Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Frankreich – Neuerungen im Arbeitsrecht

OTTOKAUFMANN (PUYROLLAND)
Reformen des Arbeits- und auch des Sozialrechts wurden in den vergangenen Jahren beschlossen und auch umgesetzt. Das umstrittene Arbeitsgesetz vom 8.8.2016* (loi El Khomri) war dann ein erster Schritt hin zum Versuch, wesentliche Teile des Arbeitsrechts durch Änderungen im Arbeitsgesetzbuch grundlegend neu zu gestalten.Präsident Macron hat aber noch mehr vor. So hat er alsbald nach seinem Amtsantritt, wie vorher angekündigt, neue und tiefgreifende Reformen durch gesetzesersetzende Verordnungen – Ordonnances* – in die Wege geleitet und so eine Umgestaltung bzw Änderung wesentlicher Teile des Arbeitsrechts eingeleitet.*
  1. Arbeitsrecht: Grundlegende Neuerungen oder einfache Reformmaßnahmen?

  2. Einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Kündigung

    1. Arbeitnehmerkündigung

    2. Arbeitgeberkündigung

      1. Personenbedingte Arbeitgeberkündigung

      2. Arbeitgeberkündigung aus wirtschaftlichen Gründen

      3. Der tatsächliche und wichtige Grund

    3. Vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer präzisierte Kündigungsgründe

    4. Entschädigungsregelungen bei Kündigung

  3. Einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses

    1. Einvernehmliche individuelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses

    2. Einvernehmliche kollektive Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1.
Arbeitsrecht: Grundlegende Neuerungen oder einfache Reformmaßnahmen?

Die Reformmaßnahmen sind nun geltendes Recht, aber in der Phase der Umsetzung und – wie zB die hier dargestellten Neuerungen – zum Teil noch ohne praktische Anwendung. Sie betreffen mehrere Bereiche der Arbeitsbeziehungen. Im Zuge dieser Änderungen des Arbeitsrechts und der Arbeitsbeziehungen sind auch AN-Vertretungsorgane in Betrieben mit mehr als 11 AN betroffen, wobei Unterschiede zu machen sind zwischen Betrieben unter 50 und solchen mit größerer Belegschaft.* Die seit Jahren festzustellende Tendenz, den Kol-263lektivverhandlungen auf Betriebsebene im Ergebnis mehr Kompetenz einzuräumen,* wird weiter verstärkt. Es ist auch geplant, die berufliche Bildung zu stärken.*

Das Sozialrecht ist von den Ordonnances ebenfalls in Teilen tangiert – zB bezüglich der Rechte des AN nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (siehe unten) –, doch werden für diesen Rechtsbereich wichtige Reformen noch vorbereitet. So ist nach zahlreichen Reformen der Alterssicherung insb eine weitere, weitreichende Reform der Rentenversicherung angekündigt, die zum Ziel hat, das System der Alterssicherung zu vereinheitlichen.* Das wird im Übrigen ein besonders schwieriges Unterfangen werden, gerade auch wegen des zu erwartenden Widerstands der Gewerkschaften, die sich mehrheitlich für den Erhalt der vorteilhafteren Sondersysteme einsetzen und einer vollkommenen Angleichung an das allgemeine Alterssicherungssystem sehr skeptisch gegenüberstehen.* Allerdings hat sich manches seit 1995 verändert, als eine Reform mit gleichem Ziel scheiterte.

Dem Instrument der Flexicurity – Ausdruck, der im Gesetz keine Erwähnung findet – soll in diesem Zusammenhang eine in Frankreich bislang nicht gekannte Relevanz zukommen. Dabei sind jedoch Inhalt und Bedeutung dieses Begriffs natürlich durch den französischen Kontext beeinflusst und keinesfalls identisch mit den Gegebenheiten in anderen Ländern und insb in denen, die dem Begriff seit langem konkrete Inhalte zuordnen. Überall ist das, was Flexicurity im Arbeits- und Sozialrecht ausmacht, in das jeweilige gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und soziale Umfeld eingebettet und zugleich Resultat daraus. Das in Frankreich vorherrschende Prinzip der (sozialen und wirtschaftlichen) Sicherheit wird durch eine Stärkung des Prinzips der Flexicurity sicherlich nicht aufgegeben, nur eben durch zusätzliche Regelungen flankiert, die auch weiterhin soziale Sicherheit garantieren sollen, aber zugleich den AG einen größeren Handlungsspielraum einräumen sollen. Wenn man die Ziele und die Benennung der Ordonnances 2017-1387 über die Planung und Sicherung der Arbeitsverhältnisse in Betracht zieht, scheint das plausibel.

