206Betriebspension: Anspruch auf Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung wegen betrieblicher Übung
Betriebspension: Anspruch auf Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung wegen betrieblicher Übung
Für die Annahme einer betrieblichen Übung ist zwar ohne Relevanz, dass die AG bei Eingehen der Pensionszusage gegenüber dem Kl bzw allenfalls auch anderen AN den Willen hatte, bei Überschreitung des Unverfallbarkeitsbetrags durch den Rückkaufswert automatisch den letzteren zur Auszahlung zu bringen. Sehr wohl aber kommt es darauf an, dass die AG ebendieses in der Vergangenheit gegenüber anderen AN, denen sie eine offenkundig gleiche Pensionszusage gegeben hatte, wiederholt praktizierte. Diese Praxis durften die AN in ihrer Gesamtheit – auf das Verständnis eines einzelnen AN kommt es wie bereits dargestellt nicht an – dahin verstehen, dass die AG gekündigten AN stets zumindest jenen Betrag zubilligen will, den sie anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Versicherungsanstalt aus dem jeweils abgeschlossenen Versicherungsvertrag erhält (Rückkaufswert).
Der Kl war bei der A* GmbH beschäftigt. Diese schloss mit ihm als Begünstigtem mit Wirkung vom 1.1.2006 eine unwiderrufliche Pensionszusage ab. Diese Pensionszusage ersetzten die Vertragsparteien mit dem – rückwirkend zum 1.7.2013 in Kraft getretenen – Betriebspensionsvertrag (Pensionszusage) vom 28.1.2014. Beide Pensionszusagen bzw -vereinbarungen verfasste die AG in Zusammenarbeit und mit Unterstützung eines Versicherungsmaklerbüros. Die auf diese Weise fertig ausformulierten Verträge legte sie dem Kl zur Unterschrift vor. Dieser akzeptierte jeweils die Verträge und unterschrieb sie. Die Vertragsparteien erörterten den Vertragsinhalt nicht miteinander. Zur Absicherung der Versorgungsansprüche des Kl aus der betrieblichen Pensionsvereinbarung schloss die AG als Versicherungsnehmerin im Juli 2014 mit der U* AG, einer Versicherungsanstalt, einen betrieblichen Lebensversicherungsvertrag (Rentenversicherungsvertrag [Pensionsrückdeckungsversicherung]), in dem der Kl als Versicherter aufscheint. Die Rechte und Ansprüche aus der Versicherung wurden bis zu einer Versicherungssumme von € 36.400,- mit den erworbenen Gewinnanteilen zu Gunsten des Kl verpfändet. Die im Lebensversicherungsvertrag vorgesehene jährliche Prämie in Höhe von rund € 1.500,- wurde von der AG laufend einbezahlt. Der Kl selbst leistete keine Direkteinzahlungen an die Versicherungsanstalt.
Die Pensionsvereinbarung vom 28.1.2014 lautet auszugsweise wie folgt:
„Durch die folgende Vereinbarung erteilt die Firma A* GmbH […] im Folgenden Unternehmen genannt, Herrn C* B*, […] im Folgenden Versicherungsberechtigter genannt, unwiderruflich und rechtsverbindlich eine direkte Leistungszusage im Sinn des Betriebspensionsgesetzes (BPG).
§ 1 Zeitlicher Wirkungsbereich
Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1.7.2013 in Kraft, sie ersetzt die bisherige Pensionszusage vom 1.1.2006, die bisher erworbenen Anwartschaften bleiben ungeschmälert erhalten.[…]
§ 11 Höhe des Unverfallbarkeitsbetrages
Der Unverfallbarkeitsbetrag wird nach den Vorschriften des BPG errechnet. Sollte die Leistung des Rückdeckungsversicherers, zum Zeitpunkt der Errechnung des Unverfallbarkeitsbetrages, höher sein als der Unverfallbarkeitsbetrag gem. BPG, kommt dieser zur Anwendung. […]
§ 18 Pensionsrückdeckungsversicherung
Zur Finanzierung der Alterspension leistet das Unternehmen, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht ist und Anspruch auf Vergütung aus diesem Arbeitsverhältnis besteht, eine jährliche Prämie gemäß § 3 (2). Zu diesem Zweck hat das Unternehmen einen auf das Leben des Versorgungsberechtigten abgestellten Rentenversicherungsvertrag (Pensionsrückdeckungsversicherung) bei der U* AG […] abgeschlossen.“
Mit Beschluss vom 17.1.2019 wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Bekl zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 29.1.2019 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet. Das Dienstverhältnis zwischen dem Kl und der Schuldnerin endete am 28.2.2019 durch berechtigten Austritt gem § 25 IO. Mit Antrag vom 31.5.2019 erteilte der Kl seine Zustimmung 445 zur Kündigung des betrieblichen Lebensversicherungsvertrags und begehrte die Auszahlung der Ansprüche. Die Schuldnerin als Versicherungsnehmerin stellte am 31.5.2019 ebenfalls einen Auszahlungsantrag an die Versicherungsanstalt.
