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„Wahlrecht“ und Unverzüglichkeit im besonderen Bestandschutz

THOMASPFALZ (WIEN)
  1. Nach der Rsp hat der DN im Fall einer unwirksamen Auflösung bzw unzulässigen Beendigung des Dienstverhältnisses (hier Entlassung) bei bestehendem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung einer Kündigungsentschädigung wegen rechtswidriger Beendigung.

  2. Die Klage auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung muss unverzüglich, also ehebaldigst, erhoben werden. Die verspätete Einbringung der Zustimmungsklage hat nicht nur eine Verfristung des Klagerechts, sondern auch des Entlassungsgrundes zur Folge. Ist der Entlassungsgrund verwirkt, ist dieser im Leistungsverfahren nicht mehr überprüfbar.

  3. Wenn sich der DG auf einen Entlassungsgrund nach § 12 Abs 2 Z 4 oder 5 MSchG berufen kann, der eine nachträgliche Zustimmung des Gerichts zur Entlassung ermöglicht (§ 12 Abs 4 MSchG), so kann ihm bei fristgerechter Zustimmungsklage die Prüfung dieses Entlassungsgrundes nicht dadurch abgeschnitten werden, dass der DN von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, die Entlassung gegen sich wirken zu lassen. Wird die Ausübung des Wahlrechts innerhalb der Klagefrist für die nachträgliche Zustimmungsklage oder im Zustimmungsprozess nach rechtzeitiger Klageerhebung erklärt, so bewirkt dies daher, dass sich der DG auf den ins Treffen geführten Entlassungsgrund iSd § 12 Abs 2 Z 4 oder 5 MSchG auch im nachfolgenden Leistungsprozess noch berufen kann.

Der Kl war ab 1.8.2000 bei der Bekl als Flugzeugmechaniker beschäftigt. Nach der Geburt sei-247nes Kindes am 9.3.2010 nahm er Väterkarenz in Anspruch. Aus diesem Grund arbeitete er in Teilzeit im Ausmaß von 80 %. Am 30.1.2014 sprach die Bekl gegenüber dem Kl die Entlassung des Dienstverhältnisses aus. Dabei wurde ihm der Diebstahl der Tischbeine einer Werkbank vorgeworfen. Ebenfalls am 30.1.2014 wurde dieser Vorfall bei der Polizeiinspektion Flughafen auch zur Anzeige gebracht. Das gegen den Kl geführte Strafverfahren wurde diversionell erledigt. Mit Schreiben vom 11.2.2014 forderte die Arbeiterkammer in Vertretung des Kl die Kündigungsentschädigung und die gesetzliche Abfertigung ein.

In der Folge erhob die hier Bekl am 19.2.2014 beim LG Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht Klage auf nachträgliche Zustimmung zu der am 30.1.2014 ausgesprochenen Entlassung. Mit Urteil vom 7.4.2014 wurde diese Zustimmungsklage mit der Begründung (rechtskräftig) abgewiesen, dass sich der DN der Wirksamkeit der Beschäftigungsbeendigung durch Entlassung unterworfen habe und der DG daher kein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die Zustimmungsklage zukomme.

Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kl Kündigungsentschädigung und Abfertigung sowie einen Auslagenersatz. Er sei am 31.1.2014 aufgrund des ungerechtfertigten Vorwurfs, die DG bestohlen zu haben, entlassen worden. Richtig sei zwar, dass er die Tischbeine einer Werkbank mit nach Hause genommen habe. Es habe ihm jedoch am Zueignungs- sowie am Bereicherungsvorsatz gefehlt. Die Bekl habe lediglich einen Vorwand gesucht, die Entlassung auszusprechen. Aufgrund der Väterkarenz im Ausmaß von 80 % dauere der Bestandschutz bis 6.4.2014 an; das Beschäftigungsverhältnis hätte daher frühestens zum 31.7.2014 gekündigt werden können. Da ihn die Bekl ohne gerichtliche Zustimmung entlassen habe, seien sowohl das Entlassungsrecht als auch der angezogene Entlassungsgrund verwirkt. Er habe von seinem Wahlrecht, die Beendigung des bestandgeschützten Dienstverhältnisses zu akzeptieren, Gebrauch gemacht. Die Entlassung sei in diesem Fall ohne weitere Prüfung als unberechtigt anzusehen. [...]

