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Rechtzeitigkeit des Entlassungsausspruches

CHRISTOSKARIOTIS

Der Personalchef der Bekl erfuhr am Donnerstag, dass der als Regionalleiter beschäftigte Kl am Tag zuvor Retourware in eine Filiale gebracht und Filialmitarbeiter angewiesen hatte, ihm eine Bargutschrift auszuhändigen. Es bestand jedoch eine Anweisung der Bekl an alle Mitarbeiter, die eine Aushändigung von Bargutschriften an Mitarbeiter verbot. Der Kl war bereits im Jahr davor wegen Verstoßes gegen diese Anweisung schriftlich verwarnt worden.

Noch am selben Tag suchte der Personalchef der Bekl die Filiale auf und versuchte die retournierte Ware zum Käufer nachzuverfolgen und ermittelte am folgenden Tag (Freitag) mittels EDV-System Vorfälle, die nach einem ähnlichen Muster abgelaufen sein dürften. Um die Mittagszeit bat der Personalchef den Kl in die Zentrale zu kommen. Der Kl teilte jedoch mit, bereits im Wochenende zu sein, worauf er für Montag 7:00 Uhr zu Dienstbeginn in die Zentrale bestellt wurde. Bei diesem Gespräch wurde dem Kl, im Anschluss an seine Verantwortung, die fristlose Entlassung ausgesprochen.

Der Kl war der Ansicht, dass die Entlassung unberechtigt, weil verspätet ist. Die Vorinstanzen qualifizierten die Entlassung als rechtzeitig und daher berechtigt.

Der OGH wies die Revision des Kl mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. In seiner Begründung führte er aus, dass die Gründe für eine vorzeitige Beendigung eines Dienstverhältnisses bei sonstigem Verlust des bestehenden Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend gemacht werden müssen. Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem AG, sobald ihm die für die Beurteilung des Vorliegens eines Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind, wobei der AG verpflichtet ist, die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen und ihm zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchzuführen. Der Kenntniserlangung durch den AG ist die Kenntnisnahme durch seinen Stellvertreter oder durch einen ganz oder teilweise mit Personalagenden befassten leitenden Angestellten gleichzuhalten.

Der Grundsatz, dass die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf dem Gedanken, dass ein AG, der eine Verfehlung seines AN nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet. Anerkanntermaßen ist es dem AG zuzubilligen, vor der Entlassung dem AN Gelegenheit zu geben, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, sei es schriftlich in einer Stellungnahme, sei es mündlich in einem Gespräch, und so die Entlassung allenfalls noch abzuwenden, sodass in der Eröffnung einer solchen Äußerungsmöglich-354keit keine konkludente Verzichtserklärung zu erblicken ist.

Die Beurteilung, ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen. Dieser Frage kommt daher keine – von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – erhebliche Bedeutung zu. Die Qualifizierung der Vorinstanzen, wonach die Entlassung in concreto rechtzeitig erfolgte, hält sich daher aus Sicht des OGH im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp.