Covid-19: Was ändert sich in der Sozialversicherung?
Covid-19: Was ändert sich in der Sozialversicherung?
Angesichts der Bedrohung durch das SARS-CoV-2-Virus brach in den letzten Wochen eine beträchtliche Menge an neuen Regelungen und Änderungen über uns herein. Die sogenannten „Covid-19-Pakete“ wurden im Eiltempo, zuerst noch mit Zustimmung aller Oppositionsparteien, als sogenannter „nationaler Schulterschluss“ bezeichnet, im Nationalrat beschlossen. Darunter waren nicht nur Bestimmungen zur Eindämmung und Bekämpfung des Virus, sondern auch Hilfspakete und Gesetze, die die nachteiligen Folgen unserer „neuen (Arbeits-)Realität“ hintanhalten sollen.
Dieser Artikel soll einen Überblick über die relevanten Änderungen im Bereich der SV geben und die neuen Regelungen einem ersten Praxischeck der Arbeiterkammer (AK) unterziehen.293
Norm | Inhalt | BGBl |
§ 1 des 36. BG, mit dem das BG über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefallfondsgesetz) geändert wird | Einbeziehung mehrfach und fallweise geringfügig Beschäftigter in den Härtefallfonds | BGBl I 2020/36vom 5.5.2020 (17. Covid-19-G) |
§ 735 ASVG § 258 B-KUVG § 12k Gehaltsgesetz 1959 § 29 Vertragsbedienstetengesetz 1948 | Covid-19-Risiko-Attest | BGBl I 2020/31vom 5.5.2020 (9. Covid-19-G) |
§ 736 ASVG § 378 GSVG § 372 BSVG § 259 B-KUVG | Verlängerung Kranken- oder Rehabilitationsgeldanspruch bei längerer Verfahrensdauer aufgrund Covid-19 (Abs 3) Verlängerung Schutzfrist (Abs 5) Verlängerung Selbstversicherung (Abs 6) Verlängerung Waisenpensionen und Mitversicherung (Abs 8) | BGBl I 2020/31vom 5.5.2020 (9. Covid-19-G) |
§ 49 Abs 3 Z 30 ASVG | steuerfreie Zulagen und Bonuszahlungen nach § 124b Z 350 lit a EStG (BGBl I 2020/23) | BGBl I 2020/23vom 4.4.2020 (3. Covid-19-G) |
§ 1 und § 2 BG betreffend Be-gleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz | Hemmung und Unterbrechung von Fristen | BGBl I 2020/16vom 21.3.2020 (2. Covid-19-G) |
§ 3 des 1. BG betreffend Be-gleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz | mit Einverständnis der Parteien mündliche Verhandlungen mittels Wort- und Bildübertragung abhalten | BGBl I 2020/30vom 5.5.2020 (8. Covid-19-G) |
§ 175 Abs 1a und 1b ASVG § 734 ASVG § 90 Abs 1a und 1b B-KUVG § 257 B-KUVG | UV Homeoffice Rückwirkendes Inkrafttreten | BGBl I 2020/23vom 4.4.2020 (3. Covid-19-G) |
§ 735 ASVG § 258 B-KUVG | Krankenversicherungsträger informiert Versicherte über Zugehörigkeit zur Covid-19-Risikogruppe | BGBl I 2020/23vom 4.4.2020 (3. Covid-19-G) |
§ 32 APG | Ausnahme vom Wegfall der Alterspension (§ 9 Abs 1 APG), Aufnahme einer Erwerbs-tätigkeit (Gesundheitsberufe) infolge Covid-19-Pandemie | BGBl I 2020/23vom 4.4.2020 (3. Covid-19-G) |
§ 80a Abs 9 ASVG | Überweisungsbetrag von 60 Mio € des Bundes an die ÖGK | BGBl I 2020/16vom 21.3.2020 (2. Covid-19-G) |
§ 733 ASVG | beitragsrechtliche Erleichterungen DG | BGBl I 2020/16vom 21.3.2020 (2. Covid-19-G) |
Anspruch auf Waisenpension haben gem § 260 ASVG nach dem Tod der Versicherten die Kinder iSd § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG. Die Kindeseigenschaft besteht ua dann über das 18. Lebensjahr hinaus, wenn sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die die Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.