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Entlassung des Kl hätte aufgrund des Bestandschutzes (im Zusammenhang mit dem ihm vorgeworfenen Diebstahl) nur gegen nachträgliche Zustimmung des Gerichts wirksam werden können. Die Zustimmungsklage sei vom DG ehebaldigst einzubringen. Die Bekl habe im Vorverfahren die Zustimmungsklage aber verspätet eingebracht, weshalb von der Verfristung des Klagerechts auszugehen sei. Selbst wenn auf den Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts durch den Kl abgestellt werde, sei die Zustimmungsklage verspätet gewesen. Aus diesem Grund habe eine Auseinandersetzung mit dem angelasteten Entlassungsgrund nicht mehr zu erfolgen.

Das Berufungsgericht bestätigte – nach Abweisung des Antrags der Bekl auf Normenkontrolle (Anfechtung des Entlassungsschutzes nach den §§ 8 f Satz 3 und 7 Abs 3 Sätze 2 und 3 VKG) durch den VfGH mit Beschluss vom 23.11.2015 – diese Entscheidung. [...]

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Wechselwirkung zwischen Wahlrechtsausübung und Verfristung der Zustimmungsklage keine Rsp des OGH bestehe.

Gegen diese E richtet sich die Revision der Bekl, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt. [...] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Kl steht nach den (modifizierten) Ausführungen in der Revisionsbeantwortung auf dem Standpunkt, dass zufolge seines Bestandschutzes nach dem Väterkarenzgesetz durch die ausgesprochene Entlassung das Dienstverhältnis schwebend beendet worden sei. Da die Zustimmungsklage im Vorprozess rechtskräftig abgewiesen worden sei, liege keine gerichtliche Zustimmung zur Entlassung vor. In diesem Fall gelte die Entlassungserklärung unwiderleglich als unwirksam.

Die Bekl argumentiert, der Kl habe die Entlassung akzeptiert und damit von seinem Wahlrecht, die Entlassung gegen sich gelten zu lassen, Gebrauch gemacht. Damit habe er auf den Entlassungsschutz verzichtet. Der Bestandschutz sei nicht mehr zu berücksichtigen. Die Ansprüche gebührten dem Kl jedenfalls nicht bis zum Ende des Bestandschutzes. Vielmehr sei zu prüfen, ob die Entlassung berechtigt oder unberechtigt gewesen sei. Aufgrund des dem Kl angelasteten Diebstahls sei dieser berechtigt entlassen worden.

2. [...] Die Ansicht des Kl, dass das Dienstverhältnis unmittelbar durch die Entlassungserklärung (schwebend) beendet worden sei, ist nicht zutreffend. Nach der Rsp ist eine gegen (wie hier) nachträgliche Zustimmung ausgesprochene Entlassung schwebend unwirksam. Das Dienstverhältnis bleibt daher (schwebend) aufrecht. Erst aufgrund der nachträglichen Zustimmung tritt rückwirkend die Rechtswirksamkeit der Entlassung und damit die Auflösung des Dienstverhältnisses ein (vgl 9 ObA 148/97y mwN). Diese Grundsätze gelten auch für den Bestandschutz nach dem Väterkarenzgesetz.

3. Entgegen der nunmehrigen Ansicht des Kl in der Revisionsbeantwortung ist ihm auch ein Wahlrecht, die Entlassung gegen sich gelten zu lassen, zugekommen. Nach der Rsp hat der DN im Fall einer unwirksamen Auflösung bzw unzulässigen Beendigung des Dienstverhältnisses (hier Entlassung) bei bestehendem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung einer Kündigungsentschädigung bei rechtswidriger Beendigung (RIS-Justiz RS0101989; 9 ObA 55/07i; 9 ObA 180/07x; Thomasberger in

Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger
, MSchG und VKG2 § 12 MSchG 268 und 281). Auch bei einer „schwebend“ unwirksamen Entlassungserklärung handelt es sich vorerst um eine unwirksame Auflösung des Dienstverhältnisses.