Dieser Beitrag widmet sich einem Teilbereich der durch die Ordonnances vom September 2017 beschlossenen Neuerungen, nämlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Neuerungen modifizieren Teile des bislang geltenden Rechts und ergänzen es durch neue Bestimmungen. Aus diesem Grund können nicht nur die alleinigen Neuerungen dargestellt werden, sondern muss auch auf seit langem geltende Regelungen eingegangen werden.

Zu den wichtigsten Arten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehört natürlich die Kündigung: sowohl die des AN (démission), aber insb auch die AG-Kündigung. Es sei hier bereits angemerkt, dass die im Jahr 2008 durch Gesetz eingeführte Form der individuellen einvernehmlichen Beendigung (siehe 3.1.) in relativ kurzer Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes große Bedeutung erlangt hat und die AG-Kündigung von einzelnen AN an praktischer Bedeutung übertrifft. Durch Ordonnances wurde nun auch die kollektive einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht (siehe 3.2.), die in höchstem Maße umstritten ist.

Die neue Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw des Arbeitsvertrags einer größeren Anzahl von AN im Betrieb soll es ermöglichen, dass diese AN mit der Gewissheit einer höheren Sicherheit und ohne einer Kündigung ausgesetzt zu sein, den Betrieb verlassen können. Im Gegenzug ist der AG von der Erfüllung bestimmter aufwendiger Auflagen (Sozialplan, gegebenenfalls bevorzugte Wiedereinstellung usw) befreit, die ihm im Fall von Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen in jedem Fall oblägen.

2.
Einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Kündigung

Das Arbeitsverhältnis kann auf verschiedene Weise beendet werden und sowohl der AG als auch der AN können das Arbeitsverhältnis einseitig beenden. Schließlich hat auch der Eintritt in den Ruhestand die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge, ohne dass dies einem danach ausgeübten Arbeitsverhältnis entgegenstünde. Im Folgenden werden jedoch nur einige Möglichkeiten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dargestellt, darunter vor allem die neuen Beendigungsarten.

2.1.
Arbeitnehmerkündigung

Der AN, der den Arbeitsvertrag kündigen will, muss die vorgesehene Kündigungsfrist einhalten. Diese ergibt sich im Allgemeinen in der Praxis aus dem zuständigen Tarifvertrag. Die AN-Kündigung ist an keine gesetzliche Formvorschrift gebunden; auch wenn der Tarifvertrag/KollV (convention collective) die Schriftform vorsieht, hat die Nichtbeachtung nicht die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge. Die AN-Kündigung muss jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So muss sie aus freiem Willen ausgesprochen werden, darf vom AG nicht beeinflusst worden sein und muss ernsthaft und unmissverständlich sein. Durch betriebliche Übung hat der AN im Allgemeinen Anspruch auf Freistellung zur Arbeitssuche. Wenn die AN-Kündigung264aus wichtigem Grund erfolgt, besteht Anspruch auf Leistungen aus der AlV ohne Karenzfrist.

2.2.
Arbeitgeberkündigung

Wenn sich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem einseitigen Willen des AG ergibt, handelt es sich um eine AG-Kündigung. Die AG-Kündigung erfolgt aus personenbedingten oder aus wirtschaftlichen Gründen und es muss ein tatsächlicher und wichtiger Grund (siehe dazu mehr unten) dafür vorliegen, um rechtswirksam zu sein. Wenn sowohl personenbedingte als auch wirtschaftliche Gründe die Kündigung veranlassen, wird der Hauptgrund für die ausgesprochene Kündigung vom Gericht eruiert. Der zu kündigende AN muss zu einem Kündigungsgespräch (entretien préalable) geladen und die Kündigungsgründe (énonciation des motifs du licenciement) müssen ihm mitgeteilt werden. Die Frist zwischen Ladung und Gespräch beträgt mindestens fünf Tage, wenn im Betrieb keine AN-Vertretung besteht; sie ist im anderen Fall nicht definiert.

