Die historische „Zeitschrift für soziales Recht“ – 1928-1934*
Die historische „Zeitschrift für soziales Recht“ – 1928-1934*
In den Jahren 1928 bis 1934 gab die Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien in insgesamt sechs Jahrgängen je vier Ausgaben der „Zeitschrift für soziales Recht“ (ZfsozR) heraus. Herausgeber waren für die Jahre 1928-1933 die Professoren Stefan Bauer (Basel), Siegmund Grünberg (Wien), Hans Kelsen (bis 1930 Universität Wien und Richter am österreichischen VfGH, danach Köln), Karl Eman Pribram (Frankfurt/Main), Gustav Radbruch (Heidelberg), Hugo Sinzheimer (Frankfurt/Main). Die Redaktion oblag bis 1933 Dr. Hermann Heindl, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien.*
Alle Herausgeber stehen für einen interdisziplinären und rechtspolitischen Ansatz, politisch standen sie alle den sozialdemokratischen Gewerkschaften nahe. Neben den Rechtswisssenschaftlern Hans Kelsen, Gustav Radbruch und Hugo Sinzheimer* gehörte als Jurist der OLG-Senatspräsident Siegmund Grünberg dazu, der an der Wiener Hochschule für Welthandel lehrte.*Stephan Bauer (1865-1934) war ein österreichischer Nationalökonom, der in den Jahren 1901 bis 1919 Leiter des Internationalen Arbeitsamtes in Basel war (und gleichzeitig an der dortigen Universität als außerordentlicher Professor tätig). Auch Karl Eman Pribram (1877-1973) war im Internationalen Arbeitsamt tätig; er war dort von 1921 bis 1928, als das Amt bereits nach Genf gewechselt war, Leiter der statistischen Abteilung. Nach seinem rechtswissenschaftlichen Studium an der Universität Prag war er zunächst zum Dr. iur. promoviert worden, wurde im Jahr 1914 aufgrund seiner ökonomischen Interessen aber zum außerordentlichen Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien ernannt und war später im österreichischen Sozialministerium tätig. Von 1928 bis 1933 lehrte er als Professor an der Universität Frankfurt/Main.
Ab 1930 kam Arthur Lenhoff (Wien) als weiterer Herausgeber hinzu und spielte mit einer Vielzahl von Beiträgen eine wichtige Rolle. Arthur Lenhoff (1885-1965) war zunächst Anwalt in Wien und ab 1926 Professor an der dortigen Universität, wo er als erster das Arbeitsrecht als rechtswissenschaftliches Fach einführte. Von 1930 bis zur Auflösung des Gerichts im Jahre 1934 war er Richter am Österreichischen VfGH.
Zu den Autoren zählten mit Martin Drath, der später Richter am deutschen Bundesverfassungsgericht wurde,* und Franz Mestiz, Sinzheimers Assistent in Frankfurt, der später ua Otto Kahn-Freunds Werke ins Deutsche übersetzte, zwei Dozenten an der Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt/Main (die von Sinzheimer mitgegründet worden war, der dort ebenfalls lehrte).*
Unter den Autoren sind darüber hinaus insb Heinz Potthoff und Karl Renner hervorzuheben. Heinz Potthoff (1875-1945) war Mitglied des Arbeitsrechtsausschusses beim Reichsarbeitsministerium und in dieser Eigenschaft sowohl am Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes wie an der Vorbereitung des Tarifvertragsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes führend beteiligt. Zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus wurde er aus dem Staatsdienst entlassen, veröffentlichte 1935 aber noch ein „Handbuch für Vertrauensräte, Betriebsführer und Gefolgschaft“.