Im Anlassfall stellt sich somit die Frage der Konsequenz des vom Kl ausgeübten Wahlrechts in Wechselwirkung zur Zustimmungsklage im Vorverfahren. Die Bekl meint dazu, dass in diesem Fall ohne Bedachtnahme auf den Bestandschutz die Frage der Berechtigung der Entlassung zu prüfen sei.248

4.1 Das Berufungsgericht geht nicht etwa generell davon aus, dass es bei Ausübung des Wahlrechts durch den entlassenen bestandgeschützten DN auf die Frage, ob die Entlassung berechtigt oder unberechtigt gewesen sei, nicht ankomme. Dementsprechend führt es aus, dass eine Überprüfung der Begründetheit der Entlassung im Leistungsverfahren (auf Geltendmachung der Kündigungsentschädigung) nur dann stattzufinden habe, wenn der DN innerhalb der dem DG zustehenden Klagefrist für die Einbringung der Zustimmungsklage von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht habe. Diesem Ergebnis liegt folgende Beurteilung des Berufungsgerichts zugrunde: Die Klage auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung müsse unverzüglich, also ehebaldigst, erhoben werden (vgl dazu schon 8 ObA 78/99z). Die Zustimmungsklage der hier Bekl im Vorverfahren (vom 19.2.2014) sei verfristet gewesen. Diese sei auch schon zum Zeitpunkt der Wahlrechtsausübung durch den Kl (am 11.2.2014) verfristet gewesen, weil die (hier) Bekl besondere Gründe, die ein 12-tägiges Zuwarten mit der Klageerhebung rechtfertigten, nicht behauptet habe. Die verspätete Einbringung der Zustimmungsklage habe nicht nur eine Verfristung des Klagerechts, sondern auch des Entlassungsgrundes zur Folge (vgl 8 ObA 306/99d; Wolfsgruber in ZellKomm2 § 12 MSchG Rz 9; Trost in

Jabornegg/Resch
, ArbVG § 120 Rz 107). Die Verfristung des Klagerechts ziehe die Verwirkung des Entlassungsgrundes nach sich. Sei der Entlassungsgrund verwirkt, so sei dieser im Leistungsverfahren nicht mehr überprüfbar.

4.2 Diese zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts zieht die Bekl in der Revision gar nicht in Zweifel. Vor allem bestreitet sie den Grundsatz nicht, wonach die Verfristung des Klagerechts hinsichtlich der Zustimmungsklage gleichzeitig zur Verwirkung des Entlassungsgrundes führe.

4.3 Dem Bekl [richtig: Kl] kommt aufgrund der Inanspruchnahme von Elternteilzeit iSd § 8 Abs 1 VKG der Kündigungs- und Entlassungsschutz gem § 8f Abs 1 VKG zu. Nach § 8f Abs 1 Satz 3 VKG iVm § 7 Abs 3 VKG iVm § 12 Abs 2 und 4 MSchG ist die Entlassung in den Fällen des § 12 Abs 2 Z 4 und 5 MSchG (§ 12 Abs 4 MSchG) – wie hier – nur bei (auch) nachträglicher Zustimmung des Gerichts wirksam (Thomasberger, aaO § 12 MSchG, 268 und 281; Wolfsgruber, aaO § 7 VKG Rz 1 sowie § 12 MSchG Rz 2, 8 und 37).

Aufgrund des dem Kl vorgeworfenen Diebstahls (Entlassungsgrund nach § 12 Abs 2 Z 5 MSchG) wäre eine gerichtliche Zustimmung zur Entlassung – unter der Voraussetzung einer fristgerechten Klageerhebung – an sich in Betracht gekommen. Wenn sich der DG auf einen Entlassungsgrund nach § 12 Abs 2 Z 4 oder 5 MSchG berufen kann, der eine nachträgliche Zustimmung des Gerichts zur Entlassung ermöglicht (§ 12 Abs 4 MSchG), so kann ihm bei fristgerechter Zustimmungsklage die Prüfung dieses Entlassungsgrundes nicht dadurch abgeschnitten werden, dass der DN von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, die Entlassung gegen sich wirken zu lassen. Wird die Ausübung des Wahlrechts innerhalb der Klagefrist für die nachträgliche Zustimmungsklage oder im Zustimmungsprozess nach rechtzeitiger Klageerhebung erklärt, so bewirkt dies daher, dass sich der DG auf den ins Treffen geführten Entlassungsgrund iSd § 12 Abs 2 Z 4 oder 5 MSchG auch im nachfolgenden Leistungsprozess noch berufen kann.

Diese Voraussetzungen sind im Anlassfall allerdings nicht gegeben, weil die Zustimmungsklage der hier Bekl zum Zeitpunkt der Wahlrechtsausübung durch den Kl bereits verfristet war.

