9Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation im Zusammenhang mit einem Pensionsverfahren
Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation im Zusammenhang mit einem Pensionsverfahren
Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation, die im Zusammenhang mit einem Pensionsantrag stehen, sind als Leistungssachen mit bedingter Bescheidpflicht iSd § 367 Abs 1 ASVG ausgestattet.
Personen, für die bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt, haben so lange Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gegenüber dem Pensionsversicherungsträger, als vorübergehende Invalidität vorliegt, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist.
Es liegt im Entscheidungsermessen des Pensionsversicherungsträgers, welche – allenfalls auch von mehreren gleichwertigen – notwendigen, zweckmäßigen und ausreichenden Rehabilitationsmaßnahmen er zu erbringen hat.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht [...] wurde ua festgestellt, dass beim 1975 geborenen Kl für mindestens sechs Monate vorübergehende Invalidität besteht und er daher ab dem 27.9.2016 für die weitere Dauer der Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV hat. Die auch dort bekl Pensionsversicherungsanstalt (PVA) wurde schuldig erkannt, „dem Kl ab 27.9.2016 konkrete medizinische Maßnahmen der Rehabilitation zu erbringen
“. Der Kl bezieht nach wie vor Rehabilitationsgeld.
Unstrittig teilte die Bekl dem Kl mit Schreiben vom 4.1.2018 mit, dass als medizinische Maßnahme der Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit das Ergebnis weiterer Therapien abzuwarten sei. Am 29.10.2018 [...] beantragte der Kl bei der Bekl die Bewilligung eines Rehabilitationsaufenthalts im Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) *. [...] Diesen Antrag lehnte die Bekl mit Verständigung vom 22.11.2018 ab.
Am 10.1.2019 [...] beantragte der Kl die Bewilligung eines Rehabilitationsaufenthalts in der Rehabilitationsklinik *. [...] Diesen Antrag lehnte die Bekl mit Verständigung vom 30.1.2019 ab.
Die Bekl lehnte diese beiden Anträge mit der Begründung ab, dass der Kl ihrer Meinung nach ohne vorherige Entzugshandlung wegen seiner Benzodiazepin- und Alkoholabhängigkeit für diese Aufenthalte nicht ausreichend belastbar sei.
Der Kl beantragte am 27.2.2019 die Erlassung von Bescheiden betreffend die Ablehnung der beiden genannten Anträge.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9.7.2019 wies die Bekl den Antrag des Kl vom 27.2.2019 auf Erlassung eines Bescheids über die Anträge auf Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation vom 29.10.2018 und 10.1.2019 zurück. Da die Anträge nicht im Rahmen des Case Managements gem § 143b ASVG während des Bezugs von Rehabilitationsgeld gestellt wurden, handle es sich bei den beantragten medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation nicht um eine Pflichtleistung iSd § 222 Abs 1 Z 2 lit a iVm § 253f ASVG, sondern um eine Pflichtaufgabe iSd § 222 Abs 3 iVm §§ 300 ff ASVG. Aus diesem Grund bestehe keine Bescheidpflicht gem § 367 Abs 1 Z 2 ASVG. Maßnahmen der Rehabilitation außerhalb eines Pensionsverfahrens würden gem § 301 Abs 1 ASVG nach pflichtgemäßem Ermessen erbracht, es bestehe darauf kein individuell durchsetzbarer Rechtsanspruch.
Der Kl begehrt mit seiner am 4.9.2019 beim Erstgericht eingebrachten (Säumnis-)Klage, die Bekl schuldig zu erkennen, ihm „medizinische Maßnahmen der Rehabilitation durch Maßnahmen der ambulanten Rehabilitation und Durchführung eines stationären Heilverfahrens durch Unterbringung in einer Krankenanstalt, die vorwiegend der psychiatrischen Rehabilitation dient, zu erbringen
“. [...] Über seinen Antrag hätte die Bekl inhaltlich mit Bescheid absprechen müssen. [...]
Die Bekl beantragte die Zurückweisung der Klage mangels Rechtswegzulässigkeit. [...]
