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Gesundheitsgefährdung stellt Dauerzustand dar – Austritt jederzeit möglich

MANFREDTINHOF

Eine seit 9.12.1996 als Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte AN nahm, unmittelbar nachdem ihr im November 2016 die Dauerhaftigkeit ihres Gesundheitszustands klargeworden war, Verhandlungen mit dem AG über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf und informierte den AG auch genau über die Art ihrer Erkrankung. Nachdem die Verhandlungen zwischen den Parteien über eine einvernehmliche Auflösung am 9.1.2017 gescheitert waren, erklärte die AN am 18.1.2017 ihren Austritt wegen Gesundheitsgefährdung gem § 26 Z 1 AngG. Dem AG war bewusst, dass die AN zum Austrittszeitpunkt nicht in der Lage war, ihre Arbeitstätigkeit ohne Schaden für ihre Gesundheit wiederaufzunehmen. Dennoch sah er den Austritt als nicht gerechtfertigt an und verweigerte die Auszahlung von beendigungsabhängigen Ansprüchen, welche die AN mit vorliegender Klage geltend machte. Der AG wendete ein, die AN habe ihren Austritt nicht rechtzeitig erklärt, weil sie bereits seit November 2016 vom Austrittsgrund Kenntnis gehabt habe.

Das Berufungsgericht sah den vorzeitigen Austritt der Kl als berechtigt an und gab der Klage statt. Der OGH wies die außerordentliche Revision des AG zurück.

Nach stRsp ist die Gefährdung der Gesundheit des Angestellten bei Fortsetzung einer bestimmten Tätigkeit ein Dauerzustand, auf den er sich jederzeit zur Rechtfertigung einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufen kann. Die AN hat auch kein Verhalten gesetzt, das dem AG die Annahme erlaubt hätte, sie sei von ihrem Austrittsrecht „zurückgetreten“. Vielmehr habe der AG mit diesem Schritt der AN jederzeit rechnen müssen und damit auch tatsächlich gerechnet, wofür sein Schreiben vom 4.1.2017 Beleg sei, mit dem er gegenüber der AN erklärt habe, dem von ihr „ angekündigten“ Austritt mit Gelassenheit entgegenzusehen.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Ein AN sollte seinen AG vor Erklärung seines Austritts wegen Gesundheitsgefährdung grundsätzlich über die Umstände informieren, die eine solche Gefährdung bzw Schädigung der Gesundheit bewirken. Ein Austritt wird nur dann als berechtigt angesehen, wenn dem AG die Möglichkeit eingeräumt wird, dem AN einen seinem Arbeitsvertrag entsprechenden, nicht gesundheitsschädigenden Ersatzarbeitsplatz anzubieten, der AG dazu aber nicht in der Lage (oder nicht willens) ist. Aus der vorliegenden E gehen die näheren Umstände der Gesundheitsgefährdung nicht eindeutig hervor. Offenbar hat es sich hier um eine Erkrankung gehandelt, aufgrund derer die Ausübung jeglicher arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeit eine Gesundheitsgefährdung herbeigeführt hätte.