5. Das Hauptargument der Bekl in der Revision besteht darin, dass der Kl schon vor Erhebung der Zustimmungsklage im Vorprozess auf den Entlassungsschutz verzichtet habe. Aufgrund der schwebend unwirksamen Entlassung sei der Kl weiterhin verpflichtet gewesen, zur Arbeit zu kommen. Da er nicht mehr zur Arbeit erschienen sei, habe sie schon am Tag der Entlassung davon ausgehen können, dass der Kl auf seinen Entlassungsschutz verzichte. Das Wahlrecht könne auch konkludent ausgeübt werden.

Diese Argumentation ist nicht stichhaltig, weil für die Annahme einer Verzichtserklärung ein eindeutiges Erklärungsverhalten erforderlich wäre, das ein redlicher Erklärungsempfänger nach der Vertrauenstheorie als Verzicht werten dürfte. Wird ein DN entlassen, so ist aus dem Umstand, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheint, im Allgemeinen kein Verzicht auf einen bestehenden Bestandschutz anzunehmen, weil einem DN in einem solchen Fall zunächst die Inanspruchnahme einer fachkundigen Beratung zugebilligt werden muss. In diesem Sinn führt auch Thomasberger (aaO § 12 MSchG 269) aus: „Unterlässt die Arbeitnehmerin (hier der Arbeitnehmer) im Fall einer (hier schwebend) rechtsunwirksamen Beendigung eine Äußerung, so kann dies nicht unmittelbar als konkludenter Verzicht auf das Gestaltungsrecht (den Bestandschutz) gedeutet werden. Nach Ausspruch einer unbegründeten (unwirksamen) Entlassung durch den AG kann die AN (hier: der AN) ohne Verletzung ihrer Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und ohne Verstoß gegen die Treuepflicht mit der Aufnahme der Arbeit warten, bis sie vom AG wieder dazu aufgefordert wird (bzw ihr eine Nachfrist gesetzt wird).

Im Anlassfall war für die Bekl erst mit dem Schreiben der Arbeiterkammer vom 11.2.2014 klar, dass sich der Kl nicht mehr auf seinen Bestandschutz nach dem Väterkarenzgesetz beruft. [...]

ANMERKUNG

Die E betrifft den besonderen Entlassungsschutz für AN in Elternteilzeit nach VKG. § 8f VKG verweist in diesem Zusammenhang auf die Regeln zur Elternkarenz (§ 7 Abs 3 VKG), die wiederum auf die §§ 10 bis 13 MSchG Bezug nehmen. Die im Urteil erörterten Fragen stellen sich auch bei anderen besonders geschützten AN. Die vorliegende E ist daher auch für diese Personengruppen von Relevanz (zB Betriebsräte oder Präsenzdiener). Anzusprechen sind die Obliegenheit des AG zum zügigen Vorantreiben der Entlassung (Unverzüglichkeitsgrundsatz), die Möglichkeit des beson-249ders geschützten AN, anstelle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Kündigungsentschädigung zu begehren („Wahlrecht“) sowie die Auswirkungen der Nichtinanspruchnahme des besonderen Bestandschutzes. Die Berechnung der Kündigungsentschädigung wird nicht näher erläutert, weil sich der OGH in concreto nicht damit auseinandersetzen musste (vgl dazu OGH 17.12.1997, 9 ObA 394/97z mwN; Wolfsgruber in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 10 MSchG Rz 53).

1.
Unverzüglichkeitsgrundsatz

Die sofortige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den AG ist nur zulässig, wenn der AN einen Entlassungsgrund gesetzt hat. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass eine Partei nicht mehr an den Arbeitsvertrag gebunden sein soll, wenn ein wichtiger Grund eintritt, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder zum nächsten Kündigungstermin unzumutbar erscheinen lässt. Die Möglichkeit zur sofortigen Auflösung aus wichtigem Grund ist allen Dauerschuldverhältnissen immanent. Der AG muss die Entlassung nach Bekanntwerden des Entlassungsgrundes unverzüglich, dh so bald wie möglich ohne unnötigen Aufschub, aussprechen (vgl schon OGH4 Ob 88/50 EvBl 1951/56; Pfeil in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 25 AngG Rz 31 mwN). Tut er dies nicht, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Wirksamwerden einer ordentlichen Beendigung unzumutbar ist (OGH4 Ob 98/81; OGH14 ObA 14/87wbl 1987, 281; Wachter, ZAS 1979, 66). Die verspätet ausgesprochene Entlassung erfolgt somit unbegründet und rechtswidrig.

