Auswirkungen der AZG-Änderungen 2018 auf die Betriebsratsarbeit

ROBERTPRIEWASSER

Die Novelle des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und des Arbeitsruhegesetzes (ARG) ändert nicht nur die Zulässigkeit von Überstunden, Ruhezeitverkürzungen in der Gastronomie und Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit. Bei der Zulässigkeit von einer Arbeitszeit von zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich wurde die Mitwirkung des BR abgeschafft, bei der Verkürzung der Ruhezeit in der Gastronomie die Mitwirkung der Gewerkschaft über den Weg des KollV. Zur Abfederung dieser Regelungen legt der Gesetzgeber fest, dass bestehende Gleitzeitvereinbarungen, Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge aufrecht bleiben.* Trotzdem hat die Novelle Auswirkungen auf die betriebliche Praxis. Untersucht wird die Auswirkung auf bestehende Gleitzeitvereinbarungen, bereits abgeschlossene Kollektivverträge mit der Zulassung von zusätzlichen Überstunden, Betriebsvereinbarungen über die Zulassung von Sonderüberstunden und die Bestimmung des § 2 lit i des KollV für die Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (Verkürzung der Ruhezeit). Zum Abschluss werden zwei Problemkreise aufgezeigt, die der Gesetzgeber möglicherweise übersehen hat: die Vorabvereinbarung der Freiwilligkeit von Überstunden und die Frage der Entlassung wegen der Verweigerung von freiwilligen Überstunden. Für Betriebsräte sollen Argumentationshilfen, Möglichkeiten und Handlungsoptionen, aber auch Gefahren und Risiken dargestellt werden.

1.
Bestehende Überstundengenehmigung durch einen Kollektivvertrag

Zahlreiche Kollektivverträge haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.* Inhalt dieser Bestimmungen ist im Wesentlichen der Verweis auf die gesetzliche Bestimmung und die Zulassung von Überstunden bis zur im Gesetz genannten Grenze.

Ab 1.9.2018 ist die Zulassung von Überstunden durch den KollV nicht mehr vorgesehen.* Fraglich ist, ob in Kollektivverträgen festgelegte Höchstgrenzen der Arbeitszeit trotz der Änderung des AZG weiterhin aufrecht bleiben. Relevant ist dies jedoch nur in jenen Kollektivverträgen, in denen die Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit unterhalb der nun erlaubten 60 Stunden liegt.

Auf Grund der Übergangsbestimmungen bleiben Kollektivverträge weithin aufrecht.* Der OGH hat diese Frage in einer E beantwortet:* Wenn kein Erlöschensgrund vorliegt, wird ein KollV auch dann nicht unwirksam, wenn er im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Bestimmung abgeschlossen worden ist, die später aufgehoben wird. Die Aufhebung des § 4c Frauen-Nachtarbeitsgesetz hat daher die Geltung des KollV über die Frauennachtarbeit in der holzverarbeitenden Industrie nicht beendet.* Begründet wurde dies damit, dass die Rechtsgrundlage des KollV nicht das Sondergesetz, sondern § 2 ArbVG ist.

Es bleiben daher in Kollektivverträgen festgelegte Höchstarbeitsgrenzen trotz der Änderung im AZG weiterhin aufrecht. Das gilt jedoch nur bis zur Beendigung des KollV, sei es durch Kündigung, Zeitablauf oder Abschluss eines neuen KollV. Nach dem Erlöschen des KollV tritt noch die Nachwirkung ein. Die Bestimmungen gelten bis zum Abschluss eines neuen KollV. Die Nachwirkung gilt aber nur für jene AN, die vor dem Erlöschen des KollV durch ihn erfasst waren* und kann durch eine Einzelvereinbarung aufgehoben werden. Auch ein AG-Wechsel beendet die Nachwirkung.

