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Teilbetriebsversammlungen: Einhebung einer Betriebsratsumlage als Alleinbestimmungsrecht der Belegschaft – kein Anfechtungsrecht des Betriebsinhabers

HANNESSCHNELLER
§§ 42, 44, 48, 49, 73, 74 ArbVG

Die Betriebs-(Betriebshaupt-)Versammlung ist das „Basisorgan der Arbeitnehmerschaft im Betrieb“, es kommt ihr für die Bildung des Vertretungsorgans gegenüber dem Betriebsinhaber (BI) (Betriebsrat [BR]) und von eigenständigen Finanzmitteln (Betriebsratsumlage, Betriebsratsfonds) entscheidende Bedeutung zu. Beim Recht auf Einhebung einer Betriebsratsumlage handelt es sich um Alleinbestimmungsrechte, die der Belegschaft die autonome Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten sichern.

Jedenfalls bei Beschlussfassungen der Belegschaft, die nicht unmittelbar die Interessen des BI berühren, besteht eine strikte Trennung zwischen BI und Belegschaftsvertretung. Folge dieser Trennung ist, dass sich der BI (bzw Arbeitgeber) nicht auf weniger gewichtige, im Rahmen der Entscheidungsfindung der Betriebsversammlung allfällig unterlaufene Rechtsverstöße berufen und hieraus für sich die Ungültigkeit eines Beschlusses der Betriebsversammlung ableiten kann.

Wenn § 73 Abs 3 ArbVG den AG verpflichtet, die Umlagen vom Arbeitsentgelt einzubehalten und bei jeder Lohn-(Gehalts-)Auszahlung an den Betriebsratsfonds abzuführen, so stellt dies materiellrechtlich eine besondere gesetzliche Anweisung auf Schuld dar.

SACHVERHALT

Kl ist der bei der Bekl eingerichtete Angestellten-BR. Die Hauptniederlassung der Bekl befindet sich in Wien, wo rund 180 der insgesamt rund 260 MitarbeiterInnen der Bekl tätig sind. Weitere Standorte der Bekl sind S*, L* und A*. Zwecks Einführung einer Betriebsratsumlage entschied sich der Kl dazu, eine Betriebsversammlung in Form von Teilversammlungen an jedem Standort durchzuführen. Die Beschlussfassung über den Antrag des Kl auf Einführung einer Betriebsratsumlage erfolgte durch eine geheime Abstimmung mittels Stimmzettels in jeder Teilversammlung. Nach dem veröffentlichten Gesamtergebnis wurden 140 Stimmen abgegeben. 9 101 AN stimmten für, 38 gegen die Einführung. Das klagende Betriebsratsorgan begehrt festzustellen, dass die Bekl verpflichtet ist, eine Betriebsratsumlage in Höhe von monatlich 0,1 % des jeweiligen Bruttogehaltes einzuheben und an den somit errichteten Betriebsratsfonds abzuführen.

Die Bekl bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung der Klage. Die geheime Beschlussfassung entbinde nicht von der Pflicht, die Betriebsversammlung ordnungsgemäß abzuhalten, die Anwesenheit am Beginn der Versammlung festzustellen (Erfüllung des Präsenzquorums), die Tagesordnung einzuhalten und den AN die Möglichkeit zu geben, vor der Abstimmung den Antrag zu besprechen und allfällige Fragen zu stellen. Bei der Betriebsversammlung seien zwingende materielle Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts verletzt und daher kein gültiger Beschluss gefasst worden, es sei gesetzwidrig eine Wahl durch ständiges Kommen und Gehen durchgeführt worden.

Bei keiner der Teilversammlungen am Beginn oder zu einem späteren Zeitpunkt wurde die Anwesenheit der erschienenen AN festgehalten. Insb die Betriebsversammlung in Wien war von dem Umstand geprägt, dass viele MitarbeiterInnen in Eile waren und rasch ihre Stimmen abgeben wollten. So erschienen bereits fünf Minuten vor dem bekanntgegebenen Beginn um 13:30 Uhr MitarbeiterInnen, die abstimmen wollten. Aufgrund dieses Umstands konnte der vom Betriebsratsvorsitzenden beabsichtigte Verlauf der Versammlung und seine Präsentation nicht aufrecht erhalten werden, es herrschte ein „Kommen und Gehen“. Also präsentierte der Betriebsratsvorsitzende den zunächst Erschienen die leere Wahlurne, erklärte, dass es Stimmzettel und Wahlkabinen gab, und erläuterte die Stimmabgabe. Während der Betriebsversammlung waren gleichzeitig maximal zwischen 15 und 35 Personen anwesend.

