112Kein Kostenersatz nach Marktpreisen bei häuslicher medizinischer Intensivpflege
Kein Kostenersatz nach Marktpreisen bei häuslicher medizinischer Intensivpflege
Dem Krankenversicherungsträger steht bei der Festsetzung von Kostenzuschüssen in der Satzung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Eine Verletzung dieses Spielraums wäre ihm nur dann vorzuwerfen, wenn er bei guter allgemeiner Finanzlage offensichtlich unzureichende Mittel für eine Zuschussregelung vorsieht, ohne plausible Gründe dafür dartun zu können. Der von der Satzung nunmehr vorgesehene Kostenzuschuss für medizinische Hauskrankenpflege, der etwas mehr als ein Viertel des festgestellten Bruttostundenlohns für (renommiertes) Pflegepersonal deckt, verletzt diesen Spielraum nicht.
Der 1967 geborene Kl erlitt im August 2011 eine Halswirbelfraktur mit Querschnittslähmung, die ua mittels Atemkanüle, Herz- und Zwerchfellschrittmacher behandelt wurde. Unterbrochen von stationären Behandlungen und einem Aufenthalt in einem neurologischen Rehabilitationszentrum befindet er sich seit 20.12.2012 in häuslicher Pflege. Der Heilungsprozess des Kl ist nicht abgeschlossen. Es kommt zu einer anhaltenden, langsamen Besserung, insb der neurologischen Symptomatik. Der Kl bezieht Pflegegeld Stufe 7. Eine Unterbringung in einer Akut- oder Langzeitpflegeeinrichtung mit entsprechenden Beatmungsgeräten, die im Vergleich zur Hauskrankenpflege teurer ist, ist für den Kl nicht geeignet. Daher erfolgt seine Betreuung durch besonders qualifiziertes Pflegepersonal zuhause.
Mit Bescheid vom 14.1.2015 lehnte die Bekl, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), den Antrag auf Gewährung eines höheren Pflegekostenzuschusses für medizinische Hauskrankenpflege als € 23,04 täglich für den Zeitraum 21.12.2012 bis 30.11.2014 ab. 246
Der Kl begehrte einerseits die Zahlung von rund € 530.000,-, andererseits die Feststellung, dass die ÖGK die Kosten für Hauskrankenpflege zu übernehmen habe. Die ÖGK habe die Kosten zu marktkonformen Preisen zu übernehmen, weil die Satzung keine entsprechende Honorarposition enthalte. Der in der Satzung vorgesehene Pauschalsatz von € 11,52 pro Stunde stelle auf den typischen Fall der einfachen Hauskrankenpflege ab, die aber beim Kl infolge der notwendigen intensivmedizinischen Betreuung nicht vorliege.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt (rund € 163.000,-) und stellte fest, dass die bekl ÖGK in Zukunft intensivmedizinische Hauskrankenpflege, solange Beatmungspflicht besteht, zu gewähren habe. Es stellte einen Zuschuss von € 11,52 pro Stunde fest, der 38 % der Kosten umfasse.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht, jener des Kl teilweise Folge. Dem Kl stehe ausnahmsweise Anspruch auf volle Kostenerstattung nach Marktpreisen (rund € 481.000,-) zu.
Die Revision war zulässig und teilweise berechtigt.
„1.1 Medizinische Hauskrankenpflege ist gemäß § 151 Abs 1 ASVG zu gewähren, wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert. Die medizinische Hauskrankenpflege ist ihrer Konzeption nach eine krankenhausersetzende Leistung […], wobei aus medizinischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten danach getrachtet werden soll, Kranke möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung zu behandeln und stationäre Aufenthalte auf das unumgängliche Ausmaß zu reduzieren (Schober in Sonntag, ASVG10 § 151 ASVG Rz 2). […]
1.3 Stehen Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung, so gilt gemäß § 131b Abs 1 ASVG die Regelung des § 131a ASVG (Kostenerstattung bei Fehlen vertraglicher Regelungen) mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger dem Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat gemäß § 131b Abs 1 Satz 2 ASVG das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen. […]
1.5 Bei der medizinischen Hauskrankenpflege steht gemäß § 151 Abs 2 ASVG die Sachleistungsgewährung im Vordergrund. Ist der Versicherungsträger nicht in der Lage, diese zu gewährleisten, kann nicht nur, sondern muss Anstaltspflege gewährt werden (VfGHV 91/03 VfSlg 17.155 [Pkt 2.2.2]; Felten in Tomandl, SV-System [31. ErgLfg] 233 [2.2.3.3.]). Wenn der Krankenversicherungsträger diese Sachleistung tatsächlich nicht erbringen kann, besteht für den Versicherten die Möglichkeit, sich diese Leistungen auch privat auf seine eigenen Kosten zu besorgen und dafür vom Krankenversicherungsträger Ersatz zu verlangen (RS0115258).
