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Kein voller Abfertigungsanspruch nach dem anzuwendenden KollV bei einem dem BMSVG unterliegenden Mitarbeiter

DAVIDKOXEDER
§ 33 KollV für journalistische MitarbeiterInnen bei österreichischen Zeitschriften und Fachmedien

Der Kl war vom 1.3.2007 bis 30.6.2015 bei der Bekl als Grafiker tätig, wobei das Dienstverhältnis dem KollV für journalistische MitarbeiterInnen bei österreichischen Zeitschriften und Fachmedien unterlag.

Nach § 33 Z 1 Satz 1 des KollV beträgt im Falle der Kündigung durch die DG der Abfertigungsanspruch eines DN nach einer ununterbrochenen Dienstzeit von acht Jahren das Vierfache seines Gesamtmonatsbezugs. Satz 2 normiert, dass wenn der DN dem betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz unterliegt, der den gesetzlichen Anspruch gem Angestelltengesetz übersteigende Teil als direkter Anspruch gegenüber der DG bestehen bleibt.

Das zweifelsfrei dem Betrieblichen Mitarbeiterund Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) unterliegende Dienstverhältnis des Kl wurde durch DG-Kündigung beendet, und die Bekl zahlte dem Kl eine Abfertigung von einem Monatsgehalt aus. Daraufhin begehrte der Kl von der Bekl die Zahlung von weiteren drei Monatsentgelten und begründete dies damit, dass, nachdem § 23 AngG („Abfertigung alt“) auf ihn nicht anwendbar sei, er mangels abziehbarer Abfertigungsansprüche nach § 23 AngG Anspruch auf vier Monatsentgelte habe.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass Abs 2 des § 33 Z 1 des KollV klarstelle, dass der dem gesetzlichen Anspruch gem Angestelltengesetz übersteigende Teil als direkter Anspruch gegenüber der DG bestehen bleibe. Damit sei gemeint, dass die kollektivvertragliche Erhöhung der Abfertigung nicht deshalb verloren gehen solle, weil ein AN dem BMSVG unterliege. Allerdings sei ausgeschlossen, dass die Kollektivvertragsparteien beabsichtigt hätten, dem BMSVG unterliegenden Mitarbeitern einen vollen Abfertigungsanspruch nach § 33 des KollV zuzüglich der Beiträge des AG an die betriebliche Vorsorgekasse zuzugestehen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurück.

Zwar kommt nach Ansicht des OGH der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung regelmäßig wegen des größeren Personenkreises der hiervon betroffenen AG und AN erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die relevante Rechtsfrage in der Rsp des Höchstgerichts geklärt oder die Auslegung klar und eindeutig ist, wobei gegenständlich Letzteres der Fall ist.

Nach stRsp ist der normative Teil eines KollV nicht iSd §§ 914, 915 ABGB, sondern gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen. Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann. In erster Linie ist dabei der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Nachdem den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht.

In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht sah der OGH, dass das System der „Abfertigung alt“ (§ 23 AngG) zur Beseitigung von Problemen dieses Systems durch die „Abfertigung neu“ (BMSVG) ersetzt wurde. Mit dieser behält der DN die erworbenen Anwartschaften im Wesentlichen unabhängig von der Beendigungsform des Arbeitsverhältnisses. Vor diesem Hintergedanken kann jedoch die darauf Bezug nehmende Anordnung des § 33 Z 1 Satz 2 des KollV, dass der „den gesetzlichen Anspruch gemäß Angestelltengesetz übersteigenden Teil als direkter Anspruch gegenüber dem Dienstgeber bestehen bleibt“, wenn der DN dem betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz unterliegt, nur dahingehend verstanden werden, dass dem DN auch unter dem Regime des BMSVG kollektivvertraglich ein höherer Abfertigungsanspruch gebühren soll, als er ihn im Vergleich zum gesetzlichen Abfertigungsanspruch nach § 23 AngG hätte. Diese Begünstigung sollte nicht dadurch verloren gehen, dass die gesetzliche Pflicht des DG zur Zahlung eines Abfertigungsanspruchs nach § 23 AngG von der Pflicht zur Beitragszahlung nach dem BMSVG abgelöst wurde.

In diesem Zusammenhang hält der OGH fest, dass sich unter den genannten Aspekten einer vernünftigen, zweckentsprechenden und praktisch durchführbaren Regelung sowie eines gerechten Ausgleichs der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien daraus nicht ableiten lässt, dass der DG zusätzlich zu seiner Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an die Mitarbeitervorsorgekassse verpflichtet wäre,163dem DN eine Abfertigung in der gesamten in § 33 Z 1 des KollV normierten Höhe zu zahlen. Würde man der Rechtsansicht des Kl folgen, würde dies zu einer gravierenden Besserstellung jener DN führen, die der Geltung des BMSVG unterliegen, wofür jedoch keine sachlichen Gründe vorliegen. Die Normierung des § 33 Z 1 des KollV bietet demnach für den vom Kl begehrten Abfertigungsanspruch in der Höhe von weiteren drei Monatsentgelten keine Grundlage.