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Kein Unfallversicherungsschutz bei einem vom Arbeitgeber organisierten Skitag

SOPHIAMARCIAN

„Sportliche Betätigungen unterliegen dem Schutz der Unfallversicherung, wenn sie als betriebssportliche Veranstaltung zu werten sind. […] Aus dem Ausgleichszweck des Betriebssports […] wird in Lehre und Rechtsprechung das Erfordernis abgeleitet, dass die Ausgleichsaktivitäten ‚mit einer gewissen Regelmäßigkeit‘ abzuhalten sind (R. Müller in SVKomm [222. Lfg] § 175 ASVG Rz 81 mwN).“
„Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stehen betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen insoweit unter Unfallversicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist.“

SACHVERHALT

Die Kl, eine Vertragsbedienstete in der Personalabteilung der Landespolizeidirektion, nahm an einem jährlich stattfindenden Skitag, welcher jeweils von unterschiedlichen Abteilungen der Landespolizeidirektion organisiert wurde, gemeinsam mit einem Kollegen aus ihrer Abteilung sowie anderen Abteilungen teil. Die Teilnahme an dieser vom Sportwart der Landespolizeidirektion organisierten Veranstaltung stand grundsätzlich allen DN offen, allerdings gab es eine begrenzte TeilnehmerInnenzahl, da nur ein Transferbus organisiert wurde. Inklusive Hin- und Rückfahrt dauerte der Skitag von 7:00 bis 16:30, wovon der Kl vier Stunden als Dienstzeit angerechnet wurden und der Rest als Zeitausgleich konsumiert wurde. Für die An- und Abreise war ein Kostenbeitrag in Höhe von € 20,- für den organisierten Bus zu bezahlen, die Skikarten wurden von den DN selbst bezahlt. Der Skitag selbst konnte von den TeilnehmerInnen frei gestaltet werden, es gab weder ein verpflichtendes Rahmenprogramm, noch gemeinsame Mahlzeiten oder Pausen. Um etwa 13 Uhr dieses Skitages stürzte die Kl beim Skifahren und verletzte sich dabei.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles sowie die Gewährung von Leistungen ab. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Feststellung, die Verletzungen der Kl seien Folgen eines Arbeitsunfalles vom 15.3.2018, ab. Das Berufungsgericht begründete die ablehnende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im vorliegenden Fall nicht von (unfallversicherungsgeschützten) Betriebssport ausgegangen werden kann, ebenso bestehe kein Versicherungsschutz nach der bisherigen Rsp zu betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen. Eine ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. Sportliche Betätigungen unterliegen dem Schutz der Unfallversicherung, wenn sie als betriebssportliche Veranstaltung zu werten sind. Organisiert daher ein Dienstgeber […] einen Ausgleichssport, der dazu dienen soll, Gesundheitsoder Körperschädigungen vorzubeugen, so steht ein dabei erlittener Unfall unter Versicherungsschutz (RS0084657, zuletzt 10 ObS 141/15f, SSVNF 30/7). Aus dem Ausgleichszweck des Betriebssports […] wird in Lehre und Rechtsprechung das Erfordernis abgeleitet, dass die Ausgleichsaktivitäten ‚mit einer gewissen Regelmäßigkeit‘ abzuhalten sind (R. Müller in SVKomm [222. Lfg] § 175 ASVG Rz 81 mwN).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stehen betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen insoweit unter Unfallversicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist. Hiefür sind in jedem konkreten Fall eine Reihe von Faktoren in ihrem Zusammenhang und in ihrer ausschlaggebenden Bedeutung als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche ‚betriebliche Zielsetzung‘, die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander zu erreichen, muss die Gemeinschaftsveranstaltung allen Betriebsangehörigen oder, wenn die Größe oder die Erfordernisse des Betriebs keine gemeinsame Veranstaltung erlauben, wenigstens den Angehörigen der Abteilungen oder Gruppen, bei denen dies möglich ist, offen stehen. An ihr sollen, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle Betriebsangehörige teilnehmen, jedenfalls soll sie eine gewisse Mindestbeteiligung aufweisen. Die Gemeinschaftsveranstaltung muss vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden. Hiefür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder eines Organs, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung der Veranstaltung während der Arbeitszeit oder die Gewährung arbeitsfreier Zeit wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, so muss dies noch keinen Versicherungsausschluss bedeuten, doch kommt es darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche private Interessen beteiligt sind (10 ObS 54/12g SSVNF 26/35 mwN [Skiwochenende]; RS0084544; 253 RS0084647). Auch sportliche Betätigungen, wie etwa ein Skitag ohne Wettkampfcharakter (10 ObS 121/05zSSVNF 19/75), können im betrieblichen Interesse liegen bzw der Betriebsverbundenheit dienen. Entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung. […]
4. Dagegen führt die Revisionswerberin an, […] der Dienstgeber habe den Dienstsport daher erst durch hoheitlichen Akt (Erlass ‚Dienstsport‘) geschaffen und lege die Bedingungen fest, unter denen er auszuüben sei. Versicherungsschutz bestehe, weil der Skitag allen offen gestanden sei und weil eine Mindestbeteiligung der Dienstnehmer gegeben gewesen sei. Der Skitag sei infolge des Erlasses als Grundlage der Dienstsportausübung zumindest von der Autorität des Dienstgebers getragen. Maßgeblich sei, dass der Dienstsport am Unfalltag im Sinn dieses Erlasses ausgeübt worden sei. Die Sportart sei nicht nach Lust und Laune gewählt worden, Organisation und Durchführung seien durch eine vom Dienstgeber bestimmte Person erfolgt.
Der OGH führte dazu aus:
5.1 Eine einmalige sportliche Veranstaltung kann zwar bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen eine versicherte Gemeinschaftsveranstaltung sein, niemals aber, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, Betriebssport (R. Müller in SV-Komm [222. Lfg] § 175 ASVG Rz 80). Dies ergibt sich auch aus dem von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Erlass, der ausdrücklich eine zeitliche Begrenzung der einzelnen sportlichen Veranstaltungen mit vier Stunden vorsieht und vor allem deren gleichmäßige Aufteilung über das Jahr. Der Skitag ist nicht nur ein einmaliges Ereignis, sondern er übersteigt sowohl die vom Erlass vorgegebenen zeitlichen Grenzen für betriebssportliche Veranstaltungen als auch die Grenzen der nach dem Erlass von einem Sportwart dabei maximal zu betreuenden fünf bis 20 Bediensteten. Mit dem Argument, dass Sportwarte und das Zentrum für Sportangelegenheiten dem Dienstgeber zuzuordnen seien, zeigt die Revisionswerberin keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf, dass es sich bei dem einmal jährlich stattfindenden Skitag nicht um unfallversicherungsrechtlich geschützten Betriebssport handelt.
5.2 […] Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es sich nach diesen maßgeblichen Umständen des konkreten Einzelfalls nicht um eine unter Unfallversicherungsschutz stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handelte, zeigt die Revisionswerberin schon deshalb nicht auf, weil sie auch in diesem Zusammenhang mit dem Erlass des BMI argumentiert, der jedoch nicht die Abhaltung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung regelt, sondern das Ziel verfolgt, Bediensteten zur Ausübung von Betriebssport mit einer gewissen Regelmäßigkeit entsprechende zeitliche Möglichkeiten während der Dienstzeit zu verschaffen.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH hat sich schon häufig mit der Frage des Unfallversicherungsschutzes von Unfällen bei – vereinfacht gesagt – gemeinsamen Ausflügen von KollegInnen auseinandergesetzt. Dabei wurden unterschiedliche Kriterien für Betriebssport und Gemeinschaftsveranstaltungen, die beide dem Schutz der gesetzlichen UV unterliegen, herausgearbeitet.