Dies wurde im Rahmen des 9. Covid-19-Gesetzes* auf das Alter von 27 Lebensjahren und sechs Monaten erstreckt. Somit haben Kinder über 18, die sich in Ausbildung befinden, bis zum 27. Lebensjahr und sechs Monate Anspruch auf Waisenpension. Dies gilt rückwirkend ab dem 11.3.2020 und 294 für die Dauer der Covid-19-Pandemie, längstens jedoch bis zum 31.12.2020.
Da der mögliche Zeitraum der Regelung (ab 11.3.2020 für die Dauer der Pandemie, längstens bis zum 31.12.2020) sechs Monate überschreiten könnte, wäre auch eine Ausweitung auf maximal 27 Lebensjahre und neun Monate unter Umständen sinnvoll, sollten die Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie die Dauer von sechs Monaten überschreiten.
Gem § 9 Abs 2 APG fallen Korridor- und Schwerarbeitspension in dem Zeitraum weg, in dem von einer pensionierten Person vor Erreichung des Regelpensionsalters eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, die eine Pflichtversicherung begründet.
Dies gilt nach dem im Rahmen des 3. Covid-19-Gesetzes* geschaffenen § 32 APG nicht für Zeiträume im Jahr 2020, in denen eine ab dem 11.3.2020 aufgenommene gesundheitsberufliche Erwerbstätigkeit ausschließlich zum Zweck der Bewältigung der Pandemie ausgeübt wird. Die Betroffenen müssen diese Ausnahme vom Wegfall der Pension beantragen oder sie erfolgt aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des DG.
Damit soll ein Anreiz für bereits pensioniertes Gesundheits- und Pflegepersonal sowie ÄrztInnen geschaffen werden, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Es stellt sich allerdings die Frage, in welcher Form überprüft werden kann, ob die Erwerbstätigkeit ausschließlich zum Zweck der Bekämpfung der Pandemie aufgenommen wurde. Muss es in dieser Berufsgruppe (wie bei den Pflegekräften) einen Personalmangel geben, welcher nun durch die Krise zu Versorgungsengpässen führt, oder reicht es vielmehr aus, dass eine Ärztin wieder ihre Tätigkeit in einer Praxis oder Ambulanz aufnimmt. Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert.
Der Gesetzgeber hat die Anwendung dieser Regelung auf das Jahr 2020 begrenzt, sollte die Pandemie jedoch – wie erwartet wird – besonders im Winter 2020/2021 wieder neuen Antrieb bekommen, wäre dieser Tatbestand jedenfalls auch auf das Jahr 2021 zu erweitern.
Wenn ein Antrag auf Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit mangels Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) oder ein Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht (ASG) derzeit nicht entschieden werden kann, ist dem Leistungsbezieher die zuletzt bezogene, zeitlich befristete Leistung aus der KV oder PV weiter zu gewähren. Dasselbe gilt für die Weitergewährung von Rehabilitationsgeld. Der Weiterbezug kann längstens bis zum 31.5.2020 erfolgen, dieser Zeitraum kann aber bei Andauern der Krisensituation bis längstens 31.12.2020 verlängert werden.
Das bedeutet, dass Krankengeld auch über die Aussteuerung hinaus weiter gewährt wird und Rehabilitationsgeld bzw eine befristet zuerkannte Pension auch nach dem Entzug der Leistung bzw dem Ablauf weiter gewährt wird. Wenn also jemand nach langem Krankenstand die Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension beantragt, die Begutachtungen bei der PVA aber aufgrund der Krisensituation nicht stattfinden, kann das Krankengeld bis zum 31.5.2020 weiterbezogen werden. Dasselbe gilt, wenn die PVA bereits negativ entschieden hat und Klage bei Gericht eingebracht wurde.