Krankheit ist nur in besonderen Fällen ein Kündigungsgrund, wobei bestimmte Regeln zu beachten sind.

2.2.1.
Personenbedingte Arbeitgeberkündigung

Die personenbedingte AG-Kündigung kann sich auf unterschiedliche Motive und Gründe stützen.

Bei Kündigung wegen Verschuldens (faute) muss der AG das Verschulden des AN nachweisen. Im Fall grober Fahrlässigkeit (faute grave), die eine so schwerwiegende Missachtung der arbeitsrechtlichen Verpflichtung darstellt, dass eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist, müssen dennoch bestimmte Kündigungsregeln beachtet werden.* Bei einer Kündigung wegen vorsätzlichen Verschuldens (faute lourde), mit der Absicht, dem AG zu schaden, die einer außerordentlichen Kündigung gleichgesetzt werden kann, muss hingegen keine Kündigungsfrist eingehalten werden, weil die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar gilt.

Die Kündigung aus betrieblichen Gründen kann insb wegen Schlechterfüllung (insuffisance des résultats) oder unzureichender beruflicher Leistung (insuffisance professionnelle) ausgesprochen werden.

tretervertreter sowie einige andere Inhaber sozialer Mandate, aber auch bestimmte Kategorien oder behinderte AN können nur unter bestimmten Voraussetzungen gekündigt werden. Insb bedarf es der Zustimmung der Arbeitsverwaltung. Eine Kündigung ist gerechtfertigt, wenn alle sachlichen und formalrechtlichen Kriterien erfüllt sind. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn entweder die Sachlage keine Kündigung begründet oder die formalrechtlichen Vorschriften für eine Kündigung nicht oder nicht zu Genüge beachtet worden sind. Für diese Personengruppen – und nur für diese – kann unter bestimmten Voraussetzungen die gerichtliche Aufhebung des Arbeitsvertrags vorgenommen werden.

2.2.2.
Arbeitgeberkündigung aus wirtschaftlichen Gründen

Eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ist eine Kündigung aus einem oder mehreren Gründen, die nicht personenbedingt sind und die durch Arbeitsplatzabbau oder -umgestaltung (suppression ou transformation d‘emploi) oder durch eine wesentliche Änderung des Arbeitsvertrags (modification essentielle du contrat), insb aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder technologischer Veränderungen, bedingt ist. Die Kündigung kann eine Einzelmaßnahme sein oder mehrere AN (auch Massenentlassung) betreffen (licenciement collectif, siehe unten). Auch für diese Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen.

Je nach der konkreten Situation finden verschiedene Regeln Anwendung. Die geltenden Formvorschriften hängen auch davon ab, ob es sich um eine Einzelkündigung handelt oder ob mehrere AN betroffen sind, wobei es auf die Zahl der zu Kündigenden ankommt. Bei einer Einzelkündigung muss die AN-Vertretung nicht konsultiert werden. Bei einer Kündigung von zwei und bis neun AN werden die AN-Vertreter (délégués du personnel) des Sozial- und Wirtschaftsauschusses des Betriebs informiert.* Sind in einem Unternehmen mit elf bis 49 Beschäftigten mindestens zehn AN betroffen, hat der AG weitergehende Vorschriften zu beachten und muss insb die zuständige Verwaltung informieren. In Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten, in denen innerhalb von 30 Tagen mindestens zehn AN entlassen werden sollen, sind darüber hinaus Verhandlungen über eine Arbeitszeitverkürzung zu führen. Ganz allgemein sollen Maßnahmen erarbeitet und vorgeschlagen werden, die den Verlust des Arbeitsplatzes nach Möglichkeit verhindern, indem beschäftigungsfördernde Programme durchgeführt werden. In Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten ist ein Sozialplan für Beschäftigung (plan de sauvegarde de l‘emploi, PSE) auszuarbeiten.* Dieser kann Unterstützung und Hilfen bei freiwilliger Aufgabe des Arbeitsplatzes vorsehen, muss aber in jedem Fall Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen enthalten.

