223Geringerer Zuschlag bei Einspringdiensten diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
Geringerer Zuschlag bei Einspringdiensten diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
Der bekl Gemeindeverband B* beschäftigt etwa gleich viele Vollzeit- wie Teilzeitbeschäftigte im Pflegedienst. Durchschnittlich 90 % der Teilzeitbeschäftigten sind weiblich, bei Vollzeitbeschäftigten sind es etwa 80 %. Für ungeplante Sonn- und Feiertagsdienste bei Krankheitsfällen werden in 55 %–66 % der Fälle Teilzeitmitarbeiter herangezogen, wobei der Großteil dieser Dienste von weiblichen Mitarbeitern verrichtet wird. Für ungeplante Nachtdienste bei Krankheitsfällen werden zumindest seit 2019 in 55 %–64 % der Fälle Teilzeitmitarbeiter herangezogen. Auch dabei wird ein Großteil der Dienste von Mitarbeiterinnen übernommen.
Die Vorinstanzen gelangten im Verfahren des BR der Angestellten des B* gegen die Bekl übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine unionsrechtswidrige Diskriminierung vorliegt, weil nach §§ 29, 53 und 55 Tiroler G-VBG 2012 Teilzeitbeschäftigte bei sogenannten Einspringdiensten an 469Sonn- und Feiertagen lediglich einen Zuschlag von einem Viertel des Zuschlags Vollzeitbeschäftigter und in der Nacht überhaupt keinen erhöhten Zuschlag erhalten, während Vollzeitbeschäftigte einen erhöhten Zuschlag von 100 % bekommen.
Dagegen richtete sich die außerordentliche Revision der Bekl, welche vom OGH zurückgewiesen wurde.
Der Beurteilung der Vorinstanzen vermochte der Revisionswerber nämlich nichts Stichhältiges entgegenzusetzen, zumal er die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Regelungen dem in § 4 Abs 2 der Teilzeit-Rahmenvereinbarung festgelegten Pro-rata-temporis-Grundsatz widerstreiten, wonach Ansprüche von Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zum Arbeitszeitausmaß zu bemessen sind, nicht bekämpfte (vgl RS0118709). Schon deshalb ist von einer (unmittelbaren) Diskriminierung der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten, die vom Bekl noch dazu überproportional oft zu Einspringdiensten herangezogen wird, gegenüber der Gruppe der Vollzeitbeschäftigten auszugehen.
Der OGH hielt in diesem Zusammenhang fest, dass sich der Einzelne nach der Rsp des EuGH dem Staat gegenüber auf eine Richtlinie berufen kann, unabhängig davon, in welcher Eigenschaft – als AG oder als Hoheitsträger – der Staat handelt. Die RL 97/81/EG kommt daher gegenüber dem bekl Gemeindeverband unmittelbar zur Anwendung. Nach § 4 Abs 1 der Teilzeit-Rahmenvereinbarung dürfen Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt. Eine sachliche Rechtfertigung für die Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten konnte der OGH aus den Feststellungen im konkreten Fall nicht ableiten.