Fusion der Gebietskrankenkassen und Auswirkungen auf das Leistungsrecht

MONIKAWEISSENSTEINERFLORIAN J.BURGER
1.
Verfassungsgesetzliche Vorgaben
1.1.
Einleitung

Mit dem BGBl 2018/100BGBl 2018/100 wurde das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) kundgemacht. Mit diesem viel diskutierten (und zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Manuskripts noch beim VfGH zu G 78-81/2019, G 67-71/2019, G 119-120/2019 und G 211-213/2019 anhängigen) Gesetz wurde die Sozialversicherungsstruktur in Österreich grundlegend umgebaut. Es soll nur mehr fünf Sozialversicherungsträger geben und zwar die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) als Träger der KV nach dem ASVG (§ 23 ASVG idF SV-OG), die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) als Träger der PV nach dem ASVG (§ 29 ASVG idF SV-OG), die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) neuerdings nur noch als Träger der UV für Unselbstständige, SchülerInnen, StudentInnen, LebensretterInnen, ua (§ 28 ASVG idF SV-OG), die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) als Träger für KV, PV und UV der Selbstständigen (§ 3 SVS-G) sowie die Versicherungsanstalt öffentlicher Dienst, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) als Träger für KV und UV nach § 1 B-KUVG sowie PV gem § 29 ASVG idF SV-OG. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde in Dachverband umbenannt und dessen Kompetenzen reduziert (vgl § 30 ff ASVG idF SV-OG).

In diesem Beitrag soll untersucht werden, ob und bejahendenfalls welche Auswirkungen auf das Leistungsrecht für die Versicherten ab 2020 möglich sind bzw schon eingetreten sind, wobei wir uns auf die KV nach dem ASVG – vollzogen durch die ÖGK – konzentrieren. 57

1.2.
Verfassungsrechtlicher Rahmen

Einleitend soll auf den verfassungsrechtlichen Rahmen hingewiesen werden, bevor auf einzelne Fragen des Leistungsrechts beispielhaft eingegangen wird. Das Sozialversicherungswesen ist gem Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung, auch das Gesundheitswesen fällt gem Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz des Bundes. Im verfassungsrechtlichen Gefüge, insb unter Einbeziehung der Art 120a ff B-VG, wurden auch die neuen Träger als Selbstverwaltungskörper konzipiert. Ab 1.1.2020 wird – so das Konzept des SV-OG – in der ÖGK eine einheitliche, bundesweite Versichertengemeinschaft geschaffen.

Zahlreiche Beiträge (Berka/Th. Müller/Schörghofer [Hrsg], Die Neuorganisation der Sozialversicherung in Österreich [2019]) beschäftigen sich mit der Frage, ob mit der Errichtung der ÖGK mit einem Versichertenstand von rund 7,2 Mio – immerhin rund 80 % der in Österreich lebenden Menschen – noch die Anforderungen an eine hinreichend abgegrenzte Versichertengemeinschaft erfüllt werden. Die Bundesarbeitskammer thematisierte diese und auch andere Fragen im Verfahren vor dem VfGH (mündliche Verhandlung am 8.10. und 9.10.2019; VfGH-E 13.12.2019, G 211-213/2019), darunter auch die paritätische Zusammensetzung der Verwaltungskörper von ÖGK, PVA und AUVA und die Beitragsprüfung durch die Finanz (vgl Gesetz über die Zusammenführung der Prüfungsorganisationen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung [ZPFSG], BGBl 2018/98BGBl 2018/98).

Die Zahl der VersicherungsvertreterInnen (§ 420 ff ASVG idF SV-OG und Parallelbestimmungen) in den neuen Selbstverwaltungskörpern wurde deutlich reduziert – von über 900 zuzüglich StellvertreterInnen auf 347 ohne Stellvertretung. Dies ergibt sich durch die Reduktion der Verwaltungskörper und deren zum Teil geringere Zahl an Mitgliedern. Nach dem SV-OG wird es die Hauptversammlung als satzungsgebendes Organ geben (§ 419 ASVG idF SV-OG), zudem den Verwaltungsrat als geschäftsführendes Kollegialorgan. Die Kontrollversammlung wird abgeschafft bzw soll in der Hauptversammlung „aufgehen“, wiewohl die frühere starke Position beseitigt wurde (vgl insb Zustimmungsrechte in § 437 ASVG idF vor 1.1.2020).

