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Auslegung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist

CHRISTINANEUNDLINGER

Unter Pkt „10. Kündigung“ des Arbeitsvertrages wurde zwischen den Streitteilen vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis „sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer unter vorheriger Einhaltung der Kündigungsfrist gemäß § 3 Abs 1 des anzuwendenden Kollektivvertrags zu jedem Monatsletzten beendet werden“ kann.

§ 3 Abs 1 und Abs 2 des zur Anwendung gelangenden KollV für Angestellte im Metallgewerbe („KollV Metallangestellte“) lauten:

„Geltungsdauer.

(1) Der Kollektivvertrag tritt mit Wirksamkeit 1. Jänner 2018 in Kraft.

(2) Der Kollektivvertrag kann von beiden Teilen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Monatsletzten mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt werden.“

Strittig war im vorliegenden Fall, ob zwischen den Parteien unter Pkt „10. Kündigung“ eine dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart wurde.

Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass für die Kl die sechswöchige Kündigungsfrist des § 20 Abs 2 AngG gilt, weil weder die Wortinterpretation noch die Absicht der Parteien eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würden und eine solche Erklärung auch dem Geschäftsführer der Bekl nicht unterstellt werden könne. Der OGH bestätigte diese Entscheidung und wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück.

Wird – wie hier – eine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen. Weder ist die subjektive Absicht des Erklärungsempfängers noch jene des Erklärenden allein entscheidend; bei Uneinigkeit ist die Erklärung vielmehr so zu verstehen, wie ein redlicher Erklärungsempfänger die Erklärung verstehen konnte.

§ 3 Abs 1 KollV Metallangestellte regelt keine Kündigungsfrist, sondern das Inkrafttreten des KollV, weshalb der Verweis unter Pkt 10. des Arbeitsvertrages nicht iSd § 915 Satz 2 ABGB undeutlich formuliert ist, sondern schlicht ins Leere geht.

§ 3 Abs 2 KollV Metallangestellte regelt ausdrücklich nur die Frist für eine Kündigung des KollV und nicht von Arbeitsverträgen, weshalb für die Annahme, dass der Arbeitsvertrag (richtig) auf § 3 Abs 2 KollV Metallangestellte hätte verweisen wollen, eindeutige Anhaltspunkte fehlen.

Dass mit Pkt 10. des Arbeitsvertrages beidseits längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 20 Abs 2 AngG hätten vereinbart werden sollen, ergibt sich nicht denknotwendig aus dem Vertrag. Abgesehen davon entspräche die in § 3 Abs 2 des KollV Metallangestellte genannte dreimonatige Frist dieser Voraussetzung nicht jedenfalls, sondern nur in concreto.

Auch ohne Vereinbarung einer (längeren) Kündigungsfrist wohnt der Vertragsbestimmung aber ein Regelungsinhalt inne, weil der Bekl damit eine Kündigung zum Monatsletzten erlaubt wird.