einer „entsprechend“ längeren Arbeitszeit ist aber auch mit einer Teilzeitbeschäftigung – dh mit einer aliquot längeren Arbeitszeit im Beschäftigerbetrieb – zu verwirklichen. Ohne weitere Anhaltspunkte reicht Satz 2 der Klausel des Dienstvertrags daher noch nicht zu einem Verständnis dahin aus, dass die Dienstverträge trotz der ausdrücklich vereinbarten Arbeitszeit von 36 Wochenstunden eine Arbeitsverpflichtung im Ausmaß einer regulären Vollzeitbeschäftigung des Überlassers von 38,5 Wochenstunden zum Ausdruck bringen sollten.
2. Die genannte Klausel verstößt auch nicht gegen § 11 Abs 2 AÜG. § 11 Abs 2 AÜG enthält eine beispielsweise Aufzählung verbotener und deshalb (teil-)nichtiger Vertragsbestimmungen, mit denen insb der Versuch, das wirtschaftliche Risiko der Auslastung auf die überlassene Arbeitskraft zu überwälzen, unterbunden werden soll. Daher sind nach § 11 Abs 2 Z 2 AÜG Vereinbarungen verboten, die die Arbeitszeit wesentlich unter dem Durchschnitt des zu erwartenden Beschäftigungsausmaßes festsetzen oder ein geringeres Ausmaß der Arbeitszeit für überlassungsfreie Zeiten festlegen. Ebenso verboten ist bei vereinbarter Teilzeitbeschäftigung eine Vereinbarung, wenn sie dem AG vertraglich das Recht zur Anordnung von regelmäßiger Mehrarbeit einräumt (§ 11 Abs 2 Z 3 AÜG). Unzulässig sind damit wesentliche Abweichungen von der tatsächlich benötigten Arbeitszeit und das Recht zur einseitigen Anordnung regelmäßiger Mehrarbeit. Jede wesentliche Fehlbeurteilung führt zu einer Vertragsanpassung iSd dauerhaften Geltung der tatsächlich geleisteten, längeren Arbeitszeit (siehe Schindler in ZellKomm2 AÜG § 11 Rz 13 ff mwN).
Hier ist jedoch keiner dieser Tatbestände erfüllt, weil im Hinblick auf Z 2 leg cit die vereinbarte Arbeitszeit von 36 Wochenstunden genau dem zu erwartenden Beschäftigungsausmaß im Beschäftigerbetrieb entsprach und im Hinblick auf Z 3 leg cit die Kl für den Fall einer längeren Normalarbeitszeit des Beschäftigers vertraglich zunächst nur zu einer dem Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung „entsprechend“ längeren Arbeitszeit verpflichtet wurden (siehe Pkt 1.).
3. Tatsächlich wurden die Kl dem Beschäftiger im Ausmaß von 36 Wochenstunden überlassen, womit ihre Arbeitszeit jener der im Schichtbetrieb tätigen vollzeitbeschäftigten Stamm-AN des Beschäftigers entsprach. Die Kl sehen darin eine unzulässige Umgehung der zwingenden Entgeltbestimmungen des KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (idF: KollV).
3.1. Abschnitt VI./1 des KollV lautet:
VI. Arbeitszeit1. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden. [...]Während der Überlassung gelten für die überlassenen Arbeitnehmer die im Beschäftigerbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer gültigen gesetzlichen, kollektivvertraglichen sowie sonstigen im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art, die sich auf Aspekte der Arbeitszeit beziehen. [...]Soweit derartige gesetzliche, kollektivvertragliche oder sonstige im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art eine Normalarbeitszeit von weniger als 38,5 Stunden vorsehen, gilt dies auch für überlassene Arbeitnehmer, doch ist diesen weiterhin der Grundlohn (IX./1) für 38,5 Stunden zu bezahlen; der Überlassungslohn (IX./3., 4., 4a) ist auf Grundlage der in den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen festgelegten Normalarbeitszeit zu berechnen. [...]
