14Urlaubsverjährung bei „verstecktem“ Dienstverhältnis
Urlaubsverjährung bei „verstecktem“ Dienstverhältnis
Einem DN, der als Scheinselbstständiger oder in einem als solches bezeichneten freien Dienstverhältnis beschäftigt wird, obwohl die wesentlichen Merkmale seiner Beschäftigung einem Arbeitsverhältnis entsprechen, steht mit der Feststellungsklage ein effizienter Rechtsbehelf zur Verfügung, der ihm die gerichtliche Klärung ermöglicht, ob sein Vertragsverhältnis den arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insb dem UrlG, unterliegt.
Macht er von dieser Möglichkeit innerhalb der Verjährungsfrist nicht Gebrauch, so kommt es zur Urlaubsverjährung nach Maßgabe des § 4 Abs 5 UrlG.
Wenn der AG jedoch die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat, kann der AN einem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegensetzen.
Der Kl war bei der Bekl vom 14.1.2014 bis 31.3.2017 als Call-Center-Mitarbeiter beschäftigt. Nach der Bezeichnung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrags und der Anmeldung zur SV sollte er freier DN sein. Das Vertragsverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst.
Der Kl brachte vor, er sei kein freier DN gewesen, sondern seine Beschäftigung habe die wesentlichen Merkmale eines echten Arbeitsverhältnisses aufgewiesen. Das Klagebegehren war ua auf Urlaubsersatzleistung für den gesamten Zeitraum des Dienstverhältnisses gerichtet. Es ist nicht mehr strittig, dass das Vertragsverhältnis nicht als freier Dienstvertrag, sondern als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren war.
Das Erstgericht sprach die geltend gemachte Urlaubsersatzleistung zur Gänze zu.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung über Berufung der Bekl dahin ab, dass es den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung für das Urlaubsjahr vom 14.1.2014 bis 13.1.2015 abwies. Für diesen Zeitraum sei der Urlaubsanspruch bereits vor Beendigung des Dienstverhältnisses und vor 23 der im Juli 2017 eingebrachten Klage verjährt gewesen. In seiner Revision führt der Kl aus, die Beurteilung der Verjährungsfrage durch das Berufungsgericht entspreche zwar der ständigen Judikatur des OGH, diese sei jedoch im Lichte der jüngsten Rsp des EuGH zum unionsrechtlichen Anspruch auf jährlichen Mindesturlaub nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dem Kl sei überhaupt keine Möglichkeit zu einem Urlaubskonsum eingeräumt worden, weshalb keine Verjährung eintreten habe können.
Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Verjährung des Urlaubsanspruchs für das Urlaubsjahr 14.1.2014 bis 13.1.2015.
„1. […] Kommt es vor Verbrauch des Urlaubs zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so ist der offen gebliebene Anspruch in Geld abzufinden. Der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung ist ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Erfüllung des in der Vergangenheit liegenden, noch offenen, bisher nicht erfüllten Urlaubsanspruchs (RS0028685; Reissner, aaO § 10 UrlG Rz 4 mwN). Für einen nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren gebührt die Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist. 2. Der Urlaubsanspruch verjährt gemäß § 4 UrlG erst nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Für den tatsächlichen Verbrauch des Naturalurlaubs eines Jahres stehen damit insgesamt drei Jahre zur Verfügung. Die Übertragung von nicht konsumierten Urlaubsansprüchen auf die folgenden Urlaubsjahre ist so lange möglich, als sie nicht verjährt sind. Auf die Gründe für das längere Stehenlassen des Urlaubs kommt es dabei nicht an (RS0077520 [T2] ua). […]
In der Rechtsprechung des EuGH wurde wiederholt betont, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub aufgrund der ArbeitszeitRL als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, dessen Umsetzung durch die nationalen Stellen nur in den Grenzen erfolgen kann, die in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehen sind (Rs C-214/16, King, Rn 32; C-178/15, Sobczyszyn, Rn 19; C-277/08, Vicente Pereda, Rn 18; C-131/04 und C-257/04, Robinson-Steele ua, Rn 48 ua).
