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Abgelegenheit des Wohnorts bei Prüfung der Verweisbarkeit nicht zu berücksichtigen

MONIKAWEISSENSTEINER

Der Kl bezog ab 1.5.2015 bis zur Entziehung per 31.7.2016 Rehabilitationsgeld. Gegen den Entziehungsbescheid erhob er Klage.

Die Entziehung erfolgte aufgrund der seit der Gewährung des Rehabilitationsgeldes eingetretenen Besserung des Gesundheitszustands des Kl. Dieser wohnt in einer typischen „Pendlergemeinde“ und ist in der Lage, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Eine Wohnsitzverlegung und ein Wochenpendeln ist ihm medizinisch nicht möglich. Innerhalb eines Radius einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Tagesdistanz liegen nicht einmal 15 kalkülsentsprechende Arbeitsplätze; innerhalb einer mit einem PKW erreichbaren Tagespendlerdistanz existieren demgegenüber mehr als 30 derartige Arbeitsplätze. Zum Entziehungszeitpunkt war der Kl mittels seines privaten PKW in der Lage, einen kalkülsentsprechenden Arbeitsplatz zu erreichen. Seit Oktober 2017 (somit zu einem mehr als ein Jahr nach der Entziehung des Rehabilitationsgeldes, aber noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gelegenen Zeitpunkt) durfte er jedoch seinen PKW mangels gültiger Begutachtungsplakette nach § 57a KFG nicht mehr benützen. Im Hinblick auf ein anhängiges Schuldenregulierungsverfahren ist er derzeit nicht in der Lage, die notwendigen Reparaturkosten in Höhe von € 800,- zu finanzieren.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Kl infolge Besserung seines Gesundheitszustandes wieder in der Lage sei, in seinem erlernten Beruf zu arbeiten. Das OLG gab der Berufung nicht Folge. Es bestätigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der in einer typischen Pendlergemeinde wohnhafte Kl auf die Benutzung eines privaten PKWs verweisbar sei, mit dem er den Arbeitsplatz erreichen könne.

Der OGH hält die außerordentliche Revision des Kl für nicht zulässig.

Bei der Entziehung des Rehabilitationsgeldes wegen Besserung des Gesundheitszustands gem § 99 Abs 1 ASVG handelt es sich um einen Fall des Wegfalls einer ursprünglich vorhandenen Leistungsvoraussetzung. Es muss eine wesentliche, entscheidende Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Gewährungszeitpunkt vorliegen. Gegenüberzustellen sind der Zustand zum Zeitpunkt der Erlassung des Gewährungsbescheids und der Zustand im Entziehungszeitpunkt. Ist der Leistungswerber durch die Änderung (etwa die Besserung des Gesundheitszustands) auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar, ist die Entziehung sachlich gerechtfertigt.

Hier ist nicht strittig, dass der Kl zum Gewährungszeitpunkt zu keiner geregelten Arbeit fähig war, er aber zum Entziehungszeitpunkt infolge Besserung seines Gesundheitszustands arbeitsfähig und auch in der Lage war, mit seinem privaten PKW auf dem regionalen Arbeitsmarkt einen kalkülsentsprechenden Arbeitsplatz zu erreichen. Bei einem Antrag auf Weitergewährung einer entzogenen Leistung wird kein neuer Stichtag iSd § 223 Abs 2 ASVG ausgelöst. Eine Ausnahme bildet nur das Hinzutreten eines neuen Leidens während des Gerichtsverfahrens bei ursprünglich berechtigter Entziehung. Im vorliegenden Fall ist jedoch kein neues Leiden hinzugetreten, sondern der Kl bringt vor, dass er mangels gültiger Begutachtungsplakette nach § 57a Kraftfahrgesetz (KFG) seinen PKW nicht mehr benutzen und deshalb keinen zumutbaren Arbeitsplatz erreichen könne.

Aber auch materiell-rechtlich wäre der Anspruch auf Weitergewährung des Rehabilitationsgeldes im vorliegenden Fall nicht gegeben. Für einen Versicherten, der (aus gesundheitlichen Gründen) nicht in der Lage ist, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, besteht an sich keine Verpflichtung, den Weg zum Arbeitsplatz mit dem eigenen Kraftfahrzeug zurückzulegen. Diese Rechtsauffassung wurde vor allem damit begründet, dass sonst vom Versicherten, der bereits den überwiegenden Teil der Anschaffungskosten für den PKW getragen hatte, unter Berücksichtigung der regelmäßigen Betriebskosten des Fahrzeugs für die Zurücklegung des373Weges zum Arbeitsplatz ein finanzieller Einsatz verlangt würde, der erheblich über dem der Mehrheit der Versicherten liegt, denen die Möglichkeit zur Verfügung steht, ein öffentliches Verkehrsmittel zum Arbeitsplatz zu benützen. Nach stRsp kommt dieses Kostenargument aber dann nicht zum Tragen, wenn auch andere Versicherte in einer vergleichbaren Situation zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes auf die Verwendung eines privaten Fahrzeugs angewiesen sind. Der Kl ist im vorliegenden Fall nicht aus medizinischen Gründen daran gehindert, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen; der Grund, die Arbeitswege mit dem PKW zurückzulegen, liegt für ihn nur darin, dass infolge der Abgelegenheit seines Wohnorts keine ausreichende Anzahl von ihm zumutbaren Arbeitsplätzen vorhanden ist, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbarerweise erreichbar sind.

Damit bleibt auch der Einwand des Kl, er könne die Kosten für die Reparatur seines Fahrzeugs nicht aufbringen, erfolglos. Ist Tagespendeln nicht aus medizinischen Gründen ausgeschlossen, hat ein abgelegener Wohnort des Versicherten, der durch öffentliche Verkehrsmittel kaum oder schlecht erschlossen ist, als persönliches Moment bei der Beurteilung der Verweisbarkeit grundsätzlich ebenso außer Betracht zu bleiben.