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Berücksichtigung von Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei ab dem 50. Lebensjahr eingestellten ArbeitnehmerInnen

KLAUSBACHHOFER

Bei jüngeren und älteren (50+) AN soll für die Frage der Wiedereingliederungsschwierigkeiten derselbe Prüfmaßstab – nicht aber dasselbe Alter – angelegt werden.

Aufgrund des konkreten Lebensalters zu erwartende Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei ab dem 50. Lebensjahr eingestellten (noch nicht zwei Jahre beschäftigten) AN sind im Rahmen der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung eines AN nach ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung für ihn nicht „besonders“, sondern wie bei einem jüngeren AN, dh „gewöhnlich“, zu berücksichtigen.

SACHVERHALT

Der 1958 geborene Kl war bei der Bekl von 1.8.2016 bis 4.8.2017 im Rahmen der von ihr betriebenen Arbeitskräfteüberlassung als Kranführer beschäftigt. Er begehrte mit seiner Klage, die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären. Die Bekl bringt im Hinblick darauf, dass der Kl bei Einstellung bereits das 50. Lebensjahr vollendet hatte, vor, das Alter sei gem § 105 Abs 3b ArbVG bei der Beurteilung, ob eine Kündigung sozialwidrig sei, gänzlich auszublenden. Eine nur teilweise Ausblendung des höheren Lebensalters sei praktisch nicht durchführbar, weil ein Sachverständiger nur ausführen könne, wie lange die Suchdauer für die jeweilige Person unter Berücksichtigung ihres tatsächlichen Lebensalters und unter Ausblendung des (höheren) Lebensalters sei. Die Berücksichtigung eines Schutzniveaus auf „Normalniveau“ würde bedeuten, dass das Lebensalter eines 50+-AN letztlich genauso zu berücksichtigen wäre wie das Lebensalter eines AN, der vor Vollendung des 50. Lebensjahres eingestellt worden sei, was die gesetzliche Absicht verkenne.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Kündigung sei nicht sozialwidrig, weil der Kl ohne Rücksicht auf sein Erwerbsalter innerhalb von vier Monaten einen adäquaten Arbeitsplatz mit einem Einkommensverlust von unter 20 % finden könne. Der besondere Schutz für ältere AN, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres eingestellt würden, gelte erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb, was hier nicht vorliege. Die Novelle BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37sei auf den Kl nicht anwendbar, da er vor dem 30.6.2017 bei der Bekl eingestellt worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. Es kam zum Ergebnis, dass das Lebensalter von über 50-jährigen AN im Fall einer Sozialwidrigkeitsanfechtung zwar nicht „besonders“, aber doch zu berücksichtigen sei. Der Kl, der unter Beachtung seines realen Lebensalters mit einer zwölfmonatigen Arbeitslosigkeit rechnen müsse, sei in seinen wesentlichen Interessen beeinträchtigt.

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragte die Bekl die Abänderung des Beschlusses iS einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils.

Der Rekurs wurde als zulässig, jedoch nicht berechtigt erkannt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 4. Dem Schutzbedürfnis älterer Arbeitnehmer wird mit § 105 Abs 3b ArbVG besonders Rechnung getragen.

4.1. Bereits 1976 ergänzte der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl 1976/387§ 105 Abs 3 ArbVG idF BGBl 1974/22um jene Bestimmung, die nun § 105 Abs 3b S 2 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101ArbVG entspricht:

‚Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, als auch beim Vergleich sozialer Gesichtspunkte der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen, 13 dem der Betrieb angehört, sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß besonders zu berücksichtigen.‘

4.2. Im Zuge der Beschäftigungssicherungs-Novelle BGBl 1993/502 wurde die Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG um jenen Satz ergänzt, der nun § 105 Abs 3b S 1 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101entspricht:

‚Umstände gemäß lit. a, die ihre Ursache in einem höheren Lebensalter eines Arbeitnehmers haben, der im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, langjährig beschäftigt ist, dürfen zur Rechtfertigung der Kündigung des älteren Arbeitnehmers nur dann herangezogen werden, wenn durch die Weiterbeschäftigung betriebliche Interessen erheblich nachteilig berührt werden.‘

Der Gesetzgeber hat damit zwei voneinander unabhängige Sonderbestimmungen in der damals entsprechenden Bestimmung § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG geschaffen, die auf das höhere Alter des Arbeitnehmers abstellen (Th. Dullinger, Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ecolex 2017, 442).