Aber sogar eine nationale Regelung, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, ist nicht ausgeschlossen. Sie wird unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, dass der Arbeitnehmer bis dahin tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Anspruch auszuüben (EuGH Rs C-619/16, Kreuziger, Rn 41, 42; C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft, Rn 35; C-350/06und C-520/06, Schultz-Hoff ua, Rn 43).
Falls eine nationale Regelung nicht im Einklang mit Art 7 der ArbeitszeitRL und Art 31 Abs 2 der Charta ausgelegt werden kann, hat das mit einem Rechtsstreit befasste nationale Gericht die nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer für den nicht genommenen Jahresurlaub eine finanzielle Vergütung erhält (EuGHC-569/16, Stadt Wuppertal/Bauerund C-570/16, Willmeroth/Broßonn).
[…]
4. In der Rechtssache C-214/16, King hat der EuGH festgehalten, dass Art 7 der Richtlinie 2003/88 und das in Art 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahin auszulegen sind, dass sie es im Fall einer Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß der erstgenannten Vorschrift hat, verbieten, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub zunächst nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er für diesen Urlaub Anspruch auf Bezahlung hat. Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, hat danach die sich hieraus ergebenden Folgen zu tragen (Rn 63). Ließe man unter diesen Umständen ein Erlöschen der vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub zu, würde man damit nämlich im Ergebnis ein Verhalten bestätigen, das zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führt und dem eigentlichen Zweck der Richtlinie, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, zuwiderläuft (Rn 64). Art 7 der Richtlinie 2003/88 ist nach dieser Entscheidungsbegründung dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen es einem Arbeitnehmer verwehrt ist, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und gegebenenfalls anzusammeln.
Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass nach dem anzuwendenden Recht
jener Urlaub, auf den ein Arbeitnehmer Anspruch hat, nur in dem Bezugszeitraum genommen werden konnte, in dem er zu gewähren war (C-214/16, Rn 11), ferner dass
wenn dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs verwehrt wurde, dies vom Arbeitsgericht nur innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ab (spätestens) dem beantragten Urlaubsantritt überprüft werden konnte,
wobei diese Frist lediglich im Fall der praktischen Unmöglichkeit ihrer Einhaltung vom Gericht angemessen verlängert werden konnte (C-214/16, Rn 13), 24
keine Übertragung von Jahresurlaub über den Bezugszeitraum, für den der Urlaub gebührt, zulässig war.
Ein Arbeitnehmer konnte danach einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf Jahresurlaub nur geltend machen, wenn sein Arbeitgeber ihn überhaupt keinen Urlaub – bezahlt oder unbezahlt – nehmen ließ. Er hätte sich nicht vor Gericht auf seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub als solchen berufen können, sondern wäre zunächst gezwungen gewesen, unbezahlten Urlaub zu nehmen, um dann dessen Bezahlung einklagen zu können. Die Geltendmachung einer Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub war nicht vorgesehen.
Auf dieser Grundlage gelangte der EuGH zu dem Ergebnis, dass wenn es einem Arbeitnehmer verwehrt ist, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und gegebenenfalls anzusammeln, sich der Arbeitgeber, der die rechtzeitige Urlaubskonsumation durch sein Verhalten verhindert hat, nicht auf Verjährungsbestimmungen berufen kann. Es müsse nämlich ein wirksamer staatlicher Rechtsbehelf für die Durchsetzung des Mindesturlaubsanspruchs gewährleistet werden (C-214/16, King, Rn 41; vgl auch C-439/14und C-488/14, Star Storage ua, Rn 46). Der Anspruch auf Ersatzleistung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht konsumierten Urlaubs darf nicht davon abhängen, ob der Arbeitnehmer im Vorfeld einen vergeblichen Urlaubsantrag gestellt hatte (EuGHC-214/16, King, Rn 62; C-118/13, Bollacke, Rn 27–28 ua).
5. Angewandt auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich Folgendes:
[…] Es kommt darauf an, ob dem Kläger ein effektiver Rechtsbehelf zur Durchsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub innerhalb einer angemessenen Frist zur Verfügung gestanden hätte.