Im Anwendungsbereich besonderer Bestandschutzregeln kann eine rechtmäßige Entlassung idR nur mit Zustimmung des Gerichts ausgesprochen werden. Die Zustimmung muss grundsätzlich im Vorhinein eingeholt werden, in bestimmten Fällen reicht auch eine nachträgliche Zustimmung (so in concreto nach § 8f VKG iVm § 12 Abs 4 MSchG). Der Unverzüglichkeitsgrundsatz gilt bei besonderem Entlassungsschutz auch für die Klage auf Zustimmung, die nach der Rsp ehestens zu erheben ist (so schon VwGH 25.9.1951 VwSlg 2242/A zum Betriebsrätegesetz 1947; zum MSchG etwa OGH 18.5.1999, 8 ObA 78/99z; vgl Wolfsgruber in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 12 MSchG Rz 9; Trost in
Jabornegg/Resch
§ 122 ArbVG Rz 12 ff). Als Begründung dafür wird neben dem erwähnten Erfordernis der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auch das Interesse des AN an einer raschen Klärung der Rechtslage angeführt. Nach der Rsp soll der AN umgehend Klarheit darüber haben, ob er vom AG entlassen wurde und ob der in Frage stehende Sachverhalt als Entlassungsgrund gerichtlich geltend gemacht wird (OGH9 ObA 141/89Arb 10.785). Trost (in
Jabornegg/Resch
, § 122 ArbVG Rz 12) spricht von einem dem Entlassungsrecht immanenten Interesse an alsbaldiger Klarstellung (ihr folgend Winkler in
Tomandl
, § 120 ArbVG Rz 27 [FN 52]).

Begehrt der AG die nachträgliche Zustimmung des Gerichts zu einer bereits ausgesprochenen Entlassung, wird die Zeitspanne, in der er klagen muss, tendenziell besonders kurz sein. Wenn nämlich der AG mit ausreichender Sicherheit vom Vorliegen eines Entlassungsgrundes ausgeht und daher die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, ist kein Grund ersichtlich, ihm für das Einbringen der Zustimmungsklage eine (neuerliche) Überlegungsfrist einzuräumen (VwGH 30.1.1958 VwSlg 4544/A; VwGH 2.5.1978, Zl 1797, ZAS 1979, 63 [Wachter]).

Im vorliegenden Fall sprach der AG die Entlassung (offenbar rechtzeitig) am 30.1.2014 aus, weil der AN Arbeitsmittel gestohlen habe. Erst knapp drei Wochen später, am 19.2.2014, erhob der AG beim LG Innsbruck Klage auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung. Die Klage wurde ohne Zweifel verspätet eingebracht (vgl dazu auch unten 3.). Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Entlassung unbegründet war.

2.
Wahlrecht

Unterliegt ein Arbeitsverhältnis dem besonderen Entlassungsschutz nach § 12 MSchG, ist eine trotz fehlender Zustimmung des Gerichts ausgesprochene Entlassung kraft ausdrücklicher Anordnung rechtsunwirksam (§ 12 Abs 4 MSchG, vgl etwa auch § 120 Abs 1 ArbVG, § 12 Abs 5 APSG). Nach stRsp und praktisch einhelliger Auffassung in der Lehre steht es dem geschützten AN aber frei, die Entlassung „gegen sich gelten zu lassen“ und statt der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Ansprüche nach § 29 AngG bzw § 1162b ABGB, also vor allem Kündigungsentschädigung, geltend zu machen (zB OGH 7.6.2001, 9 ObA 139/01h mwN; zur Judikaturentwicklung vgl Mayer-Maly, Probleme aus der neueren Rechtsprechung zum besonderen Kündigungsschutz,

[355 ff]
; Jabornegg, Unbegründete Entlassung eines Lehrlings und Behaltepflicht, ).

