Wiedereingliederungsteilzeit

ANDREASMAIR

Mit dem Wiedereingliederungsteilzeitgesetz, BGBl I 2017/30, wurde in die österreichische Arbeitsrechtsordnung ein Modell implementiert, das es langzeiterkrankten AN ermöglichen soll, schrittweise wieder in den Arbeitsprozess zurückzukehren. Der vorliegende Beitrag analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme einer Wiedereingliederungsteilzeit und untersucht deren Relevanz für den Bereich des Antidiskriminierungsrechts.

1.
Grundlegung

Wenn der erwartete Effekt einer gesetzlichen Neuregelung nicht nur als „win-win“,* sondern sogar als eine „win-win-win“-Situation* beschrieben wird, so macht diese Einschätzung neugierig. Neugierig darauf, auf welche Weise es dem Gesetzgeber gelungen ist, eine Regelung zu schaffen, die mit doch einigen Vorschusslorbeeren ausgestattet ist.*) Und neugierig darauf, wie das solcherart gelobte Modell tatsächlich von der Praxis und den Betroffenen aufgenommen und umgesetzt wird. Das in § 13a AVRAG* positivierte Modell zur Wiedereingliederung von AN nach langen Krankenständen ist mittlerweile in Kraft getreten.* Damit lässt sich nunmehr auch beobachten, ob die Ziele, die mit dem Modell der Wiedereingliederungsteilzeit erreicht werden sollen, realisiert werden können. So soll das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit zentral die Rückkehr des AN in den Arbeitsalltag nach einem langen Krankenstand erleichtern, einen Beitrag zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters leisten,* die Rückfallswahrscheinlichkeit hinsichtlich von Erkrankungen senken* und überhaupt soll das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit die Arbeitsfähigkeit langzeiterkrankter AN festigen und erhöhen?*

Ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden können, wird die Zukunft zeigen. Was aber bereits feststeht, ist, was mit dem Modell der Wiedereingliederungsteilzeit nicht bezweckt werden soll: § 13a AVRAG will für die AN keinen Sonderstatus zwischen Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit schaffen* und § 13a AVRAG implementiert auch keinen „Teilkrankenstand“* in das190österreichische Recht.* Diese beiden Markierungen sind wichtig, um allfälligen Fehldeutungen dieses Modells schon von vornherein entgegenzutreten.* Vielmehr handelt es sich beim Modell der Wiedereingliederungsteilzeit um den gesetzgeberischen Versuch, AN eine Art „Rückkehr light“ aus einem längeren Krankenstand zu ermöglichen.*

2.
Eckpunkte des Modells

Die rechtliche Umsetzung dieses Versuchs ist einigermaßen komplex ausgestaltet. Nicht nur, dass § 13a AVRAG selbst zahlreiche Vorgaben macht, auch die sozialversicherungsrechtliche Dimension des Modells ist stets mit zu berücksichtigen. Dies schon deshalb, da die zwischen AN und AG zu vereinbarende Wiedereingliederungsteilzeit solange aus rechtlicher Sicht schwebend unwirksam bleibt, bis der Krankenversicherungsträger das die Wiedereingliederungsteilzeit flankierende Wiedereingliederungsgeld (§ 143d ASVG) bewilligt hat.* Zur besseren Strukturierung sollen nachstehend die Voraussetzungen, die im Binnenverhältnis von AN und AG erfüllt sein müssen, und jene Voraussetzungen, die sozusagen von „außen“ an AN und AG herangetragen werden, komprimiert dargestellt werden.