Vor einer Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ist der AG gehalten, alle Möglichkeiten der Weiterbildung auszuschöpfen und zB Umschulungsmaßnahmen anzubieten oder die betroffenen Arbeitsplätze durch Umsetzung (reclassement) zu erhalten. Wenn keine Umschulungsmaßnahme vor-265geschlagen wird, ist zu Lasten des AG eine Zahlung an die AlV fällig. Eine Umsetzung kann im Betrieb selbst oder in einem Unternehmen des Konzerns erfolgen. Diese Maßnahmen sind Teil des Sozialplans.

2.2.3.
Der tatsächliche und wichtige Grund

Die Voraussetzung der Wirksamkeit der personenbedingten oder aus wirtschaftlichen Motiven ausgesprochenen Kündigung ist das Bestehen eines tatsächlichen und wichtigen Grundes (cause réelle et sérieuse). Bei der personenbedingten Kündigung ergibt sich das aus der Person des AN bzw seines Verhaltens.* Der objektive Grund muss der Anlass für die Kündigung sein. Die personenbedingte Kündigung basiert entweder auf der Weisungsbefugnis des AG und wird aus betrieblichen Gründen ausgesprochen oder sie stützt sich auf das betriebliche Disziplinarrecht und wird wegen einer Vertragsverletzung ausgesprochen. Ist kein wichtiger Grund vorhanden, kann das Gericht die Wiedereingliederung des AN vorschlagen.*

2.3.
Vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer präzisierte Kündigungsgründe

Eine der gesetzesersetzenden Verordnungen von 2017 sieht eine Neuerung vor, nämlich die Möglichkeit für AG, die Kündigungsgründe innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich zu präzisieren.* Der AN kann bei Einhaltung derselben Frist eine Präzisierung bzw eine genauere Begründung anfordern. Das gilt in beiden Fällen für eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen. Die eigentliche Neuerung besteht darin, dass die vom AN angefragte Präzisierung bei Antwort des AG vor Gericht in die Prüfung der Kündigungsgründe mit einbezogen wird. Wenn keine AN-Anfrage formuliert wird oder der AG auf sie nicht eingeht, werden die Kündigungsgründe vor Gericht gegebenenfalls anhand der Angaben im Kündigungsschreiben geprüft. Wenn der AN keine Anfrage stellt, obwohl er die im Kündigungsschreiben vorgebrachten Gründe für unzureichend hält oder Zweifel an ihrer Richtigkeit hat, entfällt dadurch zwar nicht der tatsächliche und ernsthafte Kündigungsgrund (siehe 2.2.2.), der AN hat aber nur Anspruch auf eine niedrigere Kündigungsentschädigung. Ob sich durch diese Möglichkeit in der Praxis gewichtige Änderungen ergeben, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht festzustellen.

2.4.
Entschädigungsregelungen bei Kündigung

Der AN, der kündigt und die vorgesehene Kündigungsfrist nicht einhält, setzt sich dem Risiko einer Entschädigungszahlung in Höhe eines Monatsgehalts wegen fristloser Vertragsbeendigung aus. Wird die AN-Kündigung in der Absicht ausgesprochen, dem Unternehmen einen Schaden zuzufügen – Absicht, die nach den gegebenen Umständen festgestellt wird –, ist der AN schadenersatzpflichtig.

Im Falle der AG-Kündigung hat ein AN mit unbefristetem Arbeitsvertrag und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zwei Jahren ohne Unterbrechung Anspruch auf die Zahlung einer Entschädigung. Dies gilt nicht, wenn die Kündigung wegen grober Fahrlässigkeit ausgesprochen wird oder grobes Verschulden (faute grave) vorliegt.*

Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist (délaicongé) durch den AG eröffnet dem AN einen Anspruch auf die spezifische Kündigungsentschädigung.* Diese Entschädigung ist nicht identisch mit der Entlassungsentschädigung. Sie ist nicht fällig bei grober Fahrlässigkeit. Die Zahlung dieser Entschädigung ist unabhängig von allen anderen AG-Zahlungen, insb dem Gehalt, den üblichen Vergünstigungen und der Urlaubsentschädigung (indemnité de congés payés). Das ergibt sich daraus, dass die Zahlung dieser Entschädigung nicht die Kündigung selbst betrifft. Die Vertragsparteien können einvernehmlich auf die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist ohne Entschädigungszahlung verzichten.

