Selbständig oder unselbständig: Neuregelung der Zuordnung von Sozialversicherten

BENJAMINKNEIHS (SALZBURG)*
Der Gesetzgeber hat das Verfahren der Neuzuordnung von Erwerbstätigkeiten zur SV der Selbständigen oder Unselbständigen neu geregelt. Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob dadurch die Probleme des früheren Rechts gelöst und ob neue generiert worden sind. Außerdem behandelt der Beitrag die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung.
  1. Einleitung

  2. Die alte Rechtslage

    1. Problemüberblick

    2. Zwei Bescheide

    3. § 412

  3. Die Neuregelung

    1. Überblick

      1. Anwendungsfälle

      2. Mögliche Ergebnisse

      3. Beschwerderecht der SVA/SVB

      4. Neuregelung der Rückabwicklung

    2. Lücken

    3. Das Verhältnis zum alten Recht

      1. §§ 410 Abs 1 Z 8, 10 Abs 1a ASVG und § 194a GSVG

      2. § 410 Abs 1 Z 2 ASVG (iVm § 194 GSVG, § 182 BSVG)

      3. § 412 ASVG

  4. Verfassungsrechtliche Würdigung

    1. Die Wirkungsbereiche der Träger der Sozialversicherung

    2. Die Wirkungsbereiche der Anwendungsfälle

    3. Die gleichheitsrechtliche Beurteilung der Unterschiede

    4. Bindungswirkung einer bloßen Einigung?

  5. Conclusio/Ausblick

1.
Einleitung

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, die Rechtsanwaltskammer würde Frau Notarin Dr. Bettina K bescheiden, dass sie in Wahrheit (zwar vielleicht auch, aber) nicht (nur) die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft zur Notariatskammer,* sondern (insb auch) die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft zur Rechtsanwaltskammer* erfülle. Mit gleichem Bescheid wird Frau Dr. K als Mitglied in die Rechtsanwaltskammer einbezogen und zur Bezahlung der Kammerumlage sowie der Beiträge zur kammereigenen Wohlfahrtseinrichtung verhalten.

Mit gutem Grund wäre darüber nicht nur Frau Dr. K empört. Auch die Notariatskammer würde wohl zu protestieren suchen – immerhin würde ihr so ein Mitglied abspenstig gemacht.

Dieses vielleicht ein wenig weit hergeholte Beispiel zeigt plakativ: Die Frage der Zugehörigkeit zum einen oder zum anderen Selbstverwaltungskörper berührt nicht nur das betroffene Mitglied, sondern jeweils auch die betroffenen Selbstverwal-193tungskörper. Diese haben wegen Art 120b Abs 1 B-VG das Recht, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung und frei von Weisungen, kurz: im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen und im Rahmen der Gesetze Satzungen zu erlassen.*

Nun ist es zweifellos wegen Art 120a Abs 1 B-VG zuvor Aufgabe des Gesetzgebers, den Kreis der Mitglieder des einen wie des anderen Selbstverwaltungskörpers sachlich und daher so abzugrenzen, dass jeweils nur Personen zu einem Selbstverwaltungskörper zusammengefasst werden, die über jeweils gemeinsame ausschließliche oder überwiegende Interessen verfügen, die von jenen der Mitglieder des jeweils anderen Selbstverwaltungskörpers hinreichend verschieden sind.*

Wenn dem Gesetzgeber diese Aufgabe aber misslingt oder in Grenzfällen nicht einfach festzustellen ist, welche Interessenlage konkret vorliegt oder überwiegt, dann sind bei der Feststellung und Zuordnung der Mitgliedschaft die jeweils eigenen Wirkungsbereiche jeweils aller betroffenen Selbstverwaltungskörper involviert.*

In genau dieser Situation befinden sich die jeweils gegenbeteiligten Sozialversicherungsträger bei der Zuordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig und damit bei der Abgrenzung der Zugehörigkeit des/der Erwerbstätigen zur einen oder zur anderen SV.*

Ich werde mich in den folgenden 40 Minuten als Gast in diesem Kreise wohlweislich nicht im Einzelnen auf die Kriterien für diese Zuordnung einlassen.* Mein Thema ist aber auch anders gesteckt: Mir ist es aufgetragen, über die Neuregelung des Verfahrens zu sprechen, nach dem diese Zuordnung von Statten gehen soll.

Dazu wird zuerst in groben Zügen die alte Regelung mit ihren Problemen und ungelösten Fragen vorzustellen sein – nicht um sie sozusagen posthum doch noch aufzulösen, sondern um den Hintergrund auszuleuchten, vor dem die Reform gesehen werden muss und der immer noch relevant ist, wo sie nicht greift. Danach wird die Neuregelung vorzustellen sein – diesen eher deskriptiven Teil halte ich bewusst kurz; Ihnen allen ist sie in ihren wesentlichen Zügen bekannt.* Die Darstellung der Neuregelung ist aber Voraussetzung für eine Analyse ihrer Problemlösungskapazität. Es wird nämlich in einem nächsten Schritt zu fragen sein, ob die Neuregelung die Probleme des alten Regimes gelöst und/oder ob sie neue geschaffen hat. Am Ende wird eine verfassungsrechtliche Würdigung vor dem Fazit und Ausblick stehen.

