Die Europäische Arbeitsbehörde – Wind in unseren Segeln?

CHRISTOPHKUNZ
1.
Hintergrund

Wir sollten sicherstellen, dass alle EU-Vorschriften zur Mobilität von Arbeitskräften auf gerechte, einfache und wirksame Art und Weise durchgesetzt werden – und zwar mit Hilfe einer neuen europäischen Aufsichts- und Umsetzungsbehörde. Es ist absurd, dass eine Bankenaufsichtsbehörde darüber wacht, ob Bankenstandards eingehalten werden. Es ist absurd, dass es keine gemeinsame Arbeitsbehörde gibt, die für Fairness innerhalb des Binnenmarktes sorgt. Wir werden diese Behörde schaffen.“ – Jean Claude Juncker am 13.9.2017 in seiner Rede zur Lage der Union

Mit diesen Worten gab der Präsident der Europäischen Kommission den öffentlichen Startschuss für das Projekt einer Europäischen Arbeitsbehörde (engl. European Labor Authority [ELA]). Im März 2018 wurde ein Verordnungsvorschlag* veröffentlicht, mit dem die Behörde genauer umrissen wurde.

2.
Warum benötigen wir eine Europäische Arbeitsbehörde

Wir brauchen sie wegen grassierendem Lohn- und Sozialdumping. Obwohl sich der Verordnungsvorschlag nur auf die zunehmende Arbeitskräftemobilität durch Personenfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit bezieht, kann eine solche Behörde nicht ohne den Hintergrund des Lohn- und Sozialdumpings in Europa angedacht werden. Dabei dreht es sich insb um drei Problemkreise, die sinnvollerweise auf europäischer Ebene angegangen werden: Information für Betroffene, Datensammlung, um eine solide Grundlage für Politikmaßnahmen zu haben, sowie die Behördenaufgaben der koordinierten Kontrolle und Durchsetzung. Soviel sei vorweg verraten: Der vorliegende Entwurf deckt zumindest in seiner Grundausrichtung die ersten zwei Punkte ab, lässt aber imperium im dritten Punkt vermissen.

Außerdem operiert der Verordnungsvorschlag zwar mit dem Begriff der Arbeitskräftemobilität, man muss ihn aber zunächst dekonstruieren, um zu erklären, warum eine europäische Behörde überhaupt mehr erreichen kann als mitgliedstaatliche Behörden alleine. Beschäftigung von StaatsbürgerInnen aus anderen EU-Mitgliedsländern tritt in Österreich nämlich im Wesentlichen in zwei Formen auf: typische Beschäftigung bei einem österreichischen DG im Rahmen der AN-Freizügigkeit sowie Entsendungen aus dem EU-Ausland im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit. Die Arbeitsbehörde hat Aufgaben, die beide Beschäftigungsformen betreffen.

AN-Freizügigkeit ermöglicht Menschen aus anderen Mitgliedstaaten die Arbeitssuche und -aufnahme in Österreich. Menschen, die dieses Recht nützen, sind in Österreich beschäftigt, zahlen Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer. Klassisches Beispiel sind viele in Pflegeheimen angestellte Pflegekräfte aus unseren Nachbarstaaten und Saisoniers im Gastgewerbe. In der Beratung in der AK Niederösterreich häufen sich Fälle, in denen bei solchen grenzüberschreitend Beschäftigten Sonderzahlungen und Überstundenentgelt vorenthalten wurden. Es stellen sich für Betroffene praktische Fragen der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus einem anderen Land, aber es gibt offenkundig auch Informationsdefizite. Der Lohnunterschied zu vielen Nachbarländern ist beträchtlich,* ein österreichisches Grundgehalt ohne Zuschläge ist für sich schon ein attraktives Angebot.

