32

Pflegehelferin im Seniorenheim – Ablehnung der Schwerarbeit aus psychischen Gründen

ALEXANDERDE BRITO
§ 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV

Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 Schwerarbeits-Verordnung liegt im Fall der berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit unterschiedlichem besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf nur dann vor, wenn die Pflegetätigkeit an erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf entweder zeitlich oder nach der Anzahl der zu pflegenden Menschen mit besonderem Pflegeaufwand überwiegt.

SACHVERHALT

Die Kl arbeitete seit 3.11.2006 als teilzeitbeschäftigte Pflegehelferin im Ausmaß von 75 % einer Vollzeitbeschäftigung in einem Seniorenheim. Strittig ist im Revisionsverfahren, ob die Kl im Zeitraum vom 3.11.2006 bis 28.2.2017 Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV, BGBl II 2006/104BGBl II 2006/104, geleistet hat.

Das Seniorenheim, in dem die Kl tätig war, verfügt über 76 Betten. Die BewohnerInnen beziehen Pflegegeld der Stufen 1 bis 7; etwa 40 % der BewohnerInnen sind dement, wobei der Ausprägungsgrad der Demenz nicht feststeht.

Die Arbeit wird in Schichten mit 5,5 und mit 11,5 Stunden (eine halbe Stunde wird standardmäßig als gesetzliche Ruhepause abgezogen) eingeteilt; es sind auch Nachtdienste zu leisten, die von 18:30 bis 6:30 Uhr dauern und von zwei Pflegehilfskräften verrichtet werden.

Die Tätigkeit der Kl an den PatientInnen war nicht nach Pflegegeldstufen zu trennen. Aus Sicht der Pflegedienstleitung war es notwendig, dass jede Pflegekraft mit jedem Patienten – egal welcher Pflegegeldstufe – arbeiten kann, inklusive Pflege schwerkranker PatientInnen. Es steht nicht fest, dass die Kl aufgrund ihrer persönlichen Eignung mehr bei den schwierigeren PatientInnen eingesetzt war. Es steht nicht fest, wie anstrengend die Pflege eines Patienten einer bestimmten Pflegegeldstufe ist.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 15.5.2017 lehnte die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) den Antrag auf Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum vom 3.11.2006 bis 28.2.2017 gem § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV ab.

Mit ihrer Klage begehrte die Kl die Feststellung der genannten Zeiten als Schwerarbeitszeiten. Sie sei aufgrund ihrer Erfahrung und körperlichen Fähigkeiten überwiegend, zumindest zu 75 % ihrer Arbeitstätigkeit, und regelmäßig bei der Betreuung von PatientInnen der Pflegestufe 5 oder höher eingesetzt gewesen. Dem hielt die Bekl entgegen, dass nur zirka ein Drittel der HeimbewohnerInnen die Pflegestufen 5 bis 7 erreichten. 48

Das Begehren auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV im oben angeführten Zeitraum wurde vom Erstgericht abgewiesen. Dazu führte es aus, dass nur zwischen 21,86 % (2006) und 35,68 % der HeimbewohnerInnen die Pflegegeldstufen 5 bis 7 erreichten. 40 % der PatientInnen seien dement, allerdings stehe der Grad der Demenz nicht fest. Die SchwerarbeitsV habe Einrichtungen im Auge, welche sich intensiv mit Palliativmedizin bzw mit der Pflege und Betreuung von Schwerstkranken bzw sterbenden Menschen beschäftige, dazu könne ein Seniorenheim nur ausnahmsweise gehören. Die unmittelbare Pflege an schwer dementen Menschen mit Pflegestufe 5 oder mehr sei von der Kl zeitlich gesehen nicht überwiegend erbracht worden, sodass Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht vorliege.

Das Berufungsgericht gab der von der Kl gegen den klageabweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils erhobenen Berufung nicht Folge. Die Kl habe nach den Feststellungen an allen Arbeitstagen mindestens vier Stunden gearbeitet, sodass sie auch als Teilzeitbeschäftigte nach der Rsp Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV verrichten könne. Es genüge jedoch nicht, wenn sie regelmäßig auch Menschen mit Pflegegeldstufe 5 oder mehr zu pflegen habe. Vielmehr setze die Qualifikation als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV voraus, dass die besonders belastende Tätigkeit nahezu ausschließlich erbracht werde, dies mindestens an 15 Tagen jeweils in zeitlichen Blöcken von mindestens vier Stunden pro Tag. Wechsle hingegen – wie im vorliegenden Fall – die Pflege von Menschen mit besonderem Pflegebedarf mit der Pflege von Menschen mit „geringerem“ Pflegebedarf während der Tätigkeit ab, erreiche die damit verbundene psychische Belastung nicht jenes Ausmaß, das für die Qualifikation als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erforderlich sei.