Falls eine vom Gericht vorgeschlagene* Wiedereingliederung nicht erfolgt oder wenn die Parteien dem nicht zustimmen, ist eine Abfindungszahlung fällig, die nicht mit der Entlassungsentschädigung (indemnité de licenciement)* identisch ist. Das gilt für Betriebe mit mindestens elf AN oder wenn der AN wenigstens zwei Jahre im Betrieb beschäftigt ist. In Betrieben mit höchstens zehn AN oder wenn der AN weniger als zwei Jahre im Betrieb beschäftigt ist, wird die Höhe der Entschädigung am tatsächlich entstandenen Schaden orientiert.

Eine der Ordonnances vom 22.9.2017 hat ua die Vereinheitlichung der Höhe der Entschädigungszahlung bei Kündigung zum Ziel. Die auf der Grundlage eines nationalen berufsübergreifenden Übereinkommens und einem darauffolgenden Gesetz im Jahr 2013 eingeführte Kündigungsentschädigungstabelle wird durch eine andere Tabelle ersetzt.* Die Höhe der Entschädigung hängt von der Betriebsgröße (weniger als 11 oder mehr AN im Betrieb) ab und hängt von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Die nun geltende Regelung findet keine Anwendung, wenn die Kündigung nichtig ist. Das ist insb der Fall bei Missachtung eines Grundrechts durch den AG, bei Mobbing, bei diskriminierender Kündigung (Nichtbeachtung der Geschlechtergleichheit), bei Offenlegung von Ver-266brechen oder Vergehen, aus Gründen der Schwangerschaft, Vaterschaft, Adoption, Kindererziehung, bei Missachtung der Rechte geschützter AN. Nach Ablauf eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrags hat der AN Anspruch auf eine Abfindung, deren Höhe nach dem Bruttoentgelt bestimmt wird.

3.
Einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Arten einvernehmlicher Beendigungsarten eines einzelnen Arbeitsverhältnisses sind gesetzlich geregelt oder gehen auf die Rsp zurück. Das gilt sowohl für individuelle als auch für kollektive einvernehmliche Beendigungsarten des Arbeitsverhältnisses. Kollektivverträge können ebenfalls Beendigungsarten vorsehen.

Im Folgenden geht es um die einvernehmliche individuelle Beendigung und um die noch nicht praxiserprobte einvernehmliche kollektive Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die im Prinzip vom AG initiiert wird, aber gemeinsam mit den Gewerkschaften durch Abschluss eines KollV realisiert werden soll. Es sei wegen einiger Ähnlichkeiten zwischen der überkommenen Möglichkeit und der neuen Regelung lediglich erwähnt, dass insb die Möglichkeit besteht, einen Plan über freiwillige kollektive Beendigung zu entwerfen, der, wie die neueingeführte Regelung, dem AG nicht die Ausarbeitung und Unterbreitung eines Beschäftigungsplans (plan de sauvegarde de l‘emploi, PSE) auferlegt.*

3.1.
Einvernehmliche individuelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die 2008 eingeführte einvernehmliche Beendigung zwischen AG und AN* hat gewissermaßen die Einzelkündigung durch den AG ersetzt, weil sie die häufigste Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines einzelnen AN darstellt.* Es handelt sich um die Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses, die allerdings der Kontrolle der Arbeitsverwaltung unterliegt. Diese bestätigt (normalerweise durch Unterlassen eines Widerspruchs innerhalb einer bestimmten Frist) die Auflösung und genehmigt sie gegebenenfalls ausdrücklich, wenn AN betroffen sind, die ein soziales Mandat ausüben.