3.2. Abschnitt VI. nimmt damit Bezug auf den Grundfall einer Anstellung beim Überlasser im Ausmaß einer Vollarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden (Abs 1) und definiert den Entlohnungsanspruch der überlassenen Arbeitskraft für das Vollzeitäquivalent des Beschäftigers, das eine längere (Abs 3) oder kürzere (Abs 4) Vollarbeitszeit des Beschäftigers bedeuten kann. Im zweiten Fall steht der überlassenen Arbeitskraft jedenfalls für 38,5 Stunden der Grundlohn als der sowohl während der Dauer einer Überlassung als auch in überlassungsfreien Zeiten (Stehzeiten) gebührende Mindestlohn (IX.1. des KollV) zu, sofern nicht der Überlassungslohn als der im Beschäftigerbetrieb zu243zahlende kollektivvertragliche Lohn (IX.3.) höher als der Mindestlohn ist.
3.3. Die von der Bekl angesprochenen kollektivvertraglichen Referenzaufschläge sind in diesem Zusammenhang insofern unbeachtlich, als mit ihnen in Hochlohnbranchen nur eine pauschale Angleichung an die im Beschäftigerbetrieb tatsächlich ausbezahlten Löhne erreicht werden soll, nicht aber ein Ausgleich für teilzeitbedingte Entgelteinbußen bezweckt ist (siehe 9 ObA 140/15a).
3.4. Anwendungsvoraussetzung von Abschnitt VI./1 Abs 4 des KollV ist zunächst, dass derartige gesetzliche, kollektivvertragliche sowie sonstige im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art eine Normalarbeitszeit von weniger als 38,5 Stunden vorsehen.
Diese Formulierung entspricht jener der Bestimmung des § 10 Abs 3 AÜG, die im Zuge der AÜG-Novelle BGBl I 2012/98 in Umsetzung der Leiharbeits-RL neu gefasst wurde und im Hinblick auf die Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs das Prinzip der Gleichbehandlung von überlassenen Arbeitskräften mit denen des Beschäftigerbetriebs gewährleisten sollen, sofern diese Punkte kollektive Geltung beanspruchen (arg: „gesetzliche, kollektivvertragliche oder sonstige im Beschäftigerbetrieb geltende verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art
“).
Hier erfolgte die Arbeitszeitverkürzung durch die „BV“ aus dem Jahr 1985. Die Kl räumen ein, dass dauerhafte Arbeitszeitverkürzungen nicht durch echte Betriebsvereinbarungen realisiert werden können (siehe § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG: Anordnung der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit).
Ob auch unechte Betriebsvereinbarungen, Vertragsschablonen und betriebliche Übungen als sonstige im Beschäftigerbetrieb geltende verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art anzusehen sind, ist in der Literatur zum AÜG umstritten. Zum Teil wird darauf hingewiesen, dass unechte Betriebsvereinbarungen erst auf einzelvertraglicher Ebene Verbindlichkeit entfalten und für Neueintretende etwa auch ausgeschlossen werden können [...].
Dagegen weist Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV (2013) 39, insb auf die Entstehung des Art 5 Abs 1 und ErwGr 14 der Leiharbeits-RL hin, wonach Leih-AN jene Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen erhalten sollen, die gelten würden, wenn sie „von den entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären
“. Es sei daher festzustellen, welche generellen Bestimmungen für vergleichbare AN im fraglichen Einstellungszeitpunkt gegolten hätten. Eine betriebliche Übung erfasse auch neu eintretende AN, sofern nicht ausdrücklich anderes mit ihnen vereinbart worden sei. Gleiches gelte für Vertragsschablonen und Richtlinien. So lange sie nicht generell aufgehoben worden seien, wären sie bei einer Direkt-Einstellung ver- bzw angewendet worden [...].