Im Unterschied zu der dargestellten besonderen Rechtslage, auf deren Grundlage die Entscheidung C-214/16, King ergangen ist, kann der Jahresurlaub nach § 4 Abs 5 UrlG auf zwei Folgejahre vorgetragen werden. Insgesamt stehen damit drei Jahre zum Verbrauch eines jeden Jahresurlaubs zur Verfügung. […]
Nach § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
Einem Dienstnehmer, der als Scheinselbstständiger oder in einem als solches bezeichneten freien Dienstverhältnis beschäftigt wird, obwohl die wesentlichen Merkmale seiner Beschäftigung einem Arbeitsverhältnis entsprechen, steht mit der Feststellungsklage ein effizienter Rechtsbehelf zur Verfügung, der ihm die gerichtliche Klärung ermöglicht, ob sein Vertragsverhältnis den arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem UrlG, unterliegt. Durch Geltendmachung des Anspruchs innerhalb des Zeitraums des § 4 Abs 5 UrlG wird nach § 1497 ABGB auch die Verjährung unterbrochen (RS0118906).
6. Wenn der Arbeitgeber jedoch die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat, kann der Arbeitnehmer einem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegensetzen (RS0077943; RS0014838; RS0034537 [T1, T4]). Von Arglist ist allgemein auszugehen, wenn es der Arbeitgeber geradezu darauf anlegt, die Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern (RS0014838 [T9]). Einen solchen Einwand hat der Kläger hier nicht erhoben. Die unterschiedliche Auffassung über die rechtliche Qualifikation eines Beschäftigungsverhältnisses, die von einer Gesamtbetrachtung der für und gegen das Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale im Einzelfall abhängt (RS0021284), begründet den Vorwurf der Arglist im Regelfall nicht, sofern die abweichende Rechtsansicht nicht von vornherein unhaltbar erscheint.
Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung daher zutreffend § 4 Abs 5 UrlG auf den Anspruch des Klägers angewandt.“
Das vorliegende Judikat ist ein gutes Beispiel dafür, dass gewisse Entscheidungen des EuGH doch nicht die Wirkung auf die österreichische Rechtslage haben, die sie auf den ersten Blick vermuten ließen.
Im hier vorliegenden Fall bestanden zuletzt keine Zweifel mehr daran, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis um ein echtes Dienstverhältnis und nicht um einen freien Dienstvertrag gehandelt hatte. Daher war auch ein Urlaubsanspruch vorhanden, welcher durch § 4 Abs 5 des österreichischen UrlG nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, mit Verjährung bedroht ist.
Die hier entscheidende Frage war, ob diese Verjährungsbestimmung in Anbetracht des EuGH-Urteils vom 29.11.2017 in der Rs C-214/16, King, überhaupt zur Anwendung gelangen kann. Dort hatte der EuGH nämlich entschieden, dass ein AN, der jahrelang als Scheinselbstständiger tätig war, nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub ohne eine zeitliche Beschränkung durch Verjährungsfristen geltend machen kann. Allerdings kann der Urlaub nach britischem Recht nur in dem Bezugszeitraum genommen werden, in dem er zu gewähren ist und somit nicht ins nächste Urlaubsjahr übertragen werden. Im britischen Recht stand dem AN somit nach Ansicht des EuGH kein 25 in der Charta der Grundrechte der EU geforderter wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung, um seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß der RL 2003/88 (AZ-RL) geltend machen zu können. Daher konnte der Urlaubsanspruch nicht verjähren.
