Pflege von Angehörigen – Aktuelle Judikatur zur Weiterund Selbstversicherung in der Pensionsversicherung
Pflege von Angehörigen – Aktuelle Judikatur zur Weiterund Selbstversicherung in der Pensionsversicherung
Die zentrale Rolle, die Angehörige in Pflege und Betreuung übernehmen, ist von wesentlicher Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Pflegevorsorgesystems. Rund 10 % der österreichischen Bevölkerung betreuen und pflegen informell ihre Angehörigen, 801.000 betreuen Pflegebedürftige zu Hause, wobei der Anteil der Frauen in der häuslichen Pflege 73 % beträgt. 30 % der pflegenden Angehörigen sind zusätzlich zur Pflege zu Hause berufstätig, 28 % der pflegenden Angehörigen haben ihre Erwerbstätigkeit neben Pflege und Betreuung eingeschränkt oder aufgegeben. Das Belastungsempfinden im häuslichen Setting wird von 48 % als stark oder sehr stark angegeben (Schiebel, Die Rolle der pflegenden Angehörigen mit Fokus auf Demenz, DAG 2020/13 [27]).
Die sozialversicherungsrechtliche Absicherung – wie im folgenden Beitrag näher beleuchtet – stellt daher ein wichtiges Unterstützungsangebot dar.
In der Pensionsversicherung (PV) gibt es für pflegende Angehörige die Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern, wobei die Beiträge für diese freiwillige PV unter bestimmten Voraussetzungen zur Gänze vom Bund übernommen werden. Es werden dabei Versicherungszeiten und Pensionsansprüche erworben. Es gibt drei verschiedene Varianten der freiwilligen PV für pflegende Angehörige, die in Folge vorgestellt werden sollen.
Eine Weiterversicherung in der PV ist nach § 17 Abs 1 ua für Personen möglich, die aus der Pflichtversicherung nach dem ASVG ausgeschieden sind oder ausscheiden und in den letzten 24 Monaten vor dem Ausscheiden zumindest zwölf Monate, in den letzten fünf Jahren jährlich mindestens drei Versicherungsmonate oder 60 Versicherungsmonate vor Antragstellung erworben haben. Sie ist also nur möglich, wenn eine bestimmte Anzahl an Vorversicherungsmonaten vorliegen.
Die Beitragsgrundlage ist gem § 76a Abs 1 ASVG anhand der Summe der Beitragsgrundlagen des letzten Kalenderjahres vor dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung zu berechnen, der Beitragssatz ist 22,8 %.
Die Beiträge werden für pflegende Angehörige nach § 77 Abs 6 ASVG zur Gänze vom Bund getragen, wenn
das Ausscheiden aus der Pflichtversicherung zur Pflege einer nahen Angehörigen,
mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest der Stufe 3 in häuslicher Umgebung,
unter gänzlicher Beanspruchung der Arbeitskraft, erfolgt ist. Pro Pflegefall kommt dies nur für eine einzige Person in Betracht (siehe dazu Kapitel 3.2.2. Diskussion der E des VwGH).
Als nahe Angehörige gelten EhegattInnen, eingetragene PartnerInnen, LebensgefährtInnen, Wahl-, Stief- und Pflegekinder und Wahl-, Stief- und Pflegeeltern sowie alle verwandten oder verschwägerten Personen in gerader Linie oder bis zum vierten Grad der Seitenlinie (also zB Kinder, Eltern, Großeltern, Geschwister, Nichten und Neffen, Cousins und Cousinen, Tanten und Onkel).
Gem § 18b ASVG ist eine Selbstversicherung in der PV für Personen vorgesehen, die eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen. Je Pflegefall kann wiederum nur eine Person selbstversichert sein.
Gem § 76b Abs 5a ASVG ist die monatliche Beitragsgrundlage für die Selbstversicherten nach § 18b ASVG der Betrag nach § 44 Abs 1 Z 18 ASVG (2020: € 1.922,59), der Beitragssatz ist wiederum 22,8 %. Gem § 77 Abs 8 ASVG werden die Beiträge zur Gänze aus Mitteln des Bundes getragen.