Das Erstgericht wies die Klage mangels Zulässigkeit des Rechtswegs mit Beschluss zurück. Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der PV seien nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen. Ein Rechtsanspruch darauf bestehe im Wirkungsbereich der PV nur für jene Personen, deren Pensionsantrag iSd § 367 Abs 4 ASVG abgelehnt worden sei. [...] Eine konkrete medizinische Maßnahme der Rehabilitation sei nur dann eine Pflichtleistung gem § 253f ASVG, wenn sie vom Case Manager des Krankenversicherungsträgers angeordnet worden sei. [...]
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kl nicht Folge. Auf die Gewährung einer konkreten medizinischen Maßnahme der Rehabilitation bestehe nur dann ein Rechtsanspruch, wenn eine solche Maßnahme bereits im Pensionsantrag beantragt und statt dieser eine andere Maßnahme gewährt wurde. Bei Vorliegen vorübergehender Invalidität bzw Berufsunfähigkeit sei die Erledigung des Antrags auf medizinische Rehabilitation kein Gegenstand des gem § 367 Abs 4 ASVG zu erlassenden Bescheids. [...]
Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der Bekl beantwortete Revisionsrekurs des Kl, mit dem dieser eine inhaltliche Entscheidung über seine Klage anstrebt.
Der Revisionsrekurs ist [...] zulässig, er ist auch iSd hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt. 1.1 Der 1975 geborene Kl zählt unstrittig zu der vom SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, erfassten Personengruppe, für die unter den Voraussetzungen des § 253f ASVG ein Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der PV besteht.
1.2 Gem § 67 Abs 1 ASGG darf in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1, 4 und 6 bis 8 ASGG [...] – vorbehaltlich des § 68 ASGG – vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb der68in § 67 Abs 1 Z 2 ASGG genannten Fristen erlassen hat. [...] Der Säumnisfall erfordert, dass der Versicherungsträger zur Erlassung eines Bescheids verpflichtet ist. [...]
1.3 Es ist daher die zwischen den Parteien strittige Frage zu prüfen, ob die bekl PVA zur Erlassung eines Bescheids über die vom Kl beantragte Gewährung medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation in der PV gem § 253f ASVG verpflichtet war.
2.1 Bei den Maßnahmen der Rehabilitation in der PV nach den §§ 300 ff ASVG handelt es sich um eine Pflichtaufgabe des Pensionsversicherungsträgers, die nicht als Pflichtleistung (mit individuellem Rechtsanspruch), sondern als freiwillige Leistung (ohne individuellen Rechtsanspruch) normiert ist. Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nach § 302 ASVG hat der Pensionsversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen, er hat darüber jedoch keinen Bescheid zu erlassen. Der Leistungswerber hat daher keine Möglichkeit, die Erbringung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation durch den Pensionsversicherungsträger nach § 302 ASVG im Leistungsstreitverfahren durchzusetzen, weil § 367 Abs 1 Satz 2 ASVG – vor wie nach dem SRÄG 2012 – nicht auf § 222 Abs 3 ASVG verweist (RIS-Justiz RS0084894; für die frühere Rechtslage zB 10 ObS 68/09m SSV-NF 24/7 mwH; für die Rechtslage nach dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, ausführlich 10 ObS 119/15w SSVNF 30/3 = DRdA 2016/39, 349 [Panhölzl]; vgl auch 10 ObS 78/16t zu beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation nach § 303 ASVG idF des SRÄG 2012).
2.2 Hingegen sind medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der PV (§§ 253f, 270b ASVG), die im Zusammenhang mit einem Pensionsantrag stehen, als Leistungssachen mit bedingter Bescheidpflicht iSd § 367 Abs 1 ASVG ausgestaltet (RS0130606). § 367 Abs 1 ASVG idF des SRÄG 2012 [...] ist einschränkend dahin auszulegen, dass eine Bescheidpflicht über die Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation aus der PV nur nach den §§ 253f, 270b ASVG besteht.
[...]
3.2 Der Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation steht daher (nur) Personen offen, für die bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität iSd § 255 Abs 1 und 2 oder 3 ASVG im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt (Pöltner, Das Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 [SRÄG 2012] – Invalidität im Wandel, ZAS 2013/3, 13 [14]; Sonntag in Sonntag, ASVG10 § 253f ASVG Rz 1). Diese – wie zu zeigen sein wird: einzige – Anspruchsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
3.3 Nach § 253f Abs 1 ASVG besteht ein Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der PV nur, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist. Dabei handelt es sich nicht um eine – weitere – Anspruchsvoraussetzung, sondern um eine Einschränkung (arg: „wenn“) des durch § 253f Abs 1 Satz 1 erster Halbsatz ASVG begründeten Anspruchs. [...] Diese Einschränkung des Anspruchs auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation entspricht erkennbar den Prinzipien der Krankenbehandlung nach § 133 Abs 2 Satz 1 ASVG und wird wie dort zu verstehen sein. [...]
