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Gänzliche Nachsichtgewährung bei Vereitelung einer Beschäftigungsaufnahme durch Hinweis auf Einstellungszusage

BIRGITSDOUTZ

Ein Notstandshilfebezieher brach am 11.9.2018 einen „Schnuppertag“ bei einem potentiellen DG unter Hinweis auf eine bereits vorliegende Einstellungszusage bei einem anderen Unternehmen vorzeitig ab. Er trat die zugesagte Stelle tatsächlich am 4.10.2018 an. Das Arbeitsmarktservice (AMS) sprach mit Bescheid vom 28.9.2018 den Verlust der Notstandshilfe für den Zeitraum 11.9. bis 22.10.2018 aus, da der Versicherte eine ihm zugewiesene zumutbare Stelle nicht angenommen habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.12.2018 gab das AMS der Beschwerde des Beschwerdeführers insoweit statt, als es die Ausschlussfrist im Wege der teilweisen Nachsichterteilung gem § 10 Abs 3 AlVG auf den Zeitraum 11.9. bis 3.10.2018 reduzierte.

Das BVwG gab der Beschwerde Folge. Dazu führte das BVwG aus, dass der Beschwerdeführer innerhalb der sechswöchigen Ausschlussfrist eine Beschäftigung aufgenommen habe. In diesem Zusammenhang verwies das BVwG auf bereits vorliegende Judikatur des VwGH, wonach die Erteilung der Nachsicht nach § 10 Abs 3 AlVG auch durch das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Sachentscheidung über die Beschwerde erfolgen kann. Dabei hat es – wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs2 VwGVG vorliegen und die Angelegenheit daher nicht gem § 28 Abs 4 VwGVG zurückverwiesen wird – auch das bei der Festlegung des Umfangs der Nachsicht offen stehende Ermessen zu üben.

Der Beschwerdeführer hat den Feststellungen zufolge innerhalb der sechswöchigen Ausschlussfrist eine Beschäftigung aufgenommen. Der VwGH geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass gem § 10 Abs 3 AlVG eine gänzliche oder teilweise Nachsicht zu erfolgen hat, wenn ein Arbeitsloser, über den eine Ausschlussfrist verhängt wurde, noch vor Ablauf dieser Frist eine andere Beschäftigung aufnimmt (VwGH 1.6.2001, 2000/19/0136). Dies hat zur Folge, dass in einem solchen Fall jedenfalls (gänzliche oder teilweise) Nachsicht zu erteilen ist. Das AMS hat die bloß teilweise Nachsichtgewährung damit begründet, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt des Sanktionsbeginns eine Einstellungszusage für eine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung hatte, einer gänzlichen Nachsichtsgewährung entgegenstehe, weil ansonsten die Bestimmungen des § 9 Abs 4 AlVG in zahlreichen Fällen in Leere laufen würde. In einem solchen Fall sei daher ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der die Arbeitslosigkeit beendenden Beschäftigung Nachsicht zu erteilen.

Nach Ansicht des BVwG gibt es für diese Rechtsansicht weder eine gesetzliche Grundlage noch entspricht sie der Judikatur des VwGH. Letzterer geht nämlich in stRsp davon aus, dass im Falle der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung während der Sperrfrist die Nachsicht auch für die Zeit vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung (mit der ja der Anspruch auf Arbeitslosigkeit bzw Notstandshilfe schon nach § 24 Abs 1 AlVG wegfällt) je nach der zeitlichen Nähe zum Beginn der Sperrfrist ganz oder teilweise nachzusehen ist. Das BVwG führt weiters aus, dass auch der Hinweis des AMS auf § 9 Abs 4 AlVG einer gänzlichen Nachsichtsgewährung nicht entgegensteht, weil die Bestimmung lediglich klarstellt, dass eine von der regionalen Geschäftsstelle vermittelte Beschäftigung auch dann zumutbar ist, wenn eine Wiedereingliederungszusage von einem früheren AG erteilt wurde oder sich die arbeitslose Person schon zur Aufnahme einer Beschäftigung in Zukunft verpflichtet hat (Einstellungszusage). Somit hat das AMS laut BVwG von dem ihm eingeräumten Ermessen grob unrichtig Gebrauch gemacht, wodurch es nunmehr durch den erkennenden Senat auszuüben war.

Im vorliegenden Fall liegen zwischen dem Beginn der Sperrfrist und der die Arbeitslosigkeit ausschließenden Aufnahme der Beschäftigung knapp drei Wochen, somit ein erheblich kürzerer Zeitraum als die im § 10 Abs 1 AlVG genannte achtwöchige Frist. Da der oben angeführten Judikatur zu entnehmen ist, dass auch eine Beschäftigungsaufnahme nach Ablauf dieser Frist noch nachsichtbegründend sein kann, ist vorliegend jedenfalls noch von einer solchen zeitlichen Nähe zum Beginn der Sperrfrist auszugehen, dass diese und der Umstand, dass bereits vor dem Beginn der Sperrfrist eine verbindliche Einstellzusage für die später tatsächlich aufgenommene und bis dato aufrechte Beschäftigung vorlag, eine gänzliche Nachsichterteilung zu rechtfertigen vermag. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die vorliegende Einstellzusage nahelegt, dass der Beschwerdeführer bereits vor Beginn der Sperrfrist ernstlich bemüht war, seine Arbeitslosigkeit zu beenden. 245