Entsendungen (bzw spiegelbildlich Überlassungen aus anderen Mitgliedstaaten) sind im Gegensatz dazu ein Ausfluss der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt und leiten sich daher aus der Dienstleistung ab, die der AG im Ausland anbietet. Entsendete sind für 24 Monate von der Beitragspflicht im Zielstaat ausgenommen,* für sie gilt das Arbeitsrecht des Zielstaates nur im durch die EntsendeRL vermittelten Ausmaß.*

Tatsächlich sind, wenig überraschend, entsendete AN in vielen Branchen zum Standard geworden. Obwohl österreichische Mindestansprüche zustehen, stellen sich die oben geschilderten Probleme in diesem Bereich analog, Informationsdefizite bezüglich des zustehenden Entgelts bestehen gleichermaßen, Lohnunterschiede machen die Entsendung attraktiv, selbst wenn Unklarheiten über Zulagen oder Zuschläge bestehen. Zudem unterfallen Entsendete typischerweise dem Lohnnebenkostenregime des Entsendestaates. Diese sind in vielen Nachbarländern beträchtlich niedriger als in385Österreich.* Offenbar wird auch nicht immer der jeweilige Mindestlohn als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge herangezogen.* Unter diesen Rahmenbedingungen ist die Gefahr von Unterentlohnung und Falschanmeldungen, von Scheinentsendungen und unangemeldeten Entsendungen offenkundig erhöht.

Die Rechtslage führt außerdem zu einer Verlagerung – Unternehmen greifen auf Entsendete oder Überlassene zurück, weil in der Gesamtschau aller Effekte die Lohnkosten niedriger werden, selbst wenn alle Regelungen auf Punkt und Beistrich eingehalten werden. Dadurch stellen sich auch durchaus Fragen eines fairen Wettbewerbs, denn ein Kleinunternehmen wird eher nicht in der Lage sein, ausländische Tochtergesellschaften zu gründen, oder entsprechende DienstleisterInnen zu suchen. In der Insolvenzabteilung der AK Niederösterreich liegen mehrere Fälle aus dem Baubereich vor, in denen die insolventen österreichischen Firmen in starker Verbindung zu ausländischen Unternehmen standen, die ihre MitarbeiterInnen entsendeten, und soweit ersichtlich ihren Betrieb gleichzeitig mit dem österreichischen Unternehmen einstellten. Die Entsendeten haben keinen Anspruch auf österreichisches Insolvenzausfallgeld, solange die Insolvenz in anderen Mitgliedstaaten nicht erklärt wird, bleibt aber nur der (oft nicht genutzte) Rechtsweg dort. Allfällige Ansprüche sind oft in den anderen Mitgliedstaaten, etwa Slowenien, mit dortigen Grundgehältern begrenzt.

Ein gut dokumentiertes Sittenbild aus einem anderen Bundesland gab zuletzt das EuGH-Verfahren im Fall Alpenrind* ab, in welchem hunderte DN von Ungarn nach Salzburg überlassen wurden, um 55.000 Tonnen Rinderhälften zu zerlegen. Es ergibt sich in der Praxis immer mehr ein Bild der häufigen systematischen Entsendung zur Nutzung all der oben geschilderten Unsicherheiten.

Entsendete tragen zwar zur Wertschöpfung bei, sie sind hier beschäftigt, aber sie zahlen im Allgemeinfall weder in Sozialversicherungssysteme noch in das Steuersystem ein wie andere AN. Es ist daher essentiell, Kontrollmechanismen zu haben, die es ermöglichen, die bestehenden Vorschriften durchzusetzen und sicherzustellen, dass Entsendedauern nicht überschritten werden und Sozialbetrug, Schein- und Kettenentsendungen sowie undokumentierte Beschäftigungsaufnahmen hintangehalten werden.