1.3.
Einfachgesetzliche Regelungen des SV-OG

Nach dem Gesetzeswortlaut ist die ÖGK als neuer Krankenversicherungsträger „für das ganze Bundesgebiet“ (§ 23 Abs 1 ASVG idF SV-OG) zuständig; in § 26 ASVG wird die sachliche Zuständigkeit der ÖGK zur Durchführung der KV bestimmt. Gem § 538t Abs 1 ASVG werden die bisherigen neun Gebietskrankenkassen ab 1.4.2019 mit Wirksamkeit ab 1.1.2020 zur ÖGK zusammengeführt. Alle Rechte und Verbindlichkeiten der Gebietskrankenkassen gehen auf die ÖGK über (§ 538t Abs 2 ASVG). Die Landesstellen in den Bundesländern haben die Hauptstelle zu unterstützen (§ 418 Abs 4 ASVG idF SV-OG) und die ihnen in § 434 Abs 2 ASVG zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen. Bereits seit 1.4.2019 war der sogenannte Überleitungsausschuss tätig, dessen Mitglieder seit 1.1.2020 die Mitglieder des Verwaltungsrats sind. Die Aufgaben des Überleitungsausschusses sind in § 538w ASVG genannt, wobei gem dessen Abs 3a der Überleitungsausschuss in einer Art „Generalkompetenz“ alle für die Zusammenführung der Gebietskrankenkassen erforderlichen vorbereitenden Handlungen zu setzen hat.

Folgende Thesen sind nun zu prüfen:

Folgt aus der dargestellten Tatsache, dass ab Jänner 2020 nur mehr ein österreichweiter Krankenversicherungsträger nach dem ASVG und nur ein Selbstverwaltungskörper existiert in Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 7 B-VG), dass die Vollziehung der ÖGK ab 1.1.2020 einheitlich zu erfolgen hat? Was bedeutet „einheitliche“ Vollziehung? Welche Leistungen können die einzelnen ÖGK-Versicherten wo in Anspruch nehmen? Welche Regelungen findet man im Übergangsrecht?

2.
Art der Leistungen

Die Bestimmungen über die Art der Leistungen wurden durch das SV-OG nicht geändert. Gem § 121 ASVG werden die Leistungen der KV als Pflichtleistungen (und zwar als gesetzliche Mindestleistungen oder als satzungsmäßige Mehrleistungen) und als freiwillige Leistungen erbracht. Auf Pflichtleistungen besteht ein Rechtsanspruch, während freiwillige Leistungen auf Grund gesetzlicher oder satzungsmäßigen Vorschriften vom Träger gewährt werden können (§ 121 Abs 2 ASVG). Bei satzungsmäßigen Mehrleistungen ist einerseits auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers und andererseits auf das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten Bedacht zu nehmen (§ 121 Abs 3 ASVG).

2.1.
Gesetzliche Mindestleistungen

Unverändert gilt auch der Leistungskatalog des § 117 ASVG. Folgende Leistungen sind zu erbringen: Zur Früherkennung etwa Jugendlichen- und Vorsorgeuntersuchungen (§§ 132a und b ASVG), aus dem Versicherungsfall der Krankheit Krankenbehandlung, medizinische Hauskrankenpflege oder Anstaltspflege (§§ 133 bis 137), aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vor allem Krankengeld und Rehabilitationsgeld (§§ 138 bis 143a), Wiedereingliederungsgeld aus dem Versicherungsfall der Wiedereingliederung (§ 143d) und aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft vor allem ärztlicher Beistand, Pflege in einer Krankenanstalt, Wochengeld (§§ 159 ff).58

Bei den gesetzlichen Mindestleistungen sind durch das SV-OG naturgemäß keine Vereinheitlichungen der Rechtslage erforderlich. In diesem Bereich wird es sich also weniger um Fragen der Vereinheitlichung des Normenbestands handeln, als vielmehr um Vollziehungsfragen. Wenn beispielsweise bei Antragsformularen (immerhin: 18.800 Formulare) bisher unterschiedliche Sachverhaltselemente abgefragt wurden, wird künftig eine einheitliche Vollziehung – iSd Gleichbehandlung – zu fordern sein.