Es ist davon auszugehen, dass eine Verlängerung des Weiterbezugs über den 31.5.2020 hinaus notwendig sein wird, da auch aktuell – Mitte Mai – die Begutachtungen in diesen Verfahren erst langsam wieder beginnen und bei weitem noch nicht alle GutachterInnen im Einsatz sind.
In § 736 Abs 5 ASVG wird festgelegt, dass über die Bestimmungen des § 122 hinaus Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit (Krankenbehandlung, medizinische Hauskrankenpflege und Anstaltspflege) und Leistungen der chirurgischen und konservierenden Zahnbehandlung auch zu gewähren sind, wenn die Erkrankung bis längsten 31.5.2020 eintritt. Bei längerer Dauer der Krisensituation kann dieser Zeitraum bis zum 31.12.2020 verlängert werden.
Die Regelung ist so zu verstehen, dass die sechswöchige Schutzfrist, die in § 122 Abs 2 Z 2 ASVG geregelt ist, bis 31.5.2020 verlängert wird. Da die Bestimmung kein Inkrafttretens-Datum hat, ist davon auszugehen, dass dies mit Kundmachung am 6.5.2020 in Kraft tritt. Wenn also die Schutzfrist in der KV zwischen 6.5. und 31.5.2020 ablaufen würde, gilt dies aktuell nicht.
Diese Regelung war notwendig, da aufgrund der Vielzahl von beendeten Dienstverhältnissen unzählige Menschen auch ihren Krankenversicherungsschutz 295verloren haben – und nicht alle davon haben beispielsweise Anspruch auf Arbeitslosengeld und daraus eine KV. Damit diese Betroffenen dennoch zumindest Sachleistungen im Krankheitsfall beziehen können, wurde diese Anspruchsverlängerung geschaffen.
Leider ist die Bestimmung nicht eindeutig formuliert, da nicht klar ist, wie die Voraussetzung „wenn die Erkrankung bis längstens 31. Mai 2020 eintritt“
auszulegen ist. Die AK fordert in diesem Zusammenhang eine Klärung, damit Rechtssicherheit für alle Betroffenen besteht. Es ist sehr problematisch, dass die Bestimmung kein Anfangsdatum enthält, da nun der Kundmachungstag herangezogen werden muss. Nur Personen, die nach dem 24.3.2020, somit über zehn Tage nach dem Beginn der Maßnahmen, gekündigt wurden, profitieren von dieser Bestimmung.
Im Zeitraum zwischen 11.3. und 24.3.2020 wurden bereits über 100.000 AN* gekündigt. Die Betroffenen können nun keinen ausgeweiteten Krankenversicherungsschutz in Anspruch nehmen. Nach Ansicht der AK wäre es in Anbetracht der massiven ersten Kündigungswelle Mitte März notwendig gewesen, die Verlängerung der Schutzfrist auch mit dem Beginn der Maßnahmen, also mit 11.3.2020, anzusetzen.
Studierende haben die Möglichkeit, sich nach § 16 iVm § 76 Abs 1 ASVG begünstigt in der KV selbst zu versichern. In der Regel endet diese automatisch, wenn die für zwei Kalendermonate fällig gewordenen Beiträge nicht entrichtet wurden. Dies gilt für die Dauer der Pandemie, längstens bis zum 31.12.2020, nicht. Das bedeutet, auch wenn derzeit keine Beiträge einbezahlt werden, wird die Selbstversicherung nicht automatisch beendet.
Außerdem wurde normiert, dass auch eine Überschreitung der Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe für die Studienrichtung um das Sommersemester 2020 außer Betracht bleibt.