2.
Bestehende Gleitzeitvereinbarungen

In Betrieben mit BR kann eine Gleitzeit nur durch BV eingeführt werden. Bis 31.8.2018 lag378die zulässige tägliche Normalarbeitszeit bei zehn Stunden.* Die wöchentliche Normalarbeitszeit war nicht geregelt, ergab sich aber aus der Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden.*

Ab 1.9.2019 beträgt die tägliche Normalarbeitszeit weiterhin zehn Stunden. Durch die allgemeine Anhebung der zulässigen Gesamtarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche ist die Leistung solcher Überstunden auch bei Gleitzeit zulässig. Die Verlängerung der Normalarbeitszeit auf zwölf Stunden täglich ist aber zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist.*

Die Auswirkungen dieser Neuregelung auf bestehende Betriebsvereinbarungen hat der Gesetzgeber eindeutig geregelt. Bestehende Gleitzeitvereinbarungen bleiben aufrecht. Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für AN günstigere Bestimmungen vorsehen, werden durch die Änderungen des Bundesgesetzes BGBl I 2018/53 nicht berührt.* Sie gelten also weiter, eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf zwölf Stunden ist ohne Änderung der BV nicht möglich. Die Leistung von Überstunden bis zu zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich ist jedoch zulässig. Gleitzeitvereinbarungen sind nach hM erzwingbare Betriebsvereinbarungen.* Sie sind daher nicht kündbar,* und zwar auch dann nicht, wenn die Betriebsvereinbarungsparteien eine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen haben.*

Folglich bleibt nur die einvernehmlich Änderung der BV oder ein Antrag des AG auf Entscheidung durch die Schlichtungsstelle.* Ob die Schlichtungsstelle in einem solchen Fall auch die Zuschlagsfreiheit der elften und zwölften Stunde tatsächlich zulässt, ist nicht vorhersehbar. Im Falle der Zustimmung zu einem solchen Antrag des AG wird sie jedoch sicherstellen müssen, dass der Verbrauch von Zeitgutgaben im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit auch faktisch nicht ausgeschlossen wird. Die ist möglich durch die ausdrückliche Zulassung von Gleitzeittagen oder einen Rechtsanspruch der AN für eine bestimmte Anzahl von Gleitzeittagen im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit.

Bestehende Betriebsvereinbarungen sind aber jedenfalls gesetzeskonform auszulegen. Ordnet der AG ab 1.9.2018 schon eine neunte oder zehnte Stunde bei Gleitzeit an,* so sind diese als Überstunden zu bewerten.

3.
Bestehende Betriebsvereinbarung über die Zulassung von Überstunden

Bis 31.8.2018 konnten in Betrieben mit BR in 24 Wochen pro Jahr Überstunden bis zu einer Tagesarbeitszeit von zwölf Stunden und zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden durch BV zugelassen werden.

Ab 1.9.2018 fallen die bisherigen Anspruchsvoraussetzungen weg. Es ist keine Zustimmung des BR in Form einer BV erforderlich und eine Arbeitszeit von zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich möglich.

In der Praxis werden sowohl Betriebsvereinbarungen für Einzelfälle, aber auch Rahmen-Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. In solchen Rahmen-Betriebsvereinbarungen werden Anlässe für besonderen Arbeitsbedarf, der betroffene Personenkreis, Ausgleichsmaßnahmen und Mitwirkungsrechte des BR umschrieben (zB Zeitpunkt der Information des BR über die tatsächlich erbrachte Überstundenleistung). Da die gesetzliche Ermächtigung für eine solche BV weggefallen ist, stellt sich die Frage, ob damit auch diese Betriebsvereinbarungen außer Kraft treten.

Nach hM geht beim Wegfall einer Ermächtigung durch Gesetz oder KollV die darauf gestützte BV ohne Nachwirkung unter.* Die Übergangsbestimmungen legen aber fest, dass bestehende Betriebsvereinbarungen aufrecht bleiben.* Sie sind als Betriebsvereinbarungen über die Anordnung der Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit anzusehen.* Es ändert sich aber die Rechtsnatur. War die bisherige BV notwendig, ist sie nun eine freiwillige BV. Sie ist daher auch vom AG kündbar,* hat aber eine Nachwirkung.* Im Falle der Kündigung gelten Beschränkungen hinsichtlich der Überstundenleistung und andere Bestimmungen der BV nicht mehr für AN, die nach dem Beendigungsdatum der BV in den Betrieb eingetreten sind oder eine abweichende Einzelvereinbarung abgeschlossen haben.

