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Keine Forderung von Dienstnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch den Dienstgeber jenseits des Lohnabzugsrechts nach § 60 Abs 1 ASVG

ANGELAJULCHER (WIEN/SALZBURG)
  1. § 60 Abs 1 ASVG stellt eine abschließende Regelung dar; abgesehen von den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen besteht dann, wenn ein Abzug nach dieser Bestimmung nicht mehr möglich ist, keine Verpflichtung des DN zum Ersatz von auf ihn entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen.

  2. Das Recht des AG auf Einbehalt der DN-Beiträge steht in keinem Zusammenhang mit einem gutgläubigen Verbrauch durch den AN. Dass der AN irrtümlich einem unrichtigen Sozialversicherungsträger Beiträge geleistet und deshalb einen Rückforderungsanspruch gegen diesen hat, rechtfertigt mangels Anspruchsgrundlage nicht, den AN dazu zu verpflichten, die so erhaltene Leistung zur Abdeckung von vom AG nicht fristgerecht bezahlten DN-Beiträgen heranzuziehen.

  3. Die Geltendmachung von DN-Beiträgen über § 60 Abs 1 ASVG ist auch nicht in jenen Fällen zulässig, in denen die Ausübung des Abzugsrechts infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist. Das Gesetz bietet keine Anhaltspunkte für eine solche Differenzierung.

Die Bekl war bei der Kl von 2000 bis 2013 als Ärztin auf Werkvertragsbasis tätig. Aufgrund einer Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben nach § 86 EStG wurde die Arbeitsleistung der Bekl von den Behörden als unselbstständige Tätigkeit eingestuft. Der Kl wurden daraufhin von der Gebietskrankenkasse (GKK) insgesamt € 38.212,23 an DN- und DG-Sozialversicherungsbeiträgen vorgeschrieben.

Die von der Bekl an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) nach dem GSVG bezahlten Sozialversicherungsbeiträge von € 6.265,39 wurden ihr über ihren Antrag zurückgezahlt. [...]

Über das Vermögen der Kl wurde am 10.6.2015 das Sanierungsverfahren eröffnet. Aufgrund des in der Folge angenommenen Sanierungsplans wurden vom Sanierungsverwalter 40 % der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge an die GKK bezahlt.

Die Kl begehrt die Zahlung von € 6.265,39 sA. Im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben seien ihr für die Bekl DN-Beiträge von € 17.305,64 vorgeschrieben worden. Die Sanierungsplanquote habe € 6.922,25 betragen. [...]

Die Bekl bestreitet [...].

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

Zugleich mit der Berufung gegen dieses Urteil stellte die Kl beim VfGH den Antrag, § 60 Abs 1 Satz 2 und 3 ASVG idF BGBl 1955/189, die in § 60 Abs 3 ASVG idF BGBl 1955/189 enthaltenen Wortfolge „erster Satz“ sowie die in § 41 Abs 3 Satz 1 ASVG idF BGBl 1986/112 enthaltene Wortfolge „und dem ersteren Versicherungsträger gegenüber dem letzteren ein Ersatzanspruch für zu Unrecht erbrachte Leistungen gemäß § 182 zusteht“ als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Beschluss vom 23.9.2016, G 262/2016-6, lehnte der VfGH die Behandlung des Antrags ab. Gegen die Bestimmung des § 60 ASVG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Da die Höhe der Beitragsschuld des DG nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens sei, sei auszuschließen, dass § 41 Abs 3 erster Satz GSVG, der einen Beitragsausgleich zwischen einem leistungserbringenden und dem versicherungszuständigen Versicherungsträger regle, präjudiziell sei.

Der Berufung der Kl gab das Berufungsgericht nicht Folge. [...]

Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil eine explizite Judikatur zur Rückforderbarkeit von DN-Anteilen zur SV bei nachträglicher Inanspruchnahme des DG und gleichzeitiger Rückerstattung von nach dem GSVG geleisteten Beiträgen bisher nicht vorliege und in der Literatur eine Ausgleichsmöglichkeit zwischen DG und DN gefordert werde. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Nach § 58 Abs 2 Satz 1 ASVG schuldet die auf den Versicherten und den DG entfallenden Beiträge zur SV der DG. Schuldner (und nicht bloß Inkassant oder Zahlstelle) ist daher auch für den DN-Anteil zur SV der DG (vgl VwGH92/08/0090). Diese Verpflichtung des DG ist – abgesehen von gesetzlichen Ausnahmefällen – zwingendes Recht und kann durch Vereinbarung zwischen DG und DN nicht abgeändert werden (Derntl in

Sonntag
, ASVG, § 58 Rz 15).

