ZahiragićDas arbeitsgerichtliche Verfahren in der Praxis

Linde Verlag, Wien 2017, XIV, 143 Seiten, kartoniert, € 34,–

MATTHIASNEUMAYR (WIEN)

Das für Einsteiger in das Arbeitsrecht gedachte Buch hat nicht allein das arbeitsgerichtliche Verfahren im Fokus, sondern widmet sich umfangmäßig vor allem materiellrechtlichen Fragen, die oft den Gegenstand arbeitsgerichtlicher Verfahren bilden. Aus dieser Grundausrichtung ergibt sich eine Dreiteilung: Teil 1 (S 1-41) stellt das Verfahren vor dem Arbeitsgericht dar. In Teil 2 (S 43-114) werden materiellrechtliche Fragen behandelt. In Teil 3 (S 115-140) finden sich 17 „Mustervorlagen und Übersichten“.

Nach dem Vorwort soll das Buch „Studierenden der Rechtswissenschaften und Juristen sowie Konzipienten, die überhaupt keine Erfahrung mit dem Arbeitsrecht haben, als Einstieg in die berufliche Praxis dienen“. Angesichts der Zielgruppe ist die Darstellungsweise naturgemäß verkürzt und es muss mancher Kompromiss zwischen Knappheit und inhaltlicher Vollständigkeit eingegangen werden. Die Diktion ist bewusst einfach gehalten und weicht manchmal auch von der juristisch gebräuchlichen Ausdrucksweise ab („Bei Vorliegen eines Formgebrechens hat das angerufene Arbeitsgericht dem Kläger das Klagebegehren mit dem Auftrag zur Verbesserung zuzustellen“; „unbegründete Abweisung der Revision in Beschlussform“ etc). Das Buch schafft ein Bewusstsein für Probleme und mögliche Lösungen; tritt ein rechtliches Problem auf, das zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren führt, wird es meist unumgänglich sein, tiefergehende Werke zu Rate zu ziehen.

Im Folgenden werden einige der im Teil 1 behandelten Themen näher beleuchtet.

§ 4 Abs 1 ASGG sieht in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit in Arbeitsrechtssachen eine Wahlmöglichkeit des Kl vor. Erwähnenswert ist, dass die erste Alternative (lit a) die Inanspruchnahme des Wohnsitzgerichtsstands des AN auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt während des Arbeitsverhältnisses oder zum Zeitpunkt der Beendigung einschränkt. Das Fehlen der internationalen Zuständigkeit nach Art 20 EuGVVO kann nach ganz herrschender Ansicht nicht von Amts wegen in limine litis wahrgenommen werden, sondern nur bei Säumnis des Bekl oder dessen Einrede des Fehlens der internationalen Zuständigkeit. Die Aussage auf S 7, dass § 9 Abs 2 ASGG Schiedsvereinbarungen in Individualarbeitsrechtssachen zulässt, ist richtig, doch inhaltlich stark verkürzt. Auf S 34 wird zutreffend auf die Beschränkung auf bereits entstandene Streitigkeiten sowie das Erfordernis einer Belehrung (§ 618 iVm § 617 Abs 3 ZPO) hingewiesen.

Die auf S 20 angeführte „Besonderheit des arbeitsgerichtlichen Feststellungsverfahrens ..., dass der vom Arbeitsgericht erlassene Beschluss von keiner der Parteien mehr angefochten werden kann“, ist zumindest missverständlich; vermutlich sind nach § 54 Abs 2 ASGG ergangene Beschlüsse des OGH gemeint. Dem in der vorbereitenden Tagsatzung säumigen Bekl steht der Widerspruch gegen das Versäumungsurteil gem § 442a Abs 1 Satz 2 ZPO seit der Zivilverfahrensnovelle 2002 nur zu, wenn kein Mahnverfahren stattgefunden hat. Beweisaufnahmen im Rechtshilfeweg finden generell ohne fachkundige Laienrichter statt (erwähnenswert wäre aus meiner Sicht auch § 11a ASGG, wonach dem Vorsitzenden ausgedehnte Entscheidungsbefugnisse ohne Beiziehung von fachkundigen Laienrichtern zukommen). Die auf S 30 angeführten Pauschalbeträge nach der Aufwandersatzverordnung geben nicht die „derzeitige Rechtslage“ wieder, sondern die Werte für 2015; diese wurden mit 1.1.2016 (BGBl II 2015/404) und 1.1.2017 (BGBl II 2016/405) erhöht.

In Teil 2 werden in etwas überraschender Reihenfolge wesentliche materiellrechtliche Fragen behandelt, namentlich die Konkurrenzklausel (1), der Ausbildungskostenrückersatz (2), die Abgrenzung Arbeitsvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag (3), Ansprüche beim Betriebsübergang (4), die Pflegefreistellung (5), die Haftung im Arbeitsverhältnis einschließlich dem – etwas missverständlich dargestellten – Dienstgeberhaftungsprivileg (6), Urlaub (7), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (8), Diskriminierung im Arbeitsalltag einschließlich Mobbing (9), die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (10) und Drittschuldnererklärung und Lohnpfändung (11).

Teil 3 enthält – im Wesentlichen der Reihenfolge von Teil 2 folgend – Mustervorlagen und Übersichten.273Bei der Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung ist zu beachten, dass diese Vereinbarung nach der Rsp (RIS-Justiz RS0127499) vor Absolvierung der konkreten Ausbildung abgeschlossen sein muss; die Formulierung „In der Zeit ... absolvierte der Arbeitnehmer folgende Ausbildung“ ist daher – vor allem auch im Zusammenhang mit dem im Muster angegebenen Abschlussdatum – missverständlich.

Nicht ganz verständlich ist, warum sich das Muster 16 (Berufung gegen ein Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde) in das Buch verirrt hat. Abgesehen davon, dass der arbeitsrechtliche Kontext schwer erkennbar ist, steht nach dem Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) gegen ein Straferkenntnis die Beschwerde an das Verwaltungsgericht offen.

Insgesamt hinterlässt das Buch bei einem im arbeitsgerichtlichen Verfahren Erfahrenen einen etwas zwiespältigen Eindruck. Lobenswert ist der Versuch einer knappen und einfachen Darstellung für eine ganz spezifische Zielgruppe, die zuvor mit dem Arbeitsrecht und dem arbeitsrechtlichen Verfahren nicht in Berührung kam. Die Darstellungsform hat aber ihre Tücken. Juristische Probleme wird man mit dem Buch schwer lösen können – doch dafür ist es auch nicht gedacht.