2.2.
Satzungsmäßige Mehrleistungen
2.2.1.
Grundlegendes

Gem § 121 Abs 3 ASVG kann die Satzung des Krankenversicherungsträgers „Mehrleistungen“ nur in gesetzlich definierten Grenzen vorsehen und sie außerdem von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig machen. Satzungen bedürfen überdies der Zustimmung des zuständigen Bundesministers (§ 455 Abs 1 ASVG) und sind im Internet zu verlautbaren. Der Dachverband hat für den Bereich der KV eine Mustersatzung zu erlassen und einen Teil der Bestimmungen für verbindlich zu erklären, soweit das zur Wahrung der Einheitlichkeit der Vollziehung der Versicherungsträger erforderlich erscheint (§ 455 Abs 2 ASVG). Für Mehrleistungen ist eine Bandbreite festzulegen.

Die neun Gebietskrankenkassen hatten daher neun Satzungen erlassen. Im Übergangsrecht des SV-OG normiert § 718 Abs 11 ASVG, dass die ÖGK bis längstens 31.12.2020 eine Satzung (und eine hier nicht weiter zu erörternde Krankenordnung) zu erlassen hat, die an die Stelle der von den Gebietskrankenkassen erlassenen Satzungen tritt. Bis zur Erlassung dieser Satzung gelten die Satzungen der Gebietskrankenkassen im jeweiligen Bundesland weiter. Die Satzung ist von der Hauptversammlung zu beschließen (§ 433 Abs 1 Z 4 ASVG idF des SVOG). Die Amtsdauer aller Verwaltungskörper beginnt am 1.1.2020 (§ 538u ASVG); seit April 2019 beschäftigt sich bereits der Überleitungsausschuss mit Fragen der Zusammenlegung. Der Überleitungsausschuss hat bereits eine neue Satzung beschlossen, die ab 1.1.2020 in Kraft getreten ist (Amtliche Verlautbarung der Sozialversicherung 186/2019); für diese Satzung ist eine Geltung bis 31.3.2020 vorgesehen. Der Hauptversammlung wird die „endgültige“ Satzung am 28.1.2020 vorgelegt worden sein; damit sollte die Norm unbefristet beschlossen worden sein.

2.2.2.
Krankengeld

Sowohl iSd Rechtssicherheit als auch der Gleichbehandlung aller ÖGK-Versicherten ist die Geltung der neuen Satzung bereits ab 1.1.2020 zu begrüßen. Allerdings stellen sich Fragen des Anwendungsbereichs, die beispielsweise in Bezug auf das Krankengeld im Folgenden erörtert werden. In § 139 Abs 1 ASVG wird eine Mindestdauer für den Anspruch auf Krankengeld von 26 Wochen normiert; wenn der Anspruchsberechtigte innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls mindestens sechs Monate in der KV versichert war, besteht der Anspruch auf Krankengeld für bis zu 52 Wochen (§ 139 Abs 1 zweiter Satz ASVG). Die Satzung kann die Höchstdauer auf 78 Wochen erhöhen (§ 139 Abs 2 ASVG). Damit ist klar, dass der Gesetzgeber wollte, dass ASVG-Versicherte jedenfalls ein Jahr Krankengeld erhalten, die Selbstverwaltung diesen Anspruch, sofern die finanziellen Verhältnisse des Trägers dies zulassen, aber um ein halbes Jahr ausweiten kann. Die Mustersatzung des Hauptverbands sah in § 29 Abs 3 (nicht verbindlich) vor, dass der Anspruch über die Dauer von 52 Wochen verlängert werden kann, wenn aufgrund einer chefärztlichen Untersuchung festgestellt wird, dass die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu erwarten sind. Von den neun Gebietskrankenkassen sah allerdings vor dem 1.1.2020 nur (mehr) die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (OÖGKK) in § 29 ihrer Satzung eine Verlängerung auf bis zu 78 Wochen unter den genannten Voraussetzungen vor.

Gem § 29 Abs 3 der neuen Satzung der ÖGK besteht für alle Versicherten Anspruch auf bis zu 78 Wochen Krankengeld, wenn auf Grund einer ärztlichen Begutachtung im medizinischen Dienst der ÖGK das Erreichen der Arbeitsfähigkeit bzw eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess innerhalb dieses Zeitraums zu erwarten ist. Diese Untersuchung erfolgt spätestens in der 40. bis 44. Woche des Krankengeldbezugs.