Viele Studierende haben ebenfalls ihren Zuverdienst, oftmals über geringfügige Beschäftigungen, aufgrund der Corona-Krise verloren. Für sie gibt es bisher keine Möglichkeit, ihren Verdienstentgang durch die Hilfspakete auszugleichen. Daher ist es absolut notwendig, dass die Selbstversicherung nicht automatisch endet, wenn Beiträge nicht bezahlt werden.
Zusätzlich wäre es notwendig, auch für die Gruppe der geringfügig Beschäftigten einen Hilfsfonds oder ein sonstiges Maßnahmenpaket zu schnüren. Rund 60.000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wurden anhand aktueller Zahlen bereits im März 2020 beendet. Sie sind die einzige Gruppe, die derzeit weder von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch machen kann noch auf Zahlungen aus Hilfsfonds oder Arbeitslosengeld Anspruch hat. Rund 60 % der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse werden von Frauen ausgeübt. Die fehlenden Maßnahmen schaden daher vor allem den weiblichen Beschäftigten.*
Die Mitversicherung von Kindern über dem 18. Lebensjahr ist in der Regel bis zum 27. Lebensjahr möglich, wenn sich diese in Ausbildung befinden. Dies wurde im Rahmen des 9. Covid-19-Gesetzes auf das Alter von 27 Lebensjahren und sechs Monaten erstreckt. Somit haben Kinder über 18, die sich in Ausbildung befinden, bis zum 27. Lebensjahr und sechs Monate die Möglichkeit, sich bei ihren Eltern mitzuversichern. Dies gilt rückwirkend ab dem 11.3.2020 und für die Dauer der Covid-19-Pandemie, längstens jedoch bis zum 31.2.2020.
Es gilt dasselbe, was schon betreffend die Verlängerung der Kindeseigenschaft für die Waisenpension ausgeführt wurde. Da der mögliche Zeitraum der Regelung sechs Monate überschreitet, um die die Dauer ausgeweitet wurde, wäre unter Umständen eine Verlängerung sinnvoll, sollten die Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie die Dauer von sechs Monaten überschreiten.
Bereits mit dem 3. Covid-Gesetz wurden im April 2020 Bestimmungen zum Covid-Risiko-Attest im § 735 ASVG erlassen, mit dem 9. Covid-Gesetz wurden sie nun im Mai 2020 aktualisiert und mit dem 6.5.2020 ist auch die Risikogruppen-VO* in Kraft getreten.
Nach § 735 Abs 1 ASVG hat der Dachverband alle DN, geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge über die Zugehörigkeit zur Covid-19-Risikogruppe zu informieren. Die Definition dieser Gruppe ergibt sich aus der Verordnung (siehe unten). Der behandelnde Arzt hat dann die individuelle Risikosituation zu beurteilen und gegebenenfalls ein Covid-19-Attest auszustellen. Dies ist auch unabhängig vom Erhalt eines Schreibens des Dachverbands möglich.
Die Risikogruppen-VO definiert die allgemeine Covid-19-Risikogruppe und legt die medizinischen 296Indikationen fest, auf deren Basis ein Covid-19-Risikoattest ausgestellt werden kann. Diese umfassen schwere Erkrankungen (beispielsweise der Lunge), die einen schweren Verlauf einer Erkrankung mit Covid-19 wahrscheinlich machen. Abgesehen von den genannten medizinischen Indikationen kann ein Attest auch dann ausgestellt werden, wenn sonstige schwere Erkrankungen mit funktionellen oder körperlichen Einschränkungen vorliegen, die einen ebenso schweren Krankheitsverlauf annehmen lassen, wie bei den genannten Indikationen. Die das Attest ausstellende Ärztin hat dies in den eigenen Aufzeichnungen zu begründen und zu dokumentieren. Die Verordnung ist mit 6.5.2020 in Kraft getreten und die Covid-19-Risiko-Atteste können erstmals mit Wirksamkeit ab diesem Zeitpunkt ausgestellt werden.