Nach § 60 Abs 1 ASVG ist der DG berechtigt, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht muss bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrags folgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, dass die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teils dieser vom DG nicht verschuldet ist. Im Fall der nachträglichen257Entrichtung der Beiträge ohne Verschulden des DG dürfen dem Versicherten bei einer Entgeltzahlung nicht mehr Beiträge abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallen.

Die hier zu beurteilende Frage ist, ob § 60 Abs 1 ASVG eine abschließende Regelung darstellt oder nur das Abzugsrecht des DG bei aufrechtem Dienstverhältnis regelt, ohne andere Möglichkeiten der Geltendmachung der DN-Beiträge auszuschließen.

2. Resch (SV-Komm, 152. Lfg, § 60 Rz 14 ff) führt dazu aus, dass es bei Verschulden des DG nach einem Monat zu einem Verschieben der Beitragslast auf den DG komme. Das damit normierte sogenannte Nachholverbot diene als gesetzliche Motivation für den DG zur Einhaltung der Meldepflicht: Damit solle indirekt erreicht werden, dass der DG von sich aus den sozialen Schutzzweck des Gesetzes unterstütze und nicht gefährde. Der DG solle zum pünktlichen Beitragsabzug diszipliniert werden. Der Übergang der materiellen Beitragslast auf den DG sei gerade die gesetzliche Sanktion auf das DG-Verschulden (so auch: Resch, Schaden und Mitverschulden des Dienstnehmers bei Nichtanwendung zur Sozialversicherung, JBl 1995, 24 [30]).

Sei dem DG kein Verschulden zur Last zu legen, enthalte § 60 Abs 1 Satz 3 ASVG eine Ratenregelung. Zweck dieser Regelung sei die Verhinderung übermäßiger Lohnabzüge beim Entgelt, auf das der DN ja typischerweise existenziell angewiesen sei (Resch, SV-Komm, 152. Lfg, § 60 Rz 19). § 60 ASVG gewährleiste damit eine regelmäßige und nicht plötzliche Belastung des DN mit Sozialversicherungsbeiträgen.

Im Gegensatz dazu wird allerdings auch vertreten, dass § 60 Abs 1 ASVG nur das Abzugsrecht des DG regelt, jedoch darüber hinaus die Geltendmachung von Ansprüchen des DG aus der Zahlung des DN-Anteils gegen den DN nicht ausschließt. Krejci (Das Sozialversicherungsverhältnis [1977] 154 f) verweist auf die Parallele zur Lohnsteuer. Auch wenn im Lohnsteuerrecht der AN selbst als Steuerschuldner bezeichnet werde, während im Sozialversicherungsrecht der DG auch bezüglich der DN-Beiträge selbst Beitragsschuldner sei, bleibe der DN im Ausmaß der von ihm zu tragenden Beitragsanteile beitragspflichtig. Es sei daher gerechtfertigt, § 1358 ABGB zumindest sinngemäß heranzuziehen, allenfalls § 1042 ABGB.

Auch Schrammel (Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung [1985] 93 ff) geht davon aus, dass jedenfalls bei einer vom DG nicht verschuldeten nachträglichen Beitragsentrichtung die materielle Beitragslast unabhängig vom Lohnabzugsverfahren besteht. Könne das Lohnabzugsverfahren etwa wegen Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr durchgeführt werden, wäre es dadurch nicht gerechtfertigt, den DG nunmehr auch im Innenverhältnis den noch nicht abgezogenen DN-Anteil tragen zu lassen.

Für den Fall der verschuldeten verspäteten Beitragsentrichtung verweist Schrammel auf § 61 ASVG. Der „chronisch“ säumige Zahler werde für die Zukunft entlastet, er habe den DN-Anteil auch bei fortdauernder Säumigkeit im Innenverhältnis nicht mehr zu tragen. Darin sieht er als Wertungswiderspruch zur Ansicht, dass bei im Einzelfall verschuldeter verspäteter Zahlung die Beitragspflicht nach einem Monat auf den DG übergehen soll. Auch die Regelung des § 60 Abs 2 ASVG sei nur plausibel, wenn man davon ausgehe, dass § 60 Abs 1 ASVG primär nur festlegen wolle, unter welchen Voraussetzungen der DG einseitige von ihm gezahlte, aber den DN belastende Beitragsteile einziehen dürfe.

