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Keine Anwendung des § 22 Abs 3 AlVG auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit

BIRGITSDOUTZ

Mit Bescheid vom 15.5.2018 widerrief das Arbeitsmarktservice (AMS) das Arbeitslosengeld des Revisionswerbers für den Zeitraum 24.11.2017 bis 28.2.2018 und forderte die zu Unrecht bezogene Geldleistung in Höhe von € 2.915,37 zurück. Das AMS begründete den Widerruf und die Rückforderung des Arbeitslosengeldes damit, dass der Revisionswerber bei der Antragstellung nicht gemeldet hat, dass er am 13.5.2017 in den Niederlanden einen Antrag auf Arbeitsunfähigkeitspension gestellt hat und ihm in Folge diese zuerkannt wurde.

Das BVwG wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde ab und führte ua aus, dass der Revisionswerber in Ansehung der ausländischen Pensionsleistung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gem § 22 Abs 1 und 3 AlVG habe. Zwar beziehe sich § 22 AlVG nur auf Leistungen aus einem Versicherungsfall des Alters, gem § 8 Abs 1 AlVG würden jedoch Personen jedenfalls dann als nicht arbeitsfähig gelten, wenn sie eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit beziehen. Daher bestünde auch in diesen Fällen kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die vom Revisionswerber in den Niederlanden bezogene Arbeitsunfähigkeitspension stelle eine vergleichbare Leistung iSd § 22 Abs 3 AlVG dar.

Der Revisionswerber brachte gegen dieses Erk eine außerordentliche Revision ein und begründete diese damit, dass entgegen der Ansicht des BVwG sich weder aus § 8 Abs 1 AlVG noch aus § 22 AlVG ergebe, dass der Bezug einer ausländischen Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld entgegenstehe. Der VwGH sah die Revision als zulässig und als berechtigt an.

Zu prüfen ist nach den Ausführungen des VwGH im vorliegenden Fall, ob die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes an den Revisionswerber gem § 24 Abs 2 AlVG widerrufen werden durfte, weil er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsfähig gewesen ist. Gem § 8 Abs 1 AlVG ist jedenfalls nicht arbeitsfähig, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit bezieht. Gem Art 5 lit a der VO (EG) 883/2004 sind, wenn der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats bestimmte Rechtswirkungen auslöst, die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen anwendbar. Daraus folgt, dass § 8 Abs 1 AlVG nicht nur auf eine österreichische „Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit“, sondern auch auf den Bezug einer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten „gleichartigen Leistung“ anwendbar ist. Das BVwG hat jedoch keine Ermittlungen vorgenommen und keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Gleichartigkeit der dem Revisionswerber zuerkannten Leistung ermöglichen würden.

Weiters führt der VwGH im Erk aus, dass § 22 Abs 3 AlVG, wonach der Ausschluss von Leistungen der AlV auch im Falle des Bezuges einer ausländischen Alterspension bzw eines ausländischen Ruhegenusses zum Tragen kommt, entgegen der Ansicht des BVwG nicht auch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit anwendbar ist. Alternativ könnte sich eine Arbeitsunfähigkeit des Revisionswerbers 31 iSd § 8 Abs 1 AlVG auch aus dessen Invalidität oder Berufsunfähigkeit iSd ASVG ergeben.

Aus diesen Gründen war das angefochtene Erk laut VwGH zur Gänze (sowohl was den Widerruf als auch was den darauf aufbauenden Ausspruch über die Rückzahlung betrifft) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.