Das ist aber eine Herausforderung: Die Zahl der Entsendungen und Überlassungen steigt stetig seit Beitritt der neuen Mitgliedstaaten an.* Diese Zahlen sind aber immer mit Bedacht zu nennen, denn die Datenlage ist fragmentiert. Entsendungen und Überlassungen müssen bei der Zentralen Koordinationsstelle des BM für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung gemeldet werden, die meisten älteren Zahlen bzw jene von Eurostat beruhen meist auf der gemeldeten Anzahl von A1-Formularen der jeweiligen Sozialversicherungsträger. Die Zahl der Entsendemeldungen eines Jahres allein sagt noch nichts über die Entsende- oder Überlassungsdauer aus. Allerdings ist die Menge bestechend: Inklusive dem Transportbereich gab es in Österreich 2017 654.560 Entsendemeldungen betreffend 900.552 AN.* Inklusive Transportbereich müsste die Zentrale Koordinationsstelle des BM für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung, um nur 10 % der Meldungen zu kontrollieren, täglich mehr als 180 Überprüfungen an Arbeitsstätten durchführen. Man bemerkt seit Jahren eine deutliche und stetige Zunahme dieser Beschäftigungsformen, so stieg die Zahl der für Entsendungen und Überlassungen gemeldeten AN außerhalb des Transportbereichs allein von 2016 auf 2017 um 17 % und ist seit Jahren einer massiv steigenden Tendenz unterworfen. Die Europäische Kommission selbst spricht im Vorschlag zur Arbeitsbehörde von einem Anstieg der Entsendungen um 68 % allein zwischen 2010 und 2016. Die Statistik spiegelt das praktische Bild wider.

Hinzu kommt, dass die Strafbehörden gegen Lohn- und Sozialdumping schon seit Jahren über Durchsetzungsschwierigkeiten klagen. Die DurchsetzungsRL,* die selbst eine wesentliche Rechtsgrundlage für das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) ist, ist noch nicht lange in Kraft. In elektronische Koordinationssysteme werden große Hoffnungen gesetzt, Erfolgsmeldungen mit ähnlicher Publizität wie die zuvor gegebenen Misserfolgsmeldungen bleiben aber bisher aus. Die österreichischen Erfah-386rungen mit der Durchsetzung von Strafen waren bisher durchwachsen, obwohl vorgesehen ist, dass die eintreibenden Behörden in den anderen Mitgliedstaaten die Strafen selbst einheben und die Strafsummen als Kostenersatz erhalten sollten.

Zudem zeigen die oben geschilderten Fälle, dass sich die Problematik oft innerhalb von grenzüberschreitenden Unternehmensverkettungen entfaltet. Insofern wäre es dringend notwendig, auch grenzüberschreitend aktive Behörden zu haben, die gleichzeitig Kontrollen an Arbeitsstätte und Unternehmenssitz durchführen können.

3.
Inhalt des Vorschlags zur Europäischen Arbeitsbehörde

Jean Claude Junckers damalige Rede zur Lage der Union stand unter dem Motto, „Europa hat wieder Wind in den Segeln“. Angetrieben vom Grundsatz, dass Menschen zu gleichen Arbeitsbedingungen innerhalb eines Landes beschäftigt werden sollen und unter dem Titel einer Behörde, also landläufig einer öffentlichen Stelle mit imperium, wurden Hoffnungen erweckt. Zwar wurde die grundlegende Frage, ob es für einen funktionierenden Binnenmarkt wirklich notwendig ist, für bis zu 24 Monate im heimischen Lohnnebenkostensystem zu verbleiben, nicht gestellt, der Vergleich mit Bankenbehörden – die Entscheidungsbefugnisse haben – war aber vielversprechend. Gegründet auf den Gedanken des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt ist auch eine Orientierung an Befugnissen von Wettbewerbsbehörden denkbar.

Der Vorschlag zur Verordnung zur Einrichtung der Behörde,* auf den sich die Artikelangaben in der Folge beziehen, gliedert sich in sechs Kapitel: Grundsätze, Aufgaben, Organisation der Behörde, Gliederung ihres Haushaltsplans, Bestimmungen zum Personal sowie Schlussbestimmungen (etwa zum Datenschutz und zur Sprachenregelung), gleichzeitig soll die Behörde bestimmte bestehende Aufgaben übernehmen und mehrere Stellen und Gremien ersetzen,* was mit weiteren Durchführungsbestimmungen in anderen Richtlinien und Verordnungen vorgezeichnet wird. Rechtsgrundlage sind die Artikel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu Marktfreiheiten, nicht zur Sozialpolitik, wodurch sich die Stoßrichtung der Behörde eher aus dem Gesichtspunkt eines fairen Wettbewerbs am Binnenmarkt als aus sozialpolitischen Fragen interpretieren lässt.