3.4 Gem § 367 Abs 4 ASVG [...] hat der Versicherungsträger von Amts wegen ua festzustellen, ob Invalidität (Berufsunfähigkeit) vorliegt und wann sie eingetreten ist (Z 1), ob die Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird (Z 2) und ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht oder nicht (Z 4). Solange daher der (Dauer-)Zustand der vorübergehenden Invalidität (§ 255b ASVG) besteht, hat der Versicherte Anspruch auf Rehabilitationsgeld gegen den Krankenversicherungsträger (§ 143a ASVG). § 253f ASVG kann nicht anders verstanden werden, weil diese Bestimmung dasselbe Ziel verfolgt wie das Rehabilitationsgeld: nämlich die „Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“ [...]. Solange daher der Zustand der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) besteht, hat die versicherte Person (auch) einen Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gegen den Pensionsversicherungsträger. [...]
3.5 Der Krankenversicherungsträger hat sich im Rahmen des Case Managements (§ 143b ASVG) mit dem für medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gem § 253f Abs 2 ASVG zuständigen Pensionsversicherungsträger abzustimmen. Für die Rechtsansicht, dass eine konkrete medizinische Maßnahme der Rehabilitation nur dann eine Pflichtleistung des Pensionsversicherungsträgers gem § 253f ASVG darstelle, wenn der Krankenversicherungsträger sie im Rahmen des Case Managements anordne, bietet § 253f ASVG keine Grundlage, weil diese Bestimmung keine entsprechende Anordnung enthält. [...] § 143b ASVG mag daher dem Krankenversicherungsträger die Möglichkeit einräumen, bestimmte Rehabilitationsmaßnahmen im Versorgungsplan vorzusehen: Aus dieser Bestimmung kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass kein Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gem § 253f ASVG bestünde, wenn der Krankenversicherungsträger solche nicht anordnet. Dies ergibt sich schon daraus, dass dafür nicht der Krankenversicherungsträger, sondern der Pensionsversicherungsträger zuständig ist.
3.6 Ergebnis: Personen, für die bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität iSd § 255 Abs 1 und 2 oder 3 ASVG im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt, haben gem § 253f ASVG so lange Rechtsanspruch auf die in § 302 Abs 1 ASVG genannten medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation gegenüber dem Pensionsversicherungsträger, als vorübergehende Invalidität vorliegt, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist. [...]
3.7 Von dieser Rechtsansicht ist im Übrigen auch die bekl PVA im Verfahren 10 ObS 94/18y zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausgegangen [...].
Daraus folgt für den vorliegenden Fall:
4.1 Beim Kl besteht nach wie vor vorübergehende Invalidität, er bezieht weiterhin Rehabilitationsgeld. Er hat damit grundsätzlich einen Rechtsan-69spruch auf Gewährung medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation aus der PV gem § 253f ASVG gegen die bekl PVA.
4.2 Nach Ablehnung der vom Kl beantragten medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation verlangte er am 27.2.2019 ausdrücklich darüber einen Bescheid (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG). Die Bekl wäre, da die Voraussetzungen des § 253f ASVG vorlagen, verpflichtet gewesen, innerhalb von sechs Monaten einen inhaltlich („darüber“ iSd § 67 Abs 1 Z 1 ASGG) über die Anträge des Kl absprechenden Bescheid zu erlassen (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG). [...]
4.3 Der Kl beschritt daher in zulässiger Weise den Rechtsweg, sodass seinem Revisionsrekurs iSd Aufhebungsantrags Berechtigung zukommt. Im fortzusetzenden Verfahren wird inhaltlich über das Klagebegehren zu entscheiden und dabei zu beachten sein:
5.1 Der Kl hat zwei konkrete medizinische Maßnahmen der Rehabilitation beantragt, nämlich die Bewilligung eines Rehabilitationsaufenthalts in einem beruflichen BBRZ und eines Rehabilitationsaufenthalts in einer Rehabilitationsklinik.