Eine Anspruchsgrundlage sieht Schrammel in einer (sinngemäßen) Anwendung des § 1042 ABGB, nach dessen Regelung zwar nur derjenige für einen anderen Aufwendungen mache, der eine fremde Schuld erfüllte. Formal erfülle der DG zwar eine eigene, nur ihn treffende Schuld. In materieller Hinsicht bleibe aber weiterhin der DN für seinen Anteil beitragspflichtig. Daher wäre auch eine Anwendung des § 1358 ABGB zu überlegen, vergleichbar mit Fällen der vom AG nachzuzahlenden Lohnsteuer.

In jüngerer Zeit hat sich insb Kietaibl mit dem Thema auseinandergesetzt (Sozialversicherungsrechtliche Rückabwicklung bei aufgedeckter Scheinselbständigkeit, ZAS 2006, 169). Auch er sieht eine mögliche Anspruchsgrundlage für Forderungen des DG über § 60 Abs 1 ASVG hinaus in der sinngemäßen Anwendung des § 1358 ABGB oder § 1042 ABGB. Weiters verweist er darauf, dass für den Fall der Feststellung der rückwirkenden Versicherungspflicht nach ASVG der Versicherte nach § 41 Abs 6 GSVG ein Rückforderungsrecht hinsichtlich jener Beiträge habe, die in der Vergangenheit wegen fälschlicher Behandlung als unternehmerischer freier DN an die SVA gezahlt worden seien, sofern er keine Versicherungsleistungen in Anspruch genommen habe. Sei dies der Fall, werde man aber ein Regressrecht des DG gegen den DN trotz Verlust des Abzugsrechts nach § 60 ASVG jedenfalls bejahen müssen, weil der DN sonst ungebührlich bevorteilt würde. Er könnte sämtliche Beitragszahlungen nach GSVG zurückfordern und der DG müsste allein die gesamte Beitragslast nach ASVG tragen. Der Ausschluss des Regressrechts des DG bei Verlust des Abzugsrechts solle in erster Linie verhindern, dass der DN nachträglich mit Beitragszahlungen belastet werde, mit denen er nicht rechnen musste und nachträglich bereits gutgläubig verbrauchtes Vermögen wieder herausgeben müsse. In diesem Fall gehe es aber im Ergebnis lediglich um die richtige Zuordnung bereits geleisteter Beitragszahlungen. Der DN müsse nichts herausgeben, was er bereits gutgläubig habe verbrauchen können. Es bestehe somit auch kein Grund, dem DG das Regressrecht zu verweigern, soweit der DN die ungebührlich entrichteten Beiträge nach GSVG von der SVA zurückverlangen könne.

3. Der OGH hat sich bereits in der E 9 ObA 166/89 mit der hier zu beurteilenden Frage auseinandergesetzt. Dabei ging er davon aus, dass § 60 ASVG eine abschließende Regelung darstellt. Daraus wurde auch abgeleitet, dass der DG nicht ein wegen Versäumnis nach § 60 ASVG verwirktes Recht auf Abzug des auf den Versicherten entfallenden Beitragsteils im Wege einer Aufrechnungseinrede geltend machen könne (RIS-Justiz RS0033990).258

Von dieser Beurteilung abzugehen besteht trotz der entgegenstehenden Lehrmeinungen keine Veranlassung. Wie bereits dargelegt, ist nach § 58 Abs 2 ASVG der DG alleiniger Schuldner der Beiträge zur SV. Die gesetzliche Grundlage dafür, dass er den DN-Beitrag überwälzen kann, bildet § 60 Abs 1 ASVG. Dabei kann der zuvor zitierten Literatur nicht darin gefolgt werden, dass diese Regelung nicht abschließend ist. Geht man nämlich davon aus, dass § 60 Abs 1 ASVG nur das Abzugsrecht des DG regelt, daneben aber die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Geltendmachung offen lässt, wäre sowohl die Beschränkung für den Fall des Verschuldens des DG (auf die der Fälligkeit des Beitrags nächstfolgende Entgeltzahlung) als auch die Beschränkung auf eine ratenweise Geltendmachung bei unverschuldeter Nachzahlung sinnlos, hätte doch der AG daneben immer die Möglichkeit, den Gesamtbetrag sofort und unabhängig vom eigenen Verschulden zu fordern. Dies würde dazu führen, dass er etwa nach Erwirken eines Exekutionstitels seine Forderung bis zur Höhe des Existenzminimums geltend machen kann. Dass dies dem Zweck des § 60 Abs 1 ASVG, der auf eine periodenweise beschränkte Belastung des AN abzielt, widerspricht, ist offenkundig. Die teilweise geäußerte Ansicht, dass der strenge Rahmen des Gesetzes zusätzlich dazu dienen soll, den DG zu pünktlichen Beitragszahlungen (und periodenkongruenten Abzügen) zu motivieren, würde diese Auslegung stützen, muss in diesem Zusammenhang aber nicht weiter geprüft werden.

