111Unwirksamkeit einer intransparenten Rückersatzvereinbarung betreffend das während einer Ausbildung erhaltene Entgelt
Unwirksamkeit einer intransparenten Rückersatzvereinbarung betreffend das während einer Ausbildung erhaltene Entgelt
Sollen neben den ziffernmäßig präzisierten Kurskosten noch zusätzlich die „Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ Gegenstand einer Rückersatzverpflichtung für Ausbildungskosten sein, wird dem Transparenzgebot hinsichtlich der Verpflichtung zur Rückzahlung des während der Ausbildung erhaltenen Entgelts durch diese Formulierung nicht hinreichend Rechnung getragen.
Die Bekl nahm an einem Ausbildungskurs für OP-Diplomkrankenpfleger teil und absolvierte221 diesen erfolgreich. Formgültig vereinbart wurde im Vorhinein eine anteilig geminderte Rückersatzverpflichtung für Ausbildungskosten, falls die Bekl innerhalb eines fünfjährigen Bindungszeitraums selbst kündige oder das Arbeitsverhältnis aus einem von der Bekl verschuldeten Grund beendet werde. Die Refundierungsverpflichtung sollte nicht nur die reinen Kurskosten verringert um 1/60 pro verstrichenem Monat beginnend ab Ausbildungsende am 9.3.2015 umfassen, die mit € 4.900,– netto zuzüglich Prüfungsgebühren und allfälliger Umsatzsteuer ausgewiesen wurden. In der vom Kl formulierten Vereinbarung wurde zusätzlich verankert, dass auch die aliquoten „Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ zurückzuzahlen seien.
Die Bekl trat am 7.7.2016 unberechtigt vorzeitig aus. Der Kl machte neben den anteiligen reinen Kurskosten in der Höhe von € 3.593,33 auch noch € 17.300,87 (das sind 44/60 von € 23.592,10) als Kosten für die ausbildungsbedingte Dienstfreistellung geltend, die 1.507,42 Stunden umfasste.
Das Erstgericht sah alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 2d AVRAG als erfüllt an und gab dem Klagebegehren über € 20.894,20 (davon anteilige Kurskosten: € 3.593,33; anteilige Kosten der ausbildungsbedingten Dienstfreistellung: € 17.300,87) zur Gänze statt, gestützt auf § 2d Abs 2, zweiter Satz AVRAG als Anspruchsgrundlage, der lautet: „Die Vereinbarung der Rückforderung des während einer Ausbildung nach Abs 1 fortgezahlten Entgelts ist hingegen zulässig, sofern der Arbeitnehmer für die Dauer der Ausbildung von der Dienstleistung freigestellt ist.“
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts zugunsten der Bekl hinsichtlich des während der Ausbildung erhaltenen Entgelts ab. Dieser Anspruch bestehe aufgrund mangelnder Transparenz der getroffenen Vereinbarung schon dem Grunde nach nicht. Das Transparenzgebot werde nicht nur durch das Fehlen eines konkreten Betrages verletzt. Der erste Absatz der Vereinbarung enthalte überhaupt keinen Hinweis darauf, wie die Kosten der Dienstfreistellung zu ermitteln seien. Der Bekl werde hiermit nicht hinreichend klar vor Augen geführt, dass sich der Rückersatzanspruch nicht bloß mit dem aliquoten Teil der reinen Kurskosten von € 4.900,– erschöpfe. Noch intransparenter werde die Vereinbarung dadurch, dass die Textierung selbst keinen Hinweis auf das zu erwartende zeitliche Ausmaß der kursbedingten Dienstfreistellung enthalte. Daran ändere nichts, dass dieses Ausmaß aus einer in der Vereinbarung genannten Beilage hervorgehe. Insgesamt sei für die Bekl das Ausmaß des zu erwartenden Rückersatzanspruchs aus dem Titel der „Kosten der Dienstfreistellung“ nicht vorhersehbar. Zu differenzieren sei zwischen der Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten und der Verpflichtung zur Rückzahlung des während der Ausbildung erhaltenen Entgelts. Es erscheine sachgerecht, bei der Prüfung der Wirksamkeit einer alle beiden Verpflichtungen umfassenden Vereinbarung nach § 878 Satz 2 ABGB vorzugehen. Die Nichtigkeit des einen Teiles der Vereinbarung führe nicht zur Nichtigkeit des anderen Teiles. Das aus § 2d AVRAG abzuleitende Transparenzgebot gelte jedoch ebenso für die angestrebte Rückforderung von Gehaltskosten. Der Berufung wurde somit teilweise Folge gegeben und der Kl nur der aliquote Anteil (44/60) der reinen Kurskosten in Höhe von € 4.900,–, das sind € 3.593,33, zugesprochen.