5.2 § 253f ASVG verweist zum Begriff der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation ausdrücklich auf § 302 Abs 1 ASVG. [...]
5.3 Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation werden [...] grundsätzlich vom jeweils zuständigen Versicherungsträger erbracht. Die zu rehabilitierende Person trifft (bloß) eine Mitwirkungspflicht [...], deren Verletzung allerdings mit Sanktionen bedroht ist (zB Entziehung oder Ruhen des Rehabilitationsgeldes; § 99 Abs 1a, § 143a Abs 5 ASVG). Die Rehabilitationsträger – zu denen gem § 3 Abs 1 Z 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl 1990/283 (BBG) in ihrem Wirkungsbereich auch die gesetzliche PV gehört – haben gem § 4 Abs 2 BBG dafür Vorsorge zu treffen, dass alle erforderlichen Maßnahmen zur Rehabilitation unverzüglich eingeleitet werden. Der Rehabilitationsträger hat gemeinsam mit der zu rehabilitierenden Person einen Gesamtplan zur Rehabilitation aufzustellen (§ 5 Abs 1 BBG). Im Bereich des ASVG ist die Beschlussfassung eines Rehabilitationsplans für die Sozialversicherungsträger Aufgabe des Dachverbands, § 30b Abs 1 Z 7 ASVG. Im Rahmen des Case Managements ist es [...] Aufgabe des Krankenversicherungsträgers, (daneben) einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen.
5.4 Der Umstand, dass medizinische Maßnahmen der Rehabilitation im Anwendungsbereich des § 253f ASVG nicht bloß nach pflichtgemäßem Ermessen erbracht werden, sondern darauf ein Rechtsanspruch besteht, ändert nichts daran, dass auch in diesem Fall Rehabilitationsmaßnahmen vom Pensionsversicherungsträger zu erbringen sind (§ 253f Abs 2 ASVG). Die Bestimmung räumt schon nach ihrem Wortlaut keinen Anspruch auf eine bestimmte, vom Anspruchswerber begehrte Rehabilitationsmaßnahme ein. Vielmehr sind solche vom Pensionsversicherungsträger ja überhaupt nur zu erbringen, wenn sie zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig sowie ausreichend sind (§ 253f Abs 1 und 2 ASVG). Sind diese Kriterien erfüllt, liegt es nach der dargestellten grundsätzlichen gesetzlichen Konzeption zur Erbringung von Rehabilitationsleistungen (für die im medizinischen Bereich vor allem die ärztliche Einschätzung maßgeblich ist) im Entscheidungsermessen des Pensionsversicherungsträgers, welche – allenfalls auch von mehreren gleichwertigen – notwendigen, zweckmäßigen und ausreichenden Rehabilitationsmaßnahmen er zu erbringen hat. [...]
6.1 Die Klage hat in Sozialrechtssachen gem § 82 Abs 1 ASGG ein unter Bedachtnahme auf die Art des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten. [...]
6.2 Unter diesen Gesichtspunkten ist das [...] Leistungsbegehren nicht verbesserungsbedürftig. [...] Insb ist das vorliegende Klagebegehren auch nicht auf einen bestimmten Anspruch – etwa die Durchführung dieser Maßnahmen nur in ganz bestimmten Einrichtungen oder nur in einer ganz bestimmten Art und Weise oder Dauer – gerichtet.
6.3 Umgekehrt schränkt der Umstand, dass der Kl in seinen Anträgen bestimmte Einrichtungen für die Durchführung dieser Rehabilitationsmaßnahmen genannt hat, das gerichtliche Verfahren im vorliegenden Fall schon deshalb nicht auf die Durchführung der beantragten Rehabilitationsmaßnahmen in diesen Einrichtungen ein, weil es sich dabei lediglich um Vorschläge handelte, medizinische Notwendigkeiten jedoch vorrangig berücksichtigt werden müssen.
6.4 Ob die vom Kl beantragten medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation notwendig, zweckmäßig, ausreichend und zumutbar sind, wird im fortzusetzenden Verfahren, allenfalls unter Beiziehung geeigneter (medizinischer) Sachverständiger, zu prüfen sein. Im gerichtlichen Verfahren kann der Kl nur seinen Anspruch auf die Erbringung der von ihm iSd § 302 Abs 1 ASVG iVm § 253f ASVG begehrten medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation durchsetzen. Deren konkrete Durchführung und Ausgestaltung obliegt – unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Kl und der Zumutbarkeit für ihn, § 253f Abs 2 ASVG – der bekl PVA.