Der erkennende Senat erachtet diese Erwägungen vor dem europarechtlichen Hintergrund für überzeugend und schließt sich dieser Ansicht an. Auch unechte Betriebsvereinbarungen, die sich auf Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs beziehen, sind danach als verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art iSd § 10 Abs 3 AÜG, folglich auch des Abschnitts VI./1 Abs 4 des KollV anzusehen.
3.5. Die Bestimmung des Abschnitts VI./1 Abs 4 des KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung bedeutet danach:
In zeitlicher Hinsicht nimmt eine beim Überlasser in Vollzeit beschäftigte Arbeitskraft an einer durch (unechte) BV reduzierten Normalarbeitszeit von weniger als 38,5 Stunden des Beschäftigers teil. Auf den Überlassungslohn (IX./3., 4., 4a) schlägt die nur innerbetrieblich verkürzte Normalarbeitszeit jedoch nicht durch, weil der Überlassungslohn nur auf Grundlage der in den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen – nicht aber den sonstigen im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art – festgelegten Normalarbeitszeit zu berechnen ist. Einer in Vollzeit beschäftigten überlassenen Arbeitskraft ist der Überlassungslohn daher auch dann auf Basis der Vollzeitbeschäftigung zu zahlen, wenn die Normalarbeitszeit beim Beschäftiger nur durch unechte BV verkürzt wurde. Für die Streitparteien würde daher eine Anstellung der überlassenen Arbeitskraft mit 38,5 Wochenstunden mit einem Überlassungslohn beim Beschäftiger auf Basis einer 38,5-Stundenwoche (kollektivvertragliche Normalarbeitszeit des Beschäftigers) einhergehen, weil der Überlassungslohn von der durch die unechte BV reduzierten Normalarbeitszeit unberührt bliebe.
3.6. Gibt aber Abschnitt VI.1. Abs 4 des KollV vor, dass eine Vollzeitbeschäftigung beim Überlasser (38,5 Wochenstunden) in entgeltlicher Hinsicht dem gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Vollzeitäquivalent des Beschäftigers auch dann zu entsprechen hat, wenn die Arbeitszeit innerbetrieblich reduziert wurde, so würde es folglich eine Umgehung darstellen, wenn der Überlasser mit der überlassenen Arbeitskraft eine Teilzeitvereinbarung im Ausmaß der beim Beschäftiger nur innerbetrieblich reduzierten Arbeitszeit vereinbart, ohne dass die Arbeitszeit beim Beschäftiger gemäß der Teilzeitvereinbarung aliquot verkürzt würde, weil dadurch das in Abschnitt VI.1. Abs 4 des KollV vorgezeichnete Äquivalenzverhältnis zu Lasten der überlassenen Arbeitskraft verschoben würde. Eine Umgehung dieser kollektivvertraglichen Anordnung durch eine „Teilzeit-Vereinbarung“ mit dem Überlasser, die die „Synchronisierung“ mit der innerbetrieblichen Vollarbeitszeit des Beschäftigers bezweckt, wäre daher unwirksam (idS auch Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV [2013] 161). Die auf Basis einer unechten BV innerbetrieblich verkürzte Normalarbeitszeit kann folglich nichts am Anspruch einer (vollzeitbeschäftigten) überlassenen Arbeitskraft auf eine kollektivvertragliche Entlohnung nach Maßgabe einer Vollzeitbeschäftigung ändern.
4. Die Frage der Anwendbarkeit der mit der AÜG-Novelle BGBl I 2012/98 in Umsetzung der Leiharbeits- RL neu gefassten Bestimmung des § 10 Abs 3 AÜG – nach der in Bezug auf Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs für die überlassene Arbeits-244kraft die im Beschäftigerbetrieb für vergleichbare AN gültigen gesetzlichen, kollektivvertraglichen sowie sonstigen im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art gelten – stellt sich danach nicht.
