Spatschek/Steckelberg (Hrsg)Menschenrechte und Soziale Arbeit. Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und Umsetzung einer Realutopie

Verlag Barbara Budrich, Leverkusen 2018, 318 Seiten, kartoniert, € 29,90

ANDREASRAFFEINER

Die Schnittmenge zwischen den Menschenrechten und der Sozialen Arbeit gehört zu einem Diskurs, der divers geführt wird. So sind Menschenrechte als ethische Basis des Arbeitsfeldes und der Wissenschaft Sozialer Arbeit zu deuten und abseits der Theorie selbstkritisch durchzusetzen.

Der Sammelband wurde von Christian Spatscheck von der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Brandenburg und Claudia Steckelberg73 vom Fachbereich Soziale Arbeit der Hochschule Neubrandenburg herausgegeben. Dem Buch liegt eine Tagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit zugrunde.

Das Buch wird in theoretisch-konzeptionelles Basiswissen, fachlich-disziplinäre Diskurse und praxisorientierte Umsetzungen professioneller Art eingeteilt. Wenn man den Entstehungshintergrund mitzählt, macht der erste Teil ein rundes Drittel der Publikation aus. Der Titel „Konzeptionelle Grundlagen – Menschenrechte als Bezugsmodelle und Konzepte“ sagt viel aus und beinhaltet sieben Aufsätze, von denen einige dem Lesepublikum vorgestellt werden.

Jim Life, der an der australischen Western Sydney University einen Lehrstuhl für Soziale Arbeit und Wohlfahrt am Institut für Sozialwissenschaften und Psychologie innehat, stellt die aktuelle Krise in den Mittelpunkt des Geschehens. Angesichts der juristischen Dominanz über die Menschenrechte gelingt es dem Verfasser, die Soziale Arbeit und die Menschenrechte zu betonen.

Keineswegs unwesentlich ist der Aufsatz der Freiburger Sozialarbeitswissenschaftlerin Nausikaa Schirilla, die sich mit der Begriffsbestimmung Sozialer Arbeit der Verbände Internationale Föderation der Sozialarbeiter (IFSW) und Internationale Vereinigung der Schulen für soziale Arbeit (IASSW) im Zusammenhang von indigenem Wissen und Menschenrechten beschäftigt. Dieser wird international gesehen kontrovers erörtert.

Michael May versteht es, ein Plädoyer für ein deontologisches und anerkennungsbasiertes Ethos Sozialer Arbeit zu Papier zu bringen, während es Stefanie Rosenmüller darauf ankommen lässt, eine Kritik an der Abstraktheit der Menschenrechte aus Hanna Arendts Idee des Rechts, Rechte zu haben, zu entfalten. Der zweite Teil umfasst unter dem Hauptthema „Gestaltungsfelder – Menschenrechte im fachlichen Diskurs“ sechs Aufsätze, die sich aus einer menschenrechtsbasierten Perspektive mit Sach- und Fachthemen auseinandersetzen. Von Bedeutung ist die Abhandlung von Günter Rieger, dem Leiter des Stuttgarter Studiengangs Soziale Dienste in der Justiz, die sich mit Staatsbürgerschaftsrecht und Einwanderungspolitik, angereichert mit Kommentaren von Katrin Toens und Jens Wurtzbacher, beschäftigt.

Abgerundet wird der zweite Hauptteil mit der Vermittlung der Menschenrechte in einer praxisorientierten Lehre. Walter Eberlei, seines Zeichens Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Düsseldorf, Katja Neuhoff, ihres Zeichens Sozialethikerin und -pädagogin, ebenfalls an der Hochschule Düsseldorf tätig, und der emeritierte Jurist Klaus Riekenbrauk zeichnen für diesen Text verantwortlich. Riekenbrauk, dessen Themenschwerpunkte das Straf- und Jugendstrafrecht, Jugendhilferecht und Menschenrechte sind, lehrt und forscht auch an der Hochschule Düsseldorf.

Im etwas umfangreicheren dritten Hauptteil „Umsetzung – Menschenrechte und ihre Realisierung in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit“ findet der Leser acht Beiträge. Das Autorinnentrio Isabelle Brantl, Margit Stein und Yvette Völschnow (alle Universität Vechta) schildert die Klinische Soziale Arbeit und deren Praxisbereiche menschenrechtsprofessionell.

Nadine Borchert, Petra Focks und Andrea Nachtigall umreißen in ihrem Aufsatz trans*, inter* und genderqueere Jugendliche. Susanne Witte behandelt in ihren Ausführungen mit einem umfassenden Ländervergleich den Umgang mit Kinderrechten und Kindeswohlgefährdung in England, Niederlanden und Deutschland.

Das Buch beinhaltet einen spannenden Teil des Menschenrechtsdiskurses in Lehre und Praxis der Sozialen Arbeit. Kritische Konzepte finden gleichermaßen wie aktuelle Themen Platz. Der Einfluss der Menschenrechte wird grundlegend, praxisbezogen und fachtheoretisch an die erste Stelle gesetzt. Die gesellschaftliche Realutopie als politische Diskussionshilfe darf nicht fehlen, obwohl den AutorInnen bewusst ist, dass die Einbettung aller thematischen Ansichten das Buch um ein Vielfaches gesprengt hätte.

Das Werk schenkt den Menschenrechten Aufmerksamkeit und führt den Diskurs professionell weiter. Man kann Theorie und Praxis des Problems erkennen und für eigene Studien nutzen und das Erlernte in Wissenschaft und Forschung umsetzen.