Der OGH hielt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts für vertretbar und verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Revision. Damit blieb es bei der vom Berufungsgericht auf die anteiligen, reinen Kurskosten eingeschränkten Rückzahlungspflicht in der Höhe von € 3.593,33.
„Soll der Arbeitnehmer iSd § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, so muss noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung darüber geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht […]. Dieser Rechtsprechung liegt der Gesetzeszweck zugrunde, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. […] Nur so kann eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden.
Diese Grundsätze sind auf die […] Vereinbarung der Rückforderung des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts iSd § 2d Abs 2 zweiter Satz AVRAG übertragbar, weil auch diese Vereinbarung nach dem Gesetzeszweck so gestaltet sein muss, dass sie zu keiner wesentlichen und einseitigen Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers führt (Initiativantrag 605/A XXII. GP 7).
Der Rückzahlungsvereinbarung fehle jegliche betragliche Präzisierung, sodass aus ihr die konkrete Höhe des zu ersetzenden Entgelts nicht hervorgehe.
Da zudem die Vereinbarung selbst auch keinen Hinweis auf das zeitliche Ausmaß der kursbedingten Dienstfreistellung enthalte, bleibe für die Klägerin das Ausmaß des zu erwartenden Rückersatzanspruchs aus dem Titel der Kosten der Dienstfreistellung weitgehend im Dunkeln.
Dass eine exakte Ausweisung des Rückzahlungsbetrags ‚auf den Cent genau‘ oft nicht möglich sei […], ist zweifellos richtig; dies ist aber auch nicht222 erforderlich, um die Rückzahlungsvereinbarung in Bezug auf das während der Ausbildung fortgezahlte Entgelt transparent zu gestalten.
Überlegungen der Revisionswerberin, dass den Arbeitnehmer schließlich sein Gehalt bekannt sei, übergehen, dass im Anlassfall nur vage auf ‚Kosten der bezahlten Dienstfreistellung‘ abgestellt wurde.“
Schon vor Inkrafttreten des § 2d AVRAG am 18.3.2006 gab es im KollV für Angestellte bei Wirtschaftstreuhändern eine Regelung zum Ausbildungskostenrückersatz mit weitgehend analogen formellen Tatbestandvoraussetzungen. Hierzu wurde bereits in OGH 19.12.2001, 9 ObA 278/01z, erkannt, es sei jedenfalls eine unabdingbare Gültigkeitsvoraussetzung, dass die jeweiligen Kosten konkreter Ausbildungsveranstaltungen im Vorhinein schriftlich festgelegt werden.