2.1.
Voraussetzungen im Binnenverhältnis von AN und AG

Die Inanspruchnahme des Modells der Wiedereingliederungsteilzeit erfordert ganz grundsätzlich, dass das Arbeitsverhältnis bereits ununterbrochen drei Monate* gedauert hat und der AN sich mindestens sechs Wochen ununterbrochen im Krankenstand befunden hat (§ 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG). Eine Wiedereingliederungsteilzeit ist dann zwischen AN und AG zu vereinbaren, wobei die Vereinbarung schriftlich abgeschlossen werden muss (§ 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG). Es gilt damit das Prinzip der Freiwilligkeit, ein Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Wiedereingliederungsvereinbarung besteht nicht.*

Die Vereinbarung zwischen AN und AG hat dabei folgende Punkte zu regeln:

  • die Dauer der Wiedereingliederungsteilzeit, wobei § 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG einen Rahmen von mindestens einem Monat bis zu einer Höchstdauer von sechs Monaten vorgibt;

  • das Ausmaß der Arbeitszeitreduktion, wobei sich die genaue Festlegung innerhalb der Bandbreite von mindestens 25 % und maximal 50 % der ursprünglichen Normalarbeitszeit bewegen muss und

  • den Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit sowie die Lage der Teilzeitbeschäftigung (§ 13a Abs 2 Satz 1 AVRAG).

Als generellen Rahmen für die Ausgestaltung der Vereinbarung haben AN und AG zu beachten, dass das in der Phase der Wiedereingliederungsteilzeit gebührende (reduzierte) Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG: € 438,05 [Wert 2018]) liegen muss und die vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit zwölf Stunden nicht unterschreiten darf (§ 13a Abs 1 Satz 3 AVRAG). Bei Einhaltung dieser gesetzlichen Parameter steht das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit auch Teilzeitbeschäftigten offen.*

2.2.
Exogene Voraussetzungen

Die exogenen Voraussetzungen, die für die erfolgreiche Umsetzung der Wiedereingliederungsteilzeit erfüllt sein müssen, fokussieren auf die Einbindung weiterer Akteure. Denn zum einen muss für den wirksamen Abschluss einer Wiedereingliederungsvereinbarung eine Bestätigung darüber vorliegen, dass der AN arbeitsfähig ist (§ 13a Abs 1 Z 1 AVRAG). Zum anderen muss vor dem Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung eine Beratung des AN und des AG über die inhaltliche Ausgestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit durch die Einrichtung „ fit2work“ stattgefunden haben, es sei denn, AN, AG und ein Arbeitsmediziner (bzw das arbeitsmedizinische Zentrum) stimmen nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung einschließlich des Wiedereingliederungsplans zu (§ 13a191Abs 1 Z 2 AVRAG). Und letztlich muss auch der Krankenversicherungsträger der geplanten Wiedereingliederungsteilzeit seine Zustimmung erteilen, indem der Krankenversicherungsträger die Auszahlung des Wiedereingliederungsgeldes bewilligt (§ 13a Abs 1 Satz 7 AVRAG). Ergänzend dazu ist in Betrieben mit BR auch dieser den Verhandlungen um den Abschluss einer Wiedereingliederungsvereinbarung beizuziehen (§ 13a Abs 2 Satz 2 AVRAG),* wobei die Missachtung dieser Vorgabe die Wirksamkeit der geschlossenen Wiedereingliederungsvereinbarung nicht beeinträchtigt.*

Die Bestätigung über die Arbeitsfähigkeit des AN wird idR vom behandelnden Arzt stammen.* Die Arbeitsfähigkeit des AN muss dabei zum Antrittszeitpunkt der Wiedereingliederungsteilzeit vorliegen.* Die von § 13a Abs 1 Z 2 AVRAG geforderte Beratung von AN und AG über die Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit findet bei der Einrichtung „fit2work“ statt.* Gegenstand der Beratung können sowohl die Information über die rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer Wiedereingliederungsvereinbarung sein als auch die Erörterung der gesundheitlichen Situation des AN.* Letzteres kann es notwendig machen, mit dem AN auch über die ärztlichen Befunde zu sprechen, sodass es erforderlich sein kann, getrennte Beratungstermine für den AN und seinen AG vorzusehen.* Die Beratung bei „fit2work“ kann entfallen, wenn der AN, der AG und der Arbeitsmediziner (bzw das arbeitsmedizinische Zentrum) nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung (inklusive des Wiedereingliederungsplans) zustimmen.*