2.
Die alte Rechtslage
2.1.
Problemüberblick

Die hier bewusst ausgesparten inhaltlichen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeiten führten in der Praxis schon lange immer wieder zu einer unterschiedlichen Beurteilung durch die Versicherungsträger. Damit waren Mehrfachversicherungen oder nachträgliche Umstellungen der Versicherungsverhältnisse und daher im Ergebnis ein erheblicher Mehraufwand für alle Beteiligten verbunden:

An sich können sich diese Zuordnungsfragen in allen Fällen unselbständiger bzw selbständiger Tätigkeit iSd § 4 ASVG und § 2 GSVG bzw zum BSVG stellen. Während aber für die sogenannten neuen Selbständigen nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG im Verhältnis zu den nach § 4 Abs 4 ASVG pflichtversicherten freien DN das Sonderregime der §§ 10 Abs 1a und 410 Abs 1 Z 8 ASVG* immerhin eine Rückwirkung der Neuzuordnung ausschloss, beginnt die Pflichtversicherung in den anderen Fällen des § 4 ASVG gemäß dessen § 10 Abs 1 mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit; eine diesbezügliche Neuzuordnung wirkte also zurück.

In allen Fällen fand außerdem das Verfahren einer Neuzuordnung bisher (abgesehen von der Beteiligung der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft [SVA] in der Schlussbesprechung im Rahmen einer Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben [GPLA]) ohne förmliche Beteiligung des jeweils anderen nach dem Gesetz in Frage kommenden Sozialversicherungsträgers und damit unter Inkaufnahme der eingangs angedeuteten verfassungsrechtlichen Probleme statt. Weitgehend ungeklärt war auch die Wirkung eines späteren Bescheides des jeweils anderen im Verhältnis zum jeweils früheren Bescheid des einen Versicherungsträgers.* Ebenso umstritten war die Anwendbarkeit des § 412 ASVG auf diese Fälle.

2.2.
Zwei Bescheide

In den problematischen Fällen war also in der alten Rechtslage sowohl von der SVA (bzw der194Sozialversicherungsanstalt der Bauern [SVB]) als auch von der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse (GKK) ein Bescheid zur Feststellung der Pflichtversicherung zu erlassen. Einer späteren Feststellungsentscheidung durch den jeweils anderen Versicherungsträger stand dabei jedenfalls nicht res iudicata entgegen, weil es sich auf Grund der Anwendung jeweils unterschiedlicher Rechtsvorschriften* auf wenigstens zT unterschiedliche Beteiligte* nicht um dieselbe Sache handeln konnte.* Zudem war weder im ASVG noch im GSVG für den Fall ein Verbot der Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Pflichtversicherung verankert, dass bereits eine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz festgestellt ist oder durchgeführt wird.*

Wurde nun aber sowohl nach GSVG/BSVG als auch nach ASVG eine Pflichtversicherung festgestellt, so kam es dadurch zunächst zu einer Mehrfachversicherung des/der Versicherten. Der/die Versicherte und im Falle des ASVG auch der/die DG hatte für dieselbe Tätigkeit sowohl nach ASVG als auch nach GSVG/BSVG Versicherungsbeiträge zu leisten. Wenigstens einer der beiden Bescheide war aber rechtswidrig; beide Bescheide griffen in den Kernbereich der Selbstverwaltung des jeweils anderen Sozialversicherungsträgers ein.

Dass dabei zur Vermeidung einer Doppelversicherung verfassungskonform der spätere Bescheid den früheren aus dem Rechtsbestand verdrängt,* kann auch dann nicht angenommen werden, wenn man die verfassungskonforme Interpretation für zulässig hält* und annimmt, dass Mehrfachversicherungen (jedenfalls) der Verfassung widerstreiten.* Denn eine solche – allein materielle – Derogation würde gleiche Anwendungsbereiche der betroffenen Bescheide voraussetzen. Wenn es aber wahr ist, dass kraft Anwendung verschiedener Rechtsvorschriften und Geltung für verschiedene Beteiligte keine res iudicata eintreten kann,* dann verträgt sich das schlecht mit der gleichzeitigen Annahme einer Derogation.* Es ist außerdem gar nicht klar, wer oder was Gegenstand einer solchen verfassungskonformen Interpretation sein sollte: Das Gesetz, das offensichtlich nicht von einer Derogation ausgeht, und wenn ja: welches – oder der Bescheid selbst? Durch eine solche lex posterior-Regelung wäre schließlich nichts darüber gesagt, welcher der konkurrierenden Bescheide rechtmäßig ist. Sie könnte also genauso gut dazu führen, dass der rechtswidrige dem rechtmäßigen Bescheid derogiert; dies ausgerechnet auf eine verfassungskonforme Interpretation zu stützen, erscheint doch ein wenig suspekt. Im Gegenteil spricht eine Berücksichtigung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes des jeweils gegenbeteiligten Sozialversicherungsträgers auf Selbstverwaltung eher gegen als für eine solche Rechts-195macht, wenn man sie schon verfassungsrechtlich beurteilen will.*

Zu seiner Beseitigung musste der rechtswidrige Bescheid daher – zuletzt mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG)* – angefochten werden; dieses Beschwerderecht kam jedenfalls dem/der Versicherten, im Falle des ASVG auch dem/der DG, zu.*

Soweit die Pflichtversicherung subsidiär ist, also vom Nichtbestehen einer Pflichtversicherung nach einem anderen Gesetz abhängt,* war die jeweilige Entscheidung über die Pflichtversicherung durch den nach dem anderen Gesetz zuständigen Träger der SV als Entscheidung einer Hauptfrage iSd § 38 AVG zu qualifizieren.* Diese Hauptfrage konnte daher als Vorfrage entweder – mit der Gefahr einer späteren Wiederaufnahme – selbst beurteilt oder aber bis zu ihrer Beantwortung durch den zuständigen Sozialversicherungsträger ausgesetzt werden.

