101Berechtigter Rückforderungsanspruch bei irrtümlicher Zahlung eines überhöhten Betrags nach Vergleichsabschluss
Berechtigter Rückforderungsanspruch bei irrtümlicher Zahlung eines überhöhten Betrags nach Vergleichsabschluss
Der bei der Kl beschäftigte Bekl wurde am 25.4.2014 entlassen. Infolgedessen brachte er eine Klage ein und forderte Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung sowie Feiertagszuschläge. Die Parteien schlossen in diesem Verfahren am 18.1.2016 einen Generalvergleich (ua) mit dem Inhalt, dass sich die ehemalige AG verpflichtet, binnen 14 Tagen ab 232 Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu Handen des Klagevertreters eine Kündigungsentschädigung von brutto € 7.000,- zu bezahlen.
Nach Rechtswirksamkeit des Vergleichs überwies die ehemalige AG am 17.2.2016 € 7.000,- an den Klagsvertreter, der wiederum das Geld weitertransferierte.
Zwischen dem 16.2. und 28.4.2016 führte die ehemalige AG den sich aus dem Vergleichsbetrag ergebenden DN-Beitrag zur SV von € 1.274,- an die Tiroler Gebietskrankenkasse ab.
Die ehemalige AG begehrte klagsweise vom Bekl den Ersatz dieses Sozialversicherungsbeitrages und brachte vor, die Überweisung von € 7.000,- ohne Abzug des Sozialversicherungsbeitrages sei irrtümlich erfolgt, und die Bekl sei daher in diesem Umfang ungerechtfertigt bereichert.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und das Berufsgericht der Berufung des Bekl nicht Folge. Das Berufungsgericht führte in seiner Begründung aus, dass der Vergleich als Neuerungsvertrag anstelle allfälliger Ansprüche des Bekl aus dem vorgehenden Arbeitsverhältnis trete, sodass § 60 ASVG (Abzug des Versichertenbeitrages vom Entgelt [auch von Sonderzahlungen]) unbeachtlich sei. Da der Bekl nach dem Inhalt des Vergleichs nur Anspruch auf den sich aus € 7.000,- brutto ergebenden Nettobetrag habe, stehe der Kl aufgrund der irrtümlichen Überzahlung eine Leistungskondiktion zu. Die Generalklausel beziehe sich auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, nicht auf solche aus dem Vergleich.
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Anwendbarkeit des § 60 ASVG iZm Zahlungen aufgrund eines Vergleichs keine gefestigte Rsp bestehe.
Der OGH sah die Revision des Bekl zwar aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen als zulässig, aber nicht als berechtigt an.
In seiner rechtlichen Beurteilung setzte sich der OGH vor allem mit § 60 ASVG – der den Einbehalt des AG der vom AN abzuführenden Beiträge regelt – auseinander und verwies ua auf die OGH-E 9 ObA 119/11g vom 21.12.2011, in der er bereits einen Rückforderungsanspruch des AG für von ihm bezahlte DN-Beiträge zur SV aus einem Vergleich bejahte. Dabei verwies der OGH auf die Judikatur, wonach der Umfang und die Bedeutung von § 60 Abs 1 ASVG bei Nachzahlungen – auch wenn diese im Rahmen eines Vergleiches erfolgen – eingeschränkt seien. Zudem sei im konkreten Fall dem AG in Anbetracht der komplexen Berechnung des DN-Anteils kein Verschulden an der verspäteten Zahlung der Versicherungsbeiträge anzulasten.
Im gegenständlichen Fall sollten durch den Vergleich die sich aus der – vom Bekl behaupteten – ungerechtfertigten Entlassung ergebenden Ansprüche erledigt werden. Vereinbart wurde, dass die Kl € 7.000,- brutto bezahlt. Von einem objektiven Erklärungsempfänger konnte das nur dahingehend verstanden werden, dass die Kl die mit dieser Zahlung verbundenen Gebühren und Abgaben trägt, sie diese vom Vergleichsbetrag abzieht und dem Bekl nur den sich daraus ergebenden Nettobetrag ausbezahlt. Durch die Bezahlung eines höheren als des Nettobetrags hat die Kl mehr an die Bekl geleistet, als sie aufgrund des Vergleichs zu zahlen verpflichtet war. Der Rückforderungsanspruch der Kl ergibt sich letztlich aufgrund einer irrtümlich überhöhten Auszahlung des verglichenen Betrags. Hätten die Parteien von vornherein den konkreten Auszahlungsbetrag vereinbart, würde ebenfalls kein Zweifel an der Rückforderung einer überhöhten Zahlung iSd § 1431 ABGB bestehen.
Ergänzend hielt der OGH noch fest, dass die Bereinigungswirkung eines anlässlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossenen Vergleichs sich im Zweifel auf alle aus dem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit einhergehenden gegenseitigen Forderungen erstreckt. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass mit einer in einer Auflösungsvereinbarung enthaltenen Generalklausel, nach der die wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis bereinigt und verglichen sein sollen, auch Streitigkeiten aus Ansprüchen mitverglichen sein sollen, die erst durch die Auflösungsvereinbarung geschaffen werden. Zwar erstreckt sich der Vergleich auch auf Fälle, an die die Parteien nicht gedacht haben, jedoch nicht auf solche, an die sie nicht denken konnten. Grundsätzlich bilden nur die Verhältnisse zur Zeit des Vergleichsabschlusses den Gegenstand des Vergleichs und insofern auch seiner Bereinigungswirkung.
Im gegenständlichen Fall resultiert der Rückforderungsanspruch der Kl weder aus dem Arbeitsverhältnis noch aus dem Vergleich, sondern aus der irrtümlichen Zahlung eines überhöhten Betrages nach einem Vergleichsanspruch. Insofern sind nach Ansicht des OGH die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Anspruch nicht von der Generalklausel umfasst ist, weshalb (aus all diesen Gründen) der Revision nicht Folge gegeben wurde.233