Die arbeitsrechtlichen Folgen der Zuordnung zur Risikogruppe ergeben sich aus § 735 Abs 3 ASVG, wonach die Betroffenen freigestellt werden, wenn weder Homeoffice möglich ist noch ausreichende Schutzmaßnahmen vor einer Ansteckung am Arbeitsort getroffen werden. Der DG hat Anspruch auf Erstattung der daraus entstandenen Kosten durch den Krankenversicherungsträger, der dies wiederum vom Bund ersetzt bekommt.
Die AK sieht die Gesetzgebung rund um die Risikogruppen sehr kritisch. Einige Problempunkte konnten in der zweiten Fassung iSd Versicherten entschärft werden (insb der Ausschluss systemkritischer Berufe und geringfügig Beschäftigter), nach wie vor bietet diese Regelung aber nur einen lückenhaften Schutz für die Betroffenen.
So ist die Gruppe der Betroffenen zu eingeschränkt, da nur DN, Lehrlinge und geringfügig Beschäftigte umschlossen sind. Studierende, SchülerInnen sowie PensionistInnen und Arbeitslose können nach dieser Bestimmung kein Covid-19-Attest erhalten. So können Arbeitslose beispielsweise nicht auf Basis der Zugehörigkeit zur Risikogruppe (und dem Attest) besondere Schutzmaßnahmen bei Schulungen oder eine Berücksichtigung bei der Vermittlung einfordern.
Darüber hinaus ist es sehr problematisch, dass die Bestimmungen nur dann Anwendung finden, wenn die Betroffenen selbst zur Risikogruppe zählen. Wenn sie aber beispielsweise mit einem Kind oder einer Pensionistin zusammenwohnen, erhalten diese kein Attest und es ist auch keine Freistellung auf dieser Basis möglich. Dies wäre aber notwendig, um die Personen, die einer Risikogruppe zugehören, ausreichend zu schützen.
Insgesamt ist auch die zeitliche Komponente sehr kritisch zu sehen. Dass die Verordnung erst ein Monat nach erstmaligem Erlass des § 735 ASVG kundgemacht wurde, hat zu massiver Verunsicherung sowohl der Betroffenen als auch der behandelnden ÄrztInnen geführt. Wie die Regelung in der Praxis nun gehandhabt wird und welche Probleme sich dabei für die Versicherten ergeben, bleibt abzuwarten.
Von den Sozialpartnern wurde aufgrund der geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten wegen der Corona-Krise die Möglichkeit der Kurzarbeit, also einer zeitlich begrenzten Herabsetzung der Arbeitszeit, vereinbart. Diese dient zur Überbrückung von wirtschaftlichen Störungen im Zusammenhang mit der Pandemie und soll insb Kündigungen vermeiden. Die sehr umfassenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen können an dieser Stelle nicht erläutert werden, es soll aber kurz auf die sozialversicherungsrechtlichen Implikationen eingegangen werden.
Während der Kurzarbeit bleibt die Pflichtversicherung unverändert aufrecht und die Beiträge zur SV werden wie bisher, also auf Basis des ungekürzten Einkommens vor Eintritt in die Kurzarbeit, vom AG geleistet.
Für die betroffenen AN bedeutet dies, dass ihnen aus der Kurzarbeit in Zukunft keine Nachteile bei der Höhe ihrer Pension, ihres Kranken-, Wochen- oder Arbeitslosengeldes sowie ihrer Notstandshilfe erwachsen. Wenn in der Phase der Kurzarbeit eine Arbeitsunfähigkeit bei der Versicherten auftritt, wird das Krankengeld anhand des Einkommens vor der Kurzarbeit bemessen. Dasselbe gilt, wenn eine Wiedereingliederungsteilzeit vereinbart wird, auch hier wird das Einkommen vor der Kurzarbeit herangezogen.