§ 194a GSVG sah allerdings für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG eine davon abweichende Regelung vor: Demnach war es der SVA zunächst verboten, die Vorfrage einer Pflichtversicherung nach § 4 Abs 4 ASVG, die für die GKK Hauptfrage ist, eigenständig zu beurteilen. Sie hatte diese Vorfrage vielmehr bei der GKK anzustoßen und war an deren Bescheid gebunden; erst wenn die GKK innerhalb eines Monats keine Entscheidung getroffen hat, durfte die SVA über die Vorfrage selbst entscheiden. Selbst dann bildete aber eine spätere – auch implizite – Entscheidung der GKK einen Wiederaufnahmegrund (vgl § 69 Abs 1 Z 3 AVG) im Verfahren vor der SVA.*

Soweit sie entgegen der bereits festgestellten Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs 4 ASVG als gegeben erachtete, hatte die GKK einen Feststellungsbescheid nach § 410 Abs 1 Z 8 ASVG zu erlassen.* Hatte die SVA zuvor die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG bejaht, stellte dies wiederum einen Wiederaufnahmegrund in ihrem Verfahren dar.

Auch diese Wiederaufnahme musste aber – wenn sie nicht von Amts wegen vorgenommen wurde – erst beantragt werden; eine allfällige Abweisung des Antrags musste wiederum bekämpft werden, das eigentliche Verfahren war erst nach einer Stattgabe durch das BVwG wieder aufzunehmen, das diesfalls nicht in der Sache der Pflichtversicherung, sondern nur in der Sache der Wiederaufnahme zur Entscheidung berufen war.

Im umgekehrten Fall – die GKK stellte zuerst die Pflichtversicherung nach ASVG fest – entfaltete diese Feststellungsentscheidung Bindungswirkung für die SVA. Sie war also an die Beurteilung der GKK gebunden. Erließ sie trotzdem einen positiven Feststellungsbescheid, war dieser wiederum mittels Beschwerde beim BVwG anfechtbar.

Wurde die Pflichtversicherung ohne Feststellungsbescheid durchgeführt, so konnte sich der/die Betroffene gegen die Beitragsvorschreibung zur Wehr setzen oder einen Antrag auf Feststellung nach § 410 Abs 1 Z 7 ASVG (§ 194 GSVG bzw § 182 BSVG iVm § 410 Abs 1 Z 7 ASVG) stellen. Sodann bestand die Möglichkeit, sich gegen den Feststellungsbescheid wiederum mittels Bescheidbeschwerde zu wehren.

Zur Lösung der hier skizzierten Probleme wurden verschiedene Wege vorgeschlagen. Jedenfalls bestand zuletzt wenigstens im Ergebnis darüber Einigkeit im Schrifttum, dass der jeweils gegenbeteiligte Sozialversicherungsträger Parteistellung im Verfahren des Trägers der SV haben sollte, der eine abweichende Feststellung treffen wollte – wollte man nun diese Parteistellung nach § 8 AVG aus dem Recht auf Durchführung der Versicherung* oder aus dem ebenfalls subjektiven (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Recht auf Selbstverwaltung herleiten.* Diese Parteistellung war dann auch in einem allenfalls wieder aufgenommenen Verfahren anzunehmen. Der Parteistellung korrespondierte – auch abseits des § 411 ASVG – ein Beschwerderecht vor dem BVwG.

2.3.
§ 412

Strittig blieb jedoch bis zum Schluss, ob § 412 ASVG auf die in Rede stehenden Fälle anwendbar196war, ob also eine Zuständigkeit des/der BundesministerIn (BM) zur Entscheidung eines solchen „Zuständigkeitskonfliktes“ gegeben war.*

§ 412 ASVG setzt Zweifel oder Streit über die Versicherungszuständigkeit oder die Versicherungszugehörigkeit voraus. Die Frage der Pflichtversicherung ist der Versicherungszuständigkeit und -zugehörigkeit zwar vorgelagert, von ihr aber praktisch nicht zu trennen:* Sicherlich ist mit der „Zuständigkeit“ in § 412 ASVG die Zuständigkeit zur Durchführung und nicht die Zuständigkeit zur Feststellung der Pflichtversicherung gemeint.* Mit der Frage der Pflichtversicherung wird aber zumindest negativ auch über die Versicherungszuständigkeit abgesprochen. Wenn nämlich eine Pflichtversicherung nach dem ASVG besteht, mag zwar innerhalb dieses Gesetzes* noch über die Zuständigkeit gestritten werden,* eine Zuständigkeit der SVA (SVB) scheidet dann aber aus. Umgekehrt liegt mit der Pflichtversicherung nach dem GSVG (BSVG) auch die Zuständigkeit der SVA (SVB) fest. Insofern kann ein Zweifel oder Streit über das Vorliegen einer Pflichtversicherung zugleich auch Zweifel oder Streit über die Versicherungszuständigkeit sein.* Dafür sprechen auch die ausdrückliche Erwähnung der Sonderversicherungen* in § 412 Abs 5 ASVG und der Verweis auf § 412 ASVG in § 254a GSVG (§ 241a BSVG).* Schon ihretwegen kann § 412 nicht auf Zuständigkeits- oder Zugehörigkeitsstreitigkeiten innerhalb des ASVG beschränkt sein.