2.1 […] Der Verfassungsgerichtshof hat […] im Erkenntnis B 304/05 klargestellt, dass der Zustand eines Betroffenen in einer dem Kläger vergleichbaren Situation jedenfalls als ein der Anstaltspflege zugänglicher Behandlungsfall (und nicht als Asylierungsfall) im Sinn des §§ 133 ff ASVG anzusehen ist (Pkt 2.4.5; anders noch VfGHV 91/03ua; krit Schrammel, Entscheidungsanmerkung zu VfGHV 91/03, ZAS 2004/39, 230 [232 ff]).
2.2 Unstrittig hat der Kläger einen Anspruch auf Kostenersatz gegenüber der Beklagten, weil diese als Krankenversicherungsträger nicht in der Lage ist, die notwendigen Sachleistungen, die bei der medizinischen Hauskrankenpflege im Vordergrund stehen, zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist der Kostenerstattungsanspruch gemäß den §§ 131, 131a ASVG vom Anspruch auf Kostenzuschuss nach § 131b ASVG zu unterscheiden. Da im konkreten Fall – auch dies ist nicht strittig – gesamtvertragliche Vereinbarungen fehlen (und auch nicht bestanden haben), räumt das Gesetz nicht einen Anspruch auf Kostenerstattung, sondern gemäß § 131b ASVG einen Anspruch auf Kostenzuschuss nach Maßgabe der […] Satzung ein. […]
4.1 Der vorliegende Fall unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von dem zu 10 ObS 68/04d(und auch zu 10 ObS 67/04g) entschiedenen:
Erstens war in den damaligen Fällen die Alternative zur häuslichen Behandlung des Klägers nur die Unterbringung auf einer Intensivstation. Es stand aber (in 10 ObS 68/04d) fest, dass kein Krankenhaus mit einer Intensivstation den jahrelangen Belag mit einem ‚Dauerpatienten‘ verantwortungsvoll auf sich nehmen konnte. Eine Einrichtung zur Unterbringung beatmungspflichtiger Patienten außerhalb einer Intensivstation, also in einem Einzelzimmer einer normalen Bettenstation, gab es in Österreich nicht. Demgegenüber existieren mittlerweile nach den Feststellungen des Erstgerichts sowohl Rehabilitationskliniken als auch Langzeitbeatmungsstationen, an denen Tetraplegiker aufgenommen werden. Nach den Feststellungen im vorliegenden Fall ist die Anstaltspflege nicht unmöglich, sondern ist dieser lediglich die häusliche Pflege des Klägers ‚deutlich überlegen‘.
Zweitens lag der Kostenzuschuss in den damaligen Fällen an der Untergrenze der dem Versicherten entstandenen Ausgaben für medizinische Krankenpflege (8,72 EUR pro Pflegetag in 10 ObS 68/04d; 4,36 EUR pro Pflegetag in 10 ObS 67/04g), während er im vorliegenden Fall 28,8 % der Bruttokosten renommierten Pflegepersonals und 38,4 % des vom Kläger bezahlten (Netto)Stundenlohns für die ihn betreuenden intensivmedizinischen Pflegepersonen abdeckt.
4.2 Der Krankenversicherungsträger ist bei der Festsetzung der Höhe der Zuschüsse in der Satzung nicht gänzlich frei. Er hat dabei im Rahmen einer 247 Durchschnittsbetrachtung auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit, aber auch auf das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten Bedacht zu nehmen (VfGHV 97/03VfSlg 17.518 [Pkt 2.1]). Bei der Festlegung der Höhe des Kostenzuschusses ist die Art der Leistung und die Notwendigkeit des Umfangs und der Häufigkeit der Leistungserbringung in entsprechender Differenzierung zu berücksichtigen. Zu beachten ist die absolute Höhe der Kostenbelastung des Versicherten sowie ein allfälliges Angebot in eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen. Heranzuziehen sind auch Tarife für vergleichbare Leistungen in Gesamtverträgen (VfGHV 43/09VfSlg 19.212 [Pkt 4.1 und 4.2]).