Karl Renner (1870-1950) hatte mit seinem Werk „Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion“ großen Einfluss auf die Rechtstheorie der sozialistischen Juristen und insb Sinzheimer ausgeübt. Er muss als einer der geistigen Väter der Zeitschrift angesehen werden; Sinzheimer erläuterte die Grundlagen „sozialen Rechts“ nicht zufällig mittels einer Rezension der Neuerscheinung von Renners Buchs (ZfsozR 2/1929, 30, 93 ff). Im Erscheinungszeitraum der Zeitschrift war Renner in der Politik aktiv. Er war bereits von 1918 bis 1920 als Staatskanzler maßgeblich am Entstehen der Ersten Republik Österreich beteiligt, von 1920 bis 1934 Abgeordneter und von 1931 bis 1933 Präsident des Nationalrates. Umstritten ist seine Rolle 1933, als ua sein Rücktritt Auslöser des Staatsstreichs durch Dollfuß wurde, sowie seine Zustimmung zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938. Die Zeit der NS-Herrschaft verbrachte er nach kurzzeitiger Verhaftung 1934269unter Hausarrest; nach dem Zweiten Weltkrieg war er Chef der provisorischen Regierung und bis zu seinem Tod 1950 Bundespräsident.
Die Debatte um Begriffe und Instrumente eines „Sozialen Rechts“ wurde vor allem in den ersten drei Jahren der Zeitschrift intensiv geführt. Ein programmatischer Aufsatz von Hugo Sinzheimer (Der Wandel im Weltbild des Juristen), mit dem die Zeitschrift eröffnete, erläuterte das zugrunde liegende Verständnis von Individuum und Kollektiv genauer. Er identifiziert es zunächst als Kennzeichen der gesellschaftlichen Entwicklung, dass „der Entpersönlichung [...] ein neues persönliches Werden auf gemeinheitlicher Grundlage [entspreche]
“. In der sozialen Bewegung „revoltiert der Mensch, wie er leibt und lebt, gegen die Vorstellung, die sich das Recht von ihm macht. [...] Das soziale Recht erfasst den Menschen nicht als Person, sondern als soziales Wesen
“.
Hier finden die beiden Ausgangspunkte des „sozialen Rechts“ – die Anerkennung des Menschen im Recht und die soziologische Methode – in dem Anspruch zusammen, die realen Machtverhältnisse hinter der formalen Gleichheit der Rechtssubjekte und insofern den Menschen in seiner sozialen Einbettung in den Mittelpunkt zu stellen.*
Mit den gesellschaftlichen und sozialen Fragen wird sehr schnell das Kollektive als der eigentliche Gegenstand des sozialen Rechts identifiziert, und zwar in konkreten gesellschaftspolitischen Formationen: „Was den einzelnen an Willensmacht entzogen wird, geht über auf neue Willenszentren, die sich über den einzelnen als Träger eigener Befugnisse erheben (Wirtschaftsräte, Kartelle, Koalitionen).
“ Dahinter steht die Vorstellung einer Wirtschaftsdemokratie, die mit dem Prinzip des Privateigentums an den Produktionsmitteln bricht und dieses auf ein Gemeinwesen überträgt;*) sie wurde damals in der Regel marxistisch begründet. Mit dem Begriff des „sozialen Rechts“ wird also versucht, eine Konstellation zu erfassen, in der alles in der Gesellschaft liegt – und damit weder allein im Individuum noch allein im Staat.
Die programmatischen Texte bieten den Hintergrund für eine Vielzahl rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Aufsätze, Rezensionen, großer und kleinerer Anmerkungen zur Rsp sowie Gesetzgebungsberichte.