Zu Übergangsfällen normiert § 53 Abs 4 der Satzung, dass die neuen Regelungen auf Sachverhalte anzuwenden sind, die sich nach dem Inkrafttreten der Satzung verwirklichen. Es stellt sich nun die Frage, ob bzw für wen der längere Krankengeldanspruch gelten soll. Die ÖGK gewährt auch für laufende Krankengeldbezugsfälle bis zu 78 Wochen Krankengeld, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die 40. Woche des Krankengeldbezugs im Jahr 2020 liegt. Argumentiert wird mit dem Zeitpunkt der erforderlichen medizinischen Untersuchung. Der Rechtssicherheit dienlich ist, dass nicht nur auf Versicherungsfälle abgestellt wird, die ab dem 1.1.2020 eintreten. Allerdings ist uA ein Abstellen auf die 40. Woche des Bezugs zu kurz gegriffen, kann doch die Untersuchung bis zur 44. Woche stattfinden.

Abgesehen von den Übergangsfällen wirft auch das Dauerrecht die Frage auf, warum Versicherte, bei denen sich beispielsweise nach einer Operation in der 46. Woche des Krankengeldbezugs herausstellt, dass ein Erreichen der Arbeitsfähigkeit innerhalb von drei Monaten (also zwölf Wochen) erwartet wird – vielleicht sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit –, keinen Anspruch auf 58 (46+12 oder genauer 46+6+8) Wochen Krankengeld haben soll. In einem 59 derart gelagerten Sachverhalt wären Versicherte zur Absicherung der das Einkommen ersetzenden Leistung darauf verwiesen, entweder einen aussichtslosen Antrag auf Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)pension zu stellen oder Arbeitslosengeld zu beantragen. Im Lichte der Prüfung der Verordnung (Satzung) an den Maßstäben der Verfassung könnte die enge Regelung im Konflikt mit dem Sachlichkeitsgebot stehen.

2.2.3.
Weiterentwicklung und Folgefragen

Aus Sicht der Versicherten und auch der Versichertengemeinschaft lohnen sich Investitionen in die Gesundheit. Daher ist die neue Satzung interessenpolitisch an den Maßstäben zu messen, ob die Harmonisierung innerhalb der GKK-Satzungen „nach oben“ erfolgt ist und ob darüber hinaus die Spielräume, die das ASVG gibt, zu Gunsten der Versicherten genutzt werden. In vielen Punkten ist das gelungen. Ein wichtiger Punkt, der beispielsweise im Hinblick auf Absicherung von unbezahlter Arbeit noch zu verbessern gewesen wäre – die Möglichkeit einer Mitversicherung von LebensgefährtInnen von Selbstversicherten –, ist nicht erfolgt.

Auffällig ist schließlich § 443 Abs 1 letzter Satz ASVG idF SV-OG, der normiert, dass sicherzustellen ist, dass den Versicherten im jeweiligen Bundesland eine Summe entsprechend den Beiträgen, die im jeweiligen Bundesland entrichtet werden, zur Verfügung steht. Die im Bundesland entrichteten Beiträge sollen also im Bundesland bleiben. Dazu führen die Erläuterungen (329 dB 26. GP 18) aus: „Entscheidend ist, dass jeder Versicherte die Leistungen bekommt, die er braucht. Eine Änderung der Einnahmenverantwortung ändert nichts am Leistungsanspruch der jeweiligen Versicherten.“ Der Beschäftigungsort in Verbindung mit den Beitragseinnahmen wird somit in Verbindung gesetzt zu einem Leistungsanspruch. Auf die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen zur Beziehung mit den Vertragspartnern, insb hinsichtlich eines neuen Gesamtvertrags, kann hier nicht näher eingegangen werden.

2.3.
Freiwillige Leistungen

Freiwillige Leistungen können vom Träger gewährt werden, die Versicherten haben aber keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch (§ 121 Abs 2 ASVG). Dazu gehören einerseits Leistungen, wie satzungsmäßige Zuschüsse für die Anschaffung notwendiger Hilfsmittel bei körperlichen Gebrechen gem § 154 ASVG (arg: „kann die Satzung gewähren“), Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 ASVG) und Maßnahmen der Krankheitsverhütung (§ 156 ASVG), andererseits aber auch medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der KV gem § 154a ASVG (arg: „die Krankenversicherungsträger gewähren nach pflichtgemäßem Ermessen“). Die zuletzt genannte Kategorie sind Pflichtaufgaben der Träger ohne Rechtsanspruch; nach der stRsp ist die gesetzmäßige Ermessensausübung aber von den Sozialgerichten überprüfbar (RS0084234).