4.3 Die Versicherten haben zwar Anspruch auf eine ausreichende Vorsorge, die Krankenversicherung ist aber nicht verpflichtet, dem Versicherten alle denkbaren und medizinisch möglichen Leistungen als Sachleistungen zu erbringen. Die Krankenversicherungsträger sind nach § 131b ASVG iVm § 131a ASVG nicht verpflichtet, Kostenzuschüsse vorzusehen, welche den Marktpreisen entsprechen, wie sich schon aus der Bedeutung des Begriffs des Kostenzuschusses ergibt (VfGHV 43/09VfSlg 19.212 [Pkt 4.1 mwH]; Mosler in SV-Komm [242. Lfg] § 131b ASVG Rz 10 mzwH; 10 ObS 123/00 SSV-NF 14/89; 10 ObS 72/05v SSV-NF 19/54; RS0113972). Allerdings darf der Kostenzuschuss nicht bloß ein geringfügiger, wirtschaftlich kaum ins Gewicht fallender Ersatz sein (VfGHV 97/03VfSlg 17.518).
4.4 Ein Kostenzuschuss in Höhe von 13 % der tatsächlich aufgewendeten Kosten für Hauskrankenpflege wurde als zu gering angesehen (VfGHV 97/03VfSlg 17.518). Hingegen wurde der Ersatz von 40 % der Kosten einer spezifischen Krebsbehandlung als ausreichend beurteilt (unter Berücksichtigung einer Kostenbeteiligung des Klägers von 20 % nach § 86 GSVG: 10 ObS 182/08zSSV-NF 23/30). Ein Ersatz der Kosten von rund 50 % wurde für die Behandlung durch Psychotherapeuten als ausreichend angesehen (10 ObS 57/03k SSV-NF 17/72).
5.1 In den […] zum vorliegenden Fall vom Sachverhalt her vergleichbaren Fällen einer häuslichen Intensivkrankenpflege (10 ObS 68/04d; 10 ObS 67/04g) gelangte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass ausnahmsweise der Ersatz der Kosten zu Marktpreisen gebühre. Begründet wurde dies damit, dass in der Satzung des damals in Anspruch genommenen Krankenversicherungsträgers keine Honorarposition und auch keine vergleichbare Position vorgesehen war. Der in der Satzung für medizinische Hauskrankenpflege vorgesehene und oben schon genannte Pauschalsatz pro Pflegetag stelle ganz offensichtlich auf den typischen (einfachen) Fall der Hauskrankenpflege (Verabreichung von Injektionen, Sondenernährung, Dekubitusversorgung) ab und berücksichtige nicht den völlig außergewöhnlichen Fall einer zeitlich ohne Unterbrechung notwendigen medizinischen Behandlung eines Versicherten im häuslichen Bereich. Der satzungsmäßige Kostenzuschuss decke im Ergebnis nur rund 1 % der dem Versicherten entstandenen Kosten der Krankenbehandlung (10 ObS 68/04d) bzw 0,7 % dieser Kosten (10 ObS 67/04g) ab. Dieser Satz sei bei verfassungskonformer Auslegung nicht heranzuziehen. […]
5.4.3 In […] 10 ObS 35/05b (SSV-NF 19/27) führte der Oberste Gerichtshof aus, dass sich für die inhaltliche Ausgestaltung sowohl der Kostenerstattung als auch eines Kostenzuschusses einerseits ergebe, dass in einen gefundenen Interessenausgleich ohne zwingende Notwendigkeit nicht von außen eingegriffen werden soll (Resch, Kostenzuschuss für außervertragliche Leistungen, Anm zu 10 ObS 123/00m, DRdA 2001/18, 247 [250]). Andererseits sei die Höhe der zustehenden Kostenerstattung bzw des Kostenzuschusses bei Fehlen eines vereinbarten oder durch die Satzung festgelegten Tarifs an vergleichbaren Tarifen in einem entsprechenden Gesamtvertrag auszurichten. Erst dann, wenn eine Vergleichbarkeit mit anderen Tarifpositionen nicht gegeben sei, sei die Höhe des Kostenzuschusses nach einem objektiven Marktpreis zu bemessen. […]
