53

Wissenschaftliche Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht

STELLAWEBER

In diesem Jahr wurde bei der 53. Wissenschaftlichen Tagung der österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht am 5. und 6. April 2018 im Ferry Porsche Congress Center in Zell am See der TeilnehmerInnenrekord von 538 Anmeldungen aus Wissenschaft und Praxis aufgestellt. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, Präsident der Gesellschaft, eröffnete die Tagung mit der traurigen Nachricht über den Tod des Vizepräsidenten der Gesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn, der nach schwerer Krankheit am 30.1.2018 verstorben ist. Er hat sich stets für die Gesellschaft eingesetzt und sich immer wieder schwierigen Themen angenommen. Mit einer Schweigeminute und einer interessanten Tagung sollte Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn gedacht werden. Nach diesem schweren Einstieg gratulierte Bürgermeister Peter Padourek, M.A., zu den vielen TeilnehmerInnen und bedankte sich für die langjährige Kooperation. Bereits seit 14 Jahren spricht er die Grußworte.

Durch den ersten Tag der Veranstaltung führte die Vizepräsidentin, RAin Hon.-Prof.in Dr.inSieglinde Gahleitner (Mitglied des VfGH). Ass.-Prof.in Mag.a Dr.inSusanne Auer-Mayer (Universität Salzburg) begann mit ihrem Vortrag zum Thema „Behinderung und Arbeitsrecht“, wobei sie eine inhaltliche Dreiteilung vornahm: Zunächst ging sie auf den Behinderungsbegriff ein. Dann erörterte sie die Verpflichtung der AG, „angemessene Vorkehrungen“ zu treffen. Zuletzt sprach sie noch einige Fragen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Der Behinderungsbegriff wird in § 3 BEinstG normiert. Dieser ist maßgeblich für den Diskriminierungsschutz, der in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben vom österreichischen Gesetzgeber erlassen wurde. Der Behinderungsbegriff des § 3 BEinstG ist demnach unionsrechtlich auszulegen. In diesem Zusammenhang kommt der Judikatur des EuGH zentrale Bedeutung zu. Zunächst vertrat der EuGH noch die Ansicht, dass eine wegen Krankheit diskriminierte Person keinen Diskriminierungsschutz erfahre. Mittlerweile traf der EuGH jedoch die Klarstellungen, wonach Krankheiten zwar keine Behinderung darstellen, aber eine solche zur Folge haben können, wenn sie die Teilhabe am Berufsleben erschweren und langfristiger Natur sind. Neben dem Diskriminierungsschutz werden AN mit langfristigen Beeinträchtigungen durch das Gebot „angemessener Vorkehrungen“ gefördert. Die-196ses in der Literatur als „Förderpflicht“ bezeichnete Gebot verpflichte AG unmittelbar zur Ergreifung bestimmter Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen die Ausübung ihres Berufes zu erleichtern. Eine solche Maßnahme kann auch in der Zuweisung anderer Tätigkeiten bestehen. Entgegen der vom OGH vorgenommenen Einschränkung auf arbeitsvertraglich geschuldete Arbeiten kann Auer-Mayer derartiges als allgemeinen Grundsatz weder aus § 6 Abs 1a BEinstG noch aus Art 5 RL 2000/78 ableiten. Im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen begünstigt Behinderter ging Auer-Mayer ua auf die Ausnahme des § 8 Abs 6 lit b BEinstG und Fragen des Zeitpunktes des Wirksamwerdens der Begünstigung gem § 14 Abs 2 BEinstG ein. In diesem Zusammenhang beschäftigte sie sich mit der Möglichkeit des Verzichts auf eine begünstigte Behinderung und mit der Frage der Zulässigkeit von Entlassungen wegen Dienstunfähigkeit.

In der anschließenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ab wann die Langfristigkeit einer Beeinträchtigung zu beurteilen sei und ab wann eine Diskriminierung stattfinde. Außerdem wurde näher beleuchtet, ob im Rahmen der Förderpflicht nur vertraglich geschuldete oder auch außervertragliche Tätigkeiten angeboten werden müssen. Zugunsten der Ansicht des OGH, dass AG ihrer Förderpflicht lediglich im Rahmen der vertraglich vereinbarten Tätigkeiten nachzukommen haben, wurde das Argument der unternehmerischen Freiheit ins Treffen geführt. Des Weiteren wurde diskutiert, wie mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Behindertenschutz von Organmitgliedern – die AN sind – und dem Grundsatz der freien Abberufbarkeit von GeschäftsführerInnen zu verfahren sei. Zuletzt wurde die Problematik der Verpflichtung zur Offenlegung von Gesundheitsdaten bei Geltendmachung von Ansprüchen und dem Datenschutz angesprochen.