Die Zielbestimmung der Behörde deckt auch schon wichtige Punkte ab: Sie soll Einzelpersonen und AG Informationen über Rechte und Pflichten geben, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung einschlägiger Unionsvorschriften inklusive Kontrollen unterstützen und bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden bzw Störungen des Arbeitsmarkts vermitteln. Außerdem soll sie Rechtspersönlichkeit erhalten.

Die im Grundsatzkapitel umrissenen Punkte finden sich dann im Aufgabenkapitel wieder und werden in Umfang und rechtlichem Mittel konkretisiert.

Art 6 und 7 decken die Informationsweitergabe ab. Es werden Möglichkeiten und Befugnisse geschaffen, um Informationen bereitzustellen und auch konkret mit Arbeitsmarktverwaltungen im Rahmen des European Employment Services Netzwerks, für welches es die Aufgaben des Koordinierungsbüros übernimmt, zusammenzuarbeiten. Die Information für Betroffene ist dadurch im Wesentlichen abgedeckt.

In Art 8 wird der Behörde die Aufgabe gegeben, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten zu erleichtern, sie bei der Weiterverfolgung von Anfragen zu unterstützen und „erleichtert Verfahren für die grenzübergreifende Durchsetzung von Sanktionen und Geldbußen“.

Art 9 und 10 regeln konzertierte und gemeinsame Kontrollen. Die Behörde koordiniert diese auf Antrag eines Mitgliedstaates, sie selbst hat nur ein Vorschlagsrecht. Den Kontrollen müssen die betroffenen Mitgliedstaaten vorab zustimmen; will eine Behörde eines Mitgliedstaates nicht teilnehmen, so muss sie die Europäische Arbeitsbehörde vorab begründet informieren. Die Verordnung gibt keinen Aufschluss darüber, was solche Gründe sein könnten, jedenfalls hat die Europäische Arbeitsbehörde keine Möglichkeit, Behörden von Mitgliedstaaten zur Durchführung von Kontrollen zu zwingen. Die Europäische Arbeitsbehörde kann die Zusammenarbeit zwischen zwei Mitgliedstaaten weitgehend durch Übersetzung, Erstellung von Musterdokumenten und durch Teilnahme an Kontrollen unterstützen. Sobald also einmal Kontrollen durchgeführt werden, wäre die Europäische Arbeitsbehörde eine Schnittstelle zwischen den Mitgliedstaatsbehörden.387

Die Europäische Arbeitsbehörde soll also nicht „Über“- oder gar „Oberbehörde“ sein, ihre Möglichkeiten bleiben unverbindlich. Insofern kann sie die Hoffnungen auf Behördenaufgaben der koordinierten Kontrolle und Durchsetzung wahrscheinlich nicht erfüllen.

In Art 11 erhält die Behörde einen Forschungsauftrag. Sie soll in der Lage sein, Analysen und Risikobewertungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Arbeitskräftemobilität durchzuführen, sie kann auch Peer-Reviews mit den nationalen Behörden organisieren. Angesichts der Datenlage ist ein Analyseauftrag begrüßenswert, es wäre wohl dennoch ein sinnvoller Zugang gewesen, Sozialpartner aus den jeweils betroffenen Mitgliedstaaten in die Peer-Reviews aufzunehmen. Jedenfalls scheint die Datensammlung, um eine solide Grundlage für Politikmaßnahmen zu haben, im Grundsatz abgedeckt.

In Art 12 werden Kapazitätsaufbaumaßnahmen in Mitgliedstaaten vorgesehen.

Gibt es zwischen Mitgliedstaatsbehörden Streitigkeiten, so ist in Art 13 ein Mediationsverfahren vorgesehen. Geht es um die Durchsetzung von Strafen, wird ein Mediationsverfahren im Allgemeinfall eher unzureichend sein, denn ein Durchsetzungsproblem – sei es rechtlich oder anderweitig gelagert – wird sich kaum durch Mediation bereinigen lassen. Ebenso gibt es im Bereich der Sozialleistungskoordination jetzt schon Abstimmungsmöglichkeiten, wodurch zur Debatte steht, ob ein solches Mediationsverfahren tatsächlich einen Mehrwert schafft.

