142

Zuständigkeit des BVwG für Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide in Verwaltungssachen nach dem BPGG

MONIKAWEISSENSTEINER
VwGH 6.3.2018, 2017/08/0071

Der Antrag auf Gewährung von Pflegegeld vom 16.2.2015 wurde mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) rechtskräftig abgewiesen. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 16.2.2016 wurde mit Bescheid vom 2.8.2016 abgewiesen. Die entsprechend der Rechtsmittelbelehrung erhobene Klage wurde vom Arbeits- und Sozialgericht mit Beschluss vom 7.9.2016 zurückgewiesen, weil keine Leistungssache und somit keine Sozialrechtssache iSd § 65 ASGG vorliege.

Mit Eingabe vom 3.10.2016 an die PVA und das BVwG beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist; unter einem wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der PVA, mit dem die Wiederaufnahme abgelehnt worden war, nachgeholt. Das BVwG leitete den Wiedereinsetzungsantrag an das LVwG Wien weiter, welches mit Beschluss feststellte, dass es weder für den Wiedereinsetzungsantrag noch für die Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme zuständig sei. Dagegen wurde eine außerordentliche Revision an den VwGH erhoben, der dazu entschied:

Auch im Anwendungsbereich des BPGG sind die Verwaltungssachen von den Leistungssachen zu trennen. Bei der Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag ist der Klagsweg unzulässig, weil keine Leistungssache vorliegt. Er ist mit Be-251schwerde an das zuständige Verwaltungsgericht zu bekämpfen. Das BPGG regelt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht, weshalb die Zuständigkeit unmittelbar auf Grund des Art 131 B-VG zu beurteilen ist. In Art 131 Abs 2 und 3 B-VG sind die Zuständigkeiten des BVwG taxativ aufgezählt; es entscheidet insb in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden vollzogen werden.

Es ist daher zu klären, ob die Vollziehung des BPGG in unmittelbarer Bundesverwaltung erfolgt. Die Sozialversicherungsträger als Entscheidungsträger haben ihre Aufgaben gem § 34 BPGG nach den Weisungen des Sozial- bzw Finanzministeriums zu vollziehen. Entscheidend ist daher, ob die Besorgung durch die Selbstverwaltungskörper als Besorgung unmittelbar durch eine Bundesbehörde zu qualifizieren ist. Eine solche Besorgung durch Bundesbehörden kann dann vorliegen, wenn die hoheitliche Besorgung von Aufgaben der Bundesvollziehung durch das Organ eines „bundesnahen“ nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpers ohne Einbindung des Landeshauptmanns (als Element der mittelbaren Bundesverwaltung) erfolgt. Das ist hier gegeben, weil nicht nur nach den Weisungen der Ministerien zu vollziehen ist, sondern auch – mangels Einbindung des Landeshauptmanns – eine Vollziehung durch Bundesorgane vorliegt.

Daraus folgt gem Art 131 Abs 2 B-VG die Zuständigkeit des BVwG für Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide in Verwaltungssachen nach dem BPGG. Die (gegenteiligen) Erläuterungen zur Novelle des BPGG (ErläutRV 2193 BlgNR 24. GP 11) vermögen daran nichts zu ändern. Das LVwG Wien hat seine Zuständigkeit daher zu Recht verneint.