Der AN, der auf diese Weise sein Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit dem AG auflöst, hat Anspruch auf Leistungen aus der AlV.*

Drei Etappen sind für diese Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingend vorgesehen. Zum einen muss ein Gespräch zwischen dem AN und dem AG mit dem Ziel stattfinden, die verschiedenen Modalitäten und Bedingungen prinzipiell festzulegen.* Wenn der AN eine Person als Beistand wählt, hat der AG ebenfalls dieses Recht. Der Beistand muss eine Person aus dem Betrieb sein oder aus einer von der Arbeitsverwaltung zusammengestellten Liste gewählt werden. In der zweiten Etappe wird der Auflösungsvertrag unterzeichnet. Zum Schluss unterzeichnen die Partei ein Übereinkommen, das auf die Möglichkeit des Rücktritts innerhalb von 15 Tagen hinweist und in dem die Höhe der Abfindung festgesetzt wird. Diese muss mindestens der Höhe der Kündigungsentschädigung entsprechen.

Der Zeitpunkt der Auflösung ist frühestens der Tag nach der Zustimmung (bzw keine Mitteilung eines Einwands) durch die Arbeitsverwaltung, die innerhalb von 15 Tagen nach Eingang der Unterlagen durch eine der Parteien erfolgt. Im Streitfall ist das Arbeitsgericht (Conseil de Prud`hommes) zuständig, falls der AN Rechtsanwalt ist, ist es die Rechtsanwaltskammer. Die Anrufung der Gerichtsbarkeit steht innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten offen.

3.2.
Einvernehmliche kollektive Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Ordonnances 2017-1387 (Art 10-III) sieht die Möglichkeit der freiwilligen kollektiven Beendigung (rupture conventionnelle collective) des Arbeitsverhältnisses vor;* die zur Umsetzung der Ordonnances notwendigen Verordnungen wurden im Dezember 2017 erlassen, so dass es nunmehr möglich ist, ein Arbeitsverhältnis nach diesen neuen Regeln vorzunehmen. Dieses bislang nicht vorgesehene Instrument wurde durch die individuelle einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie auf die Kündigung in starkem Maße beeinflusst. Die Obliegenheit, bei Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen einen Sozialplan für Beschäftigung (plan de sauvegarde de l‘emploi, PSE) anzubieten, hat ebenfalls einen Einfluss auf die Regelung gezeitigt. Abgeschlossen wird die Vereinbarung zwischen dem AG und den repräsentativen Gewerkschaften.*

Rechtlich ist eine solche Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine Kündigung, aber die Zielgruppen sind wohl in erster Linie AN, die von einer Massenentlassung betroffen wären. Ein immenser Vorteil für die AG ist es, keinen sozialen Beschäftigungsplan (PSE) ausarbeiten zu müssen, was bei einer Kündigung obläge. Die betroffen AN hingegen267können die Vorteile eines Berufssicherungsvertrags (contrat de sécurisation professionnelle, CSE),* wie das bei Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen in Unternehmen mit weniger als 1.000 AN vorgesehen ist, nicht in Anspruch nehmen.

Die Pflicht zur vorrangigen Wiederbeschäftigung ist ebenfalls nicht vorgesehen, wie das bei einer Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen der Fall wäre. Anzumerken ist, dass die einvernehmliche kollektive Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht wirtschaftlich motiviert und begründet ist. Dennoch, der misslungene Versuch, ein solches Übereinkommen abzuschließen, betraf sehr wohl ein Unternehmen, das aus wirtschaftlichen Gründen die Belegschaftsstärke zu verringern suchte.*

Die Voraussetzungen und Modalitäten der Vertragsauflösung sind Inhalt und Gegenstand eines solchen Übereinkommens und dieses darf nicht mit einer Kündigung verbunden sein. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zur Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen. Im Übereinkommen muss auch die maximale Anzahl auf freiwilliger Grundlage aufzulösender Arbeitsverträge angegeben werden sowie die Anzahl der durch das Übereinkommen verringerten Arbeitsplätze. Das hat zur Folge, dass ein solches Übereinkommen nicht dem Austausch oder der „Verjüngung“ der Belegschaft dienen kann. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang eine Kündigung nicht zulässig, wenn weniger AN ihr Interesse an einer kollektiven Entlassung kundtun als vom AG erwartet bzw im Übereinkommen vorgesehen.