OGH 27.2.2018, 9 ObA 7/18x, reiht sich daher in die langjährige, seit den Erkenntnissen OGH 21.12.2011, 9 ObA 125/11i und OGH 24.4.2012, 8 ObA 92/11d, gefestigte, höchstgerichtliche Rsp ein. Diese Judikate enthielten als zentralen Rechtssatz, dass die schriftliche Vereinbarung vor einer bestimmten Ausbildung erfolgen müsse und daraus auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorzugehen habe. Der AN habe ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Höhe seiner möglichen künftigen Belastung und des damit einhergehenden Mobilitätshindernisses. Ohne Wissen um die konkreten Kosten der vorgesehenen Ausbildung könne er keine freie sachliche Entscheidung über seine Teilnahme treffen. Von einer unzumutbaren einseitigen Belastung des AG durch das Erfordernis einer detaillierten Vereinbarung sei hingegen nicht auszugehen. Es sei nicht zu erkennen, inwiefern einer schriftlichen Übereinkunft unter Angabe der projektierten Kosten vor Beginn einer bestimmten Ausbildungsmaßnahme auf AG-Seite erhebliche organisatorische oder sonstige Hindernisse entgegenstehen sollten.
In einem gewissen Spannungsverhältnis zu diesen von der Rsp ansonsten hoch gehaltenen strengen und umfassenden Transparenzerfordernissen steht OGH 29.9.2016, 9 ObA 129/15h. Bezogen auf eine unternehmensintern organisierte Krankenpflegeausbildung wurde die lapidare Nennung eines vermeintlichen Ausbildungsaufwands von € 24.000,– für jeden Teilnehmer bereits als ausreichend transparent für das gültige Zustandekommen einer Zahlungsverpflichtung erachtet, obwohl vom AG vorab nicht einmal ansatzweise plausible Kalkulationsgrundlagen unterbreitet wurden, wie sich gerade dieser Betrag konkret pro Person errechnen soll.
Das aus § 2d AVRAG abzuleitende Transparenzgebot im Vorhinein hinsichtlich des zu erwartenden Rückzahlungsbetrags wurde nun in der hier vorliegenden Rechtssache durch die übereinstimmenden Entscheidungen der Rechtsmittelinstanzen auch auf das erhaltene Entgelt während der Ausbildungsmaßnahme übertragen.
Nicht ganz geklärt erscheint auf Grundlage der bisherigen Judikatur zum Transparenzgebot bezüglich der reinen Schulungskosten, ob es für das rechtsgültige Zustandekommen einer Rückersatzverpflichtung betreffend „Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ schon ausgereicht hätte, einfach eine bestimmte Euro-Summe anzuführen, oder ob es dafür zusätzlich geboten gewesen wäre, nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen zum Gegenstand der Rückersatzvereinbarung zu machen.
Die Schriftlichkeit als Gültigkeitsvoraussetzung für eine vertragliche Vereinbarung, die § 2d AVRAG normiert, bedeutet nach § 886 ABGB Unterschriftlichkeit.
Ganz in diesem Sinne dieser zivilrechtlichen Bestimmung wurde bereits in OGH 5.6.2008, 9 ObA 64/08i – wiederum zu der einschlägigen Bestimmung im Wirtschaftstreuhänder-KollV – das gültige Zustandekommen einer Refundierungsverpflichtung für Ausbildungskosten verneint. Die „Schriftlichkeit“ bestand hier lediglich darin, dass der AN Prospekte von Seminarveranstaltern mit Preisangaben übergeben wurden. Bei gewünschter Teilnahme vermerkte der Geschäftsführer auf dieser Unterlage ein „O.K.“, die jedoch danach nur mehr an die Personalabteilung, nicht jedoch der AN rückübermittelt wurde. Diese erfuhr schließlich durch ein E-Mail davon, ob sie an einem Seminar teilnehmen konnte oder nicht. Die bloße Verfügbarkeit anderer Urkunden, die Kosteninformationen enthalten, könne das Fehlen einer konkretisierten unterschriftlichen Rückersatzvereinbarung nicht wettmachen.
Damit in vollem Einklang steht, dass in der vorliegenden Rechtssache daher der Einwand der Kl ins Leere gehen musste, wonach die Bekl durch andere Dokumente – wie die vorliegenden Gehaltsabrechnungen oder ausgehändigte Informationsblätter zur Schulungsmaßnahme – gem § 2f AVRAG die „Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ hätte ermitteln können.223