In all diesen Bereichen ist ebenso eine Vereinheitlichung erforderlich, die ÖGK hat dazu Richtlinien erlassen (Unterstützungsfonds und für Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit und Krankheitsverhütung).

Für die Richtlinien gilt ebenfalls das für die Satzung Angeführte. Der politisch vermarktete Mehrwert der Neuregelung ist eine Verbesserung für die Versicherten. Damit müssen also Kuren zukünftig auch für PensionstInnen zur Verfügung stehen und auch für PflegegeldbezieherInnen offenstehen; es sollte auch die Kostentragung für die Anreise für sozial Schwache zu diesen Maßnahmen unterstützt werden.

Anders als bisher gibt es jedoch nicht mehr zehn nach dem ASVG vollziehende Krankenversicherungsträger (und fünf Betriebskrankenkassen), sondern eine ÖGK. Damit wurde auch die Anzahl der Behörden, die Ermessen üben, drastisch reduziert. Insofern wird eine Herausforderung an den künftigen Rechtsschutz in Sozialrechtssachen sein, darauf abzustellen, ob die einheitliche Behörde (ÖGK) nun auch bundesweit einheitliches Ermessen übt.

3.
Programme in einzelnen Bundesländern

Darüber hinaus bestehen häufig Kooperationsprogramme zwischen Gebietskrankenkassen und dem jeweiligen Bundesland. So werden etwa in Tirol und Vorarlberg spezielle Zahnprophylaxemaßnahmen für Kinder und Jugendliche im „Dentomobil“ durchgeführt. In Wien wurde gemeinsam durch die WGKK, die PVA und die Stadt Wien das Programm „Alkohol. Leben können“ durchgeführt, bei dem von einer zentralen Anlaufstelle aus PatientInnen nach deren individuellen Bedürfnissen Behandlung und Rehabilitation erhalten können. Auch in diesem Zusammenhang wird sich die Frage stellen, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesland und der ÖGK fortgeführt wird bzw ausgerollt werden kann.

Im Lichte der Universalsukzession dürften die Programme weiterhin für die Versicherten zugänglich sein, trat doch die ÖGK in die Verträge der GKK ein.

4.
Gesamtverträge

In Österreich ist mit der e-card bundesweit für die Versicherten der unterschiedlichen Träger der Zugang zu VertragspartnerInnen möglich. Durch das One-stop-shop-Prinzip der SV müssen auch in allen Dienststellen Leistungsanträge entgegengenommen werden. Dem einheitlichen Service den Versicherten gegenüber steht die zersplitterte Vertragssituation. 60 Die Beziehungen zwischen den Trägern der KV und den LeistungserbringerInnen werden über Gesamtverträge geregelt (zB § 341 ASVG). Einzelne Gebietskrankenkassen haben in den Gesamtverträgen Leistungen vereinbart, die auf Kosten der Kasse erbracht werden, die in anderen Verträgen nicht enthalten sind.

Im SV-OG wurde im Übergangsrecht normiert, dass die zum 31.12.2019 in Geltung stehenden Gesamtverträge der GKK mit der Österreichischen Ärztekammer, den örtlich zuständigen Ärztekammern oder der Österreichischen Zahnärztekammer und die Einzelverträge mit den ÄrztInnen bzw ZahnärztInnen bis zu neuen Vertragsabschlüssen durch die ÖGK weiter gelten (§ 718 Abs 6 ASVG). In den Erläuterungen wird betont, dass die neuen Gesamtverträge mit einem bundesweit einheitlichen Leistungskatalog abzuschließen sind (329 dB 26. GP 13), was bedeutet, dass regionale Schwerpunktsetzungen wohl nicht mehr möglich sind.

Von dem einen ÖGK-Gesamtvertrag (daher dem Leistungsspektrum) wird jedoch ausdrücklich die regionale Bezahlung der VertragspartnerInnen unterschieden. Zur Honorierung wird in einem neuen § 342 Abs 2b ASVG eine regionale Regelung ausdrücklich für zulässig erklärt. Die Honorarvereinbarung wird durch die ÖGK mit der Landesärztekammer abgeschlossen; verhandelt wird sie allerdings (inklusive Stellenplan) durch den Landesstellenausschuss (§ 434 Abs 2 Z 2 ASVG). Wie bei den satzungsmäßigen Mehrleistungen (siehe unter 2.2.) stellt sich auch betreffend einzelne gesamtvertragliche Leistungen die Frage der Anspruchsberechtigung. Eine rasche Harmonisierung der vertraglichen Leistungen, die für die Versicherten ebenso wichtig ist wie bei den satzungsmäßigen Leistungen, ist wohl für die ÖGK eine große Herausforderung.