Das Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012 – BGBl I 2013/3) hat den Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ verstärkt und einen Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation (§§ 253f, 270b ASVG) implementiert. Diese Regelungen sind am 1.1.2014 in Kraft getreten (§ 669 Abs 2 ASVG). Mehr als sechs Jahre nach dem Inkrafttreten liegt nun eine höchstgerichtliche Entscheidung vor, mit der der OGH die materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des Rechtsanspruchs auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation zu definieren versucht.
Während der Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation gegenüber dem Pensionsversicherungsträger für Personen, die ab 1.1.1964 geboren sind, aufgehoben wurde und durch eine Pflichtleistung70des Arbeitsmarktservice ersetzt wurde, wurde diesen Versicherten ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation eingeräumt (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 22). Personen, für die bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vorliegt, haben Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation. Damit wurde zum ersten Mal in der PV ein Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation geschaffen, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig ist (Födermayr in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm [Stand 2020 inkl 269. ErgLfg] § 253f ASVG Rz 2/1 mwN). Gem § 361 Abs 1 ASVG gilt ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension) ua vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation. Auf die Problematik, dass die PVA in zahlreichen Bescheiden als Gewährung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ausspricht, dass der weitere Krankheitsverlauf, das Ergebnis weiterer Therapiemaßnahmen oder eine Besserung durch Gewöhnung an den Leidenszustand abzuwarten sei, kann hier nicht näher eingegangen werden, verdiente aber eine gesonderte Betrachtung. Sonntag, Medizinische Rehabilitation im sozialgerichtlichen Verfahren (DRdA 2017, 181) sieht auch darin eine Entscheidung über den Antrag auf medizinische Rehabilitation und somit die Zulässigkeit einer Klage. Die vorliegende OGH-E behandelt die Frage, ob ein Bescheid über konkret beantragte (oder vorgeschlagene) Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zu erlassen war und wie die Überprüfbarkeit im Rahmen eines Sozialgerichtsverfahrens möglich ist.
Eine nähere Darstellung des Verfahrens scheint zur besseren Nachvollziehbarkeit sinnvoll. Auch im vorliegenden Fall greifen – wie oft bei Rechtsfragen zum SRÄG 2012 – das materielle Recht (§§ 253f, 270b ASVG) und das Verfahrensrecht (vor allem § 367 Abs 1 und 4 ASVG) ineinander. Beim Kl liegt unstrittig vorübergehende Invalidität vor, er bezieht laufend Rehabilitationsgeld. Obwohl im Urteil über die Gewährung von Rehabilitationsgeld (auch) ausgesprochen wurde, dass ihm die PVA „konkrete medizinische Maßnahmen der Rehabilitation
“ zu gewähren habe, wurde in der Folge von der PVA nur eine Mitteilung über das „Abwarten des Ergebnisses weiterer Therapien
“ übermittelt. Aus dem nun zu besprechenden Urteil ist nicht ersichtlich, ob bzw wenn ja welche „konkreten“ Rehabilitationsmaßnahmen im ursprünglichen Gewährungsverfahren betreffend das Rehabilitationsgeld geprüft wurden. Zwei in Folge gestellte Anträge auf – konkret bezeichnete – Rehabilitationsmaßnahmen (im BBRZ bzw einer Rehabilitationsklinik) wurden jeweils mit einer „Verständigung“ abgelehnt. Nach der ausdrücklichen Beantragung von Bescheiden wurden diese von der Bekl zurückgewiesen. Eine Bescheidpflicht bestehe nicht, weil die Anträge nicht im Rahmen des ebenfalls mit dem SRÄG 2012 eingeführten Case Managements gem § 143b ASVG gestellt wurden. Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen die eingebrachte Säumnisklage mit unterschiedlichen Begründungen zurück: Eine Bescheidpflicht bestehe nur bei Ablehnung des Pensionsantrags bzw bestehe nur dann, wenn bereits im Pensionsantrag eine konkrete Maßnahme beantragt, aber eine andere Maßnahme gewährt worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens hat man den Eindruck, dass der vom Gesetzgeber im SRÄG 2012 eingeräumte Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation oder zumindest dessen Durchsetzbarkeit Theorie bleiben.