Dieses Wahlrecht des AN wurde im Schrifttum unterschiedlich begründet. Als Grundlage des Anspruches besonders geschützter AN auf Kündigungsentschädigung wurde etwa eine gesetzliche Wahlschuld des AG (vgl Marhold, ZAS 1982, 61) oder ein nicht näher präzisierter Verzicht auf den besonderen Bestandschutz bzw eine quasieinvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt (Jabornegg,

).Firlei (Verzicht auf besonderen Kündigungsschutz?) und Mayer-Maly () haben aufgezeigt, dass den frühen Versuchen, das Wahlrecht auf eine saubere dogmatische Grundlage zu stellen, zum Teil nicht von der Hand zu weisende Bedenken gegenüberstanden. Diese Schwierigkeiten zeigen sich exemplarisch in einer widersprüchlichen Urteilsbegründung des OGH aus dem Jahr 1980, wonach es einem Lehrling freistehe, das Lehrverhältnis dadurch zu beenden, dass er sich mit einer an sich unwirksamen einseitigen Auflösungserklärung des Lehrberechtigten ausdrücklich oder schlüssig einverstanden erklärt (OGH 18.9.1980, 4 Ob 129/79). Das Lehrverhältnis250soll demnach also durch den Lehrling selbst (!) beendet werden, indem er einer einseitigen (!) Auflösung durch den AG zustimmt. Bei Beendigung durch den AN oder bei einvernehmlicher Auflösung bestünde aber zweifellos kein Anspruch auf Kündigungsentschädigung (vgl § 29 AngG, § 1162b ABGB „der Dienstgeber [...] entläßt“).

Die Rsp hat zunächst auf eine ausführliche und eindeutige Begründung der Lehre vom Wahlrecht besonders bestandgeschützter AN verzichtet. Schließlich hat sich der OGH der Auffassung Schranks und Kudernas angeschlossen, denen zufolge die in den Bestandschutzregeln angeordnete Unwirksamkeit der zustimmungslosen Kündigung oder Entlassung nur als relative Nichtigkeit anzusehen sei (OGH 26.2.1992, 9 ObA 40/92; Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung [1982] 306 ff; Kuderna, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes,

; ebenso etwa Krejci in
Rummel/Lukas
, ABGB3 §§ 1158-1159c Rz 96; Holzer, Bemerkungen zum so genannten „Wahlrecht“ des AN beim besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz, ASoK 2007, 126 [127]; Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 [2017] 299). Daher sei nur der AN berechtigt, die Unwirksamkeit der Beendigung geltend zu machen, der AG dürfe sich nicht darauf berufen (allgemein zur relativen Nichtigkeit und ihren Folgen Rebhahn/Kietaibl in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 879 AGBG Rz 68 ff; Graf in
Kletecka/Schauer
, ABGB-ON1.04 § 879 Rz 4 f; Krejci in
Rummel/Lukas
, ABGB3 § 879 Rz 508 ff). Dieser Ansicht kann gefolgt werden. Für jene Bestandschutzregeln, die zumindest auch öffentliche und/oder kollektive Interessen schützen (ArbVG, MSchG, BAG, AMFG), ist dies zwar nicht zwingend. Man kann aber mit der herrschenden Auffassung davon ausgehen, dass die individuellen Interessen des AN bei sämtlichen Formen des besonderen Bestandschutzes im Vordergrund stehen (vgl Schrank, Fortbestand 309 f; Kuderna, ; Marhold, ZAS 1982, 60).

In concreto wird man daher eine bloß relative Nichtigkeit der vom AG ausgesprochenen Entlassung annehmen können, weil § 8f VKG primär die individuellen Interessen des AN in Elternteilzeit schützt. Als Zwischenergebnis steht somit fest, dass der unberechtigt (vgl oben 1.) entlassene Kl Kündigungsentschädigung nach § 1162b ABGB verlangen kann. Die Bekl kann diesem Begehren nicht die Unwirksamkeit der Entlassung gem § 12 Abs 4 MSchG iVm §§ 7, 8f VKG entgegenhalten.

3.
Auswirkungen der Nichtinanspruchnahme des besonderen Bestandschutzes

Im vorliegenden Fall musste sich der OGH mit der Frage beschäftigen, wie sich die Entscheidung des Kl, Kündigungsentschädigung zu verlangen, auf die beschriebene Obliegenheit der Bekl zum zügigen Vorantreiben der Entlassung auswirkt. Es geht mit anderen Worten um das Verhältnis von Wahlrecht und Unverzüglichkeitsgrundsatz.