5. Abschnitt VI.1. des KollV verbietet freilich nicht generell den Abschluss von Teilzeitvereinbarungen mit dem Überlasser. Es läge noch keine Umgehung darin, eine beim Überlasser in Teilzeit beschäftigte Arbeitskraft dem Beschäftiger auch als Teilzeitarbeitskraft zu überlassen (maW wäre eine Halbtagskraft des Überlassers – aliquot nach Abschnitt VI./1 Abs 4 des KollV – als Halbtagskraft des Beschäftigers zu entlohnen). Wie die Kl richtig aufzeigen, hätte dies nach dem Diskriminierungsverbot des § 19d Abs 6 AZG aber zur Folge, dass die innerbetriebliche Verkürzung der Normalarbeitszeit auch für Teilzeitbeschäftigte gelten und zu einer aliquoten Verkürzung ihrer Arbeitsverpflichtung bei entsprechendem Lohnausgleich (hier: 38,5 : 36 = Verkürzung 6,5 %) führen muss. Darüber hinausgehende Arbeitsstunden wären demnach als (gegebenenfalls zuschlagspflichtige) Mehrarbeitsstunden zu entlohnen.
6. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen „nicht eindeutig“ eine Umgehungsabsicht der Bekl bei Abschluss der Dienstverträge mit den Kl ergibt. Danach ist aber noch nicht ausgeschlossen, dass die Streitteile – wie es dem Vorbringen der Bekl entspricht – zulässigerweise eine Teilzeitvereinbarung geschlossen haben, womit aber die unter Pkt 5. aufgezeigten entgeltlichen Konsequenzen, die in den Vorinstanzen noch nicht verfahrensgegenständlich waren, einer Erörterung zugänglich zu machen sind. Nicht zuletzt zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung (§ 182a ZPO) sind die Urteile der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung aufzuheben. [...]
Der OGH hat in der vorliegenden E zu der Frage Stellung genommen, welche arbeitsrechtlichen Regelungsquellen unter den Begriff „sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art“ gem § 10 AÜG fallen. In der Folge wird zunächst dieser Aspekt der E dargestellt (unten 1.), bevor auf die Lösung des konkreten Sachverhalts durch den OGH eingegangen wird (unten 2.).
Im Zuge der Umsetzung der Leiharbeits-RL (RL 2008/104/EG) wurde der Gleichstellungsanspruch überlassener AN in § 10 AÜG zum Teil auf „sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art“ ausgedehnt, die im Beschäftigerbetrieb gelten (BGBl I 2012/98). Diese Formulierung wurde durch den nationalen Gesetzgeber ohne nähere Definition direkt aus Art 3 Abs 1 lit f der Leiharbeits-RL übernommen. Umstritten war, ob neben Betriebsvereinbarungen auch andere betriebliche Regelungen unter den Begriff „sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art“ fallen. Der OGH qualifiziert in der E auch eine „unechte BV“ als sonstige verbindliche Bestimmung allgemeiner Art. Die Auslegung betrifft zwar konkret den gleichlautenden Begriff im KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (in der Folge: „KVAÜ“). Der OGH weist jedoch darauf hin, dass seine Auslegung auch für § 10 AÜG relevant ist.