Die Selbstversicherung setzt somit – im Unterschied zur Weiterversicherung – keine Vorversicherungszeiten voraus. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Beanspruchung der Arbeitskraft nur „erheblich“ und nicht „gänzlich“ sein muss. Auf die 304 genaue Abgrenzung dieser Begrifflichkeiten wird in Kapitel 3.1. noch genauer eingegangen.
Gem § 18a ASVG gibt es eine eigene Selbstversicherung für Personen, die ein behindertes Kind (für das erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird) unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen. Dies ist längstens bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes möglich und auch diese freiwillige Versicherung kann pro Kind nur für eine Person bestehen.
Gem § 76b Abs 5a ASVG ist die monatliche Beitragsgrundlage für die Selbstversicherten nach § 18a ASVG der Betrag nach § 44 Abs 1 Z 18 ASVG (2020: € 1.922,59), der Beitragssatz ist wiederum 22,8 %. Gem § 77 Abs 7 ASVG sind für die nach § 18a ASVG Selbstversicherten die Beiträge zu zwei Dritteln aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und zu einem Drittel aus Mitteln des Bundes zu tragen.
Im Unterschied zur Selbstversicherung nach § 18b ASVG wird hier eine „überwiegende“ Beanspruchung der Arbeitskraft gefordert. § 18a Abs 3 ASVG enthält hierzu auch eine Legaldefinition, in welcher einerseits auf die Schulpflicht und andererseits auf einen ständigen persönlichen Hilfs- und Pflegebedarf abgestellt wird.
Die verschiedenen Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung in der PV für pflegende Angehörige stehen nebeneinander zur Verfügung, wobei die Selbstversicherung nach § 18a ASVG eine Sonderform darstellt, da sie nur bei der Pflege eines behinderten Kindes zur Verfügung steht. Ob die Selbst- oder die Weiterversicherung die bessere Option ist, hängt insb von den vorherigen Einkünften (vorhandenen Vorversicherungszeiten) und dem Ausmaß der Erwerbstätigkeit neben der Pflege ab. Anhand der aktuellen Judikatur des VwGH sollen nun im nächsten Kapitel einige Problemfelder näher betrachtet werden und eine Abgrenzung der Versicherungsmöglichkeiten anhand der Beanspruchung der Arbeitskraft erfolgen.
Der VwGH hat sich in den letzten Jahren immer wieder mit der Selbst- und Weiterversicherung für pflegende Angehörige auseinandergesetzt. Im Folgenden sollten daher aktuelle Problemfelder anhand dieser aktuellen Judikatur aufgezeigt und erläutert werden. Der Fokus liegt zeitgemäß auf der jüngsten E des VwGH vom 20.11.2019, Ro 2019/08/0019. Zuvor soll aber noch die Rsp im Zusammenhang mit der zeitlichen Auslastung durch die Pflege erläutert werden, da sie für die Praxis besonders relevant ist.
Mit der E vom 19.1.2017, Ro 2014/08/0084, hat der VwGH eine genaue zeitliche Abgrenzung der verschiedenen Formen der Selbst- und Weiterversicherung für pflegende Angehörige in der PV vorgenommen.
Bei der Weiterversicherung wird die „gänzliche“ Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege gefordert, bei der Selbstversicherung für pflegende Angehörige die „erhebliche“ und bei Pflege eines behinderten Kindes die „überwiegende“ Beanspruchung. Der VwGH orientiert sich bei seiner Auslegung an der Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche und an einer Wortauslegung, nach welcher „überwiegend“ nach dem allgemeinen Verständnis mehr als „erheblich“ ist.
Der VwGH hat mit seiner E ausgesprochen, dass bei einem Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich, also 60 Stunden monatlich, von einer „erheblichen“ Beanspruchung auszugehen ist. Von einer „überwiegenden“ Beanspruchung ist nach Ansicht des VwGH ab einem Pflegeaufwand von 21 Stunden wöchentlich auszugehen, da dies mehr als die Hälfte der Normalarbeitszeit ist. Eine „gänzliche“ Beanspruchung der Arbeitskraft ist immer dann gegeben, wenn daneben keine bzw nur mehr eine geringfügige Tätigkeit ausgeübt werden kann. Da sich der VwGH bei der Einordnung an einer Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche orientiert, ist beim Vorliegen eines solchen Pflegeaufwands wohl jedenfalls von einer gänzlichen Beanspruchung auszugehen. Zusätzlich gibt es in § 18a Abs 3 ASVG auch eine Legaldefinition.
