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Prüfung von Schwerarbeit bei 24-Stunden-Diensten

ALEXANDERDE BRITO
§ 1 Abs 1 Z 1 und Z 4 SchwerarbeitsVO

Nur unregelmäßige Nachtarbeit, mit einem Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst ist Schwerarbeit iSd VO.

SACHVERHALT

Der 1958 geborene Kl ist seit 1.5.1993 als Tierkrankenpfleger beschäftigt. Der Kl verrichtet seine Arbeit nach einem Dienstplan, der vorsieht, dass er einen „24/48 Stunden Schicht/Wechseldienst“ zu erbringen hat. Der Dienst beginnt um 6:30 Uhr früh und dauert bis zum nächsten Tag um 6:30 Uhr morgens. Danach wird der Kl von einem Kollegen abgelöst und hat 48 Stunden frei. Er beginnt dann wieder – unstrittig um 6:30 Uhr morgens – einen 24-Stunden-Dienst. Durchschnittlich leistet der Kl zehn solcher Dienste im Monat, während derer auch nachts, von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr im Ausmaß von 8 Stunden, Arbeit verrichtet wird. Die Dienste enthalten keine Zeiten der Arbeits- oder Rufbereitschaft.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 26.2.2016 sprach die Bekl aus, dass die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum vom 1.12.1998 bis 29.2.2016 abgelehnt werde. Der Kl begehrte die Feststellung der Versicherungszeiten in diesem Zeitraum als Schwerarbeitszeiten gem § 1 Abs 1 Z 1 und Z 4 SchwerarbeitsV. Er habe im Schichtdienst und dabei auch über Nacht gearbeitet. Ein unregelmäßiger Nachtdienst sei für eine Anerkennung nicht erforderlich, das Gesetz spreche von Schicht oder Wechseldienst. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und bejahte das Vorliegen von Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV. Das Berufungsgericht gab der von der Bekl gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es wäre nicht erklärlich, warum die Formulierung „Schicht oder Wechseldienst“ in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV gewählt worden sei, wenn ausschließlich wechselnde Schichtdienste von der Bestimmung erfasst sein sollten.

Die Revision an den OGH wurde zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Rsp zur Frage vorliege, ob Dienste, wie sie vom Kl geleistet wurden, als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV zu qualifizieren seien.

Der OGH hält die Revision für zulässig und iSd hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch für berechtigt. Es reiche nicht aus, dass der Kl die Arbeit im Schicht- oder Wechseldienst erbracht hat, entscheidend sei vielmehr, ob er auch zu unregelmäßigen Nachtarbeiten verpflichtet gewesen sei. Da diesbezüglich Feststellungen fehlten, wies der OGH die Rechtssache zur ergänzenden Erörterung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.180

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

1. § 1 SchwerarbeitsV trägt die Überschrift ‚Besonders belastende Berufstätigkeiten‘.

§ 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV lautet:

‚§ 1 (1) Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten alle Tätigkeiten, die geleistet werden1. in Schicht oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), das heißt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt, …‘

2.1 In der Rechtsprechung wurde zu dieser Bestimmung bereits entschieden, dass reine Nachtarbeit nicht als Belastungsmoment in die Schwerarbeitsverordnung Eingang gefunden hat. Es muss vom Versicherten vielmehr ein Schicht oder Wechseldienst erbracht werden, das heißt, es muss vor, danach oder zwischen den sechs Nachtdiensten pro Monat zumindest ein Wechsel zu einem Tagdienst stattfinden.

2.2 § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV stellt auf ‚einzelne‘ Schichtdienste bzw Nachtdienste ab. […] Eine Nachtschicht, welche den Zeitraum zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr umfasst, ist daher als ein Arbeitstag zu werten (10 ObS 118/15y). […]

4. Dem Argument des Berufungsgerichts, es finde im vorliegenden Fall einer 24-Stunden-Schicht ein Wechsel zwischen Tages zu Nachtarbeit innerhalb eines Dienstes statt, ist daher vor allem entgegenzuhalten, dass § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV auf ‚einzelne‘ Dienste abstellt und der Wortlaut der Bestimmung eine Teilung eines Dienstes in verschiedene Teile nicht zulässt (10 ObS 118/15y). Die besonders belastenden Arbeitsbedingungen liegen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV in der unregelmäßigen Nachtarbeit im Rahmen eines Schicht oder Wechseldienstes, die notwendigerweise einen Wechsel von einzelnen Tag und Nachtdiensten voraussetzt (10 ObS 103/10k). An einem solchen Wechsel einzelner Dienste im Rahmen eines Schichtplans fehlt es im Fall des Klägers, weil dessen Dienste immer am Tag (zu gleicher Zeit) beginnen. […]

5.1 Der Wortfolge ‚Schicht oder Wechseldienst‘ in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV kommt nicht die Bedeutung zu, die ihr von den Vorinstanzen beigelegt wurde. Dieses Begriffspaar ist vom Gesetzgeber bereits in der Stammfassung des § 48 Abs 4 BDG 1979, BGBl 1979/333, definiert worden. § 48 BDG 1979 regelt den Dienstplan. § 48 Abs 4 BDG 1979 lautet, seit der Stammfassung unverändert, auszugsweise:

