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Keine „kinderübergreifende“ Anrechnung zuviel bezahlter Leistungen nach dem KBGG

MURATIZGI

Die Kl ist seit 1.7.1996 in Tirol als DN (Grenzgängerin) beschäftigt. Sie lebt mit ihrem Ehegatten und den beiden gemeinsamen Töchtern in Deutschland, wo auch ihr Mann seit 1992 als Angestellter beschäftigt ist.

Nach der Geburt ihrer ersten Tochter am 14.6.2011 war sie bis 31.1.2013 in Karenz. Sie bezog von der Bekl als Ausgleichszahlung Kinderbetreuungsgeld und kehrte ab 1.2.2013 in Elternteilzeit zu ihrem AG zurück, bis sie aufgrund179ihrer erneuten Schwangerschaft bis 24.10.2013 in Mutterschutz war. Nach Geburt der zweiten Tochter am 29.8.2013 vereinbarte sie mit ihrem DG eine Karenz bis 28.5.2015. Sie erhielt ab Ende des Mutterschutzes bis zum 10. Lebensmonat sowie vom 13. bis zum 14. Lebensmonat der zweiten Tochter deutsches Elterngeld von insgesamt € 9.737,48 sowie vom 15. bis zum 17. Lebensmonat deutsches Betreuungsgeld in Höhe von insgesamt € 450,–.

Die Kl begehrte in ihrer Säumnisklage eine Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld von € 34,38 täglich für die jeweils relevanten Zeiträume.

Die Bekl wendete – soweit im Verfahren vor dem OGH noch relevant – ein, angeblich für das ältere Kind zu viel ausbezahlte Beträge müssten auf die nunmehr für das jüngere Kind begehrten Leistungen angerechnet werden. Der OGH verneinte dies und führte dazu aus, dass die Bekl eine Rechtsgrundlage für diese „kinderübergreifende“ Anrechnung – abgesehen von § 6 Abs 3 KBGG (idF BGBl I 2009/116), wonach der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, sofern Anspruch auf vergleichbare ausländische Familienleistungen besteht, in der Höhe der ausländischen Leistungen ruht – nicht nennt. Diese international ausgestaltete Antikumulierungsbestimmung regle allerdings die – hier auch vorgenommene – Anrechnung ausländischer Leistungen auf Leistungen nach dem KBGG (OGH 24.1.2017, 10 ObS 146/16t). Art 68 VO 883/2004 kürzt nach dem Recht eines Mitgliedstaates erhobene Leistungsansprüche nur, falls für dasselbe Kind nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates ebenfalls eine Leistungsverpflichtung besteht (OGH 22.10.2015, 10 ObS 148/14h). Unabhängig von diesen Erwägungen würde die begehrte Anrechnung außerdem voraussetzen, dass die Bekl den für Rückforderung und Anrechnung vorgeschriebenen Bescheidweg (§ 31 KBGG) einhält.

Im Ergebnis lehnt der OGH die Möglichkeit einer „kinderübergreifenden“ Anrechnung der für das ältere Kind zu viel ausgezahlten Beträge auf die nunmehr für das jüngere Kind begehrten Leistungen strikt ab.