Nach aktuellem Stand sind geringfügig Beschäftigte und PensionsbezieherInnen (die neben ihrer Alterspension erwerbstätig sind) nicht in die Kurzarbeit miteinbezogen. Hier sollte eine Lösung auf politischer Ebene angestrebt werden, da diese Betroffenen oft aufgrund ihrer geringen Pensionen auf das zusätzliche Einkommen angewiesen sind. Vor dem Hintergrund der durchschnittlich niedrigeren Alterspensionshöhe von Frauen, die insb auf unbezahlte Betreuungsleistungen, schlechtere Bezahlung und ein früheres Antrittsalter zurückzuführen sind und nicht zuletzt durch einen längeren Verbleib im Erwerbsleben ausgeglichen werden soll, konterkariert der Ausschluss dieser Gruppe von Erwerbstätigen aus der Kurzarbeit die bisherigen sozialpolitischen Maßnahmen. 297
Zuletzt im 17. Covid-19-Gesetz* sind mehrfach oder fallweise geringfügig Beschäftigte, deren Einkommen bei Monatsbetrachtung über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, in den Härtefallfonds einbezogen worden.
Mit dem 2. Covid-19-Gesetz* wurden verfahrensrechtliche Fristen, die nach dem 22.3.2020 zu laufen beginnen oder zumindest noch nicht abgelaufen sind, bis 30.4.2020 unterbrochen. Das bedeutet, sie haben mit 1.5.2020 begonnen neu zu laufen. Für das sozialgerichtliche Verfahren heißt dies beispielsweise, dass Berufungsfristen gegen Urteile des ASG unterbrochen wurden.
Fristen zur Einbringung einer Klage bei Gericht und zur Stellung eines Antrags wurden bloß von 22.3. bis 30.4.2020 gehemmt. Das bedeutet, dass dieser Zeitraum nicht in den Fristlauf einzurechnen ist. Ab 1.5.2020 läuft die (Rest-)Frist normal weiter. Dies gilt im Bereich der SV beispielsweise für Klagen gegen Bescheide der PVA, der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Mittlerweile haben die Gerichte ihre Tätigkeit wiederaufgenommen, die Fristen laufen daher wieder normal.
Mit dem 8. Covid-19-Gesetzespaket* wurde eine weitere verfahrensrechtliche Neuerung, die sich auch auf das Verfahren in Sozialrechtssachen auswirkt, eingeführt. Der § 3 Abs 1 des 1. BG betreffend Begleitmaßnahmen zu Covid-19 in der Justiz sieht vor, dass mit dem Einverständnis der beteiligten Parteien Verhandlungen (Anhörungen, mündliche Verhandlungen, Beweisaufnahmen) „unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung“ durchgeführt werden können „sowie auf diese Weise auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 277 ZPO Beweise in der mündlichen Verhandlung oder außerhalb dieser aufnehmen und sonst der Verhandlung beizuziehende Personen teilnehmen lassen“. Das Einverständnis gilt als erteilt, sofern nicht binnen einer (vom Gericht festgesetzten) angemessenen Frist widersprochen wird.
Dies ermöglicht, sofern dem erkennenden Gericht und allen Beteiligten die technischen Mittel zur Verfügung stehen, Verhandlungen ausschließlich über Telekommunikationsmittel abzuhalten. Fraglich ist allerdings, angesichts der Ausstattung der Gerichte, inwiefern sich das in der Praxis umsetzen lässt.
Bereits im 2. Covid-19-Gesetzespaket* wurden erste Erleichterungen für die durch die Covid-19-Pandemie betroffenen UnternehmerInnen geschaffen. Diese sind so ausgestaltet, dass die mit einem Betretungsverbot nach der VO BGBl II 2020/96(Handels- und Dienstleistungsunternehmen sowie Freizeit- und Sportbetriebe) belegten oder nach § 20 Epidemiegesetz 1950 (BGBl 1950/186 iVm der VO BGBl II 2020/74) von Schließungen oder Betriebsbeschränkungen betroffenen Unternehmen ihre Sozialversicherungsbeiträge für die Zeiträume Februar bis April 2020 verzugszinsenfrei stunden können (Abs 1).