6.2 Die Satzung eines Versicherungsträgers ist ihrer Struktur nach eine Verordnung (RS0053701). Sind die Voraussetzungen für einen im Gesetz eingeräumten Anspruch – wie hier – in einer Verordnung näher determiniert bzw finden sich in dieser nähere Beschränkungen, ist der Anspruch auf Grundlage der Verordnung zu prüfen. Es wäre unzulässig, unter Übergehung einer gehörig kundgemachten Verordnung die die Grundlage bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Anspruchsgrundlage heranzuziehen (RS0105188 [T1]). Eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung durch die Gerichte selbst kann nur in bestimmten Ausnahmefällen erfolgen (wenn zB der VfGH eine Verordnung bereits aufgehoben hat, aber aus einem anderen Rechtsgrund als dem, auf den ein Amtshaftungsanspruch gestützt wird, hat das Amtshaftungsgericht die Rechtsfrage selbst zu beurteilen, weil der VfGH eine neuerliche Prüfung der Verordnung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt wegen entschiedener Sache ablehnt: RS0050245 [T3]). […]
6.3 […] Der von der Satzung vorgesehene Kostenzuschuss deckt aber auch etwas mehr als ein Viertel des festgestellten Bruttostundenlohns von 40 EUR für (renommiertes) Pflegepersonal, bewegt sich daher auch bei der vom Verfassungsgerichtshof geforderten Durchschnittsbetrachtung nicht an der Untergrenze des vom Kläger tatsächlich zu tragenden Aufwands. Dem Krankenversicherungsträger steht nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (zB V 97/03) ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Eine Verletzung dieses Spielraums wäre ihm nur dann vorzuwerfen, wenn er bei guter allgemeiner Finanzlage offensichtlich unzureichende Mittel für eine Zuschussregelung vorsieht, ohne plausible Gründe dafür dartun zu können (Kletter, DRdA 2006, 142). […]
7.1 Wesentlich für diese Beurteilung ist auch, dass, wie sich ja auch aus dem Vorbringen des Klägers im vorliegenden Fall ergibt, der beklagte Krankenversicherungsträger nicht allein leistungszuständig für den Kläger ist. Medizinische Hauskrankenpflege ist wie bereits ausgeführt ihrer Konzeption nach eine 248 krankenhausersetzende – also die Anstaltspflege ersetzende – Leistung (Schober in Sonntag, ASVG10 § 144 Rz 12). Die Anstaltspflege (§ 144 ASVG) hat grundsätzlich in einer über Landesgesundheitsfonds finanzierten Krankenanstalt zu erfolgen (§ 149 Abs 1 ASVG; VfGHB 304/05). Die Länder sind gemäß § 18 KAKuG verpflichtet, für ihre Landesbürger die öffentliche Anstaltspflege zu finanzieren (Felix in Sonntag, ASVG10 § 148 Rz 2). Die Krankenversicherungsträger haben Pauschalbeiträge zur Krankenanstaltenfinanzierung gemäß § 447f ASVG zu leisten. Soweit Leistungen, die mit den Pauschalbeiträgen der Sozialversicherungsträger zur Krankenanstaltenfinanzierung abgegolten sind, in (Gesundheits)Fondskrankenanstalten nicht erbracht worden sind und daraus für die Krankenversicherungsträger Mehrkosten entstanden sind, haben die Krankenversicherungsträger (in diesem Umfang) gemäß § 1042 ABGB Ersatzansprüche gegenüber den in Betracht kommenden […] Landesgesundheitsfonds, VfGHB 304/05[2.6.2 mwH].
7.2 Bereits Helfer (SozSi 2005, 130) hat herausgearbeitet, dass die Anstaltspflege im Idealfall sämtliche Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit erbringt, darüber hinaus aber auch noch weitere Leistungen, die originär nicht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen sind, wie zB Wohnung, Heizung, Betten, Reinigung, Verpflegung etc. Die Anstaltspflege werde seit 1997 von den Versicherungsträgern durch Zahlung eines Pauschalbetrags an die […] Landesgesundheitsfonds abgegolten. Diese wären dazu angehalten, die entsprechenden Einrichtungen zur Erbringung der Anstaltspflege bereit zu halten. Wenn sie dies aus ökonomischen Erwägungen nicht täten, weil die Vorhaltung von Betten für so wenige Menschen in der Situation des Klägers zu kostenaufwändig sei, so hätten sie, wenn dennoch ein solcher Fall der erforderlichen Anstaltspflege auftrete, jedenfalls die dafür entstehenden Kosten zu übernehmen.