Art 14 regelt die Zusammenarbeit „in Fällen grenzüberschreitender Arbeitsmarktstörungen“, der Begriff wird aber kaum konkretisiert. Offenbar geht es um große Umstrukturierungsereignisse oder Großprojekte mit Auswirkungen auf die Beschäftigung in Grenzregionen, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen. Der Begriff der Arbeitsmarktstörung muss im Gesetzwerdungsprozess noch weiter konkretisiert werden. Weit ausgelegt könnten sonst allenfalls Arbeitskampfmaßnahmen als solche Störungen gesehen werden.

Die Leitungs- und Verwaltungsstruktur der Behörde besteht aus einem Verwaltungsrat, zusammengesetzt aus zwei VertreterInnen der Europäischen Kommission und jeweils einem aus dem Mitgliedstaat, der vor allem genehmigende und überwachende und grundlegende Entscheidungsfunktionen hat, einem Exekutivdirektor, der die täglichen Geschäfte als Behördenleiter führt und einer Interessenträgergruppe bestehend aus sechs SozialpartnervertreterInnen, die ein beratendes Gremium sein soll, dem zweimal jährlich berichtet werden muss. Damit ist die Einbeziehung von SozialpartnervertrerInnen eher dürftig.

Im Vollausbau sprechen die Finanzbögen des Vorschlages von einer Mittelausstattung von rund 50 Mio € jährlich und es werden 144 Planstellen vorgesehen; der Sitz der Behörde steht noch nicht fest. Eine österreichische Bewerbung für den Sitz der Behörde wäre sicher interessant.

Wie oben schon angemerkt sollen die Funktionen zahlreicher bestehender Gremien der Sozialleistungskoordination in der Arbeitsbehörde aufgehen. Hier ist zu bedenken, dass viele dieser Gremien zurzeit durch SozialrechtspraktikerInnen der jeweiligen Materien aus den Mitgliedstaaten gebildet werden und wohl auch deshalb gut als mediierende Stellen funktionieren. Die Arbeitsbehörde baut offenbar nicht explizit auf diesen Strukturen auf.

4.
Fazit

Im Lichte der offenkundig bestehenden Informationsdefizite und Lohnunterschiede, zunehmender Entsendungen als Ausfluss einer immer mehr in Anspruch genommenen Dienstleistungsfreiheit und der aktuellen Herausforderungen in Kontrolle und Durchsetzung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes wäre eine europäische Behörde ideal platziert, um einen faireren und sozialeren europäischen Arbeitsmarkt zu fördern.

Aus österreichischer Sicht, angesichts unserer Herausforderungen, müsste man sogar konstatieren, dass die geplante Stelle zu wenig Behördeneigenschaft hat. Kontrollen finden schließlich nur mit Zustimmung des jeweiligen Mitgliedstaates statt. In anderen Punkten, etwa der Informations- und Datenerhebungsaufgabe, werden Kernfragen europäischer Arbeitskräftemobilität aufgegriffen, allerdings wird sich ein Projekt „Europäische Arbeitsbehörde“ auf Dauer nicht auf Broschürendesign, Seminarorganisation und Statistik beschränken können. Eine Europäische Arbeitsbehörde mit einem wohl durchdachten imperium wäre ein großer Schritt in Richtung eines fairen Wettbewerbs auf den europäischen Dienstleistungs- und Arbeitsmärkten, und, auch wenn die Rechtsgrundlage dies eigentlich nicht zum Ziel hätte, eines echten sozialen Europas. Der Vorschlag bleibt in diesem Bereich sehr vorsichtig. Offensichtlich war es politisch sehr umstritten, eine Behörde nach Muster von Banken- oder Wettbewerbsbehörden zu schaffen. Allerdings muss sich der Vorschlag nun erst recht die Frage nach einem konkreten Mehrwert stellen lassen, dazu mehr in Pkt 5.388

Vorsichtig zu bewerten sind die Verlagerungen bisheriger Gremien in den Rahmen der Behörde. Getreu dem Prinzip „never change a running system“ müsste angedacht werden, die bestehenden Systeme mit dem Rahmen der Arbeitsbehörde zu stärken und zu unterstützen anstatt sie abzuschaffen.