Es lässt sich auch nicht damit argumentieren, dass die Geltendmachung von DN-Beiträgen über § 60 Abs 1 ASVG hinaus auf die Fälle reduziert werden kann, in denen die Ausübung des Abzugsrechts etwa infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist. In der Regel wird sich die Situation des ausgeschiedenen AN nicht wesentlich von der während der Beschäftigung unterscheiden und ihn eine unbeschränkte und sofortige Zahlungspflicht in selber Weise treffen. Im Übrigen bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte für eine solche Differenzierung.

Wenn verschiedentlich mit den Ausnahmeregelungen des § 60 Abs 2 bzw § 61 ASVG argumentiert wird, so zeigt gerade die Sonderregelung, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen von einem Sachverhalt ausgeht, der einer von der Grundregel abweichenden Behandlung bedarf. Dass § 61 ASVG allenfalls „chronisch“ säumige AG besserstellt, mag vom pönalisierenden Element her einen gewissen Widerspruch zu § 60 Abs 1 ASVG darstellen, aus der Sicht des AN ergibt sich daraus aber keine Schlechterstellung gegenüber einem AN, dessen AG die Sozialversicherungsbeiträge periodenkongruent abliefert, da er nicht mit Forderungen konfrontiert wird, die länger zurückliegende Zeiträume betreffen. Dass der Gesetzgeber der regelmäßigen Abfuhr der Beiträge gegenüber dem allfälligen erzieherischen Charakter eines Übergangs der Beitragspflicht den Vorrang gibt, lässt keinen Rückschluss auf die Auslegung des § 60 Abs 1 ASVG zu.

Dazu kommt, dass sich auch aus den in der Literatur genannten möglichen Anspruchsgrundlagen außerhalb des ASVG, § 1358 bzw § 1042 ABGB kein Anspruch des AG ableiten lässt. § 1358 ABGB setzt die Zahlung einer fremden Schuld voraus. Anders als bei der Lohnsteuer, bei der nach § 83 EStG der DN Steuerschuldner ist, der AG also aufgrund seiner Verpflichtung die Lohnsteuer einzubehalten, eine fremde Schuld bezahlt, ist bei der SV Schuldner der AG. Die Annahme einer materiell fremden Schuld lässt sich letztlich mit § 58 Abs 2 ASVG nicht in Einklang bringen. Eine sinngemäße Anwendung des § 1358 ABGB ist daher abzulehnen. Daran scheitert aber auch eine Berufung auf § 1042 ABGB. Der AG tätigt keinen fremden Aufwand.

Das Recht des AG auf Einbehalt der DN-Beiträge steht auch in keinem Zusammenhang mit einem gutgläubigen Verbrauch durch den AN. Dass der AN irrtümlich einem unrichtigen Sozialversicherungsträger Beiträge geleistet und deshalb einen Rückforderungsanspruch gegen diesen hat, rechtfertigt nicht, den AN dazu zu verpflichten, die so erhaltene Leistung zur Abdeckung von vom AG nicht fristgerecht bezahlter DN-Beiträge heranzuziehen. Letztlich lässt auch Kietaibl, der davon ausgeht, dass zumindest die nach dem GSVG zurückbezahlten Beiträge dem DG herauszugeben sind, offen, welche Anspruchsgrundlage dafür in Betracht kommen soll.

Der Senat verkennt nicht, dass es gerade im Zusammenhang mit einer Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben und der – mitunter auch nicht leicht zu beurteilenden – richtigen Einstufung selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit zu erheblichen Belastungen des DG durch Nachtragsvorschreibungen kommen kann. Dies hat auch dazu geführt, dass der Gesetzgeber zur Schaffung von Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit in der gesetzlichen SV mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) und Änderungen des ASVG, GSVG, BSVG EStG 1988, BGBl I 2017/125, reagiert hat. Zu einer Änderung des § 60 Abs 1 ASVG ist es in diesem Zusammenhang trotz der bestehenden Judikatur nicht gekommen.