Nach dem Gesetz müsse zur Gültigkeit des Beschlusses über die Betriebsratsumlage zumindest die Hälfte aller AN in der Betriebsversammlung anwesend sein; auch für die Teilversammlungen gelte dieses Erfordernis. Um ihm Genüge zu tun, müsse am Beginn der Betriebsversammlung bzw der jeweiligen Teilversammlung die Anzahl der stimmberechtigten AN gezählt und festgestellt werden. Dies sei nicht geschehen. Die gleichzeitige Anwesenheit von zumindest der Hälfte der MitarbeiterInnen sei aber auch tatsächlich zu keiner Zeit gegeben gewesen. Das Präsenzquorum sei nicht erfüllt. Ohne gültige Beschlussfassung in der Betriebsversammlung sei die Einhebung einer Betriebsratsumlage rechtsunwirksam. An den Betriebsratsfonds trotz Fehlens eines gültigen Beschlusses der Betriebsversammlung geleistete Beiträge könnte jeder einzelne AN von der bekl AG nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zurückverlangen. Derartige, gesetzlich nicht gedeckte Beiträge dürfe die Bekl nicht vom Lohn einbehalten.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass bei keiner der Teilversammlungen am Beginn oder zu einem späteren Zeitpunkt die Anwesenheit der erschienenen AN festgehalten wurde. Rechtlich begründete das Erstgericht die Klagsabweisung damit, dass die Feststellung der Beschlussfähigkeit zu Beginn der Betriebsversammlung eine Gültigkeitsvoraussetzung für rechtmäßige Beschlüsse bilde. Ohne näher auf die Aktivlegitimation der bekl AG (BI) einzugehen, urteilte das Arbeits- und Sozialgericht Wien, dass die Bekl nicht verpflichtet sei, die Betriebsratsumlage einzuheben.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Kl das Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Die Feststellung der Beschlussfähigkeit zu Beginn einer Teilbetriebsversammlung bilde keine zwingende Voraussetzung für rechtmäßige Beschlüsse. Die Bekl sei zur Einhebung der Betriebsratsumlage verpflichtet, zumal keine zwingenden Grundsätze verletzt worden seien und jedenfalls auch der Wille der Belegschaft eindeutig zum Ausdruck gekommen sei. Der BI habe kein Recht, die in § 73 Abs 3 ArbVG normierte Verpflichtung der Einbehaltung und Abführung der Betriebsratsumlage aus welchen Gründen auch immer zu verweigern.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob der BI in zulässiger Weise die Einhebung und Abführung der Betriebsratsumlage unter Hinweis auf einen nicht rechtswirksam zustande gekommenen Beschluss iSd § 73 ArbVG verweigern dürfe, keine Rsp des OGH vorliege.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Die Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage beschließt auf Antrag des Betriebsrats die Betriebs-( Gruppen-)Versammlung; zur Beschlussfassung ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der stimmberechtigten Arbeitnehmer erforderlich (§ 73 Abs 2 ArbVG). Die Umlagen sind vom Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt einzubehalten und bei jeder Lohn-(Gehalts-)Auszahlung an den Betriebsratsfonds abzuführen (§ 73 Abs 3 ArbVG).

Die Einhaltung des im Gesetz vorgegebenen Präsenzquorums wird allgemein als Gültigkeitsvoraussetzung eines Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage angesehen; unterschiedlich werden die Folgen eines rechtsungültigen Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage beurteilt:

Löschnigg (in Jabornegg/Resch, ArbVG § 42 Rz 21) lehrt, dass die Ungültigkeit des Beschlusses über die Betriebsratsumlage dazu führe, dass für den einzelnen Arbeitnehmer keine Verpflichtung zur Leistung der Umlage entstehe.

Priewasser (Der Betriebsratsfonds6 [2018] 54 f) wirft die Frage auf, ob der Betriebsinhaber im Falle von groben Verfahrensverstößen die Einhebung der 10 Betriebsratsumlage verweigern kann. Da die entsprechenden Erklärungen über die Einhebung der Betriebsratsumlage vom jeweiligen Betriebsratsvorsitzenden stammten, könne auf die Rechtsprechung zur Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden im Zusammenhang mit der Stellungnahme zur Kündigung verwiesen werden. Demnach genieße der Betriebsinhaber, an den sich die Erklärung richte, vollen Vertrauensschutz.

Nach Radner/Preiss (in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 73 ArbVG Rz 5, 26) sind Leistungsklagen zur Rückforderung der Betriebsratsumlage nicht möglich, wenn die Umlage ordnungsgemäß beschlossen worden ist.