Die Beitragsforderungen all jener Unternehmen, die von dieser Definition nicht umfasst sind, können ebenfalls verzugszinsenfrei (für Februar, März, April 2020) gestundet werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Beiträge aus Gründen der fehlenden Unternehmensliquidität wegen der Covid-19-Pandemie nicht entrichtet werden können.
Zudem sieht der § 733 ASVG vor, dass Beiträge für die Zeiträume März, April und Mai 2020 nicht einzutreiben sind sowie keine Insolvenzanträge (nach § 65 IO) wegen Nichtentrichtung fälliger Beiträge zu stellen sind. Weiters sind für den genannten Zeitraum, entgegen dem § 114 Abs 1 Z 2-6 ASVG, keine Säumniszuschläge vorzuschreiben.
Die Regelungen des Abs 1 und 2 umfassen ebenso jene DG-Beiträge, welche nach dem betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) (sowie den Landarbeitsordnungen) vorgesehen sind (Abs 5).
Diese Zeiträume können mittels Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (bei Fortdauer der Pandemie) um bis zu drei Kalendermonate verlängert werden.
Im § 49 Abs 3 Z 30 ASVG wurde eine weitere Ausnahme der sozialversicherungsbefreiten Tatbestände geschaffen. Demnach sind alle Zahlungen 298 (Zulagen und Bonuszahlungen) nach dem § 124b Z 350 lit a EStG „die aufgrund der COVID-19-Krise zusätzlich geleistet werden“
im Kalenderjahr 2020 bis € 3.000,– steuerfrei. Es muss sich dabei um zusätzliche Zahlungen handeln, die ausschließlich zu diesem Zweck geleistet werden und üblicherweise bisher nicht gewährt wurden. Für solche Zahlungen sind daher auch keine Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, sie wirken sich daher auch nicht erhöhend auf die Bemessungsgrundlagen für Pensions- oder Krankenversicherungsleistungen aus.
Aus dem Krisenbewältigungsfonds ersetzt der Bund der ÖGK für das Geschäftsjahr 2020 einen Betrag in Höhe von 60 Mio €. Dies stellt allenfalls einen Teilkostenersatz für die durch die Corona-Krise bedingten Mehrkosten der ÖGK dar.
Eine genaue Abschätzung der Mehrkosten ist, angesichts dessen, dass wir uns erst am Beginn der gesundheitlichen bzw wirtschaftlichen Krise befinden, nur schwer möglich. Eines kann aber mit Sicherheit gesagt werden: Die ÖGK hat im Geschäftsjahr 2020 (und wahrscheinlich auch danach) mit erheblichen Mehrkosten bei gleichzeitig massiven Einnahmeeinbußen zu kämpfen. Die Mehrkosten durch die Ausgaben im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sind noch nicht abschätzbar, zusätzlich zu den jährlich steigenden Kosten für Medikamente oder Honorare wird der Budgethaushalt der ÖGK durch diese Situation massiv belastet. Demgegenüber stehen auch Einbrüche bei den Einnahmen, erstens durch die steigende Arbeitslosigkeit, zweitens durch die umfassenden und notwendigen Beitragsstundungen für UnternehmerInnen aufgrund der Corona-Krise, die sich bislang auf 880 Mio € belaufen.* In Verbindung mit der wie erwartet hohen Zahl an Insolvenzen in den kommenden Monaten, läuft die ÖGK Gefahr, auf einem beträchtlichen Teil ihrer Beitragsforderungen sitzen zu bleiben. Zuletzt werden in diesem Geschäftsjahr auch die Fusionskosten des Umbaus der SV schlagend, wodurch die ÖGK noch zusätzlich zu den aktuellen Faktoren finanziell stark belastet wird.*
Mit dem 3. Covid-19-Gesetzespaket wurde durch das Hinzufügen der Abs 1a und 1b im § 175 ASVG der Unfallversicherungsschutz für Versicherte, die während der Pandemie im Homeoffice arbeiten (müssen), gewissermaßen erweitert. Im § 734 ASVG ist eine rückwirkende Anwendung auf Versicherungsfälle ab 11.3.2020 sowie ein Ablaufdatum der Regelung mit 31.12.2020 vorgesehen.