Im zweiten Vortrag sprach Assoz.-Prof. PD. Mag. Dr. Andreas Mair (Universität Innsbruck) zum im Jahr 2017 eingeführten Modell der Wiedereingliederungsteilzeit und lobte dieses als eine positive und sinnvolle Maßnahme. Damit solle der Wiedereinstieg nach längerer Krankheit erleichtert und die Arbeitsfähigkeit nachhaltig gefestigt und erhöht werden. Es gelte das Prinzip der Freiwilligkeit: Liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereingliederungsteilzeit vor, könne der AN nach § 13a AVRAG mit dem AG einen Wiedereingliederungsplan vereinbaren. Dieser Verhandlung sei der BR beizuziehen und eine verpflichtende Beratung von AN und AG betreffend die Gestaltung dieses Planes erfolge durch die Einrichtung „fit2work“ unter Beiziehung eines Arbeitsmediziners. Zum Inhalt dieses Wiedereingliederungsplanes gebe es aber keine konkreten gesetzlichen Vorgaben. Herzstück der Wiedereingliederungsvereinbarung sei jedenfalls die Arbeitszeitvereinbarung, wobei sich AN und AG über eine Herabsetzung der Arbeitszeit zwischen mindestens 25 % und maximal 50 % zu einigen haben. Es bestehe auch die Möglichkeit, die Arbeitszeit innerhalb des Kalendermonats ungleichmäßig zu verteilen. Als problematisch hebt Mair den gesetzlich geforderten, direkten Anschluss der Wiedereingliederungsteilzeit an den Krankenstand hervor und fordert eine gesetzliche Klarstellung, wobei er unter Rücksichtnahme auf die Zielsetzungen dieses Modells einen zeitlichen Abstand von zwei Tagen für akzeptabel hält. Abschließend geht Mair auf die Kündigungsschutzbestimmungen ein, die die Entscheidungsfreiheit über die Inanspruchnahme dieses Modells sichern sollen.

In der abschließenden Diskussion wurden Zweifel an der Zweckmäßigkeit einer Fristennormierung erhoben, da die Notwendigkeit des inhaltlichen Zusammenhanges eine Einzelfallbehandlung notwendig mache. Trotzdem wäre eine gesetzliche Klarstellung, dass kein nahtloser Anschluss erforderlich ist, sinnvoll. Dazu merkte SC Dr.inAnna Ritzberger-Moser an, dass ein Begutachtungsentwurf mit dem Ergebnis erstellt worden wäre, dass die Unmittelbarkeit nicht erforderlich sei. Aber dennoch werde eine Frist vorgeschlagen werden. Aus praktischer Sicht wurde ausgeführt, dass die AN wohl vorerst aus dem Krankenstand in die Vollzeitbeschäftigung zurückkehren müssen, bevor eine Teilzeitvereinbarung geschlossen werden könne.

Im zweiten Teil des Vormittags behandelte ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brodil (Universität Wien) das aktuelle Thema „Datenschutz und Arbeitsrecht – Was ändert sich durch die Datenschutz- Grundverordnung?“. Mit dem Zitat „Alles bleibt anders“ beschrieb er die aktuelle Situation in der Arbeitswelt. Mit 25.5.2018 trete die DSGVO in Geltung und setze die bisher geltende Datenschutz-RL (95/46/EG) außer Kraft. Das mache auch Änderungen im nationalen Recht notwendig. Vor diesem Hintergrund verglich Brodil einige Regelungen des alten DSG 2000 mit neuen Vorschriften der DSGVO. Durch die unmittelbare Anwendbarkeit der DSGVO solle das einheitliche Schutzniveau verbessert werden. Problematisch sieht Brodil in diesem Zusammenhang die 60 Öffnungsklauseln, die die DSGVO enthalte. Dadurch werde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, Differenzierungen vorzunehmen. Das führe dazu, dass die angestrebte Vollharmonisierung nur begrenzt erreicht werden könne. Der österreichische Gesetzgeber habe von der Öffnungsklausel nach Art 88 DSGVO bereits Gebrauch gemacht: § 11 DSG 2018 normiere nun, dass das ArbVG, soweit es die Verarbeitung personenbezogener Daten regle, eine Vorschrift im Rahmen der Öffnungsklausel des Art 88 DSGVO sei und die dem BR zustehenden Befugnisse unberührt bleiben. Brodil wies außerdem darauf hin, dass die197Strafbarkeit von Betriebsräten bei Verstößen gegen den Datenschutz durchaus zu bedenken sei.