Der OGH beginnt seine Prüfung mit dem Verfahrensrecht und wiederholt zuerst seine stRsp, wonach gem § 67 Abs 1 Z 2 ASGG eine Säumnisklage beim Sozialgericht nur zulässig ist, wenn der Versicherungsträger zur Erlassung eines Bescheids verpflichtet ist, um dann zur strittigen Frage zu kommen, ob die PVA zur Erlassung eines Bescheids über die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation verpflichtet war. Der OGH differenziert zwischen den freiwilligen Rehabilitationsmaßnahmen (§§ 300 ff ASVG) ohne individuellen Rechtsanspruch und ohne Pflicht zur Erlassung eines Bescheids auf der einen Seite und den Maßnahmen in „Zusammenhang mit einem Pensionsantrag“ als Leistungssachen mit bedingter Bescheidpflicht (iSd § 367 ASVG) auf der anderen Seite. Nur für die Maßnahmen gem §§ 253f, 270b ASVG bestehe die Bescheidpflicht. Damit scheint auf den ersten Blick für den vorliegenden Fall somit klargestellt zu sein, dass die PVA zur Erlassung eines Bescheids verpflichtet und die Säumnisklage zulässig war. Bereits in seiner E 10 ObS 119/15w vom 19.1.2016 hatte der OGH entschieden, dass eine Bescheidpflicht über die Gewährung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (nur) im Zusammenhang mit einem Pensionsverfahren besteht. Diese Entscheidung ist in der Literatur nicht nur auf Zustimmung gestoßen (Panhölzl, Weiterhin keine Bescheidpflicht bei pflichtgemäßem Ermessen der Pensionsversicherung [DRdA 2016, 366]. Kneihs lässt zu § 367 ASVG in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm [Stand 1.10.2019, rdb.at] eine genaue Abgrenzung offen: Über Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation ist wenigstens dann mit Bescheid zu entscheiden, wenn der Antrag abgelehnt werden soll und der Versicherte die Erlassung eines Bescheids verlangt).
Zuzustimmen ist dem OGH jedenfalls, wenn er ausführt, dass das Gesetz als einzige Anspruchsvoraussetzung für einen Anspruch auf medizinische Rehabilitationsmaßnahmen verlangt, dass bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt.71
Die Definition, welche Maßnahmen hier in Frage kommen, normiert § 253f Abs 1 ASVG – angelehnt an die Prinzipien der Krankenbehandlung in § 133 ASVG. Die Maßnahmen müssen notwendig zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und in Folge des Gesundheitszustands zweckmäßig sein; Abs 2 leg cit regelt zT wiederholend, dass sie ausreichend und zweckmäßig (!) sein müssen, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Der OGH verweist in diesem Zusammenhang auf die E 10 ObS 4/16k vom 10.5.2016 und meint, dass § 253f ASVG wie die Regelung zur Krankenbehandlung zu verstehen sei. In 10 ObS 4/16k war die Zulässigkeit der Entziehung von Rehabilitationsgeld wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht (§ 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit bb ASVG) zu prüfen – diese Prüfung kann nur anhand einer vom Versicherungsträger konkret angebotenen Rehabilitationsmaßnahme erfolgen (dort sechswöchiger stationärer Rehabilitationsaufenthalt zur Gewichtsreduktion). Aus dieser Entscheidung ist mA für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht viel zu gewinnen.
Für die Auffassung der PVA, dass nur dann ein Bescheid zu erlassen ist, wenn die Maßnahme im Rahmen des Case Managements nach § 143b ASVG vorgeschlagen wird, findet sich weder im Gesetzeswortlaut noch in den Erläuterungen ein Anhaltspunkt. Der – relativ kurzen – Stellungnahme des OGH dazu und der eindeutigen Feststellung, dass Personen so lange Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation haben, als vorübergehende Invalidität vorliegt, kann nur zugestimmt werden. Da ausdrücklich ein Bescheidantrag gestellt wurde und die Frist von sechs Monaten verstrichen ist, ist die Säumnisklage zulässig.