Zusammengefasst wird daher die Rsp aufrechterhalten, dass § 60 Abs 1 ASVG eine abschließende Regelung darstellt und abgesehen von den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen dann, wenn ein Abzug nach dieser Bestimmung nicht mehr möglich ist, keine Verpflichtung des DN zum Ersatz von auf ihn entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen besteht.

4. Die Revision argumentiert weiters, dass § 41 GSVG insofern eine sachliche Ungleichbehandlung der AG beinhalte, als das Rückforderungsrecht für zu Unrecht bezahlte Beiträge davon abhängt, ob der Versicherungsträger Leistungen erbracht hat oder nicht. Wurden keine Leistungen erbracht, seien die Beiträge an den Versicherungsnehmer, also den AN zurückzuzahlen, wurden sie erbracht, seien die Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen und würden dort auf allfällige Beitragspflichten angerechnet, damit eine Verbindlichkeit des AG reduzieren. Dies sei verfassungswidrig.259

Für eine Anrufung des VfGH, wie vom Revisionswerber angeregt, besteht jedoch keine Veranlassung. Der VfGH hat bereits aufgrund des Antrags der Kl ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 41 Abs 3 erster Satz GSVG nicht präjudiziell für den vorliegenden Fall ist. Es mag sein, dass, wären die Beiträge von der SVA nicht ausbezahlt, sondern der GKK überwiesen worden, die Beitragspflicht der Kl gegenüber der GKK – die im vorliegenden Fall allerdings nicht strittig ist – geringer gewesen wäre. Für allfällige Ansprüche der Kl als AG gegenüber der Bekl als AN hat das jedoch keine Auswirkungen.

5. [betrifft die Behauptung eines Anerkenntnisses]

6. Insgesamt war daher der Revision nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG

Der OGH hat mit dieser E bekräftigt, was schon bisher seiner Judikatur entsprach: Der AG verliert, wenn er von seinem Entgeltabzugsrecht nicht nach Maßgabe des § 60 Abs 1 Satz 2 und 3 ASVG fristgerecht Gebrauch macht, endgültig dieses Recht und kann es später auch nicht auf dem Umweg über eine andere (zivilrechtliche) Konstruktion geltend machen (vgl RIS-Justiz RS0033990: Unzulässigkeit einer nachträglichen Aufrechnungseinwendung). Die Besonderheit des nun an den OGH herangetragenen Falles lag darin, dass die DN die von ihr selbst – als vermeintlich nach dem GSVG pflichtversicherte Selbständige – an die SVA entrichteten Beiträge von dieser gem § 41 GSVG erfolgreich zurückgefordert hatte. Auch für diese Konstellation hielt der OGH jedoch – nach eingehender Auseinandersetzung mit kritischen Literaturmeinungen – an seiner Rsp zu § 60 ASVG fest und betonte, dass die Bestimmung eine abschließende Regelung darstelle.

1.
Beitragsschuld und Beitragslast im ASVG

Gem § 51 Abs 3 ASVG sind die Beiträge zur KV und PV vom Versicherten und seinem DG anteilig zu tragen. Dies bezieht sich auf die wirtschaftliche Belastung durch die Beiträge: Sie soll – so das Konzept – zwischen DG und DN aufgeteilt sein. Schuldner der Beiträge im rechtlichen Sinn ist jedoch gem § 58 Abs 2 ASVG ausschließlich der DG. Nur von ihm können die Beiträge gegebenenfalls gem § 64 ASVG eingetrieben werden, und nur er haftet (neben allfälligen gem § 67 ASVG Haftungspflichtigen) für die Beiträge mit seinem Vermögen.

Um aber zu gewährleisten, dass der DN den wirtschaftlich auf ihn entfallenden Beitragsteil trägt, räumt § 60 Abs 1 ASVG dem DG das Recht ein, diesen Beitragsteil vom Entgelt „in barem abzuziehen“, also einzubehalten, um ihn sodann an den Sozialversicherungsträger abzuführen. Dieses Recht muss bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, dass die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teiles dieser vom DG nicht verschuldet ist. Im Falle der nachträglichen Entrichtung der Beiträge ohne Verschulden des DG dürfen dem Versicherten bei einer Entgeltzahlung nicht mehr Beiträge abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallen. Der schuldlos mit Beitragszahlungen säumige DG soll das Abzugsrecht also nicht endgültig verlieren (womit die Beitragslast auch wirtschaftlich zur Gänze ihn träfe), gleichzeitig soll der DN aber vor einer unverhältnismäßigen Minderung des laufenden Entgelts durch nachträgliche Abzüge geschützt werden. Die Beschränkungen des Abzugsrechts haben somit zwei Zielrichtungen: Zum einen sollen die DG zu pünktlichen und vollständigen Beitragszahlungen motiviert werden, zum anderen sollen die DN grundsätzlich nur mit Beiträgen belastet werden, die der laufenden Entgeltzahlung entsprechen.

