96

Kein Anspruch auf Wochengeld für Bezieherinnen von Rehabilitationsgeld

FRANJOMARKOVIC
§ § 138 Abs 2 lit f und 162 Abs 5 Z 1 ASVG

Eine Bezieherin von Rehabilitationsgeld ist infolge des analog mitzulesenden Verweises in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG auf § 138 Abs 2 lit f ASVG vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen.

SACHVERHALT

Die Kl bezog von 8.9. bis zum 28.9.2014 und dann wieder vom 30.9.2014 bis zum 31.1.2015 Notstandshilfe. Ab 1.2.2015 bezog die Kl Rehabilitationsgeld. Der Versicherungsfall der Mutterschaft trat am 16.5.2016 ein. Zu diesem Zeitpunkt bezog die Kl noch Rehabilitationsgeld. Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld endete am 31.5.2016.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl lehnte mit Bescheid den Anspruch auf Wochengeld ab, weil die Kl im Zeitraum Februar bis April 2016 nur Rehabilitationsgeld bezog. Die Kl argumentierte, dass Bezieher einer Pension zwar vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen seien, dies aber nicht für Bezieher von Rehabilitationsgeld gelte, weil dieses ein erweiterter Krankengeldanspruch sei. Weiters sei das Rehabilitationsgeld auch unionsrechtlich als Leistung bei Krankheit zu qualifizieren. Nach Ansicht der Bekl sei § 162 Abs 5 Z 1 ASVG analog anzuwenden, weshalb die Kl vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen sei.175

Das Erstgericht sprach der Kl Wochengeld in Höhe von € 50,08 täglich ab 16.5.2016 bis zum Ende des Wochengeldanspruchs und unter Anrechnung des der Kl vom 16.5. bis 31.5.2016 bezahlten Rehabilitationsgeldes zu. Die Kl sei als Bezieherin von Rehabilitationsgeld gem § 138 Abs 2 lit f ASVG vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen. Sie sei aber nicht vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen, weil § 162 Abs 5 Z 1 ASVG nicht auf diese Bestimmung verweise.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. § 162 Abs 5 Z 1 ASVG schließe zwar Bezieher von Rehabilitationsgeld nicht aus, darin liege jedoch eine planwidrige Gesetzeslücke, die dadurch zu schließen sei, dass in dieser Bestimmung auch Verweis auf § 138 Abs 2 lit f ASVG hineinzulesen sei.

Der ordentlichen Revision der Kl wurde nicht Folge gegeben.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 2.1 Mit dem Berufungsgericht ist das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG zu bejahen, weil diese Bestimmung nicht auf § 138 Abs 2 lit f ASVG verweist.

2.2 Betrachtet man das Verhältnis der Bestimmungen der §§ 162 Abs 5 Z 1 und 138 Abs 2 ASVG, so ergibt sich seit der Stammfassung des ASVG, BGBl 1955/189, dass Versicherte, die in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wurden, immer dann vom Anspruch auf Krankengeld und Wochengeld ausgeschlossen sind, wenn sie im Fall des Eintritts der Versicherungsfälle der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit und der Mutterschaft nicht von einem Verlust eines Arbeitseinkommens bedroht sind. Daher sind etwa schon seit der Stammfassung des ASVG die gemäß § 8 Abs 1 Z 1 ASVG in der Krankenversicherung teilversicherten Bezieher einer Pension (auch Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension) gemäß § 138 Abs 2 lit c ASVG vom Anspruch auf Krankengeld und aufgrund des Verweises in (damals) § 162 Abs 3 Z 2 ASVG auch vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen. Grund dafür ist, dass Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung im Krankheitsfall keinen Lohnausfall erleiden (10 ObS 158/11z, SSV-NF 26/14).

In der 50. Novelle zum ASVG, BGBl 1991/676, ersetzte der Gesetzgeber den bis dahin pauschalen Verweis auf § 138 Abs 2 ASVG in (mittlerweile) Absatz 5 des § 162 ASVG durch den Ausdruck ‚§ 138 Abs 2 lit a bis d‘. Grund für diese Differenzierung war die in den Gesetzesmaterialien festgehaltene Intention des § 162 Abs 5 ASVG, Versicherte, die grundsätzlich vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen seien, analog auch vom Anspruch auf Wochengeld auszuschließen. […]

2.5 Das Rehabilitationsgeld (§ 143a ASVG) wurde mit dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, geschaffen, dies nach dem Willen des Gesetzgebers als ‚Ersatz für den Wegfall der befristeten Invaliditätspension‘ (10 ObS 133/15d ua; ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 20). Bezieher von Rehabilitationsgeld (§ 143a ASVG) wurden gemäß § 8 Abs 1 Z 1 lit d ASVG in den Schutzbereich der Krankenversicherung aufgenommen. Diese Personengruppe wurde gemäß der (wieder verwendeten) lit f in § 138 Abs 2 ASVG vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen. In den Gesetzesmaterialien findet sich dazu lediglich der Hinweis (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 21): ‚Im § 138 ASVG wird normiert, dass aus der neugeschaffenen Teilpflichtversicherung in der Krankenversicherung kein Anspruch auf Krankengeld entsteht.‘ Eine Änderung des Verweises in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG auf § 138 Abs 2 ASVG erfolgte nicht, eine Begründung dafür findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht.