Der nächste Schritt ist die Prüfung, auf welche Maßnahmen der Anspruch besteht. Das Erstgericht hat daher im fortzusetzenden Verfahren inhaltlich zu prüfen. Nicht nachvollziehbar – und mA für das Erstgericht nicht hilfreich – sind die Ausführungen des OGH (unter 5.3.) zu den Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (§§ 3, 4 BBG), die eine Verpflichtung des jeweils zuständigen Rehabilitationsträgers zum (unverzüglichen) Tätigwerden sowie zur Erstellung eines individuellen (Arg: „gemeinsam mit dem behinderten Menschen“) Rehabilitationsplans festschreibt, während im nächsten Satz auf die Beschlussfassung eines Rehabilitationsplans durch den Dachverband gem § 30b Abs 1 Z 7 ASVG hingewiesen wird. Der im Auftrag des (damals noch) Hauptverbands erstellte Rehabilitationsplan 2016 enthält auf über 270 Seiten eine Bestandsaufnahme des österreichweiten Rehabilitationsangebots sowie eine Abschätzung des bundesweiten und regionalen Versorgungsbedarfs (Amtliche Verlautbarungen der Sozialversicherung Nr 109/2018). Anschließend hält der OGH fest, dass die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation gem § 253f ASVG, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht bloß nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen sind, dass sie jedoch auch in diesem Fall vom Pensionsversicherungsträger zu erbringen sind (Unterstreichung durch den OGH). Die Entscheidung, ob eine (bestimmte) Maßnahme die gesetzlichen Kriterien erfülle, liege im Entscheidungsermessen des Trägers. Wo liegt die Abgrenzung zwischen „nicht bloß nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen
“ und Erbringung „im Entscheidungsermessen
“? In der Literatur wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten, ob ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Maßnahme besteht (Födermayr in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm [Stand 2020 inkl 269. ErgLfg] § 253f ASVG Rz 5 mwN). Wenn nun der OGH betont, dass kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Rehabilitationsmaßnahme bestehe, ist im Ergebnis nicht geklärt, worin der Unterschied zwischen einer medizinischen Leistung der Rehabilitation mit Rechtsanspruch gem § 253f ASVG und deren Überprüfbarkeit im Sozialgerichtsverfahren und einer Leistung nach pflichtgemäßem Ermessen gem §§ 300 ff ASVG letztendlich besteht. Sinnvollerweise kann eine Beurteilung, ob eine Rehabilitationsmaßnahme notwendig und zweckmäßig und unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands auch zumutbar ist, immer nur im Einzelfall anhand einer konkreten Maßnahme geprüft werden (siehe dazu auch die Zusammenfassung der Rsp zur Krankenbehandlung in 10 ObS 4/16k). Sonntag geht von einem Rechtsanspruch auf eine konkrete Rehabilitationsmaßnahme aus, die bedingte Bescheidpflicht spreche nicht dagegen und eine dem § 193 ASVG entsprechende Bestimmung (Ermessen des Trägers) gebe es ebenfalls nicht (Sonntag, Medizinische Rehabilitation im sozialgerichtlichen Verfahren, DRdA 2017, 181). Die Rechtslage entspreche jener bei Prüfung einer bestimmten Maßnahme der Krankenbehandlung (Sonntag, DRdA 2017, 181). Der Auftrag des OGH an das Erstgericht – unter Beiziehung geeigneter (medizinischer) Sachverständiger – zu prüfen, ob die vom Kl begehrten (konkreten) Maßnahmen diese Voraussetzungen erfüllen, dh notwendig, zweckmäßig, ausreichend und zumutbar sind, kann mA sinnvollerweise nur so verstanden werden.
Im Dezember 2018 bezogen 19.955 Personen Rehabilitationsgeld (Rehabilitationsgeld und medizinische Rehabilitation, Bericht über den Zeitraum der Jahre 2014 bis 2018 und Schwerpunkt auf das Jahr 2018, BMASGK, 11); lediglich in 2.684 Fällen wurden Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gewährt (aaO 14). Im Hinblick auf die Tatsache, dass von den Abgängen aus dem Rehabilitationsgeld im Jahr 2018 etwa 50 % im Anschluss eine Invaliditätspension erhielten, ist von den Pensionsversicherungsträgern eine größere Anstrengung bei der Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen und allgemein ein früheres Ansetzen von Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen für Versicherte zu fordern, die noch im Erwerbsleben stehen und beispielsweise häufige oder lange Krankenstände aufweisen. Nur so kann der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ zum Leben erweckt werden.72