Die abschließende Diskussion drehte sich um die Verantwortlichkeit von Betriebsratsmitgliedern durch die DSGVO. In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, ob bei einem Verstoß des BR gegen die DSGVO einzelne Betriebsratsmitglieder oder der Betriebsratsfonds belastet werden würde bzw, ob das Verhalten des BR sogar dem AG zugerechnet werden könnte. Ein zweiter Themenschwerpunkt der Diskussion betraf die Möglichkeit, mittels Betriebsvereinbarungen von Öffnungsklauseln Gebrauch zu machen. Nehme man an, dass Betriebsvereinbarungen im Rahmen der Öffnungsklausel getroffen werden können, so stelle sich die Frage, ob daraus die Verpflichtung entstehen könnte, jede BV entsprechend der DSGVO modifizieren zu müssen. Die Spannungen in Bezug auf die Betriebsvereinbarungen könnten laut Brodil freilich etwas abgebaut werden, wenn entsprechende Regelungen auf Branchenebene durch Kollektivverträge normiert werden würden.

Univ.-Ass.in MMag.a Dr.inBirgit Schrattbauer (Universität Salzburg) hielt in diesem Jahr das Seminar mit dem Titel „Arbeitskräfteüberlassungsgesetz“. Schrattbauer leitete mit dem unionsrechtlichen Rahmen (RL 91/383/EG, RL 2008/104/EG) und der dreipersonalen Besonderheit des AÜG in die Thematik ein und verdeutlichte die Bedeutung des AÜG durch die seit Inkrafttreten des AÜG im Jahr 1988 fast verzehnfachte Zahl an Leiharbeitskräften. Eine erste Diskussion entfaltete sich bereits beim ersten Kapitel zu § 10 AÜG betreffend das eingeschränkte Gleichbehandlungsgebot beim Überlassungslohn bezüglich Überzahlungen in Form von Zuschlägen. Ausgangspunkt dafür waren die Entscheidungen des OGH vom 2.2.2005, 9 ObA 130/04i und 24.7.2013, 9 ObA 39/05h. Anhand einer weiteren OGH-E (28.6.2017, 9 ObA 15/17x) widmete sich Schrattbauer der Frage, was mit „sonstigen im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art“ gemeint ist. Im gegebenen Anlassfall erkannte der OGH auch unechte Betriebsvereinbarungen, die sich auf Aspekte der Arbeitszeit und des Urlaubs beziehen, als verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art iSd § 10 Abs 3 AÜG an. Eine Grundsatzdiskussion entspann sich zu der OGH-E vom 25.8.2014, 8 ObA 50/14g, in der ein überlassener AN die Zahlung der – durch eine BV des Beschäftigerbetriebes vorgesehenen – Zulagen verlangte. Der Beschäftiger-KollV delegierte die Befugnis, derartige Zulagen auf Betriebsvereinbarungsebene zu regeln. Die Frage, ob normative Bestimmungen aus Betriebsvereinbarungen des Beschäftigerbetriebes auf überlassene AN anwendbar sind, wurde ausführlich und zum Teil kontrovers unter den TeilnehmerInnen des Seminars diskutiert.