Die Entscheidungskompetenz des/der BM gem § 412 ASVG setzt jedoch den Antrag einer Partei voraus. Stellt im Verfahren nach § 194a GSVG oder § 410 Abs 1 Z 2, 7 oder 8 ASVG niemand einen solchen Antrag, dann führt dies wieder zurück zur eingangs beschriebenen Situation, also zur Erlassung jeweils getrennter Bescheide mit Parteistellung des jeweils gegenbeteiligten Trägers der SV. Hiergegen und damit gegen die Anwendbarkeit des § 412 ASVG wird nun eingewendet, dass es damit die Parteien in der Hand hätten, jeweils ganz unterschiedliche Rechtsfolgen, insb einen unterschiedlichen Zeitpunkt der Wirksamkeit der Feststellung der Versicherungszuständigkeit auszulösen, nämlich ex nunc-Wirkung nach § 412 Abs 2 oder aber Rückwirkung nach § 10 Abs 1 ASVG. Dieses Argument trifft aber in einem der praktisch wichtigsten Fälle wegen § 10 Abs 1a ASVG gar nicht zu. Im verbleibenden Bereich der übrigen Pflichtversicherungen nach dem ASVG schadet aber diese Wahlmöglichkeit der Parteien auch verfassungsrechtlich überhaupt nicht: Dass Parteien durch Antragsrechte – sonst nicht vorgesehene – Zuständigkeiten aktualisieren und Rechtsfolgen auslösen können, ist weder mit dem Legalitätsprinzip noch mit dem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter unvereinbar, solange diese Zuständigkeiten und Rechtsfolgen durch das Gesetz vorher bestimmt sind.

Dies führt zu dem Argument, nach rechtskräftiger Feststellung einer Pflichtversicherung sei der Weg des § 412 ASVG verschlossen, weil er gleichsam zu einer Art Kompetenzgerichtsbarkeit des/der BM führen würde, dem/der zur Lösung dann nur noch die Nichtigerklärung nach § 416 ASVG zur Verfügung stünde, die wiederum in allen Versicherungszweigen zur an sich nicht intendierten ex nunc-Wirkung führen würde.* Diese Problematik war bis 2014 durch den Ausschluss des Bescheidrechts der Versicherungsträger wohl von vornherein nicht gegeben;* aber auch danach ist nicht ersichtlich, wie das eine gegen das andere in Stellung gebracht werden soll: Von der Möglichkeit der Nichtigerklärung kann der/die BM auch ohne eine Anrufung nach § 412 ASVG Gebrauch machen; wieso die Nichtigerklärung mit ex nunc-Wirkung nach § 416 ASVG daher in Folge seiner Anrufung nach § 412 ASVG ausgeschlossen sein soll, bleibt unerfindlich. Wiederum gilt, dass unterschiedliche Rechtsfolgen unterschiedlicher Regime rechtsstaatlich unbedenklich sind, solange sie sich jeweils eindeutig aus dem Gesetz ergeben. An der Rückwirkung einer (nicht nach § 10 Abs 1a modifizierten) Einbeziehung in das ASVG durch rechtskräftigen Bescheid der GKK würde sich außerdem gerade angesichts der ex nunc-Wirkung der Nichtigerklärung nichts ändern, insofern unterliefe die Anwendung des § 412 ASVG auch nicht den Zweck der rückwirkenden Einbeziehung.

Für die Zuordnung der in Rede stehenden Streit- und Zweifelsfälle zu § 412 spricht schließlich aus heutiger Sicht auch der systematische Ort ihrer Neuregelung in § 412a ff ASVG.

3.
Die Neuregelung
3.1.
Überblick

Mit dem am 1.7.2017 in Kraft getretenen Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) sollen die dargestellten Probleme aus der Welt geschafft und eine Erhöhung der Rechtsicherheit bei der Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit erreicht werden. Die neuen Regelungen der §§ 412a ff ASVG sehen zur Klärung der Versicherungszuordnung ein vom zuständigen Krankenversicherungsträger und der SVA/SVB gemeinsam geführtes Verfahren mit wechselseitigen Verständigungspflichten vor.197

3.1.1.
Anwendungsfälle

Dies erstens auf Grund von Zweifeln an der bestehenden Versicherungszuordnung nach GSVG/BSVG im Rahmen einer Lohnsteuer- bzw Sozialversicherungsprüfung,*zweitens im Rahmen einer Vorabprüfung durch SVA/SVB bei Anmeldung zur Pflichtversicherung nach GSVG/BSVG (§ 2 Abs 1 Z 1 GSVG – bestimmte freie Gewerbe, die von SVA und GKK gemeinsam bestimmt werden;* § 2 Abs 1 Z 4 GSVG – „neue Selbständige“ sowie § 2 Abs 1 Z 1 letzter Satz BSVG iVm 6./7. der Anlage 2 zum BSVG)* und drittens im Rahmen einer Prüfung durch den Träger der KV auf Antrag der versicherten Person oder ihres/ihrer AuftraggeberIn.*