Schneller (in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 42 ArbVG Rz 17) vertritt die Ansicht, dass der Arbeitgeber anders als bei einer gültigen Betriebsratsumlage (§ 73 Abs 3 ArbVG) gesetzlich nicht gedeckte Beiträge nicht vom Lohn einbehalten dürfe. Beiträge könnten von jedem einzelnen Arbeitnehmer nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zurückverlangt werden (Leistungskondiktion gemäß § 1431 ABGB).

Der Oberste Gerichtshof hat hierzu erwogen: Die Betriebs-(Betriebshaupt-)Versammlung besteht aus der Gesamtheit der Arbeitnehmer des Betriebs (§ 41 Abs 1 ArbVG). Sie ist damit das ‚Basisorgan der Arbeitnehmerschaft im Betrieb‘. Weil ihr gemäß § 42 Abs 1 ArbVG unter anderem die Wahl des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl (Z 2), die Beschlussfassung über dessen Enthebung (Z 5), die Beschlussfassung über die Enthebung des Betriebsrats (Z 4) und – hier von Relevanz – die Beschlussfassung über die Einhebung und die Höhe einer Betriebsratsumlage sowie über die Art und Weise der Auflösung des Betriebsratsfonds (Z 3) obliegt, kommt ihr für die Bildung des Vertretungsorgans gegenüber dem Betriebsinhaber (Betriebsrat) und von eigenständigen Finanzmitteln (Betriebsratsumlage, Betriebsratsfonds) entscheidende Bedeutung zu (Kallab, aaO).

Bei all dem handelt es sich um strategische Entscheidungen der Gesamtheit der Arbeitnehmer des Betriebs. Es handelt sich – auch beim Recht auf Einhebung einer Betriebsratsumlage – um Alleinbestimmungsrechte, die der Belegschaft die autonome Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten sichern (Löschnigg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 42 Rz 2). Hierin liegt auch begründet, dass der Betriebsinhaber oder sein Vertreter im Betrieb nur auf Einladung der Einberufer an der Betriebsversammlung teilnehmen kann (§ 48 Satz 3 ArbVG).

Das ArbVG enthält keine Regelungen über eine Anfechtung von Entscheidungen der Betriebsversammlung. Ähnlich der Willensbildung des Betriebsrats (dazu RISJustiz RS0051490; Mosler in Tomandl, ArbVG § 71 Rz 13 uva) ist der Arbeitgeber weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung der Betriebsversammlung durchzuführen.

Ferner ist aus §§ 59, 60 ArbVG im Zusammenhang mit der Willensbildung der Belegschaft bei der Betriebsratswahl die grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers ersichtlich, dass der Betriebsinhaber nur ausnahmsweise zur Bekämpfung des Ergebnisses berechtigt ist. Einerseits kann er sich gegen die Existenz eines Betriebsrats stellen, dessen Wahl mit massivsten Mängeln, die zur Verletzung elementarster Grundsätze führen, belastet ist (§ 60 ArbVG; vgl zum ‚Zerrbild‘ einer Wahl RS0051176; RS0051171). Andererseits kann er die Wahl des Betriebsrats nach § 59 Abs 2 ArbVG anfechten, wenn sie ihrer Art oder ihrem Umfang nach oder mangels Vorliegens eines Betriebs nicht durchzuführen gewesen wäre. […]

Jedenfalls bei Beschlussfassungen der Belegschaft, die nicht unmittelbar die Interessen des Betriebsinhabers berühren, besteht eine strikte Trennung zwischen Betriebsinhaber und Belegschaftsvertretung. Folge dieser Trennung ist, dass sich der Betriebsinhaber (bzw Arbeitgeber) nicht auf weniger gewichtige, im Rahmen der Entscheidungsfindung der Betriebsversammlung allfällig unterlaufene Rechtsverstöße berufen und hieraus für sich die Ungültigkeit eines Beschlusses der Betriebsversammlung ableiten kann.

Eine unmittelbare Interessenbeeinträchtigung des Betriebsinhabers durch die Beschlussfassung ist nicht ersichtlich. Die bloße administrative Abwicklung vermag diese nicht darzustellen. Von besonders massiven Verstößen im Sinne eines ‚Zerrbildes‘ einer Betriebsversammlung kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. […]

In entsprechender Anwendung der sich aus §§ 59, 60 ArbVG ergebenden Wertung kann sich die beklagte Arbeitgeberin daher – wie bereits vom Berufungsgericht erkannt – nicht auf einen allfällig vorliegenden, jedenfalls aber nicht als massive Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts zu wertenden Rechtsverstoß im Zuge der Beschlussfassung der Betriebsversammlung über die Einhebung einer Betriebsratsumlage berufen.