Nichtsdestotrotz hat der eilige Gesetzgeber durch den einen bundesweiten ASVG-Krankenversicherungsträger Fakten geschaffen, die letztendlich das Anspruchsspektrum für alle ÖGK-Versicherten erweitern. Hatten bei enger Auslegung bisher nur Versicherte der GKK des Landes A Anspruch auf gesamtvertragliche „besondere“ Leistungen, Versicherte der GKK B jedoch nicht (weil der dortige Gesamtvertrag diese nicht vorsah), so wird bis zum Abschluss eines neuen Gesamtvertrags der bisher durch die Abgrenzung der Versichertengemeinschaften argumentierbare Leistungsausschluss nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Damit bleiben die Vertragspartner zwar territorial einem „alten“ GKK-Gesamtvertrag zugeordnet, die Leistungen stehen nun aber allen ÖGK-Versicherten offen. Spannend, aber an dieser Stelle nicht weiter zu vertiefen ist, ob Wahlarztrechnungen nun (hinsichtlich ihrer Erstattbarkeit im Detail) anhand aller alten GKK-Gesamtverträge (und nicht nur jenes der Beschäftigungsort- bzw Wohnsitz-Landesstelle der ÖGK) zu prüfen wären.

5.
Exkurs: Gesundheitsreform

Weiterhin gilt die Art 15a-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens (BGBl I 2017/98BGBl I 2017/98). Damit wurde, vereinfacht gesagt, die Planung und Organisation für den gesamten Gesundheitsbereich in einen Österreichischen Strukturplan Gesundheit und Regionale Strukturpläne Gesundheit (Art 5) gegossen. Eine strukturierte und verbesserte Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Bundesländern und der SV war die Folge. Es wurde auch die Einbeziehung der jeweils zuständigen Gebietskrankenkassen für die Landes-Gesundheitsplattform und Landes-Zielsteuerung (Art 24f) normiert. Die wurde durch zahlreiche Landesgesetze, aber auch das Vereinbarungsumsetzungsgesetz des Bundes (BGBl 2017/26BGBl 2017/26) – vgl den dortigen § 29 – in Gesetzesform gebracht.

Nach § 434 Abs 2 ASVG idF SV-OG kommt nun den Landesstellenausschüssen der ÖGK, die in jedem Bundesland eingerichtet sind, auch die Mitwirkung im Rahmen der Zielsteuerung-Gesundheit (Z 1) zu. Gleichzeitig regelt dieselbe Norm, dass die Landesstellenausschüsse an die Weisungen des Verwaltungsrates gebunden sind; dieser kann deren Beschlüsse sogar abändern oder beheben (Abs 5). Damit entsteht ein Zielkonflikt hinsichtlich der Bund-Länder-Vereinbarung. Ein zuvor sorgfältig austarierter Kompromiss aus Länder-Einbeziehung, Bundes-Beteiligung und Einbindung der SV wird nun verändert. Die regionalen Interessen sind auch wegen der umfassenden Zuständigkeit des Verwaltungsrats deutlich schwächer repräsentiert.

Inwieweit ein oder mehrere Bundesländer darin eine Verletzung der Art 15a-Vereinbarung zu erkennen glauben und den VfGH befassen werden, ist nicht abschätzbar (Art 138a B-VG).

6.
Fazit

Diese Auswahl an Rechtsfragen und Fragen der Vollziehung zeigen, dass eine Fusion dieser Größenordnung gründlich vorbereitet sein müsste, damit sie erfolgreich umgesetzt werden kann. Diese Zeit hat der Gesetzgeber den Sozialversicherungsträgern nicht wirklich eingeräumt. Eine echte Leistungsharmonisierung für AN, BeamtInnen und EisenbahnerInnen sowie Selbstständige findet darüber hinaus nicht statt. Ganz im Gegenteil: Es gibt keinen Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenversicherungsträgern, der Mehraufwand infolge der Fusionskosten ist beträchtlich und die angesprochene Gesundheitsreform auf Ebene der Bundesländer könnte ins Stocken geraten. 61