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Zum Anspruch von Krisenpflegeeltern auf Kinderbetreuungsgeld

KRISZTINAJUHASZ

Der am 2.6.2018 geborene H wurde am 6.6.2018 an die Kl und ihren Ehegatten als Krisenpflegekind übergeben. Seither wohnt er in deren Haushalt und ist dort auch gemeldet. Es handelt sich um eine vorübergehende Pflege, es ist jedoch nicht absehbar, wie lange sie noch andauern wird. Die Kl bezieht Familienbeihilfe für das Kind.

Gegenstand der vorliegenden E war der von der Kl mit Antrag vom 13.8.2018 geltend gemachte und von der bekl Gebietskrankenkasse mit Bescheid abgewiesene Anspruch der Kl auf das pauschale Kinderbetreuungsgeld als Konto für das Krisenpflegekind H für den Zeitraum 2.6.2018 bis 1.6.2019. Strittig war, ob Krisenpflegeeltern zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören, sowie, ob ein gemeinsamer Haushalt iSd Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) vorliegt.

Das Erstgericht sprach das Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von € 33,88 pro Tag von 6.6.2018 bis 1.6.2019 für die Dauer der Pflege zu. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinn. Der OGH hielt die dagegen erhobene Revision für zulässig und berechtigt.

In der erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen E vom 30.7.2019, 10 ObS 65/19k, hat sich der OGH bereits mit den auch hier zu behandelnden Fragen auseinandergesetzt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch von dem zu 10 ObS 65/19k ua insofern, als es hier auch einer Auseinandersetzung mit der Rechtslage nach dem KBGG idF BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 bedarf, da der Anspruchszeitraum über den 1.7.2018 hinaus reicht.

Für die vor dem 1.7.2018 geltende Rechtslage nach dem KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 – in die auch der Beginn des Anspruchs fällt – hat der OGH bereits in der E 10 ObS 65/19k die Anspruchsberechtigung von Krisenpflegeeltern nach dem KBGG bejaht.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Nach § 2 Abs 1 KBGG idgF BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24hat neben einem Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) auch eine Krisenpflegeperson für ein Krisenpflegekind Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld.

In 10 ObS 65/19k führte der OGH zudem aus, dass Krisenpflegeeltern, die sich bereit erklären, ein Kind für einen unbestimmten Zeitraum, solange es nötig ist, in ihrem Haushalt zu betreuen, mit dem ersten Tag der Übernahme – im vorliegenden Fall mit 6.6.2018 – einen gemeinsamen Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 KBGG aF begründen. Eine ex-post-Differenzierung danach, wie lange diese Betreuung tatsächlich dauerte, würde der vom Gesetzgeber mit der Neuregelung in BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 angestrebten Gleichstellung von Krisenpflegeeltern – als wichtige Bezugspersonen für Kinder in Notsituationen mit Pflegeeltern – widersprechen.

Nach § 2 Abs 6 KBGG idgF BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 liegt ein gemeinsamer Haushalt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften (mindestens 91 Tage durchgehenden) Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben. Diese Bestimmung trat rückwirkend mit 1.7.2018 in Kraft (§ 50 Abs 23 KBGG). Nach der Rsp können zwar die Wirkungen einer Gesetzesänderung nicht Tatbestände ergreifen, die vor dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden. Dieser zeitliche Geltungsbereich ist aber nur für einmalige oder jene mehrgliedrigen oder dauernden Sachverhalte abgrenzbar, die zur Gänze in die Geltungszeit des alten oder des neuen Gesetzes fallen. Andernfalls gelten für einen Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten.

Das Vorliegen einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ ist ein Dauersachverhalt. Im vorliegenden Fall begann er am 6.6.2018, daher noch im Geltungsbereich des § 2 Abs 6 KBGG aF, reichte aber über den 1.7.2018 hinaus und daher in den Geltungsbereich der geltenden Rechtslage. Auf die Frage, ob die angeordnete Rückwirkung des § 2 Abs 6 KBGG einen – allenfalls verfassungsrechtlich zu prüfenden – Eingriff in eine schon erworbene Vertrauensposition darstellen könnte, war im vorliegenden Fall nicht näher einzugehen, da die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Kl und dem Krisenpflegekind auch über den 1.7.2018 hinaus und daher jedenfalls länger als mindestens 91 Tage fortbestand.

Der Revision war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. 43