Unabhängig davon, welches der drei Szenarien zur Einleitung eines Verfahrens zur Klärung der Versicherungszuordnung führt, gebieten die Bestimmungen eine unverzügliche Verständigung des anderen Versicherungsträgers,* um sodann ein koordiniertes Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Pflichtversicherung durchführen zu können. Die Verständigung hat den Namen, die Versicherungsnummer, den geprüften Zeitraum und die Art der Tätigkeit zu enthalten.* Wird das Verfahren durch die Anmeldung zur Pflichtversicherung nach GSVG/BSVG eingeleitet, so hat die SVA/SVB zunächst eine Vorabprüfung über die Pflichtversicherung nach GSVG/BSVG vorzunehmen und ihre Ergebnisse inklusive der zugrunde liegenden Unterlagen sodann dem Träger der KV nach dem ASVG zu übermitteln.* „Weitere Ermittlungen“ zur Klärung der Zuordnung sind vom jeweiligen Versicherungsträger und dem Krankenversicherungsträger nach dem ASVG in ihrem jeweils eigenen Wirkungsbereich anzustellen.* Unterschiede in der weiteren Vorgehensweise ergeben sich je nach Ausgang dieses Ermittlungsverfahrens:

3.1.2.
Mögliche Ergebnisse

Sind sich erstens der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG und der/die DG oder zweitens der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG und die SVA/SVB darüber einig, dass die jeweils in Rede stehende Erwerbstätigkeit eine Pflichtversicherung nach dem ASVG begründet, so entfaltet diese übereinstimmende Beurteilung nach dem Wortlaut des Gesetzes Bindungswirkung für den Krankenversicherungsträger nach dem ASVG, die SVA/SVB und das Finanzamt. Eine Bescheiderlassung durch den Krankenversicherungsträger ist in diesem Fall nicht zwingend vorgesehen. Sie kann jedoch gem § 410 Abs 1 Z 7 ASVG vom/von der Versicherten oder dem/der DG verlangt werden.*

Diese Anordnungen werfen Fragen auf: Zunächst ist es mit Blick auf § 412b und § 412c Abs 2 ASVG fraglich, ob – wie es der Wortlaut des § 412a Abs 1 ASVG insinuiert – eine Einigung zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem DG genügt, um die in Rede stehende Bindungswirkung auszulösen. Eher ist anzunehmen, dass auch diesfalls eine abweichende Beurteilung durch die SVA/SVB zur Bescheidpflicht führt; siehe dazu gleich unten im Text.* Fraglich ist außerdem, was genau im Falle des § 412c Abs 1 ASVG Bindungswirkung entfalten und wie man sie abgrenzen soll; vgl dazu unten 4.

Bejahen beide betroffenen Sozialversicherungsträger das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit und somit eine Pflichtversicherung nach GSVG/BSVG, so führt auch diese gemeinsame Beurteilung zu einer Bindung der beteiligten Sozialversicherungsträger und des sachlich und örtlich zuständigen Finanzamts.* Die SVA bzw SVB hat die Pflichtversicherung (zusätzlich) mit Bescheid festzustellen. Dies ergibt sich aus den ebenfalls neu eingeführten §§ 194b GSVG und 182a BSVG.

Kommt der nach dem ASVG zuständige Träger der KV hingegen zu dem Ergebnis, dass eine Pflichtversicherung nach ASVG besteht, während die SVA/SVB eine Pflichtversicherung nach GSVG bzw BSVG bejaht, so hat der Krankenversicherungs-198träger nach dem ASVG gem § 412c Abs 2 ASVG die Pflichtversicherung nach ASVG mit Bescheid festzustellen. Dies wohl auch dann, wenn sich der Krankenversicherungsträger nach ASVG mit dem/der DG einig ist;* andernfalls könnte eine solche Einigung die Mitsprache der gegenbeteiligten SVA/SVB ersetzen, was schon mit Blick auf deren verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Selbstverwaltung nicht angenommen werden kann, zumal der Wortlaut des § 412c Abs 2 ASVG diesbezüglich nicht differenziert.*

§ 412c Abs 2 ASVG ordnet sodann eine Bindungswirkung des rechtskräftigen Bescheides für „die Behörden“, also die beteiligten Sozialversicherungsträger und das zuständige Finanzamt an. In diesem Bescheid hat sich der Krankenversicherungsträger mit der abweichenden Ansicht der SVA/SVB auseinanderzusetzen.* Zudem ordnet § 412c Abs 4 ASVG an, dass der Bescheid neben der versicherten Person und ihrem/ihrer DG auch der SVA/SVB und dem Finanzamt zuzustellen ist.

3.1.3.
3.1.3. Beschwerderecht der SVA/SVB

Ausweislich der EB zur RV steht der SVA/SVB ein Beschwerderecht gegen den Bescheid des Krankenversicherungsträgers nach dem ASVG zu.* Damit wird das subjektive Recht der SVA/SVB nach § 8 AVG anerkannt, mag man es aus dem Recht auf Durchführung der SV oder aus der Berührung des eigenen Wirkungsbereiches ableiten;* insofern hat sich die wissenschaftliche Diskussion im Gesetzgebungsverfahren niedergeschlagen.

Die Feststellung der Pflichtversicherung ist gem § 355 Z 1 ASVG eine Verwaltungssache. Zudem sind die Regelungen über das Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung im Abschnitt III des Siebenten Teiles des ASVG unter dem Titel „Verfahren in Verwaltungssachen“ geregelt. Daher ist für Beschwerden gegen Bescheide des nach dem ASVG zuständigen Trägers der KV das BVwG zuständig.*

3.1.4.
Neuregelung der Rückabwicklung

Die Rückabwicklung im Gefolge einer Neuzuordnung wurde durch die Neufassung der §§ 41 Abs 3 GSVG und 40 Abs 3 BSVG geregelt. Danach sind alle an die SVA/SVB geleisteten Beiträge, die auf eine dem ASVG zuzuordnende Tätigkeit entfallen, an den nach dem ASVG für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen. Diese Beiträge hat der Krankenversicherungsträger auf die ihm geschuldeten Beiträge* anzurechnen und einen allfälligen Überschuss der versicherten Person zu erstatten.*