4.3. Durch das Budgetbegleitgesetz BGBl I 2003/71wurde der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer partiell wieder abgeschwächt, um nicht Arbeitgeber vor der Einstellung älterer Arbeitnehmer zunehmend abzuschrecken (Wolligger in ZellKomm3 § 105 Rz 184 f). In den damaligen § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG wurde nach dem zitierten Satz ‚Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung ...‘ folgender Satz eingefügt:

‚Dies gilt für Arbeitnehmer, die gemäß § 5a des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994, eingestellt werden, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört.‘

Zur Begründung (RV 59 BlgNR 22. GP 352) wurde festgehalten, dass das Regierungsprogramm im Bereich Beschäftigungspolitik unter anderem eine Reform des Bonus-Malus-Systems vorsieht, ‚wobei der verstärkte Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer – im Konkreten die besondere Berücksichtigung der altersbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess – erst nach einer längeren Beschäftigungszeit einsetzen soll, um so die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit solchen Arbeitnehmern zu fördern‘.

4.4. Mit der Novelle BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101wurde die Bestimmung des § 105 ArbVG zur besseren Lesbarkeit in neuer Gliederung (Abs 3 bis 3c) erlassen. Der Verweis auf § 5a Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wurde gestrichen und durch das Abstellen auf das vollendete 50. Lebensjahr im Zeitpunkt der Einstellung ersetzt (RV 901 BlgNR 24. GP 6). In der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101lautet § 105 Abs 3b ArbVG daher:

‚(3b) Umstände gemäß Abs. 3 Z 2 lit. a, die ihre Ursache in einem höheren Lebensalter eines Arbeitnehmers haben, der im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, langjährig beschäftigt ist, dürfen zur Rechtfertigung der Kündigung des älteren Arbeitnehmers nur dann herangezogen werden, wenn durch die Weiterbeschäftigung betriebliche Interessen erheblich nachteilig berührt werden. Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, als auch beim Vergleich sozialer Gesichtspunkte der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Dies gilt für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört.‘

[…]

4.5. Mit dem BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37wurde die zeitliche Beschränkung des gelockerten Kündigungsschutzes für die ersten zwei Jahre nach der Einstellung für ältere Arbeitnehmer fallen gelassen. Die aktuell geltende Fassung des S 3 leg cit sieht nun generell vor: ‚Dies gilt nicht für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben.‘

Die Materialien (AB 1497 BlgNR 25. GP 2) halten dazu fest: ‚Entsprechend dem Regierungsprogramm 2013 bis 2018 und dem Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018 soll zum Zweck der Förderung der Einstellung älterer Arbeitnehmer/innen im Falle einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit bei Arbeitnehmer/inne/n, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr überschritten haben, der allgemeine Kündigungsschutz an den von jüngeren Arbeitnehmer/inne/n angeglichen werden. Es soll deshalb bei einem Sozialvergleich oder der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung das Alter nicht mehr gesondert, sondern nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmer/inne/n herangezogen werden.‘

5. Interpretationsbedürftig ist für den vorliegenden Fall, worauf sich die Formulierung des § 105 Abs 3b S 3 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101(‚Dies gilt für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört‘) im Kontext mit S 1 und S 2 bezieht und weiter, welche Bedeutung der Bestimmung für solche Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis vor Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres endet, zukommt. Da S 1 eine langjährige Beschäftigung voraussetzt und S 2 Fall 1 auf eine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit abstellt, beides in den ersten beiden Beschäftigungsjahren jedoch nicht gegeben ist, ist S 3 nur auf die im Satz davor zum Ausdruck kommende besondere Berücksichtigung der Wiedereingliederungsschwierigkeiten älterer Arbeitnehmer zu beziehen (idS auch Th. Dullinger, aaO 442).