[…] (4) Bei Schicht oder Wechseldienst ist ein Schicht oder Wechseldienstplan zu erstellen. […] Schichtdienst ist jene Form der Dienstzeit, bei der aus organisatorischen Gründen an einer Arbeitsstätte der Dienstbetrieb über die Zeit des Normaldienstplanes hinaus aufrechterhalten werden muss und ein Beamter den anderen ohne wesentliche zeitmäßige Überschneidung an der Arbeitsstätte ablöst. Bei wesentlichen zeitmäßigen Überschneidungen liegt Wechseldienst vor.‘ […]

5.3 Schichtdienst ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jene Form der Dienstzeit, bei der aus organisatorischen Gründen an einer Arbeitsstätte der Dienstbetrieb über die Zeit des Normaldienstplans hinaus aufrecht erhalten werden muss und ein Beamter den anderen ohne wesentliche zeitliche Überschneidung an der Arbeitsstätte ablöst. Für das Vorliegen des Schichtdienstes sind daher kumulativ die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs über die Zeit des Normaldienstplans hinaus und die Ablöse eines Beamten durch einen anderen (ohne wesentliche zeitmäßige Überschneidung) erforderlich (VwGH2009/12/0207). Der Wechseldienst unterscheidet sich vom Schichtdienst nur durch das Ausmaß der zeitlichen Überlappung des Dienstes des früher diensthabenden Beamten mit dem des ihn ablösenden Beamten (VwGH94/12/0299).

5.4 Auch nach § 4a AZG ist unter Schichtarbeit (mehrschichtige Arbeitsweise) eine Arbeitszeiteinteilung zu verstehen, bei der an einem oder mehreren Arbeitsplätzen innerhalb eines Tages verschiedene Arbeitnehmer in zeitlicher Aufeinanderfolge ihre Tagesarbeitszeit absolvieren. […]

5.5 Legt man insbesondere die Rechtsklarheit anstrebende Präzisierung des Gesetzgebers in § 48 Abs 4 BDG 1979 und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dem Verständnis des in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ident gebrauchten Begriffspaars ‚Schicht oder Wechseldienst‘ zugrunde, ist erkennbar, dass der Unterschied zwischen beiden Begriffen lediglich in der zeitlichen Überlappung des Dienstes des ablösenden Arbeitnehmers mit jenem des Abgelösten liegt. Daraus ergibt sich, dass für die besondere Belastung der Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV nicht allein maßgeblich ist, ob die Arbeit im Schicht- oder Wechseldienst erbracht wird, weil es für die Frage der Schwerarbeit nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht auf den Zeitpunkt der Ablösung eines Schichtdienst leistenden Dienstnehmers durch einen anderen ankommt. Schwerarbeit liegt vielmehr nur bei Ausübung unregelmäßiger Nachtarbeit im Sinn dieser Bestimmung vor, wofür wie ausgeführt der Wechsel einzelner Tages- und Nachtdienste im Rahmen des Schicht- oder Wechseldienstes erforderlich ist.

6. Ausgehend davon ist die Tätigkeit des Klägers nicht als Schwerarbeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 Schwerarbeit zu qualifizieren.“

ERLÄUTERUNG

Dass mit der Schwerarbeitsregelung und der dazu ergangenen VO ein restriktiver Zugang zu einer vorzeitigen Alterspension geschaffen werden sollte, ist auch aus dieser E ersichtlich. Nur Tätigkeiten mit besonderen Belastungsmomenten sollen zur Anerkennung als Schwerarbeit führen. Diese lagen beim Kl laut OGH nicht vor, weil die von ihm ausgeübte Tätigkeit mit regelmäßiger Tag- und Nachtarbeit nicht mit besonderen Belastungen verbunden ist, wie sie sich durch einen Wechsel von Tag und Nachtarbeit ergibt. Warum in der Schwerarbeits-VO allerdings die Formulierung „Schicht- oder Wechseldienst“ verwendet wurde, ist nicht leicht nachvollziehbar. Stellt die Bedeutung des Wortes „oder“ doch ein alternatives Vorliegen von Sachverhalten dar.

Dies wird auch nicht durch die Heranziehung des § 48 BDG, die Judikatur des VwGH und des § 4a AZG klarer, da dort nur erörtert wird, wann Schicht- und wann Wechseldienst vorliegt. Der Kl leistete demnach Schichtdienst, weil er – wie im Sachverhalt dargestellt – ohne wesentliche zeitliche Überlappung abgelöst wurde und der Dienstbetrieb über die Zeit des Normaldienstplanes aufrechterhalten wurde. Nach dem klaren Wortlaut wird für das Vorliegen von Schwerarbeit nur verlangt, dass entweder Schichtdienst geleistet wird, oder Wechseldienst vorliegt. Dass die Tätigkeit des Kl keine Schwerarbeit darstellt, liegt daran, dass nach der VO unregelmäßige Nachtarbeit geleistet werden muss, diese jedoch in den Dienstplänen nicht vorgesehen war.182