Ergänzend zu dieser Regelung bestimmt § 61 Abs 1 ASVG noch, dass der Versicherungsträger dann, wenn der DG mit der Entrichtung von Beiträgen im Rückstand ist, die Entrichtung der DN-Beiträge direkt durch die Versicherten anordnen kann. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die DN dadurch zu Beitragsschuldnern werden, die für ihre Beitragsteile – etwa dann, wenn kein oder nur ein geminderter Lohn ausbezahlt wird – mit ihrem ganzen Vermögen haften (so wohl auch Resch in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 62 Rz 9; aA Derntl in
Sonntag
, ASVG8 § 61 Rz 5); vielmehr handelt es sich um eine bloße Regelung der Zahlungsabwicklung. Dass der DG jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des § 61 ASVG stets Schuldner sowohl der DG- als auch der DN-Beitragsteile bleibt, hat der OGH mehrfach betont, zuletzt in der hier besprochenen Entscheidung.

Während demnach also die Schuldnerstellung unveränderlich ist, kann sich die wirtschaftliche Beitragslast verschieben, indem der schuldhaft säumige DG das Abzugsrecht verliert. Dabei geht es nicht darum, einzelne DN zu begünstigen, sondern um die Interessen der Versichertengemeinschaft an einer möglichst reibungslosen und vollständigen Hereinbringung der Beiträge. Dies zeigt nicht zuletzt der soeben dargestellte § 61 ASVG, der bei einem chronisch säumigen DG die Möglichkeit vorsieht, dass die materielle Beitragslast gerade nicht verschoben wird. Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, die Beitragszahlungen an die Sozialversicherungsträger – unter Schutz der DN vor unverhältnismäßig hohen Belastungen des laufenden Entgelts – sicherzustellen, kann dann, wenn die motivierende Wirkung des Lohnabzugsrechts mit seinen zeitlichen Beschränkungen nicht ausreicht, stattdessen durch den Übergang der Abfuhrverpflichtung auf den DN als verlässlicheren Partner im Dreiecksverhältnis Sozialversicherungsträger – DG – DN verfolgt werden.

2.
Probleme des § 41 GSVG

Schwierigkeiten ergeben sich aus der zwischen dem Versicherten und dem DG geteilten wirtschaftlichen Beitragslast sowie dem teilweisen Aus-260einanderfallen von wirtschaftlicher Betroffenheit und Schuldnerstellung vor allem in den Fällen der Rückabwicklung einer zunächst nach dem GSVG durchgeführten Versicherung, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass schon in der Vergangenheit eine Pflichtversicherung nach dem ASVG gegeben war. Dies führt zur Verpflichtung zur Beitragsnachentrichtung durch den DG, ohne dass er noch zeitgerecht von seinem Abzugsrecht Gebrauch machen könnte. Auch hier kommt es also zu einer Verschiebung der Beitragslast auf den DG, und zwar grundsätzlich unabhängig von seinem Verschulden (auch wenn ihn an der verspäteten Meldung und Beitragsentrichtung kein Verschulden getroffen haben sollte, wäre das Abzugsrecht durch § 60 Abs 1 Satz 3 stark beschränkt und im Fall einer – in solchen Fällen häufig vorkommenden – Auflösung des Dienstverhältnisses überhaupt nicht mehr ausübbar).