6. Zur zweiten Frage wird die Bedeutung der Bestimmung für die Berücksichtigungswürdigkeit des höheren Lebensalters unterschiedlich aufgefasst. 14

6.1. Nach Schrank (Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ZAS 2007, 4) könne die Bedeutung von S 3 leg cit nur in der generellen Ausnahme aller Bonus-Eingestellten vom Sozialwidrigkeitsschutz schlechthin liegen, weil die voranstehenden Sätze eine langjährige Beschäftigung voraussetzten, die bei einer bloß zweijährigen Beschäftigung nicht vorliege.

6.2. Auch nach Rauch (Neuerungen bei der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit, ASoK 2004, 70) ergab sich zu der mit 1.1.2004 in Kraft getretenen Vorläuferbestimmung aus dem Umstand, dass bei Arbeitnehmern über 50 in den ersten beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses die Frage der Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes nicht mehr besonders zu berücksichtigen sei, dass in diesen Fällen für die Annahme der Sozialwidrigkeit einer Arbeitgeberkündigung kein Spielraum mehr bestehe. Beide Autoren argumentierten im Wesentlichen mit dem Ziel des Gesetzgebers, die Einstellung älterer Arbeitnehmer zu begünstigen bzw die aus der Möglichkeit der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit resultierenden Einstellungshemmnisse effektiv einzuschränken.

6.3. Nach Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, Komm zum ArbVG [2012] § 105 Rz 249, beschreibe die im Gesetz festgelegte Wartefrist die formelle Voraussetzung für die Anwendung der Altersberücksichtigung an sich und enthalte darüber hinaus keine materielle Aussage.

6.4. Eine Ausklammerung lediglich des Elements der größeren Schwierigkeiten der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt geht auch aus den Ausführungen von Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 35 (2015) § 105 Rz 156, hervor. Alle sonstigen Aspekte der Interessenbeeinträchtigung seien auch in diesen Fällen zu prüfen und in die Interessenabwägung einzubinden.

[…]

6.7. Nach einer weiteren in der Literatur vertretenen Auslegung bedeutet die Bestimmung dagegen lediglich, dass das Alter des Arbeitnehmers bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit nicht besonders, aber doch zu berücksichtigen sei (Eypeltauer, Eingeschränkter Kündigungsschutz für bestimmte Gruppe älterer Arbeitnehmer, ecolex 2016, 416; Th. Dullinger, Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ecolex 2017, 442 [445]; Bachhofer, Änderung im Anfechtungsrecht 2017, in Kozak, Sicherung des Bestandes von Arbeitsverhältnissen 9 [13]; Wolligger in ZellKomm3 § 105 ArbVG Rz 184).

7. Der erkennende Senat schließt sich dieser letzten Auffassung (Pkt 6.7.) an:

7.1. Nach der zitierten – schon vor der Einschränkung des Kündigungsschutzes älterer Arbeitnehmer entwickelten – Rechtsprechung ist das Alter eines Dienstnehmers eines der Kriterien, die bei der Prüfung der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes zu berücksichtigen sind. Die Frage der möglichen Wiedererlangung eines neuen Arbeitsplatzes stellt sich an sich unabunabhängig von einem bestimmten Alter, jedoch ist in typisierter Betrachtung bei höherem Alter tendenziell mit größeren Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu rechnen.

7.2. S 2 des § 105 Abs 3b ArbVG ordnet für die Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung älterer Arbeitnehmer an, dass ‚die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen sind‘. Damit wird schon nach dem Wortlaut der Bestimmung zum Ausdruck gebracht, dass diesem Aspekt bei der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung stärkeres Gewicht als anderen Aspekten zukommen soll.