Die Revision an den OGH ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass die Voraussetzungen der Qualifikation einer Tätigkeit als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV durch höchstgerichtliche Rsp nicht abschließend geklärt erscheine.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kl.

Die Revision war zur Klarstellung zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.1 § 607 Abs 14 ASVG und § 4 Abs 4 APG definieren Schwerarbeit im Wesentlichen in gleicher Weise mit ‚Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden‘ bzw unter ‚psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen“. Nach beiden Bestimmungen soll die Festlegung, welche Tätigkeiten als Schwerarbeit gelten, durch Verordnung erfolgen.

1.2 § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV lautet auszugsweise:

‚§ 1 (1) Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten alle Tätigkeiten, die geleistet werden. […]5. zur berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin […]‘

2.1 Der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV stellt nicht auf eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit ab, sondern knüpft an die psychische Belastung an, die sich aus dem besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf schwerstkranker Menschen in besonders schwierigen Lebenssituationen ergibt […]. Die Klägerin ist, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, auch als Teilzeitkraft im konkreten Fall nicht von der Möglichkeit der Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV ausgeschlossen […].

2.2 Der Gesetzgeber verfolgt die Absicht, nicht jede Art von schwerer Arbeit schlechthin, mag sie auch psychisch belastend sein, sondern nur bestimmte Formen von besonders belastender Schwerarbeit zu berücksichtigen […]. Als Schwerarbeit im Sinn des § 4 Abs 4 APG, § 607 Abs 14 ASVG gilt daher nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit, sondern nur eine solche im Rahmen der ‚Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin‘ […]. Eine gewisse nähere Determinierung dafür, wie der Verordnungsgeber diese sehr allgemein gehaltene Definition der Belastung konkretisiert haben will, findet sich in den Erläuternden Bemerkungen zur Verordnung […].

‚§ 1 Abs. 1 Z 5 des Entwurfes erfasst die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege von Schwerstkranken und die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs. 2 des Bundespflegegeldgesetzes. […] Davon umfasst ist u.a. auch die Pflege von Demenzerkrankten im geriatrischen Bereich.‘

Der Verordnungsgeber gibt hier einen deutlichen Hinweis, dass bei der Beurteilung von Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV auf Regelungen des BPGG […] zurückgegriffen werden kann. Der Hinweis auf die Pflege von Demenzerkrankten im geriatrischen Bereich zeigt, dass die Qualifikation als Schwerarbeit aber nicht von der Betreuung von Personen abhängt, die zumindest Pflegegeld der Stufe 5 beziehen.

2.3 In diesem Sinn kann festgehalten werden, dass § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV für die Beurteilung des zur Verwirklichung von Schwerarbeit im Sinne des Gesetzes erforderlichen Ausmaßes der psychischen Belastung an einen besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf der gepflegten Personen 49 anknüpft. Gerade dieser besondere Behandlungs- und Pflegebedarf wird dann verwirklicht, wenn die gepflegte Person die Voraussetzungen für den Anspruch zumindest auf Pflegegeld der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG erfüllt […].

2.4 Zur Frage 40, was unter besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf gemäß § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV zu verstehen sei, gibt der von den Krankenversicherungsträgern in Zusammenarbeit mit dem BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der beklagten Pensionsversicherungsanstalt erarbeitete „Fragen Antworten Katalog“ zur SchwerarbeitsV […] folgende Antwort:

‚Auf bestimmten Stationen wie zB der Palliativ- oder Hospizmedizin wird ein solcher vorliegen. Grundsätzlich wird ein erhöhter Pflegeaufwand vorliegen, wenn Pflege notwendig ist, wie sie ab der Pflegestufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz erforderlich ist.‘

2.5 Die Orientierung an Pflegegeldstufen kann nur einen Anhaltspunkt für die Beurteilung des Ausmaßes an psychischer Belastung bilden. Dies zeigt nicht nur der Umstand, dass der Verordnungswortlaut nicht explizit darauf abstellt und die erläuternden Bemerkungen Fälle anführen, die sich nicht Pflegegeldstufen zuordnen lassen. Auch die Antwort auf Frage 37 des ‚Fragen-Antwort-Katalogs‘ zur SchwerarbeitsV (siehe unten 3.2) ist in diesem Licht zu sehen. Dazu kommt, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 607 Abs 14 ASVG und § 4 Abs 4 APG bzw § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV mit 1.1.2007 ein (bei Erfüllung auch der zeitlichen Komponente) den Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 begründender ‚außergewöhnlicher Pflegeaufwand‘ laut § 6 der EinstufungsV 1999 zum BPGG dann vorlag, ‚wenn die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist‘. Es liegt auf der Hand, dass diese Qualifikation nicht zwingend auf besonders belastende Bedingungen schließen lässt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 ObS 149/12b[…] ausführlich dargelegt hat, kann aber die Pflegegeldeinstufung – neben anderen dort genannten Elementen – ein Indiz für die psychische Belastung bilden.