Exkurs: Selbst- und Weiterversicherung für pflegende Angehörige neben 24-Stunden-Betreuung?
Im Zusammenhang mit der Frage der zeitlichen Auslastung durch die Pflege hat der VwGH auch festgestellt, dass eine Selbstversicherung als pflegende Angehörige auch dann zulässig sein kann, wenn zusätzlich auch eine 24-Stunden-Betreuung tätig ist. In seiner E zu Ro 2016/08/0021 vom 30.11.2018 hat er sich damit nochmals näher befasst und ua ausgeführt, dass auch eine 24-Stunden- Kraft Pausen benötigt. Bei einem Pflegebedürftigen, der rund um die Uhr betreut werden muss, muss in diesen Pausen jemand die Betreuung übernehmen. Schon daraus kann sich eine „erhebliche“ Beanspruchung der Arbeitskraft ergeben und dadurch ein Anspruch auf eine Selbstversicherung 305 nach § 18b ASVG vorliegen. Im Einzelfall muss natürlich immer geprüft werden, ob der Pflegeaufwand das notwendige Ausmaß erreicht, weshalb dies insb bei höheren Pflegestufen relevant ist.
Mit seinem Erk vom 20.11.2019, Ro 2019/08/0019, hat der VwGH – recht überraschend – eine zeitliche Überschneidung einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG und einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG als zulässig angesehen.
Eine Selbstversicherung zur Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG war bis zur Novelle BGBl I 2015/2BGBl I 2015/2für die Zeit einer Pflichtversicherung oder aber auch einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG ausgeschlossen. Die Selbstversicherung nach § 18b ASVG sah einen solchen Ausschluss nie vor. Mit der Novelle im Jahr 2015 wurden die beiden Varianten der Selbstversicherung aneinander angeglichen. Ziel war es dabei, neben der Pflege von Angehörigen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zuzulassen. Nach Ansicht des VwGH bezieht sich das auch auf die Ermöglichung einer gleichzeitigen Weiterversicherung, zumal diese es der Versicherten ermöglicht, die mit ihrer früheren Erwerbstätigkeit verbundene pensionsrechtliche Absicherung weiterzuführen.
Eine zeitliche Überschneidung einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG und einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG (unter Bildung der Beitragsgrundlage nach § 76 Abs 5a ASVG, dh bis zur jeweiligen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage) sei somit zulässig. Andernfalls würde die pflegende Angehörige von der Begünstigung durch Beitragsleistung des Bundes in wohl gleichheitswidriger Weise ausgeschlossen.
Diese E steht entgegen den bisherigen Lehrmeinungen, wonach eine zeitliche Überschneidung von Selbst- und Weiterversicherung bei Pflege einer nahen Angehörigen nicht möglich ist (vgl Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 18b ASVG Rz 10 [Stand 1.7.2018, rdb.at]; Petridis, Sozialversicherung und „Pflege“, ASoK 2007, 286), sondern – bei Erfüllung aller Voraussetzungen – für die pflegenden Angehörigen eine „Wahlfreiheit“ besteht (vgl Resch, Neuregelung der sozialrechtlichen Absicherung pflegender naher Angehöriger, iFamZ 2010, 81). Begründet wird dies insb damit, dass die Weiterversicherung eine „gänzliche“ Beanspruchung der Arbeitskraft erfordert und somit daneben keine „erhebliche“ Beanspruchung der Arbeitskraft möglich sein kann.
