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Unfallversicherungsschutz des ohne Gewerbeschein selbständig tätigen „Schwarzarbeiters“ als „neuer Selbständiger“

FRANJOMARKOVIC

Seit 1997 ist der Kl als Einzelunternehmer selbständig tätig. Zum Unfallzeitpunkt hatte er eine Gewerbeberechtigung für das „Baumeistergewerbe, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, beschränkt auf die Ausführung von Innen- und Außenputz- sowie Vollwärmeschutz-Arbeiten“. Über eine umfassende Gewerbeberichtigung in Bezug auf das Baumeistergewerbe verfügte er nicht. Bei Bau- und Planierarbeiten kippte er mit seinem Mini-Bagger über eine Böschungskante. Dabei wurde er derart schwer verletzt, dass sein rechtes Bein im Bereich des Oberschenkels amputiert werden musste. Nach Ende der Heilbehandlung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % zu erwarten.

Die Bekl lehnte die Anerkennung des Arbeitsunfalls ab, weil die von ihm durchgeführten Arbeiten in keinem Zusammenhang mit seiner aufrechten Gewerbeberechtigung stünden. Jedenfalls umfasse seine Gewerbeberechtigung nicht die Sanierung einer Gartenstützmauer.

Die Vorinstanzen sprachen dem Kl eine (vorläufige) Versehrtenrente zu, da dieser zum Unfallzeitpunkt neuer Selbständiger gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG gewesen und daher gem § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG unfallversichert gewesen sei.

Der OGH unterbrach das Revisionsverfahren, bis über die Vorfrage der Versicherungspflicht des Kl in der KV und PV gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG zum Unfallzeitpunkt rechtskräftig entschieden worden ist. Der Unfallversicherungsschutz wird durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben. Er erstreckt sich auf Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Gewerbetrieb stehen. Doch selbst der ohne Gewerbeschein selbständig erwerbstätige „Schwarzarbeiter“ kann als sogenannter „neuer Selbständiger“ iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG unfallversichert sein.

Die Pflichtversicherung als „neuer“ Selbständiger ist allerdings subsidiär ua gegenüber einer bereits eingetretenen Pflichtversicherung gem § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG. Gem § 2 Abs 1 Z 4 Satz 2 GSVG ist, solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs 1 Z 5 oder 6 GSVG) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheids im Nachhinein festzustellen.

Die UV der nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversicherten Personen knüpft an den Beginn der Pflichtversicherung in der KV und der PV nach dem GSVG an (§ 10 Abs 2 Satz 1 GSVG). Voraussetzung für eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1252 Z 4 GSVG ist, dass eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen wurde und diese im zu beurteilenden Zeitraum (noch) vorliegt. Wurde für vergangene Zeiträume eine Versicherungserklärung nicht im Vorhinein abgegeben, so besteht nach der Rsp des VwGH die Versicherungspflicht nur nach Maßgabe nachträglich vorgelegter rechtskräftiger Einkommensteuerbescheide; sie ist nach deren Vorliegen jeweils rückwirkend festzustellen. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen steht nicht fest, ob der Kl eine Versicherungserklärung gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG abgegeben hat. Auch ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid liegt in diesem Verfahren bislang nicht vor. Aus diesem Grund war das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch die in dieser Frage zuständigen Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu unterbrechen.