In dieser Entscheidung wurde weiters aus der Verwendung des Begriffs ‚berufsbedingte Pflege‘ in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV abgeleitet, dass der Verordnungsgeber als Indikator für das besondere Ausmaß an psychischer Belastung auch den bei Durchführung der Pflege gegebenen unmittelbaren Kontakt mit den Patienten und deren besonders schwieriger Lebenssituation erachtete […], was durch den in den Erläuterungen zur SchwerarbeitsV enthaltenen Hinweis auf die Pflege demenzkranker Menschen deutlich wird […].

3.1 Wie auch im konkreten Fall ist es denkbar, dass innerhalb einer Einrichtung (einer Station) Menschen mit unterschiedlichem Pflegebedarf (zB mit unterschiedlichen Pflegegeldstufen) beruflich zu pflegen sind. Auch in diesem Fall kann Schwerarbeit vorliegen […]. Darauf nehmen Frage und Antwort 37 […] des ‚Fragen Antworten Katalogs‘ zur SchwerarbeitsV Bezug, die von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt zitiert werden […]. 3.2 Frage 37 lautet:

‚Im Pflegebereich (Z 5) stellt sich die Frage, ob auch bei der Betreuung unterschiedlicher Pflegestufen insgesamt Schwerarbeit vorliegt oder ob die Überschreitung der notwendigen Pflegestufenhöhe jeden einzelnen Monat vorliegen muss?‘

Die Antwort auf diese Frage lautet:

‚Die Pflegestufe ist kein Kriterium bei der Beurteilung, ob Schwerarbeit vorliegt.Im Pflegebereich gilt folgender Grundsatz:Schwerarbeit liegt vor, wenn die Pflege im Rahmen einer Berufsausübung durch entsprechend qualifiziertes (Pflege-)Personal geleistet wird, wobei regelmäßig Personen gepflegt werden müssen, die über einen erhöhten Behandlungs- oder Pflegebedarf verfügen. Beispiele sind hier die Pflege von Schwerstkranken, von Demenzerkrankten und Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 des Bundespflegegeldgesetzes […]. Schwerarbeit liegt demnach auch bei der Pflege von Pfleglingen mit unterschiedlichem Pflegeaufwand vor, wenn (in der Einrichtung, auf der betroffenen Station) regelmäßig Personen gepflegt werden müssen, die über einen erhöhten Behandlungs- oder Pflegebedarf verfügen.‘

3.3 Diese Ansicht ist jedoch im Lichte der obigen Ausführungen unter 2.5 zu sehen, dass die Pflegegeldeinstufungen der betreuten Personen – neben anderen Elementen, wie speziell den in § 4 Abs 5 und 6 BPGG genannten pflegeerschwerenden Faktoren – ein gewisses Indiz für die psychische Belastung bilden kann. […]

5.1 Werden – wie im vorliegenden Fall – in einer Einrichtung berufsbedingt Menschen mit unterschiedlichem besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV gepflegt, so genügt es nach den dargestellten Intentionen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung nicht, dass bloß ‚regelmäßig‘ auch Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf gepflegt werden.

5.2 Die berufliche Pflegetätigkeit für Menschen mit unterschiedlichem besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf ist demnach nur dann Schwerarbeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV, wenn diese Pflege an Menschen mit dem besonderen Behandlungs- und Pflegebedarf entweder zeitlich gesehen überwiegend erbracht wird […] oder sich das Überwiegen der im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV qualifizierten berufsbedingten Pflege aus der Anzahl der zu pflegenden Patienten mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf in der Einrichtung (Station) ergibt […]. Diese Voraussetzungen sind jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen.

5.3 Ergebnis: Schwerarbeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV liegt im Fall der berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten 50 Menschen mit unterschiedlichem besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf nur dann vor, wenn die Pflegetätigkeit unmittelbar an erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf im Sinn dieser Bestimmung entweder zeitlich oder nach der Anzahl der zu pflegenden Menschen mit besonderem Pflegeaufwand in einer Einrichtung überwiegt.

6.1 Ausgehend davon haben die Vorinstanzen das Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen weder zeitlich noch nach der Anzahl der Patienten im erforderlichen Maß überwiegend Menschen mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV im hier zu beurteilenden Zeitraum berufsbedingt gepflegt. Einer Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse als Teilzeitkraft nahezu ausschließlich Menschen mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf pflegen, um Schwerarbeit zu leisten, bedarf es im konkreten Fall daher nicht.