Die Bekl hatte argumentiert, der Kl habe sein Wahlrecht bereits unmittelbar nach dem Ausspruch der Entlassung ausgeübt. Der Kl sei nämlich nicht mehr zur Arbeit erschienen, womit er konkludent auf den besonderen Bestandschutz nach VKG verzichtet habe. Diese Argumentation hält der OGH völlig zutreffend für nicht stichhaltig. Aus dem Umstand, dass der AN nicht mehr zur Arbeit erscheint, nachdem ihm gegenüber die Entlassung ausgesprochen worden ist, kann nach den strengen Regeln des § 863 ABGB keinesfalls ein konkludenter „Verzicht“ auf den Bestandschutz abgeleitet werden (so auch Thomasberger in

Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger
, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz2 [2013] § 12 MSchG 269). Der Kl hat vielmehr erst am 11.2.2014 – zwölf Tage nach der Entlassung – mit der Forderung der Kündigungsentschädigung sein Wahlrecht ausgeübt. Zu diesem Zeitpunkt war das Recht des AG, wegen des im Raum stehenden Entlassungsgrundes auf Zustimmung zur Entlassung zu klagen, bereits verfristet. Dieser Entlassungsgrund konnte daher konsequenterweise auch im vorliegenden Verfahren über den Anspruch des Kl auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung nicht mehr geltend gemacht werden.

Im vorliegenden Fall hatte die Ausübung des Wahlrechts durch den AN also keine Auswirkungen auf die den AG treffende Obliegenheit zum unverzüglichen Einbringen der Zustimmungsklage. In dem Zeitpunkt, in dem der Kl sich für die Kündigungsentschädigung und gegen den Bestandschutz entschied, hatte die Bekl diese Obliegenheit bereits verletzt. Fraglich ist jedoch, was im umgekehrten Fall gelten soll, wenn der AN seine Wahl bereits zu einem Zeitpunkt trifft, in dem der AG noch rechtzeitig Klage erheben kann. Dazu führt der OGH Folgendes aus: „Wird die Ausübung des Wahlrechts innerhalb der Klagefrist für die nachträgliche Zustimmungsklage oder im Zustimmungsprozess nach rechtzeitiger Klageerhebung erklärt, so bewirkt dies daher, dass sich der Dienstgeber auf den ins Treffen geführten Entlassungsgrund [...] auch im nachfolgenden Leistungsprozess noch berufen kann.“ Der Inhalt dieser Aussage ist unklar oder zumindest unvollständig. Ist der AG seiner Obliegenheit nachgekommen und hat rechtzeitig Klage erhoben, ist völlig klar, dass der AN die Prüfung des Entlassungsgrundes nicht dadurch abschneiden kann, dass er (anstelle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses) Kündigungsentschädigung verlangt. Der OGH führt aber nicht aus, wie sich der AG zu verhalten hat, wenn der AN sein Wahlrecht ausübt, bevor die Klage auf Zustimmung eingebracht wird.

Dazu kann man fragen, ob der AG noch verpflichtet sein soll, die Entlassung voranzutreiben und auf Zustimmung zu klagen, wenn der AN schon zuvor erklärt hat, dass er die – möglicherweise unbegründete – Entlassung gelten lässt. Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich die Grundlagen des Unverzüglichkeitsgrundsatzes vergegenwärtigen (vgl oben 1.). Der AG muss die Entlassung unverzüglich aussprechen, weil ihm ansonsten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses offensichtlich nicht unzumutbar ist. Die Klage auf gerichtliche Zustimmung zur Entlassung muss unverzüglich251eingebracht werden, weil der AN nicht im Unklaren darüber gelassen werden soll, ob er wirksam entlassen wurde oder nicht.

Vor diesem Hintergrund scheint es prima facie vertretbar, für die hier interessierende Konstellation den Wegfall der Obliegenheit des AG zum unverzüglichen Einbringen der Zustimmungsklage anzunehmen. Mit der Entscheidung des AN gegen den Bestandschutz wird das Arbeitsverhältnis rückwirkend zum Zeitpunkt der Entlassungserklärung beendet (vgl Pkt 2. der Entscheidungsgründe). An die einmal getroffene Entscheidung ist der AN im weiteren Verlauf gebunden (zB OGH9 ObA 40/92RdW 1992, 243 [Eichinger]). Damit erübrigen sich zum einen Überlegungen über die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den AG. Zum anderen besteht aber auch kein Klarstellungsinteresse des AN mehr, weil dieser in die Beendigung eingewilligt hat und daher mit Sicherheit weiß, dass sein Arbeitsverhältnis nicht weiter besteht. Die Prozessinitiative würde damit vom AG auf den AN wechseln, was durchaus adäquat erscheint. Für den AG ist bereits eingetreten, was er primär erreichen wollte (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), nun möchte der AN einen monetären Anspruch geltend machen und muss dafür eine Leistungsklage einbringen. Es wäre sinnlos, vom AG das Einbringen der Zustimmungsklage zu verlangen, wenn die Entlassung auch ohne Zustimmung wegen der Einwilligung des AN bereits wirksam geworden ist. Daher überzeugt auch die E des LG Innsbruck, das im parallel laufenden Verfahren die Zustimmungsklage des AG in Anbetracht der bereits wirksam gewordenen Entlassung mangels Rechtsschutzinteresses abgewiesen hat.