Der VwGH betrachtet dies aber nun mit besonderer Beachtung des Zwecks des § 17 ASVG, nämlich die Weiterführung der pensionsrechtlichen Absicherung aus einer früheren Erwerbstätigkeit. Er argumentiert, dass eine pflegende Angehörige nicht aufgrund einer vorliegenden Weiterversicherung von der begünstigten Selbstversicherung nach § 18b ASVG ausgeschlossen sein darf. Dass die Pflegende auch in den Genuss der Begünstigung durch Beitragstragung des Bundes nach § 77 Abs 6 ASVG kommen könnte, ändert seiner Einschätzung nach daran nichts.
Der VwGH eröffnet nun die Möglichkeit für pflegende Angehörige, mehrere freiwillige Versicherungen zu kumulieren. Auf den ersten Blick ist dies natürlich zu begrüßen, da eine bessere Absicherung von pflegenden Angehörigen jedenfalls notwendig und in bestimmten Fällen durch ein Nebeneinander von Selbst- und Weiterversicherung zumindest teilweise gewährt ist. Bei genauerer Betrachtung erscheint die Auslegung des VwGH aber zumindest fragwürdig.
Die wesentliche Differenzierung zwischen der begünstigten Weiter- und der Selbstversicherung für pflegende Angehörige ist das Vorliegen von Vorversicherungszeiten und das Ausmaß der Beanspruchung der Arbeitskraft. Die Weiterversicherung verlangt einerseits Vorversicherungszeiten und andererseits eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege. Somit hat sie die „strengeren“ Voraussetzungen. Dies bedeutet aber, dass alle Personen, die die Voraussetzung für eine begünstigte Weiterversicherung nach § 77 Abs 6 ASVG erfüllen, in der Regel auch die Voraussetzungen nach § 18b ASVG erfüllen. Eine mögliche Kumulation kommt daher vorrangig denen zu Gute, die Vorversicherungszeiten aufweisen. Diese Personen sind aber in der Regel finanziell eher besser abgesichert als die Betroffenen, die auch vor der Pflege einer nahen Angehörigen keine Zeiten der Pflichtversicherung aufweisen. Somit wird die finanzielle Schieflage durch die Besserstellung dieses sehr eingeschränkten Personenkreises (vorliegende Vorversicherungszeiten und gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege) eher verstärkt und es stellt sich daher die Frage, ob dies zur allgemeinen besseren Absicherung von pflegenden Angehörigen zielführend ist.
Zusätzlich ist auch fragwürdig, wie diese zeitliche Überschneidung von begünstigter Weiter- und Selbstversicherung in der PV mit der Einschränkung zusammenpasst, wonach pro Pflegefall jeweils nur eine Person begünstigt selbst- oder weiterversichert sein kann. Wenn nun beispielsweise zwei Angehörige eine Pflegebedürftige betreuen, könnte sich nur einer davon (gleichzeitig) selbstund weiterversichern. Es wäre aber nach der bisherigen Interpretation der Rechtslage trotz offenem Wortlaut (vgl Resch, Neuregelung der sozialrechtlichen 306 Absicherung pflegender naher Angehöriger, iFamZ 2010, 81) nicht möglich, dass sich eine pflegende Angehörige begünstigt selbstversichert und die zweite begünstigt weiterversichert.
In Anbetracht der gegenständlichen Judikatur kann aber davon ausgegangen werden, dass dies sehr wohl zulässig ist, wenn das geforderte Ausmaß der Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege und auch die sonstigen Voraussetzungen jeweils erfüllt sind.
Nach Meinung der Autorinnen trägt diese Auslegung der gegenständlichen Judikatur der Realität der pflegenden Angehörigen insofern Rechnung, als bei hohem Betreuungsbedarf einer Pflegebedürftigen nicht angenommen werden kann, dass eine Person alleine diesen bewältigen könne. Wenn die begünstigte Selbstversicherung in der PV auch in solchen Fällen nur für eine pflegende Angehörige möglich ist, stellt sich die Frage der Kompensation des zusätzlichen Betreuungsbedarfes. Dass es in solchen Fällen zu informeller Betreuung durch weitere Angehörige ohne entsprechende Selbstversicherungsmöglichkeit kommt, ist wahrscheinlich.