2.3.
Wiedereingliederungsplan

Das zentrale Instrument, um den Prozess der Wiedereingliederung zu strukturieren, ist der Wiedereingliederungsplan. Die zentrale Bedeutung des Wiedereingliederungsplans zeigt sich daran, dass nach der gesetzlichen Konzeption der Wiedereingliederungsplan von AN und AG bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit zu berücksichtigen ist (§ 13a Abs 1 Satz 5 AVRAG), und weiters daran, dass der Wiedereingliederungsplan auch für den Krankenversicherungsträger die entscheidende Grundlage dafür ist, über die Zuerkennung des Wiedereingliederungsgeldes zu entscheiden.*

§ 13a AVRAG bindet die Erstellung des Wiedereingliederungsplans an die Erfüllung einiger formaler Anforderungen. So hat die Frage der Ausgestaltung des Wiedereingliederungsplans Gegenstand der Beratung von AN und AG durch „fit2work“ zu sein (§ 13a Abs 1 Z 2 iVm § 1 Abs 2 AGG). Auch sollen die mit der arbeitsmedizinischen Betreuung betrauten Personen bzw Stellen bei der Erarbeitung des Wiedereingliederungsplans beigezogen werden (§ 13a Abs 1 Satz 6 AVRAG). Der Wiedereingliederungsplan ist auf dieser Grundlage zwischen AN und AG individuell zu vereinbaren, eine Zustimmung von „fit2work“ zum ausgehandelten Wiedereingliederungsplan bedarf es dabei nicht.* Abgesehen von diesen formalen Aspekten fehlen hingegen gesetzliche Vorgaben darüber, was Inhalt des Wiedereingliederungsplans sein soll (kann) bzw wie dieser strukturiert sein soll.* Nach der Intention des gesamten Modells sollten die genauen Rahmenbedingungen und der beabsichtigte Ablauf für die schrittweise Rückkehr in den Arbeitsprozess inhaltlicher Bestandteil des Wiedereingliederungsplans sein.* Der Muster-Wiedereingliederungsplan ermöglicht es AN und AG, ein auf den kon-192kreten AN abstellendes Tätigkeits- und Anforderungsprofil zu definieren, das es erlaubt, Angaben ua zur Arbeitshaltung, zur Arbeitsorganisation (wie Schichtarbeit oder Nachtarbeit), zu eventuell bestehenden besonderen psychischen Anforderungen sowie zu Gefährdungs- und Belastungsfaktoren, denen der AN ausgesetzt ist (wie zB Kälte, Nässe, Hitze), zu machen.* Daran anknüpfend könnten AN und AG im Wiedereingliederungsplan beispielsweise Regelungen über die Lage der Arbeitszeit festlegen, etwa dass der AN in der Phase der Wiedereingliederung keine Nachtarbeit zu leisten hat.* Ebenso wäre es denkbar, im Wiedereingliederungsplan konkrete Unterstützungsmaßnahmen für den AN vorzusehen, wie etwa die Bereitstellung eines höhenverstellbaren Schreibtisches oder die regelmäßige Begleitung des AN in der Phase der Wiedereingliederung durch Gespräche mit einem Arbeitsmediziner oder durch das „fit2work“-Case Management.*

Es ließe sich bei der Erstellung des Wiedereingliederungsplans aber auch fragen, ob es für den AN Arbeitsbelastungen gibt, die in der Phase der Wiedereingliederung verringert oder beseitigt werden könnten, oder ob die Ausstattung des Arbeitsplatzes oder die Arbeitsorganisation verbessert bzw angepasst werden soll* und die Antworten auf diese Fragen als Einzelmaßnahmen des Wiedereingliederungsplans zu fixieren. Es besteht damit für AN und AG eine sehr weitgehende Freiheit, was die inhaltliche Ausgestaltung des Wiedereingliederungsplans betrifft.*