Das kann vor allem dann als unbillig erscheinen, wenn der DN – so wie im Fall, der der Entscheidung des OGH zugrunde lag – die der SVA ungebührlich entrichteten Beiträge gem § 41 GSVG erfolgreich zurückgefordert hat. Wohl aus diesem Grund hatte der Kl im vorliegenden arbeitsgerichtlichen Verfahren die Verfassungswidrigkeit des § 41 Abs 3 GSVG behauptet, der nach der für dieses Verfahren noch maßgeblichen Rechtslage nur unter bestimmten Bedingungen eine Überweisung der ungebührlich an die SVA entrichteten Beiträge an den zuständigen Sozialversicherungsträger mit schuldbefreiender Wirkung für den dortigen Beitragsschuldner vorsah. Die Behandlung der Gesetzesbeschwerde wurde vom VfGH aber mangels Präjudizialität des § 41 Abs 3 GSVG – zu Recht – abgelehnt. Ob die verfassungsrechtlichen Bedenken in der Sache gerechtfertigt waren, braucht hier nicht mehr erörtert zu werden, weil mittlerweile der Gesetzgeber tätig geworden ist: Mit dem am 1.7.2017 in Kraft getretenen SV-ZG, BGBl I 2017/125, wurde § 41 Abs 3 GSVG dahingehend geändert, dass es nun in Fällen, in denen statt der Pflichtversicherung nach dem GSVG nachträglich die Pflichtversicherung nach dem ASVG festgestellt wird, jedenfalls (unter Ausschluss des Rückforderungsrechts der versicherten Person) zu einer Überweisung der zu Ungebühr entrichteten Beiträge an den für die Einhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu kommen hat, die sodann auf die diesem geschuldeten Beiträge anzurechnen sind (wobei sie wirtschaftlich DG und DN im Verhältnis der jeweiligen Beitragsteile zu Gute kommen). Zu einer Konstellation, wie sie dem vom OGH entschiedenen Fall zugrunde lag, kann es nach dieser Rechtslage also nicht mehr kommen.

Auch ein weiteres Problem des § 41 Abs 3 GSVG wurde nunmehr beseitigt: Allfällige Überschüsse nach Überweisung und Anrechnung kommen nicht mehr dem Beitragsschuldner – also dem DG –, sondern der versicherten Person – also dem DN, der die Beiträge an die SVA entrichtet hatte – zu Gute. Die Parallelbestimmung des § 69 Abs 3 ASVG wurde hingegen nicht angepasst: Dh, dass die vom DG (und in wirtschaftlicher Betrachtung anteilig vom DN) ungebührlich nach dem ASVG entrichteten Beiträge nach Überweisung an die SVA (die nach wie vor nur dann zu erfolgen hat, wenn durch den unzuständigen Versicherungsträger Leistungen erbracht wurden) dem Beitragsschuldner nach dem GSVG zugutekommen, der aber – in der Rolle des DN nach dem ASVG – die Beiträge nicht entrichtet und nach dem Konzept des ASVG auch wirtschaftlich nur anteilig getragen hat. Die falsche Durchführung einer Pflichtversicherung nach dem GSVG statt nach dem ASVG (und nicht umgekehrt) – also das Phänomen von „Scheindienstnehmern“ im Gegensatz zu „Scheinselbständigen“ – dürfte aber praktisch kaum von Bedeutung sein.

3.
Schlussfolgerungen des OGH

Der OGH hat daraus, dass Beitragsschuldner nach dem ASVG ausschließlich der DG ist, sehr konsequent abgeleitet, dass eine Forderung der (nur) wirtschaftlich vom DN zu tragenden Beitragsteile auf anderem Weg als durch das Lohnabzugsrecht nach § 60 ASVG nicht in Betracht kommt. Eine andere Sichtweise würde nicht nur der Schuldnerstellung des DG zuwiderlaufen, sondern auch – wie der OGH herausgearbeitet hat – die Beschränkungen des Lohnabzugsrechts ins Leere laufen lassen. Dem Einwand, dass zwischen §§ 60 Abs 1 und 61 ASVG ein Wertungswiderspruch bestehe, wenn man § 60 Abs 1 ASVG als abschließende Regelung und nicht nur als Grundlage für das einseitig ausübbare Abzugsrecht des DG verstehe, hält der OGH richtigerweise entgegen, dass der Gesetzgeber mit der Sondernorm des § 61 ASVGder regelmäßigen Abfuhr der Beiträge gegenüber dem allfälligen erzieherischen Charakter eines Übergangs der Beitragspflicht den Vorrang“ gebe, was aber keinen Rückschluss auf die Auslegung des § 60 Abs 1 ASVG zulasse. Wie oben ausgeführt, ist der „erzieherische Charakter“ der Regelung des § 60 Abs 1 ASVG nicht Selbstzweck, sondern dient dem Interesse der SV an einer möglichst pünktlichen und vollständigen Beitragsentrichtung. Im Hinblick auf diese Zielsetzung ist ein Wertungswiderspruch zwischen § 60 Abs 1 und § 61 ASVG aber nicht auszumachen: Mit beiden Bestimmungen wird letztlich dasselbe Ergebnis angestrebt; kann es durch die motivierende Wirkung des § 60 Abs 1 ASVG nicht erreicht werden, bietet § 61 ASVG einen alternativen Weg.