Der VwGH hat durch seine aktuellen Entscheidungen einiges an Klarheit, insb hinsichtlich der notwendigen Beanspruchung der Arbeitskraft für die verschiedenen Formen der Absicherung pflegender Angehöriger, gebracht. Es scheint, als wäre der VwGH eher „großzügig“ bzw als würde er eher versuchen, die Rechtsfragen iSd pflegenden Angehörigen zu lösen. Dies ist in Anbetracht der oftmals sehr schwierigen Lage der Betroffenen grundsätzlich auch zu begrüßen. Die jüngste Judikatur geht aber wohl über das Notwendige hinaus und führt auch nicht wirklich zu einer Verbesserung für den Großteil der Betroffenen. Daher sollen im nächsten Kapitel mögliche Maßnahmen vorgeschlagen werden, die nach Ansicht der Autorinnen wichtig wären, um die Situation pflegender Angehöriger nachhaltig zu verbessern.
Die Betreuung und Pflege von Angehörigen stellt viele Betroffene vor die Herausforderung, zwischen Beruf und oft intensiver Betreuung einer nahestehenden Person zu wählen. Die Ausweitung der Selbstversicherung auch für berufstätige Personen ist daher ein wichtiger Schritt, zu verhindern, dass vor allem Frauen aufgrund der Pflege ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen. Auch eine angemessene Bewertung von Zeiten der Pflege und Betreuung in der PV ist ein wesentlicher Hebel, um die großteils weiblichen pflegenden Angehörigen entsprechend abzusichern. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass gesellschaftlicher Druck und Verantwortungsübernahme gegenüber Angehörigen sowie der Mangel an leistbaren Angeboten in der extramuralen Langzeitpflege eine echte Wahlmöglichkeit für viele Frauen de facto ausschließt. Außerdem zeigen Erfahrungen in der Interessenvertretung, dass die Doppelbelastung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann.
Es ist notwendig, allen Betroffenen mehr Möglichkeiten insb auch zur finanziellen Absicherung während der Pflege (und nicht nur die Absicherung für die Pension) zu schaffen. Die Möglichkeiten der Pflegekarenz und -teilzeit sind zeitlich sehr begrenzt und reichen dafür oftmals nicht aus. Eine Verbesserung oder Ausweitung in diesem Bereich wäre daher besonders wichtig.
Als Sofortmaßnahmen können die Valorisierung des Pflegegeldes und der Ausbau alternativer Betreuungsformen mit entsprechend flexiblen Angeboten sowie eine umfassende, schnelle Information über Unterstützungsangebote Abhilfe leisten. Langfristig ist jedenfalls eine ausreichende Implementierung von Langzeitpflege in das öffentliche Gesundheitssystem unumgänglich, um echte Wahlfreiheit für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu gewährleisten. Pflege und Betreuung durch qualifiziertes und entsprechend entlohntes Personal muss daher unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Betroffenen sichergestellt werden. Dies bedarf einer nachhaltigen solidarischen Finanzierung im Rahmen des öffentlichen Gesundheits- und Sozialsystems.
Die Relevanz fachlich richtiger Pflegegeldeinstufungen sei an dieser Stelle hervorgehoben. Insb auch die stärkere Berücksichtigung psychosozialer Fragstellungen der Begleitung, Anleitung und Motivation von kognitiv eingeschränkten Menschen kann die systematisch schlechteren Einstufungen bei Demenz oder anderen psychischen Erkrankungen hintanhalten. Dies ist im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Thema vor allem deswegen wichtig, da die Gewährung von Pflegegeld mindestens der Stufe 3 für die begünstigte Selbst- oder Weiterversicherung in der PV Voraussetzung ist.
Die Autorinnen sehen sich auf Grund der aktuellen sozialpolitischen Brisanz in der Verantwortung, im Rahmen dieses Beitrags darauf hinzuweisen, dass das Modell der 24-Stunden-Betreuung dringender struktureller Überarbeitung bedarf. Nur ein öffentlich finanziertes Anstellungsmodell der BetreuerInnen bei (öffentlichen) Trägern gewährleistet gute Arbeitsbedingungen und qualitative Betreuung und Pflege.307