Genau diese zwei Punkte, Rechtsgrundlage und Gremienverschiebung, dürften in der künftigen Diskussion um die Arbeitsbehörde große Herausforderungen werden.

5.
Resümee und Ausblick

Es war zu hoffen, dass sich die österreichische Ratspräsidentschaft der Thematik annimmt. Davon ist aber nicht auszugehen. Die Arbeitsbehörde findet sich nicht im Programm Ratspräsidentschaft, sie wird auch in öffentlichen Äußerungen des zuständigen Regierungsmitglieds eher skeptisch betrachtet.* Die letzte Sitzung des Europäischen Rates, auf der die Arbeitsbehörde auf der Agenda war, führte zu keinem endgültigen Ergebnis, sondern nur zum Bekenntnis, weiter an dem Vorschlag in Ratsgremien zu arbeiten.*

Bis dato gingen sechs Stellungnahmen von nationalen Parlamenten ein,* die alle Bedenken aufgrund Subsidiarität anmelden. Tatsächlich setzen sich die Stellungnahmen (der Autor konnte die portugiesische Stellungnahme aufgrund mangelnder Sprachkenntnis nicht prüfen) aber eher nicht mit konkreten Abarbeitungen von Subsidiaritätsaspekten auseinander, sondern erklären eher, dass die gewünschten Effekte auch durch die bestehenden Gremien erreicht werden könnten. Die Unklarheit einiger Bestimmungen wird zudem kritisiert und in Frage gestellt, ob eine neue Behörde in so kurzer Zeit so viele Gremien ersetzen könne.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betonte in seiner Stellungnahme, dass die Sozialpartner sehr viel stärker in das organisatorische Set-up der Behörde eingebunden werden müssten und nennt Sozialdumping explizit als einen raison d’etre der Behörde.

In einer wahren Ironie des Schicksals könnte dem Projekt der europäischen Arbeitsbehörde das nicht vorhandene imperium zum Verhängnis werden. Informierende und mediierende Stellen und Gremien gibt es, eine verbesserte Behördenzusammenarbeit wird schnell und politisch einfach durch BehördenvertreterInnen bekannt. Ohne eine echte Neuerung gegenüber den bestehenden Stellen, muss sich eine „zahnlose“ Arbeitsbehörde aber tatsächlich die Frage nach dem europäischen Mehrwert gefallen lassen.

Es läge an einer ambitionierten und aktuelle Probleme aufgreifenden Ratspräsidentschaft, dieses Projekt fortzuführen. Es ist zu befürchten, dass die Idee zu zögerlich verfolgt wird, denn Mitgliedstaaten, die sie nicht haben wollen, können jetzt im Lichte der schwachen Behördenbefugnisse erst recht die Sinnfrage stellen.

Ein weiterer Aspekt ist die Rechtsgrundlage der Behörde. Gründet man sie in Binnenmarktbestimmungen, um allfälligen Einstimmigkeitsregelungen des Art 151 auszuweichen, so müsste man erst recht ambitioniert vorgehen und sich an Wettbewerbs- oder eben Bankenbehörden orientieren. Diese Stellen haben klar definierte Behördenaufgaben. In diesem Sinne muss man sicher die Verordnung genauer fassen und überarbeiten. Keiner dieser Punkte wäre aber ein K.O.-Kriterium für die Behörde.

Unter der österreichischen Ratspräsidentschaft ist leider wenig Engagement zu erwarten, obwohl stark zu hoffen ist, dass hier nur Signale missverstanden werden. Die rumänische Ratspräsidentschaft wird stark im Zeichen der kommenden Europawahl stehen und es wird sich zeigen, ob es dabei die Ressourcen geben wird, dieses Projekt zu einem sinnvollen und erfolgreichen Ende zu führen.389