Aus heutiger Sicht erscheint interessant, wie viele arbeitsrechtliche Themen die Zeit überdauert zu haben scheinen. So wird unter „Rechtsprechung“ intensiv über ein Urteil des OGH zu „Dienstvertrag, Werkvertrag, Dienstbeschaffungsvertrag“ diskutiert (ZfsozR 4/1932, 256 ff; siehe auch ZfsozR 6/1934, 243: „... eine der die Praxis des Arbeitsrechtes seit einigen Jahren bekanntlich am stärksten beschäftigenden Streitfragen
“). Hier ging es um einen Werkvertrag zwischen Lokalbesitzer und Kapellmeister, auf dessen Grundlage der Kapellmeister als (angeblicher) AG Musiker engagiert hatte. Das Gewerbegericht Wien hielt den Lokalinhaber für den AG, der OGH hingegen den Kapellmeister. Auch die Themen „Arbeitszeit und Arbeitsbereitschaft“ (aaO 261) oder „Urlaubsanspruch nach Entlassung wegen längerer Krankheit“ (aaO 262) klingen vertraut. Siegmund Grünbergs Text über „Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Ketten kurzfristiger Angestelltenverträge?“ (ZfsozR 5/1933, 9 ff) hatte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zuletzt Einfluss auf entsprechende Positionen von Theo Mayer-Maly.*
Zeitspezifischer waren hingegen die Rechtsfragen der kollektiven Normsetzung, denen im „sozialen Recht“ eine besondere Rolle zukam. Den größten Raum nahm insofern die Auseinandersetzung um das „Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht“ ein; unter dieser Überschrift wurden fast ausschließlich Fragen des „Organisationszwangs“ und der „Organisationsklauseln“ behandelt. Worum es rechtspolitisch geht, wird in den Aufsätzen von Arthur Lenhoff deutlich, dem die Dogmatik und Funktion des Koalitionsrechts ein wichtiges Anliegen war. Er eröffnete den 2. Jahrgang der Zeitschrift mit einer umfassenden Kritik des „Entwurf[s] eines Gesetzes zum Schutze gegen Nötigung“. Das Gesetz, um das es hier geht, wird in der Folge als „Antiterrorgesetz“ bezeichnet. Hintergrund war ein Entwurf von 1930 für ein Gesetz „zum Schutz gegen Nötigung“ sowie zum „Schutz der Arbeits- und Versammlungsfreiheit“, der insb den „Organisationszwang“ und den „Gesinnungszwang“ bekämpfen sollte. Im verabschiedeten Gesetz fand sich schließlich tatsächlich die Nichtigkeit von Organisations- und Absperrklauseln; ein Verbot des Abzugs von Gewerkschafts-, Partei- und sonstigen Vereinsbeiträgen konnte jedoch verhindert werden. Neben Lenhoff erbrachte auch Hermann Heindl einen enormen Einsatz in dieser Debatte.*
Als Walter Fröhlich im 5. Jahrgang die „Richterliche Wertung wirtschaftlicher Interessen mit besonderer Berücksichtigung der Wettbewerbsrechtsprechung“ (75 ff) reflektiert, ist dieser Kampf überwiegend verloren; nun ging es vor allem um eine Begrenzung der Reichweite des Gesetzes durch die Auseinandersetzung mit Auslegung und Rsp. Hermann Heindl beschäftigte sich mit der Auslegung des Antiterrorgesetzes in Bezug auf Ärzteverträge (ZfsozR 3/1930, 31, 93 ff) sowie in ZfsozR 4/1932, 116 kritisch mit einzelnen Gerichtsentscheidungen zum Gesetz. Heindls Aufsatz „Über die Grenzen der Normierungsgewalt in Kollektivverträgen unter270Berücksichtigung des deutschen Tarifrechtes“ (ZfsozR 4/1932, 161 ff) wird etwas später (232 ff) durch eine Replik auf Hermann Leitichs Einwände (in der Zeitschrift „Die Industrie“) ergänzt. Hier argumentiert Heindl unter positiver Bezugnahme auf das Antiterrorgesetz mit der Möglichkeit, kollektivvertraglich auch Regelungen zu Lasten von nicht „kollektivvertragsangehörigen“ AN zu treffen – eine Regelung, die zB im Credit-Anstalts-Gesetz von Bedeutung war, das alle Ruhegeldbezüge, die über Kollektivverträge hinausgingen, kürzte.
Das Credit-Anstalts-Gesetz war Ergebnis des Zusammenbruchs der österreichischen Creditanstalt (die heutige „Bank Austria“), die durch die 1929 ausgelöste Weltwirtschaftskrise zum Sanierungsfall wurde. Die Sozialdemokraten setzten sich mit ihrer Forderung nach einer Verstaatlichung nicht durch; die Rettung der Bank durch Garantien für Gläubiger und Kredite wurde überwiegend durch den österreichischen Staat finanziert. Im 4. Jahrgang 1932 war dies Anlass zu kritischen Einwürfen durch Arthur Lenhoff, der in „Bankenkontrolle, Bankenleitung und Vorstandshaftung“ (205 ff) für die Notwendigkeit einer besonderen Bankenaufsicht plädierte. Fritz Guttmann (Staat und Wirtschaft – zur jüngsten österreichischen Zivilrechtsgesetzgebung 230 ff) analysierte die Probleme folgendermaßen: „Daß [...] die schlechte Führung eines einzigen privaten Unternehmens den Staat an den Rand des Abgrundes bringen kann, hat der Zusammenbruch der Credit-Anstalt gezeigt.
