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Kein Anspruch einer aus einem anderen EU-Staat zugezogenen Pensionistin auf Ausgleichszulage trotz unfreiwillig beendeter geringfügiger Beschäftigung

ALEXANDERDE BRITO
§ 292 Abs 1 ASVG; Art 7 Abs 1 und 3 UnionsbürgerRL

Die 1952 geborene Kl ist ungarische Staatsbürgerin und bezieht von einem ungarischen Versicherungsträger eine Pension in durchschnittlicher Höhe von knapp € 500,– monatlich. Sie hält sich seit Juni 2012 ständig in Österreich auf. Ab 1.7.2012 war sie in Österreich geringfügig mit einem monatlichen Einkommen von € 150,– beschäftigt. Im Hinblick auf dieses Arbeitsverhältnis erhielt die Kl am 13.11.2012 die Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Am 26.11.2012 wurde über ihren AG das Sanierungsverfahren eröffnet. Am 3.12.2012 stellt sie bei der bekl Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Ausgleichszulage. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 31.3.2013 durch Austritt gem § 25 IO. Mit Bescheid vom 18.9.2013 lehnte die Bekl die Gewährung der Ausgleichszulage ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese E und ließ die Revision nicht zu. Auch der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.250

Gem § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat.

Nach der UnionsbürgerRL steht das Recht auf Aufenthalt wirtschaftlich nicht aktiven Personen, die sich länger als drei Monate, aber nicht mehr als fünf Jahre, im Aufenthaltsmitgliedstaat aufhalten, nur dann zu, wenn sie über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen. Nur unter diesen Voraussetzungen steht einem Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zur Ausgleichszulage eine Gleichbehandlung mit Inländern zu.

Da sich eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger nur auf das Aufenthaltsrecht bezieht, hat diese Bescheinigung keinen Einfluss auf den Sozialleistungsanspruch. Das Gericht muss daher selbständig prüfen, ob die für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Dass den Vorinstanzen dabei eine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, zeigt die Revision nach Ansicht des OGH nicht auf. Nach der Rs Alimanovic können aufgrund des Unionsrechts EU-Bürger, die nicht erwerbstätig und nur zum Zweck eines Leistungsbezugs mobil sind („Armutszuwanderung“), keine Ansprüche auf Leistungen wie die Ausgleichszulage geltend machen. Dem Standpunkt der Kl, ihre Situation sei gänzlich anders, weil sie ab Beginn ihres Aufenthalts in Österreich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und diese Tätigkeit nur gegen ihren Willen habe aufgeben müssen, hielten die Vorinstanzen entgegen, dass eine individuelle Prüfung der konkreten wirtschaftlichen Situation auf unionsrechtlicher Grundlage nicht dazu führt, den Anspruch auf Ausgleichszulage zu bejahen. Die Ansicht, es habe der Kl an ausreichenden Existenzmitteln gemangelt, weil ihre Pension deutlich unter dem jeweils geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz gelegen sei, welche Situation sich auch durch das (vorübergehend bezogene) Arbeitseinkommen von € 150,– nicht geändert habe, ist nach Ansicht des OGH jedenfalls vertretbar. Auch wenn man das Vorbringen der Kl dahin interpretiert, dass sie ihr Aufenthaltsrecht auf ihre Eigenschaft als AN stützen will, führt dies laut OGH zu keinem für sie günstigeren Ergebnis. Für die Qualifizierung als AN iSd der UnionsbürgerRL ist erforderlich, dass eine Person eine Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt. Ob eine solche Tätigkeit vorliegt, ist vom nationalen Gericht zu beurteilen. Die Kl bringt dazu selbst vor, ihre Beschäftigung sei bereits aufgrund des Sanierungsverfahrens tatsächlich beendet gewesen und das Unternehmen ihres AG sei aufgelöst worden. Bei diesen Gegebenheiten fehlen nach Ansicht des OGH die für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Merkmale einer „tatsächlichen und echten Tätigkeit“.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Im Ergebnis sind auch EU-BürgerInnen mit geringem Einkommen bezüglich des Zugangs zur Ausgleichszulage nicht mit Inländern gleichgestellt. Welche genauen Einkommensgrenzen dabei gelten, ist im Einzelfall zu beurteilen. Ein Einkommen „weit unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz“ ist jedenfalls nicht ausreichend.