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Unzulässigkeit der Aufrechnung von Nachtarbeitsbereitschaftszeiten mit allfälligen nicht geleisteten, von Mehrarbeitspauschale abgedeckten Stunden

CHRISTOSKARIOTIS
§ § 35, 45 und 50 Abs 1 DO.B

Die Kl ist seit 1.11.1993 bei der Bekl als Ärztin beschäftigt und an die R-Gesellschaft mbH überlassen. Auf das Dienstverhältnis ist die Dienstordnung B für die Ärzte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) anzuwenden.

Die Arbeitsverpflichtung der Kl beträgt 46 Wochenstunden. Mit dem Grundgehalt der Kl wird eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden abgegolten. Zur Abgeltung der festgesetzten regelmäßigen Mehrarbeitszeit von sechs Stunden durchschnittlich pro Woche wird der Kl eine Pauschalabgeltung gem § 45 DO.B gewährt. Die Normalarbeitszeit der Kl betrug von September 2015 bis Februar 2016 insgesamt 1176 Stunden. Tatsächlich verrichtete die Kl in diesem Zeitraum (nur) 1062,5 Arbeitsstunden am Tag und 140 Arbeitsbereitschaftsstunden in der Nacht.

Die Kl leistete alle Dienste, die für sie im Dienstplan vorgesehen waren. Seit 1.4.2015 durfte die Kl – mangels ihrer Zustimmung zu einer längeren Dienstzeit („Opt-Out“ – Regelung des § 4 Abs 4b KA-AZG) – nicht mehr durchschnittlich 60 Stunden, sondern nur mehr durchschnittlich 48 Stunden pro Woche beschäftigt werden. In der Folge kam weder eine neue BV noch eine einzelvertragliche Vereinbarung zustande, wonach von der Kl geleistete Arbeitsbereitschaftsstunden in ihre Wochenarbeitszeit eingerechnet werden dürfen.

Die Kl erhielt eine Arbeitsbereitschaftsvergütung gem § 50 Abs 1 DO.B für die geleistete Arbeitsbereitschaft von September 2015 bis Februar 2016 für insgesamt (nur) 26,6 Stunden. Die Bekl begründete dies mit dem Argument, dass sie die restlichen 113,4 Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung der von der Kl nicht geleisteten Tagesarbeitsstunden verwendet habe und daher sämtliche von der Kl geleisteten Arbeitsstunden bezahlt wurden.

Die Kl begehrte für den betreffenden Zeitraum eine gesonderte Abgeltung gem § 50 Abs 1 DO.B für ihre geleisteten Arbeitsbereitschaftsstunden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und argumentierte im Wesentlichen, dass die klagsgegenständlichen 113,5 Stunden bereits mit der Pauschalabgeltung gem § 45 DO.B abgegolten worden seien und die Kl daher nicht beschwert ist.

Das Berufungsgericht vertrat hingegen die Auffassung, dass eine einseitige Verlegung der Tagesarbeitszeit in die Nachtstunden zwar nicht zulässig sei, es der Bekl jedoch freistehe, die Überstundenpauschale für die Abdeckung der gesondert zu entlohnenden Arbeitsbereitschaftsstunden heranzuziehen. Ob noch ausreichend Pauschalabgeltung für die Honorierung der Nachtarbeitsbereitschaft zur Verfügung stehe, solle durch die erste Instanz noch detailliert festgestellt werden, weshalb das Ersturteil aufgehoben und die neuerliche Entscheidung aufgetragen wurde.

Der OGH gab dem Rekurs der Kl statt. Nach Rsp und Lehre steht dem DN eine Überstundenpauschale auch dann zu, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder er in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistung erbringt. Die Überstundenpauschale soll nämlich allenfalls zu leistende Überstundenarbeit unabhängig von deren Menge abgelten. Leistet der AN daher weniger Überstunden als rechnerisch durch die Überstundenpauschale abgegolten werden könnte, ändert das nichts an dem dem AN zugesagten Entgeltanspruch. Sein Anspruch auf die Überstundenpauschale bleibt dennoch in voller Höhe aufrecht. Die Vorgangsweise der Bekl, die von der Kl geleisteten, aber entgegen § 50 Abs 1 DO.B nicht gesondert entlohnten Arbeitsbereitschaftsstunden, teilweise156 zur Auffüllung der gegenüber der Kl nicht vollständig abgerufenen Arbeitsverpflichtung von 46 Wochenstunden zu verwenden, ist daher schon im Ansatz verfehlt.

Im Übrigen spricht auch der Wortlaut des § 50 Abs 1 DO.B, („… Den in Krankenanstalten (§ 1 Abs 6) beschäftigten Ärzten gebührt für eine außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme als Überstundenentschädigung eine besondere Abgeltung …“) für den gesonderten Anspruch auf Abgeltung der von der Kl geleisteten Arbeitsbereitschaftsstunden unabhängig davon, ob sie von der Bekl im Vergleichszeitraum nur für eine geringere als die vereinbarte Arbeitszeit von 46 Stunden zum Dienst eingeteilt wurde. Auch die Unterscheidung der Dienstbezüge in § 35 DO.B, wonach das monatliche Gehalt nach dem Gehaltsschema B (§ 35 Abs 2 Z 1 lit b DO.B) und die Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit iSd § 45 DO.B (§ 35 Abs 2 Z 7 DO.B) als ständige Bezüge gelten und die Abgeltung der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme iSd § 50 DO.B als nicht ständiger Bezug gilt, stützt dieses vom Wortlaut getragene Verständnis.

Die verbindlichen Erläuterungen der Kollektivvertragspartner zur DO.B sprechen in diesem Zusammenhang ebenso wie die Betriebsvereinbarungsparteien (Pkt VIII der betreffenden BV) von einer „gesonderten“ Abgeltung.

Das insb durch die Novellierung des KA-AZG seit 1.1.2015 bestehende und durch die mangelnde Zustimmung der Kl zu einer längeren Dienstzeit noch verschärfte Problem, die Kl im Rahmen ihrer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von höchstens 48 Stunden neben ihrer regelmäßigen Tagesarbeitszeit von 46 Stunden auch für (Nacht-) Arbeitsbereitschaftsstunden im Dienstplan einzuteilen, wird seitens des OGH zwar anerkannt. Mangels Vorliegens einer Anspruchsgrundlage im Gesetz, KollV oder in der BV besteht dennoch keine Möglichkeit einer Gegenverrechnung von geleisteten (Nacht-)Arbeitsbereitschaftsstunden mit einem der Kl jedenfalls zustehenden Gehaltsteil oder jedenfalls zustehender Pauschalabgeltung gem § 45 DO.B.

Der OGH hat daher dem Klagebegehren der Kl stattgegeben.