2.4.
Arbeitszeit(reduktion)

Inhaltliches Herzstück der Wiedereingliederungsvereinbarung ist naturgemäß die Fixierung der geplanten Arbeitszeitreduktion.* Gesetzlich vorgesehen ist, dass sich AN und AG über eine Herabsetzung der Arbeitszeit innerhalb einer Bandbreite von mindestens 25 % und höchstens 50 % der ursprünglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit einigen müssen (§ 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG),* das zeitliche Ausmaß der Beschäftigung in der Phase der Wiedereingliederung muss damit zwischen 50 % und 75 % der ursprünglichen Normalarbeitszeit betragen.* § 13a AVRAG verlangt aber nicht, dass das Arbeitszeitausmaß in der Phase der Wiedereingliederung immer gleich bleibt. Vielmehr eröffnet § 13a Abs 2 AVRAG Variationsmöglichkeiten, von denen AN und AG Gebrauch machen können. Mit diesen Variationsmöglichkeiten soll es AN und AG ermöglicht werden, eine für den konkreten AN passende sukzessiv ansteigende Belastungssteigerung zu erreichen.

Dazu können AN und AG zum einen von der grundsätzlich vorgesehenen Bandbreite für bestimmte Monate auch abweichen. Voraussetzung dafür ist, dass durch dieses Abweichen mit dem verbleibenden Stundenausmaß 30 % der ursprünglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit nicht unterschritten wird und im Durchschnitt (bezogen auf die gesamte Dauer der Wiedereingliederungsteilzeit) sowohl die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht weniger als zwölf Stunden beträgt als auch das gebührende Entgelt nicht unter der ASVG-Geringfügigkeitsgrenze liegt und zudem die Arbeitszeit im Durchschnitt innerhalb der Bandbreite von 50 % bis 75 % der ursprünglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit liegt. Mit dieser Variante kann es einem AN vor allem ermöglicht werden, am Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit mit weniger als 50 % der ursprünglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit in den Arbeitsalltag zurückzukehren.*

Zum anderen wäre es auch möglich, die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb eines Kalendermonats ungleichmäßig zu verteilen, sofern das zwischen AN und AG vereinbarte Arbeitszeitausmaß im Durchschnitt (und damit wiederum bezogen auf die gesamte Dauer der Wiedereingliederungsteilzeit) eingehalten und das vereinbarte Arbeitszeitausmaß in den einzelnen Wochen jeweils um nicht mehr als 10 % unter- oder überschritten wird (§ 13a Abs 2 Satz 5 AVRAG).* Die 10 %-Gren-193ze bezieht sich dabei auf die für den jeweiligen Kalendermonat vereinbarte Arbeitszeit.*

2.5.
Finanzielle Auswirkungen

Während der Wiedereingliederungsteilzeit verringert sich der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch des AN um das Ausmaß der Arbeitszeitreduktion (§ 13a Abs 6 Satz 1 AVRAG). Das dem AN damit aliquot zustehende Entgelt ist nach Maßgabe von § 3 EFZG zu berechnen und damit unter Einschluss eines allfälligen Überstundenpauschales.* Sollten AN und AG eine von der gesetzlichen Bandbreite abweichende Vereinbarung getroffen haben und wird damit die Arbeitszeit um mehr als 50 % reduziert, so hat der AG das Entgelt trotzdem gleichmäßig entsprechend dem durchschnittlich vereinbarten Arbeitszeitausmaß zu leisten.*