Die Rückabwicklung nach §§ 41 Abs 3 GSVG und 40 Abs 3 BSVG setzt allerdings die nachträgliche Feststellung der Pflichtversicherung nach ASVG voraus. Fraglich bleibt, ob auch die Beurteilung mit Bindungswirkung zu einer Rückabwicklung ausreichend ist oder ob es dafür eines Feststellungsbescheides bedarf. Wenn man davon ausgeht, dass es zu diesem Feststellungsbescheid nur kommt, wenn keine Einigkeit erzielt werden kann, dann müsste das – bloß zwischen den Versicherungsträgern abzuführende und daher* für den/die Versicherte/n jedenfalls günstigere – Rückabwicklungsregime umso eher gelten, wenn ein solcher Feststellungsbescheid entfallen kann, weil die beteiligten Sozialversicherungsträger Einigkeit erzielen.

Aus der somit für alle Fälle des neuen Regimes geltenden, gleichzeitigen Neuregelung der Rückabwicklung in § 40 Abs 3 BSVG und § 41 Abs 3 GSVG ergibt sich, dass die Neuzuordnung in allen diesen Fällen ex tunc wirken soll. Es kann nicht angenommen werden, dass nur für die Fälle der Neuzuordnung freier DN nach § 10 Abs 1a ASVG anderes gelten soll; man könnte sogar bestreiten, dass es sich im Regelungsbereich des neuen Regimes insoweit überhaupt um Bescheide iSd § 410 Abs 1 Z 8 ASVG handelt – vielmehr handelt es sich um einen Bescheid nach § 412a ff ASVG. Im Anwendungsbereich der Neuregelung scheidet also eine Anwendung des § 10 Abs 1a ASVG aus; es ist stets rückabzuwickeln.

Für den durch die Neuzuordnung erfassten Zeitraum darf die SVA/SVB nur insofern eine Pflichtversicherung feststellen, als selbständige Erwerbstätigkeiten verrichtet wurden. Die Beitragsgrundlage nach GSVG/BSVG ist um die nach ASVG festgestellten Beitragsgrundlagen zu vermindern.

3.2.
Lücken

Zunächst fällt auf, dass die Neuregelung je nach Konstellation teils alle, teils aber auch nur bestimmte Fälle einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG und dem BSVG erfasst:

Im Zuge einer abgaben- und sozialversicherungsrechtlichen Prüfung kann in allen Fällen einer der Pflichtversicherung nach GSVG oder BSVG unterliegenden Tätigkeit eine Neuzuordnung vorgenommen werden. Trotz des – überschießenden – Wortlautes* kann eine Neuzuordnung auf Grund amtswegiger Feststellungen allerdings nur in den Fällen einer solchen Prüfung vorgenommen199werden;* entdeckt die GKK aus anderem Anlass einen aufklärungsbedürftigen Sachverhalt, kommt die Neuregelung nicht in Betracht.

Auf Antrag kann zumindest in allen Fällen einer der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeit eine Neuzuordnung vorgenommen werden;* beim BSVG hat zumindest der/die nach § 2 Abs 1 Z 1 lit b pflichtversicherte BetreiberIn einer Buschenschank häufig keinen Auftraggeber oder eine Auftraggeberin – wenn man die Anordnung so liest, dass ein Antrag dem/der selbständig Erwerbstätigen oder seinem/ihrem/seiner/ihrer AuftraggeberIn zukommt, diese Verknüpfung also so deutet, dass damit eine Sinneinheit hergestellt wird, scheidet eine Pflichtversicherung nach dem BSVG in diesem Fall aus.

Auf Grund einer Anmeldung schließlich sind neben den Fällen des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG von vornherein nur bestimmte Fälle des § 2 Abs 1 Z 1 GSVG* und des § 2 Abs 1 Z 1 BSVG dem neuen Verfahren unterworfen; in allen anderen Fällen scheidet seine Anwendung auf Grund einer Anmeldung aus.

Umgekehrt treffen die neuen Bestimmungen auch keine Regelung für den Fall, in dem die SVA oder die SVB eine/n nach ASVG versicherten Erwerbstätige/n für sich beanspruchen will. Sie müssen wohl nach § 194 GSVG bzw § 182 BSVG iVm § 410 Abs 1 Z 2 ASVG vorgehen und den/die Erwerbstätige/n mit Bescheid in die Pflichtversicherung einbeziehen,* gegen den diese/r Beschwerde erheben kann – oder eine Entscheidung des/der BM nach § 412 ASVG begehren.

3.3.
Das Verhältnis zum alten Recht
3.3.1.

Das führt direkt zu der Frage nach dem Verhältnis der neuen Bestimmungen zum alten Recht.