6.2 Die festgestellte Arbeitstätigkeit der Klägerin ist daher zweifellos schwer und mit psychischer Belastung verbunden, sie fällt dennoch nicht unter den Begriff der Schwerarbeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV.“

ERLÄUTERUNG

Gem § 607 Abs 14 ASVG und § 4 Abs 4 APG liegt Schwerarbeit vor, wenn Tätigkeiten unter physisch oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden. Die nähere Definition erfolgt in der SchwerarbeitsV.

Berufsbedingte Pflege kann unter mehrere Tatbestände der SchwerarbeitsV fallen: § 1 Abs 1 Z 1 erfasst Tätigkeiten, die in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht erbracht werden, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden im Zeitraum zwischen 22 Uhr und 6 Uhr; § 1 Abs 1 Z 4 erfasst körperliche schwere Arbeit mit einem bestimmten Verbrauch von Arbeitskalorien (2000 bei Männern, 1400 bei Frauen). In der vorliegenden E wird geprüft, ob Schwerarbeit gem § 1 Abs 1 Z 5 vorliegt (Anm: psychisch belastende Pflegetätigkeiten).

Der OGH hatte sich bereits mehrfach mit der Prüfung von Pflegetätigkeiten zu befassen.

Geklärt wurde mit dieser E, dass Schwerarbeit bei der berufsbedingten Pflege von Menschen mit unterschiedlichem besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf nur dann vorliegt, wenn die Pflegetätigkeit entweder zeitlich oder nach der Anzahl der zu pflegenden Menschen mit besonderem Pflegeaufwand überwiegt.

Die Frage, wann besonderer Behandlungs- oder Pflegebedarf vorliegt, vor allem, ob die Einstufung nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG) für die Beurteilung relevant ist, wird teils nicht eindeutig behandelt: So wird festgehalten, dass der Verordnungsgeber einen deutlichen Hinweis gibt, dass bei der Beurteilung von Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV auf Regelungen des BPGG zurückgegriffen werden kann. Andererseits lautet die Begründung der E weiter, dass der Hinweis auf die Pflege von Demenzerkrankten im geriatrischen Bereich zeigt, dass die Qualifikation als Schwerarbeit aber nicht von der Betreuung von Personen abhängt, die zumindest Pflegegeld der Stufe 5 beziehen. Dann heißt es wieder, dass gerade dieser besondere Behandlungs- und Pflegebedarf dann verwirklicht wird, wenn die gepflegte Person die Voraussetzungen für den Anspruch zumindest auf Pflegegeld der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG erfüllt.

Nicht eindeutig ist der Hinweis auf den „Fragen-Antworten-Katalog“, der von den Krankenversicherungsträgern in Zusammenarbeit mit dem BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der bekl PVA erarbeitet wurde, in dem es heißt, dass grundsätzlich ein erhöhter Pflegeaufwand vorliegen wird, wenn Pflege notwendig ist, wie sie ab der Pflegestufe 5 nach dem BPGG erforderlich ist. Im selben Fragen-Antworten-Katalog wird zur Frage, ob bei Betreuung von Menschen mit unterschiedlichen Pflegegeldstufen insgesamt Schwerarbeit vorliegt oder jeder Monat gesondert betrachtet werden muss, ausgeführt, dass die Pflegestufe kein Kriterium bei der Beurteilung, ob Schwerarbeit vorliegt, ist.

Weiters führt der OGH aus, dass die Orientierung an Pflegegeldstufen nur einen Anhaltspunkt für die Beurteilung des Ausmaßes an psychischer Belastung bilden kann, um dann wieder auf den Fragen-Antwort-Katalog zurückzugreifen, der aufgrund der EinstufungsV zum BPGG zum Ergebnis kommt, dass Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 vorliegt, wenn die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist, und es damit auf der Hand liege, dass diese Qualifikation nicht zwingend auf besonders belastende Bedingungen schließen lässt. Damit scheint klar, dass das Vorliegen des Anspruches auf Pflegegeld der Stufe 5 für die Beurteilung einer Pflegetätigkeit als Schwerarbeit kein zwingendes Kriterium darstellt, sondern sich das Vorliegen eines besonderen Pflegeaufwandes aus einer Einzelfallbeurteilung ergibt.

Explizit offen bleibt die Frage, wie Teilzeitarbeit im Pflegebereich gestaltet sein muss, um Schwerarbeit darzustellen. Wie viele Arbeitsstunden der Schwerarbeit müssen im Vergleich zu Vollzeitarbeitskräften geleistet werden, damit ein Tag der Schwerarbeit erreicht wird? Die Antwort auf diese Frage wird wohl die künftige Judikatur geben müssen. 51