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Trinkgeld steht mangels anderer Vereinbarung dem Arbeitnehmer zu

MANFREDTINHOF
§ 27 Abs 3 und 4 Glücksspielgesetz

Im zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag ist festgehalten, dass das realisierte Trinkgeld ausschließlich dem AN zusteht. Dessen ungeachtet ordnete die bekl AG die Anwendung eines Systems an, wonach die „Spielleiter“ – und damit auch der Kl – einen bestimmten Betrag aus den eingenommenen Trinkgeldern dem „Spielinspektor“ abführen mussten, der dann an andere MitarbeiterInnen der Bekl verteilt wurde. Mit seiner Klage begehrte der AN die Herausgabe des 16vertragswidrig an die Bekl abgeführten Trinkgeldanteils.

Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts, welches dem Kl Recht gegeben hatte und wies die außerordentliche Revision der Bekl zurück.

Der OGH führte aus, dass Leistungen Dritter dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, wenn zwischen dem DG und dem DN entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden oder wenn sich eine Zuordnung der Leistungen aus den sonstigen Umständen ergibt; so, wenn sie etwa für Tätigkeiten gewährt werden, die zu den dienstvertraglich geschuldeten zählen. Im Gegensatz dazu stehen Leistungen, die einem DN nur aus Gelegenheit seines Dienstverhältnisses von Dritten zufließen, die aber nicht Bestandteil des geschuldeten Entgelts sind. Diese Leistungen sind zwar als Einkommen des DN anzusehen, aber in die Ermittlung des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs nicht einzubeziehen. Die Vereinbarung der Teilhabe von AN, die nicht unmittelbar Trinkgelder beziehen, an den Trinkgeldern jener AN, die regelmäßig Trinkgelder beziehen, wird von der Rsp als zulässig angesehen. Dies wird ua damit begründet, dass ein solches System dem Ansatz des § 27 Abs 3 und 4 Glücksspielgesetz nachempfunden ist, der die Aufteilung der „Cagnotte“ auf die Gesamtheit der AN eines Konzessionärs gestattet. Soweit die Bekl in der Revision nun andeutet, dass es ihren MitarbeiterInnen freistehe, untereinander eine Vereinbarung über die Aufteilung von Trinkgeldern zu treffen, so entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, aus dem eine derartige Vereinbarung gerade nicht abgeleitet werden kann.

Darüber hinaus ging der OGH auf das Vorbringen der Bekl ein, das bisherige Verfahren sei mit einem Mangel behaftet, da das Trinkgeld nicht der Bekl, sondern anderen MitarbeiterInnen zugeflossen wäre, weshalb es nicht von der Bekl gefordert werden könne. Diesbezüglich hielt der OGH fest, dass Leistungskondiktionen (Anmerkung des Bearbeiters: Anspruch auf Rückforderung einer Leistung wegen ungerechtfertigter Bereicherung) eine Leistung des Verkürzten an den Bereicherten voraussetzen und dem Leistenden gegen den Empfänger zustehen. Wer rückstellungspflichtiger Leistungsempfänger ist, hängt davon ab, auf welchen Rechtsgrund hin der rückforderungsberechtigte Leistende seine Leistung (vom Empfängerhorizont aus) erbringen wollte. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung hat daher zwischen jenen Personen zu geschehen, die im Zeitpunkt der Leistung durch ein scheinbares Rechtsverhältnis verbunden waren. Im Fall der Befolgung einer (wenn auch dem Dienstvertrag widersprechenden) Weisung des DG durch den DN ist (jedenfalls für den DG) offensichtlich, dass der DN auf diese Weisung als Rechtsgrund hin handelt. Die weisungsgemäße Abfuhr des vereinnahmten Trinkgeldanteils erfolgte daher rechtlich an die Bekl. Wem das so zugewendete Vermögen tatsächlich zugeflossen ist oder für wen es faktisch verwendet wurde, ist dabei irrelevant.