Eine „unechte BV“ (teilweise auch „freie BV“ oder „unzulässige BV“ genannt) ist eine Vereinbarung zwischen dem Betriebsinhaber und dem BR, die als BV unwirksam ist. Die Unwirksamkeit resultiert oft – auch im Anlassfall – daraus, dass Vereinbarungen über Regelungsinhalte abgeschlossen werden, für die der Abschluss einer BV im ArbVG und im anwendbaren KollV nicht vorgesehen ist. Unechte Betriebsvereinbarungen werden in der Regel durch konkludenten Vertragsabschluss Teil der Arbeitsverträge der erfassten AN. Im vorliegenden Fall war die Regelung über die Verkürzung der Arbeitszeit bei Lohnausgleich daher vertraglich zwischen dem Beschäftiger und den Stamm-AN im Beschäftigerbetrieb vereinbart. Der OGH öffnet den Begriff der „verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art“ somit auch für Regelungen, die nur als Teil der Arbeitsverträge der Stamm-AN gelten. Er folgt damit nicht den zahlreichen anderslautenden Meinungen im Schrifttum. Die Lösung des OGH ist mE zutreffend, da auch vertragliche Regelungen nach dem normalen juristischen Sprachgebrauch „allgemein“ sein können und zweifellos auch „verbindlich“ sind. Auf eine „Allgemeinverbindlichkeit“ iS einer Normwirkung wie bei Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen wird gerade nicht abgestellt (Schörghofer, Gleichbehandlung und Gleichstellung im AÜG, in
Die E des OGH wirft allerdings die schwierige Frage auf, welche anderen arbeitsvertraglichen Regelungen im Beschäftigerbetrieb als „sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art“ zu qualifizieren sind. Die Beteiligung des BR am Abschluss der Vereinbarung kann mE nicht ausschlaggebend sein. Klar ist, dass individuell vereinbarte Regelungen nicht darunter fallen, bspw eine frei ausgehandelte Entgeltvereinbarung eines Stamm-AN. Es muss sorgfältig geprüft werden, ob es sich bei der konkreten Vereinbarung um eine „allgemeine“ Regelung handelt. Das wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn eine Regelung ausnahmslos und ohne inhaltliche Variation für sämtliche mit dem überlassenen AN vergleichbaren Stamm-AN gilt. Als sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art kommen daher insb allgemeine Arbeitsbedingungen, Vertragsschablonen, (Konzern-)Richtlinien, aber auch Betriebsübungen in Betracht. ME ist eine Regelung schon dann vom Gleichstellungsanspruch ausgenommen, wenn sie mit einigen vergleichbaren Stamm-AN nicht vertraglich vereinbart wurde und daher nicht mehr245„allgemein“ ist. In diesem Graubereich kann aber eine Vorlage an den EuGH zur Auslegung des Begriffs „verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art“ sinnvoll sein.
Die Bedeutung der weiten Auslegung von „verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art“ sollte nicht überschätzt werden. Keinesfalls hat die vorliegende E zur Folge, dass nunmehr alle vertraglichen Regelungen im Beschäftigerbetrieb auch für vergleichbare überlassene AN gelten. Praxisrelevant ist insb die Einschränkung in § 10 Abs 1 lt Satz AÜG: Entgeltbestimmungen in verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art im Beschäftigerbetrieb sind insb dann nicht für überlassene AN heranzuziehen, wenn sowohl der Beschäftiger als auch der Überlasser einem KollV unterliegen. In Österreich ist dies aber in der Regel der Fall, vertragliche Entgeltregelungen im Beschäftigerbetrieb sind für überlassene AN daher im Normalfall nicht unmittelbar beachtlich.
In Abschnitt IX.3. und 4a KVAÜ ist zwar vorgesehen, dass überlassene Arbeiter einen höheren Überlassungslohn erhalten, wenn im Beschäftigerbetrieb eine Vereinbarung über die betriebsübliche Lohnhöhe getroffen wurde. Erfasst sind allerdings nur „Betriebsvereinbarungen oder sonstige schriftliche Vereinbarungen zwischen dem Beschäftiger und dem Betriebsrat des Beschäftigers“. Darunter fallen nur unechte Betriebsvereinbarungen, nicht auch andere vertragliche Regelungen ohne Mitwirkung des BR.
Bedeutsam ist die E des OGH aber für verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art zur Arbeitszeit und zum Urlaub. Diese sind gem § 10 Abs 3 AÜG für überlassene AN zu beachten. Auch in Abschnitt VI. und XVI. KVAÜ wird hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaft, arbeitsfreien Tagen und Urlaub auf die sonstigen verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art im Beschäftigerbetrieb Bezug genommen.