Der Freitag war traditionellerweise wieder sozialrechtlichen Themen gewidmet und wurde von Univ.-Prof. Dr. Benjamin Kneihs (Universität Salzburg) mit einem Vortrag eröffnet, der das Problem „Selbständig oder unselbständig: Neuregelung der Zuordnung von Sozialversicherten“ zum Inhalt hatte. Einleitend beschrieb Kneihs die Aufgabe des Gesetzgebers nach Art 120a Abs 1 B-VG die Mitglieder eines Selbstverwaltungskörpers so abzugrenzen, dass nur jene Personen zusammengefasst werden, die gemeinsame ausschließliche oder überwiegende Interessen haben. Allerdings komme es vor, dass eine falsche Zuordnung vorgenommen werde, womit in der Folge für alle Beteiligten ein erheblicher Mehraufwand verbunden sei. Kneihs schilderte die Rechtsfolgen einer falschen Beurteilung nach der alten Rechtslage und stellte dieser das mit 1.7.2017 in Kraft getretene Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) gegenüber. Kneihs kam zu dem Ergebnis, dass durch die Neuregelung tatsächlich das bisherige Problem konkurrierender Bescheide entschärft wurde, jedoch wies er auch darauf hin, dass nicht alle Fälle einer Fehlqualifikation vom SV-ZG erfasst seien. Demnach seien in all jenen – vom neuen Recht nicht abgedeckten – Angelegenheiten weiterhin die „alten“ Bestimmungen anzuwenden. Im Rahmen der abschließenden verfassungsrechtlichen Prüfung konnte Kneihs keine Verfassungswidrigkeiten erkennen.

Im Anschluss an diesen Vortrag gaben Dr. Thomas Neumann (BDO Austria GmbH, Wien) und Dir.-Stv. Dr. Gerhard Mayr (Gebietskrankenkasse OÖ) ihre praxisbezogenen Statements ab. Neumann stellte sieben Thesen zum SV-ZG auf, wobei die erste kritische Anmerkung das Rechtsschutzdefizit zum Gegenstand hatte, das durch die mangelnde Wahrnehmung der Richtlinienkompetenz gem § 31 ASVG des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bedingt sei. Weiterhin bliebe außerdem das Verhältnis zwischen Sozialrecht und Steuerrecht ungeklärt. Das sei problematisch, da ein rechtskräftiger Feststellungsbescheid über die Versicherungszuordnung schließlich auch für die Qualifikation der Einkünfte bindend sei. Neumann ist allerdings optimistisch, dass das SV-ZG in einigen Jahren durch Judikatur und Verwaltungspraxis mehr Rechtssicherheit bieten wird.

Mayr konkretisierte die Problematik mit statistischen Zahlen. Es gebe ca 305.603 Ein-Personen-Unternehmen, 51.021 Neue Selbständige und grob drei Mio DN in Österreich. Vor diesem Hintergrund bemängelte er, dass das SV-ZG lediglich formelles Recht darstelle, das das grundlegende materiell-rechtliche Problem der Abgrenzung der Versichertengruppen nicht zu lösen vermag, sondern lediglich eine „Krücke“ biete, damit umzugehen. Die eigentliche Grund-198frage zur Abgrenzung von Dienstvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag sei damit nicht gelöst worden. Schließlich seien der Verwaltungsaufwand von 10.000 Verfahren, Bescheiden und Erhebungen und daher auch die enormen Kosten zu bedenken. Abschließend gab er noch einige Tipps für eine effektivere Handhabe der sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung.

Die abschließende Diskussion drehte sich im Kernpunkt um die mehrfach bemängelte Rechtsunsicherheit: Das Problem könne durch eine ausschließliche Rückwirkung pro futuro (ex nunc) gelöst werden, da bezüglich einer Umqualifizierung so keine Rechtsunsicherheit mehr aufkommen könne und ein sozialversicherungsrechtlicher Schutz ja ohnehin bestehe. Es wurde auch kritisiert, dass die Auswirkungen des öffentlichen Rechts zu weit gehen, da die Privatautonomie zu stark eingeschränkt werde und das zu absurden Ergebnissen führe. Gegen eine fehlende Rückwirkung spreche aber das legitime Ziel des Gesetzgebers, Scheinselbständigkeit zu bekämpfen: Hätten AG bei einer Falschqualifizierung keinerlei Rechtsfolgen zu befürchten, so wäre die Ernsthaftigkeit dieser Regelungen in Frage zu stellen und das Problem der Scheinselbständigkeit würde sich beträchtlich verschärfen.

Ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.inBeatrix Karl (Universität Graz) sprach im zweiten Teil des Vormittags zu „Sozialversicherung und Auslandsbezug: positive und negative Entwicklungen“. Anhand von drei Themenbereichen erläuterte Karl, dass der EuGH zum einen die Grundfreiheiten und zum anderen die Unionsbürger-RL (2004/38/EG) als Korrektiv der VO (EG) 883/2004 heranzieht. Zwar beurteilt Karl diese Vorgehensweise des EuGH durchaus als positiv. So würde etwa eine bloß am Wortlaut der VO (EG) 883/2004 orientierte Einordnung neuer Sozialleistungen in das Koordinierungsregime dieser VO zu inadäquaten Resultaten führen. Außerdem könne so rascher als durch eine Anpassung der VO auf Änderungen des nationalen Sozialrechts reagiert werden. Problematisch gestalte sich der Rückgriff auf Grundfreiheiten aber dann, wenn sich die Entwicklungen des europäischen Sozialrechts immer weiter auf die Judikaturebene verlagern, ohne mit Kodifikationen darauf zu reagieren. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit sei die Schattenseite dieser Judikaturpraxis des EuGH. Auch durch die Heranziehung unterschiedlicher Maßstäbe bei der Anwendung der Grundfreiheiten leide die Rechtssicherheit. Dies veranschaulichte Karl anhand der Gegenüberstellung der Themenkreise Gesundheits- und Sozialtourismus, die einen diametral entgegengesetzten Zugang des EuGH erkennen lassen.

In der abschließenden Diskussion wurde beanstandet, dass der EuGH bei der Dienstleistungsfreiheit wesentlich großzügiger vorgehe als bei der AN-Freizügigkeit. Der Grund dafür liege womöglich in den unterschiedlichen Interessenlagen: Beim Sozialtourismus stehen bipolare Interessen im Vordergrund, wogegen es beim Gesundheitstourismus eine dritte Interessenlage gebe, wie jene der DienstleistungserbringerInnen oder der ProduzentInnen der Heilmittel. Diesen wirtschaftlichen Interessen werde im Unionsrecht ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Ein weiterer Diskussionspunkt betraf das politische Ansinnen, die Höhe der Familienbeihilfe von den Lebenserhaltungskosten abhängig zu machen, die am Wohnort der Kinder bestehen. Diesbezüglich wurde angemerkt, dass hier kaum Spielraum bestehe, die Leistungshöhe beim Export zu begrenzen. Zum Themenblock Sozialtourismus wurde die Frage aufgeworfen, ob es unionsrechtskonform sei, wenn die Höhe des Rehabilitationsgeldes im Ausmaß des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach nationalem Recht davon abhängig gemacht werde, dass die Versicherten ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich haben. Durch mehrere Judikaturbeispiele sei nämlich dargelegt worden, dass der EuGH derartige Aufenthaltsklauseln akzeptiere. Freilich sei es dabei nur um beitragsunabhängige Geldleistungen (an der Schnittstelle Sozialhilfe und echte Sozialleistungen) und nicht um echte Kernleistungen der sozialen Sicherheit gegangen. Nunmehr gebe es allerdings eine neue Entscheidung (Kommission gegen England), in der der EuGH erstmals eine Aufenthaltsklausel sogar bei echten Kernleistungen gebilligt habe.

Bereits am 4. April (Mittwochnachmittag) fand das Nachwuchsforum statt. Dieses soll jungen WissenschaftlerInnen die Möglichkeit bieten, ihre Forschungsergebnisse bzw -projekte einem weiten Fachpublikum zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Univ.-Ass. Mag. Florian Hörmann (Universität Wien) begann mit einem Vortrag zu „Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten in Kollektivverträgen“. Anschließend präsentierte Mag. Michael Trinko (Österreichischer Gewerkschaftsbund) sein Dissertationsvorhaben mit dem Titel „MitarbeiterInnensharing und der Anwendungsbereich des AÜG“. Das Nachwuchsforum endete mit einem Beitrag von Univ.-Ass.in Mag.aStella Weber (Universität Salzburg) zu „Pönalen Elementen im Arbeitsrecht – Am Beispiel der Schadenersatzregelungen des GlBG“.

Der Präsident, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, schloss die 53. Zeller Tagung mit einem Rückblick auf viele spannende Vorträge und Diskussionen zu den unterschiedlichsten Themen. Die nächste (54.) Tagung wird von 10. bis 12. April 2019 stattfinden.199