7.3 Auch Pfeil hat darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn die Anstaltspflege aus besonderen Gründen nicht durchführbar sei, die Kostentragung nicht anders erfolgen könne, als wäre die vorrangig indizierte Anstaltspflege geleistet worden (Kostentragung für häusliche Anstaltspflege, Anm zu VfGHB 304/05, DRdA 2007/28, 281 [287]). Soweit die Notwendigkeit einer häuslichen Intensivpflege auf das Fehlen geeigneter stationärer Einrichtungen zurückgeht, zu deren Vorhaltung die Länder verpflichtet sind, kann dem jeweiligen Krankenversicherungsträger diesbezüglich kein Vorwurf gemacht werden. […]
8. Zutreffend verweist Pfeil (SozSi 2005, 140 f) schließlich auch darauf, dass ein beatmungspflichtiger Tetraplegiker auch als Mensch mit Behinderung anzusehen ist, der anspruchsberechtigt nach den Landes-Behindertengesetzen ist. […] Der Träger der Behindertenhilfe […] erbringt nach dem insofern unstrittigen Vorbringen des Klägers eine Direktleistung von 12.831,16 EUR für 30 Tage, wobei davon das dem Kläger gewährte Pflegegeld der Stufe 7 in Abzug gebracht werde. […] Allerdings ergibt sich auch daraus, dass das österreichische Gesundheitsund Sozialsystem gerade für Grenzfälle wie den Kläger mehrere Verantwortlichkeiten kennt (Pfeil, SozSi 2005, 141), was ebenfalls gegen eine Kostenerstattung nach Marktpreisen durch den Krankenversicherungsträger spricht.
9. Ergebnis: Die Leistungsverpflichtung der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse für die dem Kläger zu gewährende medizinische Hauskrankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich ist mit dem […] Kostenzuschuss von – zusammengefasst – 11,52 EUR pro Stunde normiert. […]“
Mit dieser ausführlichen E urteilt der OGH über die Kostenzuschusspflicht im Rahmen medizinischer Hauskrankenpflege. Das Höchstgericht setzt sich mit zahlreichen Fragen, von der Adäquanz der Höhe des Kostenzuschusses, über Ausgestaltung der Satzung des Krankenversicherungsträgers, bis hin zu Rangordnungsfragen der Leistungserbringung im Spannungsfeld Krankenanstaltenfinanzierung, Behindertenrecht und Sozialversicherungsrecht auseinander, die leider aus Platzgründen nur gestreift werden können. Von seinen bisherigen Entscheidungen wich der OGH insofern ab, als im vorliegenden Fall einerseits Unterbringung zu Hause der Anstaltspflege „deutlich überlegen“ ist und der nunmehrige Kostenzuschuss eher geeignet ist, den Pflegebedarf abzudecken (vgl Rz 4.1).
Unter Bezugnahme auf VfGH-Erkenntnisse ist beispielsweise eine Nicht-Anwendung der Satzung durch ordentliche Gerichte nur in Ausnahmefällen möglich (zB VfGH hob bereits auf). Umgekehrt wäre insb bei zu niedrig angesetzten Kostenersätzen bzw -zuschüssen schon dann eine Vorlage an den VfGH anzuregen, wenn der zu geringe Ersatz (Zuschuss) den Zugang zu Leistungen verunmöglicht. Dies deutet wohl eine differenziertere Betrachtung hinsichtlich der Höhe einzelner Beiträge in der Satzung auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Versicherten an. Daher könnte fraglich sein, ob pauschalierte Satzungsleistungen bei lebensnotwendigen Leistungen zulässig sind (Hauskrankenpflege, wohl aber auch Arzneimittel).
Aber auch der Begriff der Krankenbehandlung wird zutreffend weit angewendet. Schon das Erträglich- Machen des Leidens und die Verlängerung des Lebens sind bei dauernden Erkrankungen von § 133 ASVG umfasst. Damit ist auch klar, dass ein Gebrechen, solange die Selbstheilungskräfte des Körpers bzw Geists noch wirken, nicht vorliegen kann; dies wäre freilich aktuell nach dem Stand der (medizinischen) Wissenschaft zu bewerten, eine entsprechende Beweislast trifft wohl den Träger.
Unbefriedigend bleibt, dass leider gerade gravierendste Fälle wie der vorliegende die Probleme an den Schnittstellen und Finanzierungsgrenzen am sichtbarsten machen, letztendlich die Betroffenen 249 aber in der Schlucht der Unzuständigkeit liegen bleiben. Insofern wäre der Gesetzgeber dringend gefordert, beispielsweise durch Einführung eines onestop-shop-Prinzips den Zugang zur Sachleistungsversorgung sicherzustellen und die Abrechnungsmodalitäten von den Erkrankten fernzuhalten.