2.6 Die Situation der Bezieher von Rehabilitationsgeld ist insbesondere mit jener der Bezieher von Überbrückungsgeld, aber auch mit jener von Beziehern etwa einer befristeten Invaliditätspension deshalb vergleichbar, weil in allen diesen Fällen keine Beschäftigung mehr ausgeübt wird, sodass im Fall der Krankheit oder bei Schwangerschaft nicht der Verlust eines Arbeitseinkommens droht. Rehabilitationsgeld wird – wie eine befristete Invaliditätspension oder Überbrückungsgeld – auch im Fall der Krankheit oder Schwangerschaft – wie sich das auch im konkreten Fall für den Zeitraum 16.5.2016 – 31.5.2016 zeigt – weiter gewährt. Infolge der wertungsmäßigen Übereinstimmung dieser Fälle ist daher davon auszugehen, dass die Erweiterung des Verweises auf § 138 Abs 2 lit f ASVG in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG mit dem SRÄG 2012 versehentlich (planwidrig) unterblieb. Richtig hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht die Absicht des Gesetzgebers ergibt, gerade im Fall des Rehabilitationsgeldbezugs den Anspruch auf Krankengeld auszuschließen, aber einen Anspruch auf Wochengeld zu schaffen.

3.1 Wertungen und Zweck des § 162 ASVG rechtfertigen daher die Annahme, dass der Gesetzgeber des SRÄG 2012 den erforderlichen Verweis auf § 138 Abs 2 lit f ASVG in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG übersehen hat.

3.3 […] Es ist auch im vorliegenden Fall nicht einsichtig, aus welchen Gründen Bezieher von Rehabilitationsgeld für die Beurteilung des Anspruchs auf Wochengeld anders behandelt werden sollten als die in § 162 Abs 5 Z 1, § 138 Abs 2 lit c ASVG schon seit der Stammfassung des ASVG von diesem Anspruch ausgeschlossenen Bezieher einer befristeten Invaliditätspension.

[…]176

4. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin infolge des analog mitzulesenden Verweises in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG auf § 138 Abs 2 lit f ASVG im konkreten Fall vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen ist.“

ERLÄUTERUNG

Im konkreten Fall war während des Bezuges von Rehabilitationsgeld der Versicherungsfall der Mutterschaft eingetreten, weshalb die Kl Wochengeld als Leistung aus der KV begehrte. In § 162 Abs 5 Z 1 ASVG normiert der Gesetzgeber, welche Personen vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen sind. Dieser verweist auf § 138 Abs 2 lit a bis e und h ASVG, welcher wiederum regelt, welcher Personenkreis vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen ist. Bezieher von Rehabilitationsgeld sind jedoch gem § 138 Abs 2 lit f ASVG vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen. Diese lit f findet sich jedoch nicht in der Auflistung des § 165 Abs 5 Z 1 ASVG. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sind somit zwar Bezieher von Rehabilitationsgeld vom Anspruch auf Krankengeld, nicht aber vom Anspruch vom Wochengeld ausgeschlossen. Es stellte sich daher die Frage, ob diese Differenzierung bewusst vorgenommen wurde oder auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen ist und diese Personengruppe ebenfalls vom Wochengeldbezug ausgeschlossen sein sollte. Der OGH kam zum Ergebnis, dass eine planwidrige Gesetzeslücke vorliege, weshalb das Klagebegehren auf Wochengeld abgewiesen werden musste. Er begründete dies folgendermaßen: Schon seit der Stammfassung des ASVG sind Versicherte vom Anspruch auf Krankengeld und Wochengeld ausgeschlossen gewesen, wenn sie im Fall des Eintritts der Versicherungsfälle der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit und der Mutterschaft nicht von einem Verlust eines Arbeitseinkommens bedroht waren. Der Zweck des Krankengeldes sowie des Wochengeldes besteht nämlich darin, den durch den Eintritt des Versicherungsfalls bewirkten Einkommensausfall zu kompensieren. Daher sind etwa schon seit jeher in der KV teilversicherte Bezieher einer Pension (auch Invaliditätsund Berufsunfähigkeitspension) vom Anspruch auf Krankengeld und aufgrund des Verweises in (damals) § 162 Abs 3 Z 2 ASVG auch vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen. Grund dafür ist, dass Bezieher einer Pension im Krankheitsfall mangels Erwerbstätigkeit keinen Lohnausfall erleiden.

Das Rehabilitationsgeld wurde mit dem SRÄG 2012 als Ersatz für den Wegfall der befristeten Invaliditätspension geschaffen. Diese Personengruppe wurde zwar in den Schutzbereich der KV aufgenommen, aber vom Anspruch vom Krankengeld ausgeschlossen. Die Situation der Bezieher von Rehabilitationsgeld ist insb mit jener der Bezieher von Überbrückungsgeld (nach dem BUAG), aber auch mit jener von Beziehern etwa einer befristeten Invaliditätspension deshalb vergleichbar, weil in allen diesen Fällen keine Beschäftigung mehr ausgeübt wird, sodass im Fall der Krankheit nicht der Verlust eines Arbeitseinkommens droht. Nichts anderes gilt freilich für den Fall der Schwangerschaft. Infolge der wertungsmäßigen Übereinstimmung dieser Fälle ist daher davon auszugehen, dass die Erweiterung des Verweises auf § 138 Abs 2 lit f ASVG in § 162 Abs 5 Z 1 ASVG mit dem SRÄG 2012 versehentlich (planwidrig) unterblieb. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht die Absicht des Gesetzgebers, gerade im Fall des Rehabilitationsgeldbezugs den Anspruch auf Krankengeld auszuschließen, aber einen Anspruch auf Wochengeld zu schaffen. Rehabilitationsgeld wird daher – wie eine befristete Invaliditätspension oder Überbrückungsgeld – auch im Fall der Krankheit oder Schwangerschaft weiter gewährt.