Das Übereinkommen sieht auch Einzelheiten für eine Umsetzung vor. Dazu zählen insb die Voraussetzungen, die interessierte AN erfüllen müssen und die Kriterien der gegebenenfalls zu treffenden Wahl zwischen AN, die bereit sind, das Arbeitsverhältnis aufzugeben. Das ist wichtig, um die festgelegte Anzahl der möglichen Interessierten nicht zu überschreiten.

Schließlich enthält das Übereinkommen Kriterien zur Festlegung der Abfindungsentschädigungen, denn jedem betroffenen AN steht eine solche zu. Die Abfindungen dürfen in keinem Fall geringer sein als die fälligen Entschädigungen bei Kündigung. Der Sozial- und Wirtschaftsausschuss (CSE, comité social et économique)* muss ebenfalls über den Abschluss eines solchen Übereinkommens informiert werden. Das Übereinkommen muss auch Angaben über Möglichkeiten der Eingliederung in vergleichbaren Berufen außerhalb des betroffenen Unternehmens enthalten sowie solche über die berufliche Bildung, Anerkennung der Berufserfahrung (validation des acquis de l‘expérience, VAE),* Umschulung und ähnliches. Die Modalitäten für den Abschluss einer individuellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie eines Rücktritts von der Zusage für eine kollektive Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen ebenfalls in das Übereinkommen aufgenommen werden. Es muss auch geklärt werden, bis zu welchem Zeitpunkt AN ihr Interesse an einer kollektiven Entlassung vorbringen und für das vorgeschlagene Übereinkommen berücksichtigt werden können. Unternehmen mit mindestens 1.000 AN ist auferlegt, bei der Schaffung von beschäftigungsfördernden Aktivitäten und der Entwicklung von Beschäftigungsmöglichkeiten* mitzuwirken.* Diese Obliegenheit besteht auch für andere Beendigungsarten des Arbeitsverhältnisses wie dem Plan für freiwilliges Verlassen des Unternehmens (siehe oben).

Die zuständige Verwaltungsbehörde, der das Übereinkommen vorgelegt wird, gibt ihren Bescheid innerhalb von 15 Tagen, keine Rückmeldung ist gleichbedeutend mit Zustimmung. Wenn die Verwaltung das Übereinkommen ablehnt, kann der AG den Antrag noch einmal stellen. Er muss zwar das CSE informieren, aber ist nicht verpflichtet, neue Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufzunehmen. Jedoch kann ein solches Übereinkommen ohne Mitwirkung der Gewerkschaften nicht wirksam abgeschlossen werden.

Ein immenser Vorteil der kollektiven einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich für den AG daraus, dass er nicht verpflichtet ist, einen plan de sauvegarde de l‘emploi (PSE) oder ein ähnlich kompliziertes Instrument zum Schutz sozialer Rechte auszuarbeiten und anzubieten. Das Interesse an dieser Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist schon aus diesem Grund sehr groß.

Ob die Ordonnances mehr oder weniger tiefgreifende Änderungen des Arbeitsrechts bewirken und tatsächlich weiterreichend sind und sich zumindest in Einzelbereichen als grundlegender Wandel entpuppen, wird die praktische Anwendung zeigen. Ob die Möglichkeit der kollektiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses ähnliche Erfolge verzeichnen wird wie die individuelle einvernehmliche Beendigung ist zum jetzigen Zeitpunkt eher zu verneinen. Praxisbeispiele gibt es im Übrigen noch keine.

Allerdings kann es ja sein, dass Änderungen an den Vorschriften vorgenommen werden, die dazu führen, dass die konträren Haltungen vielleicht nicht vollständig überwunden, aber durch Kompromisse neue Durchsetzungswege geschaffen werden können. Diese neue Möglichkeit der kollektiven Beendigung ist mE nicht so radikal umgestaltend wie manche das sehen – je nach Standpunkt positiv oder negativ –, weil starke Anlehnungen an bereits vorher bestandenen Formen, insb bezüglich des Plans für freiwilliges Verlassen des Unternehmens, zu erkennen sind.

Präsident Macron verfolgt ein ehrgeiziges Programm, mit dessen Umsetzung er einerseits die unternehmerische Freiheit zu stärken hofft, andererseits aber soziale Belange der AN ebenfalls erfüllen will.268