“
Was der Anlass für die Einstellung der Zeitschrift nach 1934 war, bleibt unklar.*) Es liegt aber nahe zu vermuten, dass dies mit der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland und der austrofaschistischen Diktatur von 1934 bis 1938 zu tun hatte. Wie spiegelten diese sich in der Zeitschrift?
Die Herausgeber waren überwiegend in Deutschland tätige, jüdische (oder von den Nationalsozialisten als jüdisch bezeichnete) Sozialdemokraten, die 1933 entlassen und verfolgt wurden. Sie zeichnen für die Herausgabe des Jahrgangs 1933 zwar noch formal verantwortlich, hatten in dieser Zeit aber bereits andere Sorgen: Gustav Radbruch wurde 1933 als erster deutscher Professor aus dem Staatsdienst entlassen. Hans Kelsen wurde 1933 von der Universität Köln entlassen, emigrierte in die Schweiz, war anschließend kurzfristig in Ungarn und dann in den USA tätig. Hugo Sinzheimer kam im März 1933 einige Tage in Schutzhaft und wurde gleichzeitig mit Kelsen entlassen. Er flüchtete ins Saargebiet und von dort in die Niederlande, wo er an den Universitäten Amsterdam und Leyden tätig war. Auch Karl Eman Pribram, der eine Professur für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Frankfurt/Main innehatte, verlor 1933 seinen Lehrstuhl wegen seiner jüdischen Herkunft und emigrierte 1934 in die USA, wo er 1939 bis 1952 Professor an der American University in Washington, D. C. war.
Anders als die in Deutschland von Radbruch und Sinzheimer mitherausgegebene Zeitschrift „Die Justiz“ oder die Zeitschrift „Arbeitsrecht“* wurde die Zeitschrift für soziales Recht zunächst weitergeführt. Die Arbeiterkammer und die österreichischen sozialdemokratischen Juristen konnten unter Dollfuß zwar zunächst weiterarbeiten. Die Arbeiterkammern wurden allerdings bereits im Dezember 1933 gleichgeschaltet, indem sie „Verwaltungskommissionen“ unterstellt wurden, bestehend aus einem Vertreter des Sozialministeriums sowie christlichen, sogenannten unabhängigen und deutschnationalen Gewerkschaftern. Diese Kommissionen übernahmen die Aufgaben der demokratisch gewählten Gremien. Nach den „Februarkämpfen 1934“ wurden dann auch die Sozialdemokratische Partei, die Freien Gewerkschaften und alle sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen verboten. Die Arbeiterkammern wurden zu Geschäftsstellen des Gewerkschaftsbundes der österreichischen Arbeiter und Angestellten, der als staatlich errichtete und kontrollierte „Einheitsgewerkschaft“ gebildet worden war.*) Und Hermann Heindl, der Redakteur der Zeitschrift für soziales Recht, wurde nach dem Februar 1934 kurzfristig verhaftet.*
Das Schicksal der Zeitschrift stimmt auch schon bei der Lektüre des Jahrgangs 1933 traurig. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und den autoritären politischen Tendenzen wurde überwiegend zurückhaltend sachlich und rechtsdogmatisch geführt. So kritisiert zB Fritz Guttmann in einem sehr detaillierten Text, der auf alle wirtschaftsrechtlichen Verordnungen eingeht, die kriegswirtschaftlichen Verordnungen nicht im Grundsatz, in der Sache aber bis ins Detail; so stelle die Eierverkehrsordnung „eine zweck- und wirkungslose Schikane des Eierhandels“ dar. Walter Fröhlich hält (in „Richterliche Wertung wirtschaftlicher Interessen“, ZfsozR 5/1933, 75 ff) einen Boykott „nicht arischer Warenhäuser“ rechtsdogmatisch für unzulässig.