Die Kl scheiterte mit ihrem Hauptargument, der vom DG organisierte und geförderte Skitag stelle einen unfallversicherungsgeschützten Betriebssport dar. Dieses Vorbringen wurde bereits von den Vorinstanzen abgelehnt, da es sich beim Betriebssport um einen regelmäßigen Ausgleich zum anspruchsvollen Arbeitsalltag der DN handelt. Ein einmalig im Jahr organisierter Skitag, mag er auch einem sportlichen und erholsamen Zweck dienen, erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Auch die von der Judikatur entwickelten Voraussetzungen und Merkmale einer unfallversicherungsgeschützten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung lagen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dieses Falles nicht in ausreichendem Maße vor. Am Skitag konnten nur eine begrenzte Anzahl von Bediensteten teilnehmen, da nur ein Transferbus vom Sportwart des DG organisiert worden war. Lediglich ein weiterer Mitarbeiter aus der Abteilung der Kl nahm teil. Die TeilnehmerInnen konnten nach der Ankunft im Skigebiet in frei gewählten Gruppen fahren. Es fehlte an einem die Verbundenheit zwischen Bediensteten und DG sowie zwischen Bediensteten untereinander fördernden gemeinsamen Rahmenprogramm. Der DG oder Vorgesetzte der Kl waren beim Skitag gar nicht vertreten. Auch wesentliche Teile der Kosten des Skitags, wie Liftkarte, Verpflegung und Transfer mussten von den TeilnehmerInnen selbst getragen werden.