§ 10 Abs 1a ASVG bestimmt, dass die Feststellung der Pflichtversicherung gem § 410 Abs 1 Z 8 lediglich ex nunc wirkt, womit die Pflichtversicherung nicht schon mit Aufnahme der die Pflichtversicherung auslösenden Tätigkeit beginnt, sondern erst mit Erlassung des Feststellungsbescheides. Nach der alten Rechtslage hatte eine nachträgliche Neuzuordnung des Versicherungsverhältnisses „neue/r Selbständige/r“ also eine andere Wirkung als die nun vorgesehene Rückwirkung der Neuzuordnung. Im – oben aufgezeigten – verbleibenden Anwendungsbereich des § 410 Abs 1 Z 8 ASVG – also bei jeder Feststellung außerhalb einer Prüfung oder eines Antrags – kann es somit in sehr ähnlich gelagerten Fällen zu ganz unterschiedlichen Wirkungen eines nachträglichen Feststellungsbescheides der GKK kommen.*

Gem § 194a GSVG entscheidet die SVA auf Antrag über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG („neue Selbständige“). Ausweislich der Materialien dient die Bestimmung des § 194a GSVG vorrangig dazu, außerhalb eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung einen Bescheid zu erwirken, der feststellt, ob unabhängig vom Vorliegen einer Ausnahme des § 4 Abs 1 Z 5 GSVG die Voraus setzungen für eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 bestehen.* Durch die Neuregelung haben alle nach GSVG pflichtversicherten Personen und deren AuftraggeberIn die Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid des nach dem ASVG zuständigen Trägers der KV zu erwirken,* der allerdings ex tunc wirkt.* Während nun aber die zuletzt genannten Bestimmungen das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach § 2 GSVG bzw § 2 BSVG bereits voraussetzen, wird nach § 194a GSVG nur das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale, nicht aber auch einer Pflichtversicherung überprüft. Es ist daher davon auszugehen, dass die beiden Regime nebeneinander bestehen.*

3.3.2.

In den von der Neuregelung nicht erfassten Fällen* besteht weiters für alle beteiligten Sozialversicherungsträger die Möglichkeit, Personen nachträglich einzubeziehen, die nicht oder nicht vollständig zur SV angemeldet sind (§ 410 Abs 1 Z 2 ASVG). Da die Neuregelung immer nur vom Fall einer bestehenden Pflichtversicherung nach dem GSVG oder BSVG ausgeht, betrifft dies vor allem Fälle, in denen die SVA/SVB eine/n Versicherte/n nachträglich einbeziehen will.* In den von der200Neuregelung nicht erfassten Fällen gilt aber auch für den Krankenversicherungsträger nach dem ASVG weiterhin dessen § 410 Abs 1 Z 2.

3.3.3.

Geht man davon aus, dass die geschilderten Fälle nach alter Rechtslage in die Zuständigkeit des/der BM nach § 412 ASVG fielen, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Neuregelung der §§ 412a ff ASVG zu dieser Bestimmung stehen. Dies umso mehr, als der systematische Ort der Neuregelung ihre Einordnung als lex specialis zu § 412 ASVG nahe legt.*

Nun wurde oben schon dargetan, dass die Neuregelung mitnichten alle möglichen Fälle einer Schwierigkeit bei der Zuordnung zum GSVG oder BSVG einerseits oder zum ASVG andererseits erfasst.* In allen diesen Fällen gilt daher weiter das alte, eingangs ausführlich diskutierte Regime – nach hier vertretener Lesart daher auch § 412 ASVG.

4.
Verfassungsrchtliche Würdigung
4.1.
Die Wirkungsbereiche der Träger der Sozialversicherung

Das verfassungsrechtliche Hauptproblem des alten Regimes bestand mE in der Koordination der eigenen Wirkungsbereiche der jeweils beteiligten und gegenbeteiligten Träger der SV. Dieses Problem ist im Anwendungsbereich der Neuregelung nunmehr gelöst. Außerhalb dieses Anwendungsbereiches muss man sich weiter mit wechselseitigen Parteistellungen und/oder der Anwendung des § 412 ASVG behelfen, die insoweit aber jeweils nicht zu beanstanden sind.

4.2.
Die Abgrenzung der Anwendungsfälle

Wie bereits dargetan, erfasst die Neuregelung nicht alle Fälle, in denen die Zuordnung einer Erwerbstätigkeit zweifelhaft sein kann. Nun fragt man sich, ob der Gesetzgeber die Anwendungsfälle der Neuregelung und damit die Fälle, in denen weiterhin das alte Regime anwendbar bleibt, sachgerecht abgegrenzt hat. Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich zunächst vor Augen halten, dass der Gesetzgeber erstens auf eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung (je nach Standpunkt: im Rahmen einer GPLA)* abstellt und damit andere Fälle außer Acht lässt, in denen der Krankenversicherungsträger von einem aufklärungsbedürftigen Sachverhalt Kenntnis erlangt. Eine solche Orientierung am Hauptfall wäre nach der Rsp des VfGH auch dann zulässig, wenn dabei Härtefälle entstehen.*Zweitens differenziert der Gesetzgeber hinsichtlich der Anmeldung zwischen verschiedenen Erwerbstätigkeiten. Dabei werden von vornherein nur freie Gewerbe in den Blick genommen. Dies dient der Vermeidung von Konflikten mit allenfalls rechtskräftigen Bescheiden der Gewerbebehörden, hinsichtlich derer offenbar keine Bindungswirkung intendiert ist. Die konkrete Abgrenzung der freien Gewerbe wiederum erfolgt durch die beteiligten Sozialversicherungsträger selbst und hat daher die Richtigkeitsgewähr des Einigungscharakters für sich.* Und schließlich haben es die Sozialversicherten und ihre AuftraggeberInnen in beinahe* allen Fällen in der Hand, die negativen Folgen des alten Regimes durch eine Antragstellung abzuwenden.