Betriebliche Regelungen des Beschäftigers zum Entgelt sind somit für überlassene AN häufig unbeachtlich, während jene zu Arbeitszeit und Urlaub auch für sie anzuwenden sind. Problematisch ist dabei, dass eine Regelung zu Arbeitszeit und zu Urlaub häufig auch einen Entgeltaspekt mitumfasst. Eine Aufteilung der Regelung in einen Entgeltaspekt und einen Arbeitszeit- oder Urlaubsaspekt ist oftmals nicht tunlich. Es stellt sich dann die Frage, ob man die konkrete Regelung insgesamt als Entgelt- (§ 10 Abs 1 AÜG) oder als Arbeitszeit- oder Urlaubsregelung (§ 10 Abs 3 AÜG) behandelt. Der OGH konnte diese Frage in der vorliegenden E offen lassen. Im Schrifttum wird dazu vertreten, dass der Entgeltaspekt von einer Arbeitszeit- oder Urlaubsregelung mitumfasst ist (Schindler, Europarechtliche Grundlagen der AÜG-Novelle 2012 und ihre grundsätzliche Umsetzung in Österreich, in
Aufgrund der E des OGH muss sorgfältig überprüft werden, welche Regelungen im Beschäftigerbetrieb – insb zu Aspekten der Arbeitszeit und des Urlaubs – als verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art auch für überlassene AN relevant sind. Sollten überlassene AN daraus Ansprüche gegen den Überlasser ableiten, stellt sich in der Folge die Frage, ob er die daraus resultierenden Kosten auf den Beschäftiger überwälzen kann. Sofern der Überlassungsvertrag zwischen Überlasser und Beschäftiger dazu keine ausdrückliche Regelung enthält, ist § 12a AÜG zu beachten. Diese Bestimmung verpflichtet den Beschäftiger ua dazu, den Überlasser über die relevanten verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art zu informieren. Eine Verletzung dieser Pflicht durch den Beschäftiger kann einen Regressanspruch des Überlassers begründen.
Im gegenständlichen Fall wurde im Beschäftigerbetrieb die wöchentliche Normalarbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich herabgesetzt. Abschnitt VI.1. KVAÜ sieht vor, dass Arbeitszeitverkürzungen in verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art im Beschäftigerbetrieb auch für überlassene AN gelten, ohne dass es dadurch zu einer Entgeltminderung kommt. Bei Vollzeitbeschäftigung hätten die Kl somit schon aufgrund des KVAÜ genauso wie die Stamm-AN für eine herabgesetzte wöchentliche Normalarbeitszeit von 36 Stunden eine Vollzeitentlohnung erhalten. Der bekl Überlasser konnte diese Rechtsfolge – vermeintlich – vermeiden, indem er mit den Kl anstelle der wöchentlichen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden nach Abschnitt VI.1. KVAÜ eine Teilzeitbeschäftigung von genau 36 Wochenstunden vereinbarte. Die Kl erhielten daher nur das Entgelt für eine wöchentliche Arbeitszeit von 36 Stunden. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Kl auch auf eine unzulässige Umgehung der Regelung des KVAÜ berufen haben. Der OGH hält jedoch an seiner umstrittenen Rechtsmeinung fest, dass eine Umgehung ein subjektives Element – eine Umgehungsabsicht – voraussetzt (vgl dazu Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen [1990] 124). Eine solche Absicht kann in Gerichtsverfahren, wie sonstige Handlungsmotive, nur schwer bewiesen werden. Obwohl der Sachverhalt in diese Richtung deutet, ist den Kl auch im Anlassfall der Beweis einer Umgehungsabsicht bislang nicht gelungen.