Sollte die Beschlussfassung über die Einhebung der Betriebsratsumlage nicht rechtsgültig sein, ermöglicht dies – wie bereits in der Literatur ausgeführt – nach den allgemeinen Grundsätzen über zivilrechtliche Leistungskondiktionen (§§ 1431 ff ABGB) eine Klage auf Rückforderung der Betriebsratsumlage.

Materiell-rechtlicher Schuldner der Betriebsratsumlage ist der einzelne Arbeitnehmer, der Betriebsratsfonds ist der Gläubiger der einzelnen umlagepflichtigen Arbeitnehmer.

Der Betriebsratsfonds ist gemäß § 74 Abs 1 ArbVG mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet. Er entsteht von Gesetzes wegen durch die Zuwendung von Vermögen zu dem in § 73 ArbVG bezeichneten Zweck. Die Rechtspersönlichkeit des Betriebsratsfonds hängt damit nicht von der Gültigkeit des Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage ab, sondern nur davon, dass ihm tatsächlich zweckgewidmetes Vermögen zugekommen ist. Der Betriebsratsfonds ist – anders als zufolge § 53 Abs 1 ASGG die Betriebsversammlung – auch parteifähig. […] 11

Wenn § 73 Abs 3 ArbVG den Arbeitgeber verpflichtet, die Umlagen vom Arbeitsentgelt einzubehalten und bei jeder Lohn-(Gehalts-)Auszahlung an den Betriebsratsfonds abzuführen, so stellt dies materiellrechtlich eine besondere gesetzliche Anweisung auf Schuld dar. Das Gesetz substituiert die Anweisung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, vom Arbeitsentgelt dem Betriebsratsfonds die Umlage auszuzahlen. Dass es keiner persönlichen Anweisung des einzelnen Arbeitnehmers bedarf, liegt darin begründet, dass der Abzug der Betriebsratsumlage von seinem Arbeitsentgelt zugunsten des Betriebsratsfonds auch gegen seinen Willen erfolgen kann. Das Recht zur Einhebung der Betriebsratsumlage ist ein solches der Belegschaft. Da § 73 Abs 3 ArbVG die persönliche Anweisung des Arbeitnehmers substituiert, ist der Arbeitnehmer insoweit als Anweisender anzusehen.

Indem der Arbeitgeber der besonderen gesetzlichen Anweisung des § 73 Abs 3 ArbVG entspricht, erfüllt er seine Pflicht zur Auszahlung des betreffenden Teils des Arbeitsentgelts an den Arbeitnehmer und gleichzeitig der Arbeitnehmer seine Umlagepflicht gegenüber dem Betriebsratsfonds.

[…] Die Beschlussfassung über die Einhebung einer Betriebsratsumlage ist in dieser besonderen gesetzlichen Anweisungskonstruktion auf Schuld das Valutaverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer als Anweisenden (und materiell-rechtlich betrachtet Gläubiger des Arbeitsentgelts und gleichzeitig Schuldner der Betriebsratsumlage) und dem Betriebsratsfonds als Anweisungsempfänger (und materiellrechtlich betrachtet Gläubiger der Betriebsratsumlagepflicht des einzelnen Arbeitnehmers). Bei Rechtsunwirksamkeit des Valutaverhältnisses hat nach allgemeinem Zivilrecht die Rückabwicklung zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger zu erfolgen. Damit müsste im Fall der Rechtsungültigkeit des Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage ein Arbeitnehmer gegen den Betriebsratsfonds die Kondiktionsklage auf Rückzahlung der rechtsgrundlos geleisteten Betriebsratsumlage erheben. Inwieweit die Möglichkeit einer allgemein wirksamen Klärung für alle Arbeitnehmer besteht, bedarf hier keiner Erörterung.

Das Klagebegehren ist als Feststellungsbegehren zu qualifizieren. Bloße rechtliche Qualifikationen, Eigenschaften oder Vorfragen eines Rechts sind nicht feststellungsfähig (RS0038902 [T3]). Feststellungsfähig ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, eine Betriebsratsumlage in Höhe von monatlich 0,1 % des jeweiligen Bruttogehalts einzuheben und an den Betriebsratsfonds abzuführen. […]“