Eine Verpflichtung der AN zur Leistung von Überstunden durch BV ist zwar zulässig, doch hat der379AN das Recht, die Leistung dieser Überstunden im Einzelfall aus wichtigen Gründen abzulehnen.* Da das AZG für Überstundenleistung über zehn Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche hinaus die Freiwilligkeit vorsieht, kann eine Verpflichtung zur Leistung solcher Überstunden durch die BV nicht festgelegt werden.

Ab 1.9.2018 ist aber der Abschluss einer BV über die Zulassung von Überstunden nicht mehr erforderlich, wohl aber möglich.

4.
Kollektivvertrag über Verkürzung der täglichen Ruhezeit

Ab 1.1.2016 war es möglich, in Saisonbetrieben im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe durch KollV die Ruhezeit auf acht Stunden zu verkürzen. Die Verkürzung war nur für Saisonbetriebe und nur für Teilzeit-AN zulässig. Der KollV musste auch noch ein eigenes Ruhezeitkonto vorsehen.*

Über diese Rahmenbedingungen hinaus wurden im KollV noch weitere Voraussetzungen vereinbart: Die Verkürzung ist nur in Betrieben zulässig, in denen regelmäßig warme Speisen mit Schwerpunkt Frühstück und Abendessen verabreicht werden und wenn eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird bzw wenn der Wohnsitz der AN maximal 30 Kilometer vom Betrieb entfernt ist. Es sind auch noch genaue Regeln über den Verbrauch der Ruhezeitkonten vorgesehen.*

Ab 1.9.2018 ist kein KollV zur Verkürzung der Ruhepause notwendig, sondern ist sie direkt kraft Gesetzes möglich. Die Verkürzung gilt nicht mehr für Saisonbetriebe, sondern für alle Betriebe. Auch bei Teilzeitkräften kann die Ruhezeit verkürzt werden, ein Ruhezeitkonto ist nicht mehr erforderlich.* Hier liegt der gleiche Fall vor wie in Pkt 1 dargestellt wurde. Der KollV gilt bis zu seiner Beendigung durch Kündigung, Zeitablauf trotz der Änderung im AZG in der bisherigen Fassung weiter. Eine Einzelvereinbarung mit dem AG oder ein Wechsel zu einem anderen AG heben jedoch die Nachwirkung auf.

5.
Vertragliche Vereinbarung der erweiterten Überstundenarbeit

Wenn die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden und eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden durch Überstunden überschritten wird, können die AN die Leistung dieser Überstunden ablehnen. Im Falle der Ablehnung gilt ein Benachteiligungsverbot. Wird wegen der Ablehnung der Überstunden eine Kündigung ausgesprochen, kann diese angefochten werden.*

Zur Frage, ob AN schon im Vorhinein vertraglich erklären können, solche Überstunden freiwillig zu leisten, hat der VwGH* bereits Stellung genommen. Er führte auf Basis der bisherigen Rechtslage* aus, dass bei Aufnahme einer solchen Überstundenklausel unmittelbar in den Arbeitsvertrag ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt, da im Falle der Ablehnung von Überstundenleistung durch die AN bereits der Abschluss des Dienstverhältnisses vom AG verweigert werden könnte. Das Benachteiligungsverbot besteht nach wir vor weiter, wurde sogar um die Möglichkeit der Kündigungsanfechtung erweitert. Vorabvereinbarungen der freiwilligen Leistung dieser Überstunden sind daher weiterhin unzulässig. Die wird nicht nur bei Abschluss des Dienstverhältnisses gelten, sondern auch bei der Abänderung von Dienstverträgen bei aufrechtem Arbeitsverhältnis. Folgt man der Argumentation des VwGH, so besteht das Ablehnungsrecht solcher Überstunden in jedem Einzelfall. Dieses Ablehnungsrecht besteht auch dann, wenn sich die AN zuvor einzelvertraglich zur Überstundenleistung verpflichtet haben sollten.