Der OGH entschied, dass im gegenständlichen Fall die Verjährungsbestimmungen des UrlG zur Anwendung gelangen. Er wies auf die unterschiedliche nationale Rechtslage in den der Beurteilung unterliegenden Staaten hin. In seiner Begründung bezog sich das Höchstgericht auf Aussagen des EuGH in den Rs Kreuziger (6.11.2018, C-619/16), Max-Planck-Gesellschaft (6.11.2018, C-684/16)) und Schultz-Hoff ua (20.1.2009, C-350/06)), wonach nationale Regelungen, die unter bestimmten Umständen den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraumes vorsehen, zulässig sind. Dies aber nur dann, wenn der AN bis dahin tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Anspruch auszuüben. Das ist nach Ansicht des OGH hier der Fall: Der pro forma freie DN hätte ja innerhalb der in Österreich geltenden Verjährungsfrist die Gelegenheit gehabt, die tatsächliche rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses von den Gerichten feststellen zu lassen und so sein Recht auf den Urlaubsanspruch zu wahren. Die Feststellungsklage stelle somit einen effizienten Rechtsbehelf iSd Charta dar.
Der OGH sieht hier den AN – und nicht den gesetzwidrig handelnden AG, auf dessen Initiative die Wahl des Vertragskonstrukts meist zurückzuführen ist – in der Verantwortung, sich rechtzeitig um die rechtlich korrekte Qualifikation seines Vertragsverhältnisses zu kümmern. Das ist im Endeffekt nur durch die Anrufung der Gerichte möglich. Dass dies bei aufrechtem Vertragsverhältnis zur Beeinträchtigung des Arbeitsklimas führt und gegen diese Vorgangsweise daher iSd von AN-Seite zumeist angestrebten Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses in der Regel große Bedenken bestehen, liegt auf der Hand.
Der OGH weist darauf hin, dass es hier nicht mehr strittig sei, dass das Vertragsverhältnis nicht mehr als freier Dienstvertrag, sondern als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren war, ohne näher auf die konkrete Fallkonstellation einzugehen. In der Praxis ist die Beurteilung der Qualifikation eines Vertragsverhältnisses aber oft äußerst schwierig und vom AN, der in der Regel nicht juristisch gebildet ist, kaum durchführbar. Es stellt sich die Frage, ob der OGH auch in einem schwierig abzugrenzenden Vertragsverhältnis vom Betroffenen verlangen würde, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen und dadurch den Bestand seines Vertragsverhältnisses zu gefährden.
Wie wäre weiters der Fall zu beurteilen, in dem ein auch pro forma „echter“ DN auf „sanften“ Druck des AG hin längere Zeit hindurch auf seinen Urlaubsverbrauch verzichtet, sodass der Urlaub – streng nach österreichischer Rechtslage – bereits teilweise verjährt wäre? Ist auch auf einen derartigen Fall das Ergebnis der gegenständlichen E übertragbar und ebenfalls der AN gefordert, sein Recht auf Urlaubsverbrauch mittels Klage einzufordern, bevor es zur Verjährung kommt? Die theoretische Möglichkeit einer solchen – allerdings praxisfremden – Vorgangsweise würde ja bestehen. Oder soll doch verhindert werden, den in der schwächeren Position im Arbeitsverhältnis befindlichen AN in die Lage versetzen zu müssen, seine Rechte gegenüber seinem AG ausdrücklich geltend zu machen, da insb die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des AG aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können? Diese Sichtweise vertritt jedenfalls der EuGH (Rs Max-Planck-Gesellschaft, Rn 41; Rs Kreuziger, Rn 48) und sieht den AG in der Pflicht, in aller Deutlichkeit dafür zu sorgen, dass der AN tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Urlaub zu nehmen. Es ist immer wieder zu beobachten, dass der EuGH in seinen Entscheidungen stets großen Wert darauf legt, die soziale Komponente nicht aus den Augen zu verlieren.
Gegen Ende der E weist der OGH darauf hin, dass der AN einem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegensetzen kann, wenn der AG die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat. Dabei sei von Arglist allgemein auszugehen, wenn es der AG geradezu darauf anlegt, die Anspruchsdurchsetzung durch den AN zu verhindern. Dies wäre mE bereits dann der Fall, wenn der AG den AN durch die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen, also in erster Linie durch Androhung der Beendigung des Vertragsverhältnisses, davon abhalten möchte, seine Rechte gerichtlich durchzusetzen. Dazu wurde im vorliegenden Fall jedoch kein Vorbringen seitens des Kl erstattet.