Die durch die Teilzeitbeschäftigung bedingte Einkommenseinbuße des AN wird teilweise durch das Wiedereingliederungsgeld (§ 143d ASVG) als Leistung aus der KV* kompensiert.* Plastisch wird das Wiedereingliederungsgeld als „anteiliges virtuelles Krankengeld“* bezeichnet, um damit dessen Berechnungsmodalität zu charakterisieren. Die Berechnung des Wiedereingliederungsgeldes geht nämlich vom erhöhten Krankengeldanspruch des AN aus.* Wird die ursprüngliche Arbeitszeit um 50 % reduziert, so gebührt dem AN 50 % des erhöhten Krankengeldanspruchs als Wiedereingliederungsgeld. Arbeitet der AN in der Phase der Wiedereingliederung zu mehr als 50 % der ursprünglichen Arbeitszeit, so wird der erhöhte Krankengeldanspruch mit dem prozentuellen Ausmaß der Arbeitszeitreduktion aliquotiert.* Voraussetzung für die Zuerkennung des Wiedereingliederungsgeldes ist, dass der chef- und kontrollärztliche Dienst des Krankenversicherungsträgers die geplante Wiedereingliederungsteilzeit für „medizinisch zweckmäßig“ erachtet,* also zu dem Schluss kommt, dass auf der Grundlage des vorgelegten Wiedereingliederungsplans und der ärztlichen Befunde* die Wiedereingliederungsteilzeit keine negativen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des AN hat und der AN nach der Phase der Wiedereingliederung seine Erwerbstätigkeit wieder im ursprünglichen Ausmaß fortsetzen kann.* Umgekehrt wäre die medizinische Zweckmäßigkeit der Wiedereingliederungsteilzeit zu verneinen, wenn der chef- und kontrollärztliche Dienst des Krankenversicherungsträgers den AN weiterhin für arbeitsunfähig einstuft oder zum Ergebnis gelangt, dass die Arbeitsfähigkeit beim AN schon so stabil ausgeprägt ist, dass eine schrittweise Rückkehr in den Arbeitsalltag nicht erforderlich ist.*

Das Wiedereingliederungsgeld gebührt ab dem Zeitpunkt, zu dem der AN in Teilzeit zu arbeiten beginnt,* der Leistungsbezug ist dabei an die Dauer der Wiedereingliederungsteilzeit gekoppelt. Ein erneuter Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld nach dem Ende einer Wiedereingliederungsteilzeit kann erst nach dem Verstreichen einer Sperrfrist von 18 Monaten entstehen. Diese Sperrfrist soll verhindern, dass die Maximaldauer der Wiedereingliederungsteilzeit durch eine Aneinanderreihung von Wiedereingliederungsvereinbarungen „umgangen“ wird.*

3.
Wiedereingliederungsteilzeit als angemessene Vorkehrung?

Das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit mit seiner zentralen Zielsetzung, AN den sanften Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess zu ermöglichen, hat möglicherweise auch eine Relevanz im Bereich des Antidiskriminierungsrechts. Es lässt sich nämlich thematisieren, ob das von § 13a AVRAG vorgesehene Modell als eine „angemessene Vorkehrung“ iSd § 6 Abs 1a BEinstG (Art 5 RL 2000/78/EG)* anzusehen ist. Könnte dies bejaht werden, so könnten AG das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit dazu nutzen, ihre Förderpflicht gegenüber jenen AN zu entsprechen, deren Erkrankung als eine „behinderungsgleiche Erkrankung“ einzustufen ist und die deshalb den Status als AN mit Behinderung für sich reklamieren können.194

Denn die E des EuGH in der Rs HK Danmark hat deutlich gemacht, dass eine Krankheit unter bestimmten Voraussetzungen (auch) eine Behinderung sein kann.* Dieser vom EuGH vollzogene Paradigmenwechsel bedeutet, dass bei jenen AN, deren Behindertenstatus sich aus einer behinderungsgleichen Erkrankung ergibt, nunmehr auch das antidiskriminierungsrechtliche Schutzregime zu beachten ist.* In diesem Zusammenhang trifft den AG gem § 6 Abs 1a BEinstG eine aktive Pflicht, durch geeignete und erforderliche Maßnahmen AN mit Behinderungen die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen.* Damit ist gemeint, dass der AG verpflichtet ist, die besondere Situation von AN mit Behinderungen im Arbeitsalltag zu berücksichtigen.* Nach dem Erwägungsgrund Nr 20 RL 2000/78/EG kann der AG diese sogenannte „Förderpflicht“* dadurch erfüllen, indem der AG dafür sorgt, dass der Arbeitsplatz, die Arbeitsräumlichkeiten, das Arbeitsgerät oder der Arbeitsrhythmus an die Bedürfnisse von AN mit Behinderungen angepasst sind. Besonders interessant erscheint im vorliegenden Zusammenhang der Hinweis des EuGH, dass der AG seiner Förderpflicht auch dadurch nachkommen kann, indem der AG dem AN eine Teilzeitbeschäftigung anbietet, wenn der AN aufgrund seiner Behinderung nicht mehr in der Lage ist, in Vollzeit zu arbeiten und der AN durch eine Teilzeitbeschäftigung befähigt wird, seine Arbeit weiterhin auszuüben.*

Diese von § 6 Abs 1a BEinstG statuierte Förderpflicht des AG muss sich aufgrund der neueren Judikatur des EuGH* auch auf jene AN beziehen, die an einer behinderungsgleichen Erkrankung leiden und die deshalb als AN mit Behinderung anzusehen sind. Damit ist der AG verpflichtet, durch angemessene Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass auch solche AN weiterhin im Arbeitsprozess integriert bleiben können. Derartige behinderungsgleiche Erkrankungen* können beispielsweise eine Krebserkrankung oder schwere Erkrankungen im psychischen Bereich sein.* Solche Krankheiten sind aber auch jene Erkrankungen, die im Fokus des Modells der Wiedereingliederungsteilzeit stehen.* Damit bietet sich zur Umsetzung der Förderpflicht gegenüber AN, deren Behindertenstatus aus diesen Erkrankungen resultiert, mE nunmehr auch das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit an.*

Ob der AG das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit aber tatsächlich nutzt, um seiner Förderpflicht gegenüber solchen AN zu entsprechen, bleibt grundsätzlich der freien Entscheidung des AG überlassen. Denn § 6 Abs 1a BEinstG scheint dem AG eine Art „Wahlrecht“ einzuräumen, welche angemessene(n) Vorkehrung(en) er für den betreffenden AN implementiert.* Abgesichert wird diese Entscheidungsfreiheit des AG durch die gesetzliche Klarstellung, dass die Umsetzung der angemessenen Vorkehrung zu keiner unverhältnismäßigen Belastung für den AG führen darf* und es sich um eine im konkreten Fall erforderliche, dh notwendige Maßnahme handeln muss.* Auch bildet die Frage nach (dem Umfang) der noch bestehenden Einsatzfähigkeit des AN auf dem konkreten Arbeitsplatz eine Orientie-195rungsmarke und gleichzeitig eine Begrenzung dafür, wie die angemessene Vorkehrung für den AN konfiguriert sein muss.* Andererseits muss ein AG bei der Auswahl einer angemessenen Vorkehrung darauf Rücksicht nehmen, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die geeignet ist, dem AN mit Behinderung die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen. Damit kann der AG von vornherein nur solche Maßnahmen ausscheiden, die (seiner Einschätzung nach) zur Verwirklichung dieser Zielsetzung überhaupt nicht geeignet sind.* Unter Beachtung dieser Parameter kann daher das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit im Einzelfall eine Möglichkeit sein, mit der AG ihre Förderpflicht gegenüber jenen AN erfüllen können, deren Erkrankung als eine Behinderung anzusehen ist. Dies unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass auch der betroffene AN selbst eine Wiedereingliederungsvereinbarung abschließen möchte.

4.
Fazit

Die von § 13a AVRAG geregelte Wiedereingliederungsteilzeit ist ein attraktives Angebot mit Potential.* Das Modell der Wiedereingliederungsteilzeit hat nämlich das Potential zur verbesserten Berücksichtigung der Situation langzeiterkrankter AN und dieses Modell kann dazu dienen, eine Unterstützungsmaßnahme für jene AN zu sein, deren Krankheit eine Behinderung darstellt. Wie stark sich dieses Potenzial der Wiedereingliederungsteilzeit tatsächlich entfalten wird, das wird die Zukunft zeigen.