6.
Entlassungsanwendung wegen Verweigerung der erweiterten Überstundenarbeit

Dem Gesetzgeber ist ein schwerer Fehler unterlaufen. Lehnen AN die Überstundenarbeit ab und werden sie deshalb gekündigt, so können sie die Kündigung anfechten.* Nicht geregelt ist der noch schwerere Fall: AN werden wegen der Ablehnung von Überstunden entlassen. Die AN könnten die Entlassung nicht anfechten, ihnen bleibt nur die Schadenersatzklage auf Kündigungsentschädigung.

Die Möglichkeit der Kündigungsanfechtung war im ursprünglichen Initiativantrag nicht enthalten und wurde erst in einem Abänderungsantrag vor der Beschlussfassung im Parlament eingebracht. Dabei wurde offensichtlich die Entlassungsanfechtung übersehen. Die Möglichkeit der Kündigungsanfechtung wurde vom Gesetzgeber als unzulässige Motivkündigung ausgestaltet. Da auch eine Entlassung wegen eines unzulässigen Motivs angefochten werden kann, muss die Anfechtung einer Entlassung jedenfalls auch in diesem Fall zulässig sein.380

7.
Auswirkung auf die Überwachungsrechte, Gestaltungsrechte und Möglichkeiten des BR

Der BR ist befugt, die Einhaltung der Gesetze zu überprüfen, er ist auch befugt, in Arbeitszeitaufzeichnungen Einsicht zu nehmen und die Auszahlung der Ansprüche der AN zu kontrollieren.* Für den BR ergeben sich auf Grund der Änderung des AZG folgende neue Möglichkeiten:

  • Überprüfung, ob Überstunden bei Gleitzeit bzw die elfte und zwölfte Stunde täglich bzw mehr als 50 Stunden wöchentlich mit Zuschlägen abgegolten werden;

  • Überprüfung, ob im Zeitraum von 17 Wochen der Durchschnitt der Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschritten hat;

  • Überprüfung der Freiwilligkeit der elften und zwölften Stunde täglich bzw der Arbeitsleistung von mehr als 50 Stunden pro Woche;

  • Überprüfung, ob den Wünschen der AN über die Abgeltung der elften und zwölften Stunde täglich nachgekommen wird;

  • Aufklärung der AN, dass eine Vertragsänderung nach Aufkündigung einer BV zu deren Nachteil ist;

  • bei Beratungen über Versetzungen, Gehaltserhöhungen, Beförderungen und Kündigungen erforschen, ob eine Benachteiligung die Folge der Verweigerung von Überstunden darstellt.

8.
Zusammenfassung

Der Initiativantrag der Regierungsparteien samt Abänderungsantrag im Parlament schafft eine Menge von offenen Rechtsfragen, die durch die Anhörung der Sozialpartner und ein Begutachtungsverfahren zu verhindern gewesen wären. Nun müssen sie durch Interpretation gelöst werden. Nach meiner Einschätzung bleiben Kollektivverträge, welche sich auf das AZG beziehen, weiterhin gültig. Auch Betriebsvereinbarungen über Gleitzeit und die Zulässigkeit von Sonderüberstunden bleiben gültig. Letztere werden aber von einer notwendigen BV zu einer freiwilligen BV. Wenn keine solche gültige BV besteht, ist ab 1.9.2018 keine Einbindung des BR bei der Anordnung von Überstunden erforderlich.

Trotz Fortbestand von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen sind diese kündbar, durch die Schlichtungsstelle abänderbar oder enden durch Zeitablauf. Die Nachwirkung gilt beim KollV generell, bei der BV nur bei Kündigung. Sie kann aber durch verschlechternde Einzelvereinbarungen aufgehoben werden.

Der BR kann aber über sein Überwachungsrecht die Einhaltung des vom Gesetzgeber geforderten Prinzips der Freiwilligkeit einfordern. Dem Prinzip der Freiwilligkeit widersprechen auch generelle einzelvertragliche Regelungen. Im Wege der Interpretation muss auch die Anfechtbarkeit von Entlassungen bei Ablehnung der erweiterten Überstunden argumentiert werden.