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Kein Ausschluss der Arbeitslosigkeit bei unvermeidbarer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung und Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit unter der Geringfügigkeitsgrenze

REGINAZECHNER

Am 1.10.2012 stellte der spätere Beschwerdeführer einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Da zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Pflichtversicherung in der PV vorlag, setzte das Arbeitsmarktservice (AMS) mit Bescheid vom 16.10.2012 das Verfahren bis zur Entscheidung über die Pensionsversicherungspflicht aus. Mit Schreiben vom 27.12.2017 urgierte der Beschwerdeführer seinen Arbeitslosengeldbezug. Mit Bescheid vom 8.1.2018 wurde dem Antrag gem § 7 Abs 1 Z 1 und Abs 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben.

In seiner Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Pflichtversicherung in der PV nur auf berufsrechtliche Vorschriften zurückzuführen sei. Ohne Vollversicherung wäre er gezwungen, die Berufsbefugnis als Steuerberater zurückzulegen. Dies hätte zur Folge, dass auch die in den berufsrechtlichen Vorschriften geregelte Fortbildungspflicht wegfallen würde, was eine zielorientierte Stellensuche als Steuerberater unmöglich machen würde.

Am 2.5.2018 wurde die Beschwerde dem BVwG vorgelegt. Im Begleitschreiben teilte das AMS mit, dass der Beschwerdeführer als Komplementär und selbständiger Steuerberater seit 1.8.1996 der Pflichtversicherung in der PV nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) unterliege. Aus den Steuerbescheiden würden sich in den Jahren 2014 bis 2016 Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze ergeben. In den Jahren 2012 und 2013 sei ein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze erzielt worden. Außerdem verwies das AMS darauf, dass § 12 Abs 1 Z 2 AlVG durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz (ASRÄG) 2014 dahingehend geändert wurde, dass eine zwangsweise Pflichtversicherung in der PV aufgrund eines Einheitswertes das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht ausschließt, wenn kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze zu erwarten ist. Diese Regelung sei im Hinblick auf Nebenerwerbslandwirte geschaffen worden, es sei jedoch eine analoge Anwendung der Bestimmung auf selbständig Erwerbstätige iSd § 12 Abs 6 lit c AlVG, Komplementäre und Gesellschafter einer Offenen Gesellschaft (OG) zu erwägen.

Das BVwG teilt die Ansicht des AMS und erkennt eine planwidrige Gesetzeslücke im AlVG darin, dass nur für Nebenerwerbslandwirte eine explizite Regelung getroffen wurde. Diese ist im Wege einer analogen Anwendung des § 12 Abs 1 Z 2 AlVG auf selbständige Erwerbstätige gem § 12 Abs 6 lit c AlVG, unbeschränkt haftende Gesellschafter (Komplementäre) einer Kommanditgesellschaft (KG) und Gesellschafter einer OG zu schließen. Eine unvermeidbare Pflichtversicherung in der PV schließt demnach die Annahme von Arbeitslosigkeit bei selbständig Erwerbstätigen, Komplementären einer KG und Gesellschaftern einer OG dann nicht aus, wenn aus dieser Tätigkeit weder das Einkommen gem § 36a AlVG zuzüglich der Sozialversicherungsbeiträge noch 11,1 % des Umsatzes gem § 36b AlVG die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG übersteigen.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet das, dass der Beschwerdeführer in analoger Anwendung des § 12 Abs 1 Z 2 AlVG iVm § 12 Abs 6 lit c und § 7 Abs 1 Z 1 und § 7 Abs 2 AlVG zum Zeitpunkt der Antragstellung als arbeitslos anzusehen ist. Der Bescheid war daher aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückzuverweisen, da vom AMS im fortgesetzten Verfahren zu prüfen ist, ob die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind.

Da es bisher keine Rsp zu der Frage gibt, ob die Wortfolge „oder dieser (gemeint: der Pflichtversicherung in der PV) ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt“ in § 12 Abs 1 Z 2 AlVG analog auf selbständig Erwerbstätige und Gesellschafter anzuwenden ist, die der Pflichtversicherung in der PV unterliegen und selbst bei einem daraus erzielten geringfügigen Einkommen keine Möglichkeit zur Ausnahme von der Pflichtversicherung haben, sprach das BVwG die Zulässigkeit der Revision gem Art 133 Abs 4 B-VG aus.