Eine wichtige Auseinandersetzung drehte sich um die Studentenordnung der Wiener Universität von 1930. Sie sollte die Studentenschaft nach dem „Volksbürgerprinzip“ ordnen, mit der Folge einer Trennung der jüdischen und deutschen Studenten. Im Juni 1931 wurde sie vom VfGH aufgehoben,271eine Entscheidung, an der Arthur Lenhoff als Richter beteiligt war. Begründet wurde dies allein mit fehlender Kompetenz; der Gerichtshof wies gleichzeitig sogar darauf hin, dass seiner Einschätzung nach die Gliederung der Studenten nicht dem Gleichheitsprinzip widerspreche.* Die Zeitschrift für soziales Recht beschränkte sich auf einen Bericht über die verfassungsgerichtliche Entscheidung (ZfsozR 4/1932, 260 ff).
Im selben Jahrgang (207) wird auch das Schreiben der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentags (DJT) veröffentlicht, mit dem sie in Abgrenzung zur Leipziger Tagung des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen die diesjährige Tagung absagte und damit faktisch die Vereinstätigkeit beendete. Heindl bedauert diese „Einschläferung“ des DJT lediglich.
Nach seiner Verhaftung herrscht dann aber im Jahrgang 1934 doch ein ganz anderer Ton. Die Zeitschrift wurde zwar nach wie vor von der Arbeiterkammer herausgegeben, nun allerdings unter neuer, austrofaschistischer Leitung. Für den 6. Jahrgang 1934 werden keine akademischen Herausgeber mehr angegeben; als „verantwortlicher Redakteur“ ist Dr. Karl Wenzel benannt, der bereits früher vereinzelt kleinere Rezensionen und Berichte verfasst hatte und der nun neben der Redaktion die angewachsene Berichterstattung über Gesetzgebung und Rsp übernahm. In diesem Jahrgang hat auch Hans Bayer zwei Auftritte mit größeren Aufsätzen (Arbeiter und Unternehmer in der neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung 6 ff; Wege aus der Arbeitslosigkeit 113 ff). Hans Bayer (1903-1965) war in Wirtschaftswissenschaften sowie in Rechtswissenschaften promoviert und außerplanmäßiger Professor zunächst an der Universität Wien, ab 1933 an der Universität Innsbruck. Ab 1956 war er Professor an der Sozialakademie Dortmund.
Mit dem „Anschluss“ im Jahre 1938 war es dann ganz zu Ende. Die Arbeiterkammer wurde 1938 aufgelöst bzw in die „Deutsche Arbeitsfront“ eingegliedert. Arthur Lenhoff, der auf einer „schwarzen Liste“ der Nationalsozialisten stand, emigrierte im Sommer 1938 in die USA. Nachdem die Arbeiterkammer 1945/46 neu konstituiert worden war, setzte sie die Zeitschrift für soziales Recht nicht fort; sie gibt stattdessen seit März 1951 die arbeitsrechtswissenschaftliche Zeitschrift „Das Recht der Arbeit“ heraus.
Der Begriff „Soziales Recht“ konnte sich im deutschen Raum nie wirklich durchsetzen, während das französische Recht diese Tradition Weimarer Juristen aufnahm.* Jenseits seiner historischen Bedeutung kann der Begriff aber in einem weiteren Sinn noch heute „Sozialstaatlichkeit begreifbar machen“.* Die gemeinsame Betrachtung des Arbeits- und Sozialrechts mit dem Zivil-, Wirtschafts-, Familien- und Verbraucherrecht kann zentrale gesellschaftspolitische Fragen aufdecken. Das „Soziale“ als das „Gesellschaftliche“ erfasst eben den ganzen Menschen, in der Erwerbsarbeit, in der Familie, im Konsum. Ein „soziales Recht“ für die heutige Zeit müsste alle gesellschaftlichen Voraussetzungen und Einbettungen der Arbeitskraft und ihrer Reproduktion systematischer in den Strukturen des Arbeits- und Sozialrechts berücksichtigen. „Der Mensch im Recht“, das erfordert heute auch eine Anerkennung des Menschen in seiner Körperlichkeit und Geschlechtlichkeit, in seiner sozialen Einbindung in einem umfassenden Sinn, zwischen Privatheit, Erwerbsarbeit und Öffentlichkeit.