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Rechtzeitige Kündigung eines Vertragsbediensteten wegen ­Vertrauensunwürdigkeit

ANDREASWELLENZOHN

Der Kl war Vertragsbediensteter und als Heimleiter eines Altenwohnheims eingesetzt. Während des ersten „Covid-Shutdowns“ ab 13.3.2020 duldete er wohngruppenübergreifende Treffen zum gemeinsamen Singen der Bewohner, die teilweise auch in einem geschlossenen Raum stattfanden, außerdem wurde in dem von ihm geleiteten Altenwohnheim, trotz Anordnung der Schließung der Speisesäle, der Betrieb einer Cafeteria aufrechterhalten. Dem nach Bekanntwerden dieser Umstände ab 8.5.2020 durchgehend suspendierten Kl wurde zunächst ein mit 13.5.2020 befristetes Anbot zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses gestellt, wobei er wusste, dass er bei Nichtannahme des Anbots gekündigt würde. Nach Verstreichen der Frist nahm die Bekl Rechtsberatung in Anspruch, die sich einerseits durch mangelnde Erreichbarkeit des Personalisten, andererseits durch das folgende Wochenende verzögerte, verständigte den BR und sprach nach dessen Äußerung schließlich die Kündigung wegen Vertrauensunwürdigkeit aus.

Das OLG Linz erachtete diesen Kündigungsgrund als gegeben und die Kündigung für rechtzeitig erfolgt. Dagegen richtet sich der Kl mit seiner außerordentlichen Revision.

Der OGH erachtete die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, wies diese zurück und führte aus:

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte Auflösung des Vertragsbedienstetenverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Das gilt auch für die Frage, ob die Kündigung wegen eines die Vertrauensunwürdigkeit begründenden Verhaltens berechtigt ist.

Eine Einzelfallentscheidung ist nur dann im Revisionsverfahren überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei 468der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit, korrigiert werden müsste.

Eine solche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht bringt die Revision nach Ansicht des OGH nicht zur Darstellung. Die Rechtsansicht, dass das Verhalten des Kl eine vertrauensverwirkende Verletzung der festgestellten Verhaltensrichtlinien für den Betrieb eines Altenheims begründete, ist zumindest nicht unvertretbar.

Auch hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Kündigung bestätigt der OGH die Entscheidung des Berufungsgerichts. Nach stRsp ist der DG gehalten, von seinem an wichtige Gründe gebundenen Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des rechtfertigenden Sachverhalts durch die für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organe Gebrauch zu machen. Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können nur insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls, sachlich begründet sind. Dem DG ist das Recht zuzubilligen, bei einem undurchsichtigen Sachverhalt bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem Kündigungsausspruch zuzuwarten. Auch ein durch die obligatorische Einschaltung der zum AN-Schutz berufenen Organe veranlasstes Zuwarten ist dabei zu berücksichtigen.

In der Rsp wurde auch stets darauf Bedacht genommen, dass bei juristischen Personen und insb im öffentlichen Bereich die Willensbildung aufgrund der hierarchischen Strukturen umständlicher und langwieriger ist als bei physischen Personen; desgleichen wurde auch auf Aktenlauf und Kompetenzverteilung bei Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen entsprechend Bedacht genommen.

Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf generell nicht überspannt werden. Nicht aus jeder Verzögerung kann auf einen Verzicht des AG auf die Ausübung des Beendigungsrechts geschlossen werden. Vorläufige Maßnahmen, etwa die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines AN, können die Annahme eines Verzichts verhindern.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Fall unter den festgestellten Umständen noch keine Verfristung des Kündigungsrechts eingetreten war, hält sich im Rahmen seines bei dieser Beurteilung offenstehenden Ermessensspielraums. Dies gilt auch für die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang als rechtlich unerheblich beurteilte Frage, ob der tatsächlich bestehende BR allenfalls ohne Rechtsgrundlage gewählt wurde.

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass das Dienstverhältnis des Kl nicht dem ArbVG unterlag. Jedenfalls sei aber das auf Anfechtung der Kündigung gem § 105 Abs 3 ArbVG gestützte Eventualbegehren des Kl mangels Einhaltung der Klagefrist von 14 Tagen ab Ausspruch der Kündigung verfristet gewesen.

Die Revision hält dem entgegen, dass nach § 22 Abs 6 Gemeinde-Dienstrechts- und Gehaltsgesetz (OÖ GDG) „sämtliche Leistungs-, Feststellungs- und rechtsgestaltende Begehren und Ansprüche aus dem Titel der Beendigung eines Dienstverhältnisses bei sonstigem Ausschluss nur binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages des Zugangs der Beendigungserklärung geltend gemacht werden könnten“. Die Vorinstanzen seien entgegen der höchstgerichtlichen Rsp zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 ArbVG nicht unter die im § 22 Abs 6 OÖ GDG genannten „rechtsgestaltenden Begehren“ falle. Richtigerweise sei die sechsmonatige Frist nach dieser Bestimmung anwendbar und die Klage rechtzeitig erhoben worden.

Diesen Ausführungen ist laut OGH schon entgegenzuhalten, dass sie sich nicht mit dem Umstand auseinandersetzen, dass es sich bei dem Anfechtungsrecht nach § 105 ArbVG ja primär um eine Frage der Mitwirkung des BR handelt.