4.3.
Die gleichheitsrechtliche Beurteilung der Unterschiede

Dies führt zu den Unterschieden, die im Ergebnis zwischen den der Neuregelung unterliegenden und allen im alten Regime verbleibenden Fällen bestehen: In beiden Fällen ist wenigstens dann ein Bescheid zu erlassen, wenn der gegenbeteiligte Sozialversicherungsträger anderer Auffassung ist oder der/die Versicherte bzw sein/ihr/seine/ihre AuftraggeberIn oder DG dies verlangt.* In beiden Fällen kommt dabei dem jeweils gegenbeteiligten Sozialversicherungsträger nach inzwischen gefestigter – und von den Erläuternden Bemerkungen zur Neuregelung ausdrücklich anerkannter – Auffassung Parteistellung zu. Dieser Parteistellung korrespondiert in beiden Fällen auch ein Beschwerderecht vor dem BVwG. Im Anwendungsbereich der Neuregelung scheidet allerdings eine Befassung des/der BM nach § 412 ASVG aus; an Stelle seiner/ihrer Entscheidung entfaltet dort die Entscheidung des Krankenversicherungsträgers Bindungswirkung.

In den Fällen der Neuregelung erfolgt die Rückabwicklung zwischen den beteiligten Trägern der SV; der/die Versicherte wird damit nicht belastet. In den verbleibenden Fällen des alten Rechts hingegen wird er uU mit Nachforderungen konfrontiert und muss seine zu Unrecht geleisteten Beiträge nach § 69 ASVG zurückverlangen.

Eine gleichheitsrechtliche Beurteilung dieser Unterschiede müsste danach fragen, ob sich die jeweils verschieden geregelten Sachverhalte mit Blick auf die jeweils entstehenden Rechtsfolgen wesentlich unterscheiden. Eine solche Frage kann aber im vorliegenden Fall entfallen: Die im Falle der Neuregelung entstehende Bindungswirkung wird nach hier vertretener Auffassung im alten Regime durch die Anwendbarkeit des § 412 ASVG bewirkt; die unangenehmen Folgen einer Rückabwicklung kann der/die Versicherte in den Fällen der Neuregelung durch einen entsprechenden Antrag, im Fall einer bislang nicht oder nicht vollständig gemelde-201ten selbständigen Tätigkeit hingegen durch eine Anmeldung, iSd § 412a Z 2 ASVG vermeiden.*

Es verbleiben daher für die gleichheitsrechtliche Prüfung jene Fälle, in denen eine Anmeldung nicht zur Anwendbarkeit des neuen Regimes führt.* In diesen Fällen führt allerdings, vereinfacht gesagt, bereits die Aufnahme der jeweiligen Erwerbstätigkeit zur Pflichtversicherung* und dem/der Versicherten steht jederzeit wiederum die Antragstellung nach § 412a Z 3 ASVG offen.

Im Ergebnis können also die unangenehmen Folgen einer Neuzuordnung nach altem Recht in allen Fällen durch Eigeninitiative vermieden werden; es widerstreitet dem Gleichheitssatz vor diesem Hintergrund nicht, denjenigen mit diesen Folgen zu konfrontieren, der nicht nur seine rechtzeitige vollständige Anmeldung, sondern auch die rettende Antragstellung unterlässt.

Die so entstehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Parteien, die sich mit unterschiedlichen Rechtsfolgen entweder auf den Bescheid- und Beschwerdeweg begeben oder eine Streitschlichtung beim/bei der BM beantragen können, sind rechtsstaatlich unproblematisch, solange und soweit das Gesetz sie hinreichend determiniert.

4.4.
Bindungswirkung einer bloßen Einigung?

Fraglich bleibt allerdings, was genau im Falle des § 412c Abs 1 ASVG Bindungswirkung entfalten und wie man sie abgrenzen soll. Das Gesetz spricht von einer Bindung an die „Beurteilung“ der Sozialversicherungsträger.* Wie aber dokumentiert werden soll, von welchem Sachverhalt sie für welchen Zeitraum ausgehen, wird nicht geregelt. Insb für das ebenfalls adressierte Finanzamt wird es dann aber schwierig sein, die „Beurteilung“ der Sozialversicherungsträger in einer der Rechtskraft zugänglichen Form nachzuvollziehen. Immerhin ordnet das Gesetz in § 412c Abs 5 ASVG an, dass die Bindungswirkung bei Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes entfällt; ohne Dokumentation dieses Sachverhaltes kann die Maßgeblichkeit seiner Änderung aber nicht beurteilt werden. Das Gesetz ist daher insoweit mangelhaft determiniert.*

5.
Conclusio/Ausblick

Durch die Neuregelung wird ein verfahrensrechtlicher Rahmen für die Bewältigung der Umstellung von sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen geschaffen. Dabei werden einige jener Fälle, die in der Praxis zu Problemen geführt haben – also insb die Abgrenzung von freien DN und neuen Selbständigen – erfasst. Durch das gemeinsame koordinierte Vorgehen bekommen alle beteiligten Sozialversicherungsträger die Möglichkeit, ihre Rechtsansicht darzulegen und sich am Verfahren zur Feststellung der Pflichtversicherung nach dem jeweils anderen Gesetz zu beteiligen.

Die Neuregelung erfasst allerdings bei weitem nicht alle denkbaren Konstellationen einer Konkurrenz zwischen Selbständigen- und Unselbständigenversicherung. In den verbleibenden Fällen bleibt alles beim Alten – mit allen Schwierigkeiten.

Abgesehen von der Bindungswirkung einer bloßen Einigung zwischen den Sozialversicherungsträgern bzw zwischen DG und SV ist die Neuregelung allerdings – auch mit Blick auf diese Regelungslücken und die dadurch in Kauf genommenen Unterschiede zum alten Regime – verfassungsrechtlich unbedenklich.202