Der OGH prüft und verneint auch das Vorliegen einer unzulässigen Arbeitszeitvereinbarung in den Arbeitsverträgen der Kl. Neben der wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden wurde vereinbart, dass246die AN bei einer Überlassung an einen Betrieb mit einer längeren Normalarbeitszeit „zur entsprechend längeren Arbeitszeit“ verpflichtet sind. Die Vertragsbestimmung wird in der E nicht vollständig abgedruckt. Nach ihrer Wiedergabe in der E könnte man diese Vereinbarung allerdings evtl auch so verstehen, dass die Kl bei einer Überlassung an andere Beschäftiger, bei denen keine Reduktion der Arbeitszeit auf 36 Stunden erfolgt ist, zur Vollzeitbeschäftigung verpflichtet sind. Eine solche Vereinbarung wäre vor dem Hintergrund des § 11 Abs 2 Z 2 und 3 AÜG sehr kritisch zu sehen. Der OGH sieht die Kl aufgrund der Vereinbarung stattdessen nur zu einer „aliquot längeren Arbeitszeit“ verpflichtet, wenn eine Überlassung an Beschäftiger erfolgt, bei denen eine längere wöchentliche Normalarbeitszeit als jene von 38,5 Stunden nach dem KVAÜ gilt. Gemeint ist damit wohl, dass bspw bei einem Beschäftiger mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 statt 38,5 Stunden (Differenz 1,5 Stunden), die Verlängerung um etwa 3,9 % auch für die teilzeitbeschäftigten Kl gelten soll (somit 37,4 statt 36 Wochenstunden). Der OGH begründet sein Verständnis der Klausel mit ihrem Wortlaut. Möglicherweise handelt es sich um einen Fall der rechtskonformen Auslegung, weil die Vereinbarung bei anderer Auslegung gegen § 11 Abs 2 Z 2 und 3 AÜG verstoßen würde. Nach Ansicht des OGH ist sein Auslegungsergebnis der Vereinbarung mit § 11 Abs 2 Z 2 und 3 AÜG vereinbar. Dafür spricht, dass die Anpassung an eine höhere wöchentliche Normalarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte auch in Abschnitt VI.1. KVAÜ vorgesehen ist. Die vertragliche Vereinbarung dehnt diese Verpflichtung auf Teilzeitbeschäftigte aus.
In einem einzigen Satz am Ende der E bejaht der OGH das Vorliegen einer verbotenen Diskriminierung der teilzeitbeschäftigten Kl nach § 19d Abs 6 AZG. Zur Vermeidung einer Diskriminierung sei die innerbetriebliche Verkürzung der Arbeitszeit um 6,5 % bei entsprechendem Lohnausgleich auch auf die teilzeitbeschäftigten Kl anzuwenden. Die in der Vergangenheit von den Kl geleistete Arbeitszeit, die dieser Verkürzung entspricht, stelle dann Mehrarbeit dar und sei entsprechend zu entlohnen.
Der OGH hat das Vorliegen einer Diskriminierung mE zutreffend bejaht. Die Herabsetzung der Normalarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich hätte zur Folge, dass Vollzeitbeschäftigte einen höheren Stundenlohn erhalten als Teilzeitbeschäftigte. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich.
Der bekl Überlasser schafft durch die geforderte Anwendung der Arbeitszeitverkürzung auf die teilzeitbeschäftigten Kl nicht „Abhilfe“ für eine Diskriminierung des Beschäftigers (§ 6a Abs 3 AÜG), sondern beseitigt eine eigene Diskriminierung. Die Diskriminierung hat ihren Ursprung zwar in einer Vereinbarung des Beschäftigers mit seinen vertraglichen AN. Der im Verfahren relevante Entgeltanspruch der überlassenen AN richtet sich aber grundsätzlich nur gegen den Überlasser, ihren vertraglichen AG. Die Entgeltbedingungen im Beschäftigerbetrieb werden dabei nur mittelbar über den Gleichstellungsanspruch relevant. Es liegt in der Verantwortung des Überlassers, das Gleichstellungsgebot nach § 10 AÜG sowie nach dem KVAÜ ohne Diskriminierungen anzuwenden. Aus dem Entscheidungstext kommt nicht eindeutig hervor, ob der Beschäftiger die unechte BV auf „eigene“ teilzeitbeschäftigte AN angewendet hat. Selbst wenn, wäre der Überlasser aber dazu verpflichtet, diskriminierende Arbeitsbedingungen des Beschäftigers gegenüber den eigenen überlassenen AN zu vermeiden.