In der Praxis kann es freilich zu schwierigen Beweisproblemen kommen, wenn der AN etwa seine Meinung ändert und zu einem späteren Zeitpunkt doch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangt. Für den AG empfiehlt es sich daher, die Entscheidung des AN gegen den besonderen Bestandschutz und für die Ansprüche nach § 1162 ABGB oder § 29 AngG entsprechend zu dokumentieren. Der AG sollte daher eine schriftliche Erklärung einfordern. Ist der AN zur Abgabe einer solchen nicht bereit, wird der AG gut daran tun, als Vorsichtsmaßnahme doch auf gerichtliche Zustimmung zur Entlassung zu klagen.

Gegen das gefundene Ergebnis könnte man vorbringen, dass das Wahlrecht zwischen Bestandschutz und Kündigungsentschädigung dem besonders geschützten AN eingeräumt wird, weil es für ihn günstiger sein soll, als der Bestandschutz allein (vgl Jabornegg,

, dessen Überlegungen für die Rsp und weitere Diskussion in der Lehre prägend waren). Die Ausübung des Wahlrechts sollte demnach für den AN nicht zu einer Verschlechterung führen, wie sie in der Möglichkeit des AG, sich auch ohne Klage weiterhin auf den vermeintlichen Entlassungsgrund zu berufen, zweifellos erblickt werden kann. Nimmt man aber die heute praktisch einhellig vertretene Auffassung ernst, dass die besonderen Bestandschutzregeln nur eine relative Nichtigkeit der rechtswidrigen Beendigung anordnen, und die §§ 29 AngG bzw 1162b ABGB daher unabhängig von Günstigkeitserwägungen auf besonders bestandgeschützte Gruppen anwendbar sind, scheint dieser Argumentation weitgehend die Grundlage entzogen. In Fällen, in denen der AN noch während der für den AG geltenden Frist zum Einbringen der Zustimmungsklage erklärt, die Entlassung gelten zu lassen, ist der AG daher nicht mehr verpflichtet, (unverzüglich) Klage einzubringen. Der AG kann vielmehr den vom AN angestrebten Leistungsprozess abwarten und sich auch noch in diesem auf jenen Grund stützen, wegen dessen er die Entlassung erklärt hat.

4.
Zusammenfassung

Die vorliegende E entspricht der gefestigten Rsp zum besonderen Bestandschutz. Demnach haben besonders geschützte AN die Möglichkeit, anstelle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Ansprüche nach § 29 AngG bzw § 1162b ABGB geltend zu machen (Wahlrecht). Dieses Ergebnis verdient im vorliegenden Fall wegen des vor allem auf individuelle Interessen abzielenden Schutzzweckes des VKG Zustimmung. Richtig ist auch, dass der AG sich im vorliegenden Verfahren nicht mehr auf den vermeintlichen Entlassungsgrund nach § 12 Abs 2 Z 5 MSchG (iVm § 7 Abs 3 VKG) berufen durfte, weil er seine Obliegenheit, unverzüglich auf Zustimmung zu klagen, verletzt hatte. Gibt ein besonders geschützter AN jedoch unmittelbar nach Ausspruch der Entlassung zu erkennen, dass er diese gelten lassen möchte, entfällt die Obliegenheit des AG zum unverzüglichen Einbringen der Zustimmungsklage. Dessen ungeachtet kann es in der Praxis für den AG ratsam sein, auch in einem solchen Fall auf Zustimmung zu klagen. Wie der OGH eine derartige Konstellation beurteilen wird, bleibt abzuwarten.252