7.3. Die zu BGBl l 2003/71zitierten Materialien zur Einschränkung des (nun) S 3 des Abs 3b leg cit (‚Dies gilt erst ab ...‘) zeigen, dass die 2003 eingeführte Lockerung des Kündigungsschutzes für geförderte (50+) Arbeitnehmer dadurch erfolgen sollte, dass von der ‚besonderen‘ Berücksichtigung für die ersten zwei Beschäftigungsjahre Abstand genommen werden sollte (arg RV: ‚im Konkreten die besondere Berücksichtigung der altersbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ...‘). Damit kommt zwar klar zum Ausdruck, dass altersbedingte Wiedereingliederungsschwierigkeiten von nach dem 50. Lebensjahr eingestellten Arbeitnehmern erst nach zwei Beschäftigungsjahren besonders berücksichtigt werden sollen, ihnen also dann dasselbe Schutzniveau wie älteren, jedoch unter 50-jährigen Arbeitnehmern zukommen soll. Daraus geht aber nicht hervor, dass ihre Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei einer kürzeren Beschäftigungsdauer überhaupt nicht zu berücksichtigen sind. S 3 trifft für diese Situation schlicht keine Aussage. Wortlaut und Entstehungsgeschichte sprechen daher nur dafür, dass Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei nach dem 50. Lebensjahr eingestellten Arbeitnehmern, deren Dienstverhältnis in den ersten zwei Beschäftigungsjahren endet, nicht in ‚besonderem‘ Ausmaß zu berücksichtigen sind, womit aber eine ‚normale‘ Berücksichtigung wie auch sonst verbleibt.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH hat mit dieser E die bereits vom Berufungsgericht eingenommene und das Erstgericht korrigierende Rechtsansicht unter ausführlicher Heranziehung des Meinungsstands und der historischen Entwicklung der strittigen Bestimmung bestätigt. Die nunmehr erfolgte Klarstellung, dass es bei Sozialwidrigkeitsanfechtungen bereits nach Vollendung des 50. Lebensjahrs eingestellter AN zu keiner gänzlichen Ausblendung ihres konkreten Lebensalters, sondern vielmehr zu einer gleichwertigen Berücksichtigung ihrer dadurch hinzunehmenden Wiedereingliederungsprobleme wie bei jüngeren AN kommen soll, wird sich stark auf die Praxis von Kündigungsanfechtungsverfahren auswirken.

In Hinkunft wird es keine Gutachtensaufträge an berufskundliche Sachverständige mehr geben können, 15 die gekündigten AN ein anderes als ihr konkretes Lebensalter unterstellen. Derartige hypothetische Feststellungen sind von keiner Relevanz, wurden jedoch in der Vergangenheit immer wieder von Sachverständigen in Verkennung der Rechtslage – mitunter auch aus eigenem ohne gerichtlichen Auftrag – getroffen. Vielmehr werden die sich aus dem konkreten Lebensalter der betreffenden AN ergebenden Arbeitsmarktchancen im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung zwar nicht besonders, aber doch wie gewöhnlich auch bei jüngeren AN zu berücksichtigen sein.

Der vom Gericht – und nicht vom Sachverständigen – an diese Berücksichtigung anzulegende Prüfmaßstab darf nur nicht strenger sein als der im „Normalfall“ heranzuziehende. Nur die „besondere“ Berücksichtigung einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess älterer AN iSd § 105 Abs 3b vorletzter Satz ist nach Auffassung des OGH nicht vorzunehmen.

Auch wenn in der Praxis diese Abgrenzungen oft verschwimmen werden, ist wohl eines außer Streit gestellt: Eine gänzliche „Ausblendung“ des Moments der konkreten Wiedereingliederungsdauer des gekündigten AN hat nicht stattzufinden. Für den Fall, dass dem Gesetzgeber der Novelle BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101wie auch der hier noch gar nicht anzuwendenden Novelle BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37derartiges vorschwebte, ist es ihm – wie der OGH in seiner grundlegenden Analyse dargelegt und interpretiert hat – misslungen.

Ob sich der beschäftigungspolitische Effekt der verstärkten Einstellung älterer AN, den sich der Gesetzgeber durch die Regelung offenbar erhoffte, auch tatsächlich eintritt, wird einer empirischen Untersuchung vorbehalten bleiben. Bei der Erstreckung der Nichtanwendungsdauer des Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter hat sich diese Erwartung nicht bestätigt.