Selbst wenn man aber einen Wertungswiderspruch sehen wollte, bliebe im Dunkeln, worin eine mögliche zivilrechtliche Anspruchsgrundlage für eine Forderung des DG gegenüber dem DN bestehen könnte. Die in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten §§ 1358 und 1042 ABGB kommen nicht in Betracht, weil der DG als Beitragsschuldner nach § 58 Abs 2 ASVG auch hinsichtlich des DN-Anteils weder eine fremde Schuld begleicht noch einen fremden Aufwand trägt.

Angesichts dessen sind im Übrigen auch weitere teleologische Überlegungen im Hinblick auf die (fehlende) Schutzbedürftigkeit eines DN nicht zielführend. Aus solchen Überlegungen hat der OGH in der E 24.11.1993, 9 ObA 222/93, in Abkehr von seiner bisherigen Rsp zwar abgeleitet, dass die Einschränkungen des § 60 Abs 1 Satz 2 und 3 ASVG261dann nicht gelten, wenn der DG – sei es auch verschuldet – mit der gesamten Entgeltzahlung bzw einer gebührenden Nachzahlung in Verzug ist und zugleich mit der Nachzahlung das Abzugsrecht ausübt: Denn in solchen Fällen komme es zu keiner Belastung des laufenden Entgelts der DN durch einen nicht periodenkongruenten Abzug. Nun ist zwar auch ein DN nicht schutzbedürftig, der geleistete Beiträge erfolgreich von der SVA zurückgefordert hat, könnte er doch die Forderung des DG aus den Zahlungen der SVA begleichen. Für eine derartige Forderung fehlt es jedoch – wie gezeigt – an einer gesetzlichen Grundlage. Zudem ließe das alleinige Abstellen auf die Schutzbedürftigkeit der DN außer Acht, dass der DG durch die Beschränkungen des § 60 ASVG zu pünktlichen und vollständigen Beitragszahlungen bewegt werden soll (das ist im Übrigen auch an der mit 9 ObA 222/93 begründeten Rsp-Linie zu kritisieren; vgl dazu Pöltner,

).

4.
Ausblick

Die soeben beschriebene Konsequenz, dass der DG die DN-Anteile auch von einem DN, der von der SVA die gesamten geleisteten Beiträge zurückerhalten hat, nicht einfordern kann, wird – wie dargestellt – nach dem SV-ZG dadurch vermieden, dass nun eine Rückforderung dieser Beiträge durch den DN überhaupt nicht mehr vorgesehen ist, sondern jedenfalls eine Überweisung an den zuständigen Sozialversicherungsträger unter Anrechnung auf die Beitragsschuld des DG zu erfolgen hat.

Möglicherweise ist man mit dieser Regelung insoweit über das Ziel geschossen, als dem DG nun – abgesehen von allfälligen Beitragszuschlägen und Verwaltungsstrafen – selbst bei schuldhaftem oder sogar dolosem Verhalten keine negativen wirtschaftlichen Konsequenzen aus einer unterlassenen Meldung drohen und somit die Motivation zu einer von Anfang an richtigen Zuordnung geringer sein mag. Dazu kommt, dass der DN als Konsequenz dieser Regelung wirtschaftlich auch die DG-Anteile trägt, weil ja die von ihm an die SVA entrichteten Beiträge nach Überweisung an den zuständigen Sozialversicherungsträger zur Gänze auf die Beitragsschuld des DG einschließlich der DG-Anteile angerechnet werden. Müsste man aber davon ausgehen, dass das im Hinblick auf eine erwartete Pflichtversicherung nach dem GSVG vereinbarte Bruttoentgelt gegenüber jenem eines nach dem ASVG pflichtversicherten DN um den DG-Anteil erhöht ist und dieser Differenzbetrag im Fall einer nachträglichen Zuordnung zum ASVG deswegen dem DG zugutekommen soll, dann würde sich die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, überhaupt noch an der zwischen DG und DN geteilten Beitragslast festzuhalten, liefe doch eine solche Annahme darauf hinaus, dass durch entsprechend niedrigere Entgeltvereinbarungen (die nach der Rsp des OGH grundsätzlich zulässig sind – vgl RIS-Justiz RS0085691) mit nach dem ASVG Pflichtversicherten de facto ohnedies die DN die gesamten Beiträge wirtschaftlich zu tragen haben.262