104

Keine Sicherung der Urlaubsersatzleistung für bereits verjährten Urlaub durch Insolvenz-Entgelt-Fonds

MARGITMADER

Der Kl begehrte Insolvenz-Entgelt für eine Urlaubsersatzleistung für einen Urlaubsanspruch, der einem Urlaubsjahr entstammt, das länger als zwei Jahre vor Insolvenzeröffnung zu Ende gegangen ist.

Gem § 1 Abs 2 IESG sind nur jene Ansprüche durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds gesichert, die aufrecht, nicht verjährt und nicht ausgeschlossen sind. Zweck des IESG ist eine sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von AN im Falle der Insolvenz ihres AG. Versichertes Risiko ist demnach die von den AN typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlusts ihrer Entgeltansprüche, auf die sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind. Aus diesem Schutzzweck ergibt sich, dass AN-Ansprüche, die über Jahre hindurch nicht gerichtlich geltend gemacht wurden, selbst dann nicht als gesicherte Ansprüche iSd § 1 Abs 1 IESG anzusehen sind, wenn sie vom AG anerkannt wurden und dieser auf den Verjährungseinwand verzichtet hat.

Dementsprechend sind nach der stRsp Forderungen aus lang zurückliegenden, ohne Anerkenntnis des AG verjährten Urlaubsansprüchen nicht in den Kreis der gesicherten Ansprüche einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn der AN keine Möglichkeit hatte, den Urlaub zu verbrauchen.

Der Urlaubsanspruch verjährt gem § 4 Abs 5 UrlG nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Für den tatsächlichen Verbrauch des Naturalurlaubs eines Jahres stehen damit insgesamt drei Jahre zur Verfügung.

Bereits in der E 8 ObA 62/18b vom 29.8.2019hat sich der OGH im Fall einer Scheinselbständigkeit mit der zur RL 2003/88/EG ergangenen Rsp des EuGH ua in den Rs King (29.11.2017, C-214/16), Kreuziger(6.11.2018, C-619/16) und Max Planck-Gesellschaft (6.11.2018, C-684/16)auseinandergesetzt. Da dem AN nach nationalem Recht ein effektiver Rechtsbehelf – nämlich eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO – zur Durchsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub innerhalb einer angemessenen Frist zur Verfügung gestanden hätte, beurteilte der 8. Senat in dieser E die Verjährungsregeln des § 4 Abs 5 UrlG als unionsrechtskonform. Es wurde betont, dass – im Unterschied zur Rechtslage, auf deren Grundlage die Rs King ergangen ist (gleiches gilt für die Rs Kreuziger und Rs Max Plank Gesellschaft) – der Jahresurlaub nach dieser Bestimmung auf zwei Folgejahre vorgetragen werden kann. In drei Jahren verjähren gem § 1486 Z 5 ABGB auch alle Forderungen der AN auf Entgelt und Auslagenersatz sowie nach § 1486 Z 1 ABGB für die Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb. Nur wenn der AG die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat, kann der AN einem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegensetzen. Arglist liegt dann vor, wenn es der AG geradezu darauf anlegt, die Anspruchsdurchsetzung durch den AN zu verhindern.

Nachdem sich der Kl im Anlassfall in den Vorinstanzen noch darauf berufen hatte, seine ehemalige AG hätte den verjährten Urlaub anerkannt, stützt er sich in der Revision nur mehr darauf, dass er von ihr nicht zum Urlaubskonsum unter Hinweis auf die Verjährungsfolgen aufgefordert worden sei. Dazu ist aber nicht nur auf die oben dargestellte Rsp, sondern auch darauf zu verweisen, dass zwischen arbeitsrechtlicher, insolvenzrechtlicher und IESG-rechtlicher Beurteilung streng zu trennen ist (30.5.2017, 8 ObS 4/17x). Da auch nach der Zwecksetzung der RL 2008/94/EG über den Schutz der AN bei Zahlungsunfähigkeit des AG nur ein bestimmtes 237 Mindestmaß an Schutz erreicht werden muss (vgl Art 4 der RL 2008/94/EG), bestehen gegen die Sicherungsgrenzen des IESG in diesem Zusammenhang keine Bedenken. Es bedarf daher nicht des vom Kl angeregten Vorabentscheidungsverfahrens.

Die Abweisung des Klagebegehrens wegen Verjährung des Urlaubsanspruchs durch das Berufungsgericht steht im Einklang mit dieser Rsp und war somit nicht korrekturbedürftig.