107

Die Verwendung von Persönlichkeitstests erfordert die Zustimmung des Betriebsrates

MARTINACHLESTIL

Die bekl AG setzt im Rahmen von Verkaufsschulungen und zur Rekrutierung von Führungskräften Persönlichkeitstests ein. Nach der Definition der Betreiber handelt es sich um ein werteorientiertes Verfahren, das in die Tiefe der Persönlichkeit geht und nicht das Verhalten misst, sondern an der wesentlich stabileren, persönlichen Wertehaltung ansetzt, Schicksalsschläge und all das, was die getestete Person in den letzten zwölf Monaten bewegt hat, abbildet und nicht nur die Berufswelt, sondern auch das berufliche Selbst, alle Aspekte der Welt und das gesamthafte Selbst über alle Lebensbereiche anschaut, die Wertedimension (des Getesteten) gut erkennen lässt und sodann computerunterstützt Abweichungen zu einer mathematisch-logischen Grundeinstellung ermittelt.

Unstrittig ist, dass es sich bei dem von der bekl AG verwendeten Testverfahren grundsätzlich um ein § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG unterliegendes System zur Beurteilung von AN handelt. Dieses bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit der Zustimmung des BR, sofern mit diesem Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass die Datenerhebung im konkreten Fall nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sei und somit der Persönlichkeitstest nur mit Zustimmung des BR verwendet werden dürfe. Dagegen erhob die Bekl außerordentliche Revision, die jedoch vom OGH mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen wurde.

Der OGH schloss sich dem Berufungsgericht an, wonach die Erhebung dieser Daten nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt ist: Wie bereits in der OGH-E vom 20.8.2008, 9 ObA 95/08y, ausgeführt, ist ein Interessensvergleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht des AN einerseits und konkreten betrieblichen Interessen andererseits vorzunehmen; diese Abwägung hat anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen und ist mit formalen Ansätzen allein nicht zu lösen. Im vorliegenden Fall berührt das eingesetzte Bewertungsverfahren, bei dem ausschließlich „soft skills“ wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“, nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz, abgefragt werden, massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen und ist nicht durch überwiegende berufliche Interessen gerechtfertigt.

Auch wenn die der Beurteilung zugrundeliegenden Testergebnisse dem AG nicht bekannt werden, enthält die ihm zugehende Auswertung, von deren Validität die bekl AG offenbar ausgeht, eine umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des AN, wobei auch in der Revision offen blieb, welche Bedeutung den erhobenen Kriterien für die betriebliche Verwendung überhaupt zukommt.

Ebenfalls vertretbar hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, dass aufgrund der großflächigen Verwendung der Tests von einem generellen Verfahren auszugehen ist, nicht bloß von individuellen Maßnahmen. Derartige Systeme zur Be-217urteilung von AN des Betriebs, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind, bedürfen aber nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG der Zustimmung des BR (in Form einer BV). Auf die im Einzelfall freiwillige Teilnahme an den Tests durch die AN kommt es dabei nicht an.