ERLÄUTERUNG

Der achte Senat des OGH hat mit dieser Revisionsentscheidung, der aus meiner Sicht vollinhaltlich zuzustimmen ist, mehrere offene Fragen des Betriebsverfassungsrechts (§§ 33 ff ArbVG) geklärt. Gleichzeitig wurden Grundsätze des kollektiven Arbeitsrechts („Alleinbestimmungsrechte der Belegschaft“, „strikte [Sphären-]Trennung zwischen Betriebsinhaber und Belegschaft“ ua) richterlich bestätigt. Gegen Ende der E finden sich bedeutende, bislang (soweit überblickbar) weder in der rechtswissenschaftlichen Literatur noch in der Judikatur behandelte Ausführungen zum Rechtscharakter (dh zur privatrechtlichen Einordnung) des Schuld- und Leistungsverhältnisses Betriebsratsfonds – AG/BI: Es handle sich um eine besondere gesetzliche (§ 73 Abs 3 ArbVG) Anweisung auf Schuld; also um ein Schuldverhältnis im Rahmen des in den §§ 1400 ff ABGB geregelten Anweisungsvertrags (Assignation).

Die gleichzeitige Klärung von betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und zivilrechtlicher Klarstellung zum Dreipersonenverhältnis Betriebsratsfonds (genießt Rechtspersönlichkeit, ist parteifähig) – AN (Schuldner der Betriebsratsumlage gegenüber dem Fonds) – AG/BI (einbehaltungs- und abführungsverpflichtete Person; „Inkassant“) macht diese E meines Erachtens überaus wertvoll. Zwischen dem (theoretisch von jedem AN, eigentlich aber kraft § 73 Abs 3 ArbVG) angewiesenen AG und dem Fonds besteht ein sogenanntes Valutaverhältnis; dazu finden sich in § 1401 ABGB einschlägige Regelungen.

Weil die vorliegende E (Revisionsurteil gem § 510 ZPO) sehr ausführlich ist, soll diese Erläuterung knapp gehalten bleiben. Nur auf eine Sentenz des Urteils (siehe oben 5.6) soll noch eingegangen werden: Wenn der angebliche „Betriebsversammlungs- Beschluss“ sich uU Jahre später als unwirksam und nichtig, also als Nicht-Beschluss herausstellt, muss die Rückabwicklung der abgeführten „Umlagen“ im Wege von individuellen Klagen wegen Nichtbestehens der Schuld (Leistungskondiktionen) erfolgen. Bei einem rechtsgültig dotierten Fonds ist zweifelsfrei der BR dessen Verwalter und gesetzlicher Vertreter (§ 72 Abs 2 ArbVG). Aber auch der nicht gültig dotierte Betriebsratsfonds ist eine „mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Vermögensmasse“. Jeder einzelne AN müsste den rechtsgrundlos dotierten Fonds auf Rückerstattung „seiner Dotierung“ klagen, daher stellt sich die Frage, ob zwecks Verfahrensvereinfachung eine kollektive Antragslegitimation in Frage kommt. Der OGH musste sich damit nicht auseinandersetzen und formulierte: „Inwieweit die Möglichkeit einer allgemein wirksamen Klärung für alle Arbeitnehmer besteht, bedarf hier keiner Erörterung.“

Die hier unterbliebene „Erörterung“ wäre freilich mit Schwierigkeiten verbunden. Es steht zwar der in Frage kommende „kollektive Rechtsschutzbehelf“, nämlich die Feststellungsklage für mindestens drei gleichartig betroffene AN gem § 54 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 Z 2 ASGG dem BR als Vertretungsorgan der Belegschaft zur Verfügung. Prozessgegner wäre jedoch der Fonds, dessen Vertreter ebenfalls der klagende BR wäre! 12

Zu lösen wäre dieses Prozesspartei-Dilemma wohl über die Anordnung des § 53 Abs 2 ASGG:

Wenn kein „parteifähiges Gebilde“ in Betracht kommt, gegen das eine aus dem Betriebsverfassungsrecht resultierende Klage auf Feststellung oder Rechtsgestaltung gerichtet werden kann, dann kann sie gegen die zuständige kollektivvertragsfähige Körperschaft der AN oder AG gerichtet werden.

Primär wäre nun an den ÖGB (und seine jeweils zuständige Fachgewerkschaft) als „zuständige kollektivvertragliche Körperschaft“ zu denken, was sich aus dem Vorrang gegenüber der gesetzlichen Interessenvertretung beim Kollektivvertragsabschluss erschließen ließe (§ 6 ArbVG). Sachnäher ist aber die örtlich zuständige Arbeiterkammer (AK), denn ihr obliegt die gesetzliche Revision (Rechnungskontrolle), der Betriebsratsfonds (§ 74 Abs 6 ArbVG; §§ 32 ff BRF-VO). Der Fonds als Antragsgegner im Feststellungsverfahren wäre meines Erachtens wohl durch die AK zu vertreten.