Bisher wurden Unfälle, welche sich in den eigenen (überwiegend privat genutzten) Räumlichkeiten der Versicherten ereigneten, angelehnt an die Judikatur für Selbstständige, nur dann als Arbeitsunfälle anerkannt, wenn sich eine aus der betrieblichen Sphäre stammende Gefahr verwirklicht hat. Das bedeutet, dass eine Gefahr aus der privaten Sphäre, zB das Ausrutschen auf einer Treppe oder dem Boden zu Hause, selbst wenn dies während eines beruflichen Telefonats passiert, nicht dazu führt, dass ein Unfallversicherungsschutz besteht. Nach der Rsp soll es nicht davon abhängen, dass ein Unfall zu Hause zum Arbeitsunfall wird, weil es „zufällig“ während des Erbringens der beruflichen Tätigkeit passiert ist.* Anders wäre es, wenn man durch die berufliche Tätigkeit so stark abgelenkt oder in Eile ist, dass dies der Grund für den Sturz ist.*
Diese Abgrenzungsprobleme stellen sich bei einem Unfall, der sich zu Hause, aber in einem ausschließlich beruflich genutzten Raum (Arbeitszimmer), während der üblichen Arbeitszeit ereignet, weniger ausgeprägt. Diese Unterscheidung wird – zu Recht – in der Literatur kritisch gesehen, die deutsche Rsp stellt in ihren jüngeren Entscheidungen bereits viel stärker auf die sogenannte Handlungstendenz, also den Zweck (beruflich oder privat), welchen die Handlung der Versicherten verfolgt, ab.*
Durch die Regelung des Abs 1a des § 175 ASVG soll nun, entgegen der Rsp, ein Versicherungsschutz für jene Fälle bestehen, in denen sich eine Gefahr in den nun aufgrund der Covid-19-Pandemie als Homeoffice genutzten (grundsätzlich privaten) Räumlichkeiten, verwirklicht, die aus dem privaten Bereich der Versicherten – nämlich der Wohnung – stammt. Dabei ist es nicht Voraussetzung, dass das Homeoffice aufgrund der Covid-19-Pandemie angeordnet 299wurde. Auch Versicherte, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, genießen diesen Schutz während der „Dauer von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I Nr 12/2020“
.*
Mit dem Abs 1b des § 175 ASVG wird der „Aufenthaltsort“ als „Arbeitsstätte“ definiert. Das führt wiederum zu einer Erweiterung des Versicherungsschutzes, so ist nicht nur die Wohnung der Versicherten umfasst, sondern beispielsweise auch ein Wochenenddomizil oder die Wohnung der Partnerin oder anderer Familienmitglieder, wenn dort gearbeitet wird. Die Einschränkung des Versicherungsschutzes gem § 175 Abs 2 Z 7 ASVG, wonach die Wege zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse, wie der Toilettengang, Mittagessen etc, in der Arbeitszeit oder während der Pausen nur insofern geschützt sind, wenn sie außerhalb der Wohnung der Versicherten passieren, sind durch den neu eingeführten Abs 1b aufgehoben. Somit genießen Versicherte nun auch im Homeoffice (wie im Betrieb) einen Unfallversicherungsschutz beim Zubereiten oder Einnehmen des Mittagessens und anderen lebensnotwendigen Bedürfnissen.*