Ein vor dem Prozess zum Stichtag 28.2.2019 eingeholtes versicherungsmathematisches Gutachten ergab, dass der als Pensionsrückdeckungsversicherung eingesetzte Lebensversicherungsvertrag einen Unverfallbarkeitsbetrag in Höhe von € 10.047,23 und einen Rückkaufswert in Höhe von € 22.014,51 ergab. Die Differenz zwischen diesen beiden Werten beträgt € 11.967,28. Der bekl Insolvenzverwalter anerkannte außergerichtlich, dem Kl € 10.047,23 – dies entspricht dem Unverfallbarkeitsbetrag – abzüglich € 125,21 (offene Prämie) zu schulden.
Die AG hatte auch mit anderen Mitarbeitern Pensionszusagen abgeschlossen. Vor Eröffnung des Konkurses zahlte sie – unter Abzug der Steuer – jenen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnisse sie kündigte, den Betrag aus, den sie aus dem Lebensversicherungsvertrag von der Versicherungsanstalt für den jeweiligen AN ausbezahlt erhielt. Dieser Auszahlungsbetrag entsprach jeweils dem Rückkaufswert.
Der Kl begehrte daher mit seiner Klage unter Verweis auf § 11 der Pensionsvereinbarung die vom Bekl nicht anerkannte Differenz zum Rückkaufswert. Der Bekl bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Die Textierung der Vertragsbestimmung, wonach für den Fall, dass die Leistung der Rückdeckungsversicherung höher sein sollte als der Unverfallbarkeitsbetrag, der Unverfallbarkeitsbetrag zum Tragen komme, sei für den Fall formuliert, dass die Leistung des Rückversicherers höher ist als der Unverfallbarkeitsbetrag. Der Umkehrschluss, dass, sollte die Leistung des Rückversicherers niedriger sein als der Unverfallbarkeitsbetrag, die Leistung des Rückversicherers auch zum Tragen kommen sollte, lasse sich aus dem Text der Betriebspensionszusage nicht ableiten.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Mit der Formulierung in § 11 der Pensionszusage habe die AG klarstellen wollen, dass in jenen Fällen, in denen der Rückkaufswert aus dem betrieblichen Lebensversicherungsvertrag höher ist als der nach den Vorschriften des BPG errechnete Unverfallbarkeitsbetrag, dem ausscheidenden AN die Leistung aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag gebühren solle, sohin jener Betrag, den die Versicherung bei vorzeitiger Auflösung an den Versicherungsnehmer ausbezahlt (Rückkaufswert) und nicht der (niedrigere) Unverfallbarkeitsbetrag. Dies ergebe sich sowohl aus dem Umstand, dass die Pensionsvereinbarung von der AG verfasst worden war, als auch aus dem festgestellten wahren Willen der AG.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klageabweisenden Sinn ab. Für die Auslegung des § 11 komme es nicht darauf an, was die AG damit zum Ausdruck bringen wollte, sondern darauf, wie diese Formulierung objektiv zu verstehen sei.
Der OGH gab der dagegen gerichteten außerordentlichen Revision des Kl statt und stellte das erstinstanzliche Urteil, mit der Maßgabe, dass der klagsgegenständliche Betrag samt Zinsen bei sonstiger Exekution in den Rentenversicherungsvertrag (Pensionsrückdeckungsversicherung) zu bezahlen sei, wieder her.
1. Eine Pensionszusage ist nach den §§ 914, 915 zweiter Halbsatz ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0108884 [T3, T4]). Danach sind der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die Absicht der Parteien maßgeblich. Unter der „Absicht der Parteien“ ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (RS0017915 [T27, T31]; 8 ObA 62/09i [Pkt II.1.] mwN).
Der Kläger hatte kein vom Inhalt der Pensionszusage abweichendes Verständnis, die Arbeitgeberin – wie festgestellt – zwar in Hinsicht auf § 11 der Pensionszusage, allein tat sie dieses aber nicht nach außen kund. Damit ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass es hier für die Frage, was vertraglich vereinbart wurde, maßgeblich auf den Wortlaut der Pensionszusage ankommt. Wie ebenso bereits vom Berufungsgericht erkannt, ist § 11 Satz 2 der Pensionszusage („Sollte die Leistung des Rückdeckungsversicherers, zum Zeitpunkt der Errechnung des Unverfallbarkeitsbetrages, höher sein als der Unverfallbarkeitsbetrag gemäß BPG, kommt dieser zur Anwendung.“
) grammatikalisch eindeutig. „Dieser“ ist maskulin, kann sich damit einzig auf den Unverfallbarkeitsbetrag beziehen. Nach dem objektiven Erklärungswert der Klausel kommt demnach im hier vorliegenden Fall, in dem die Leistung des Rückdeckungsversicherers („Rückkaufswert“) den Unverfallbarkeitsbetrag übersteigt, der Unverfallbarkeitsbetrag zur Anwendung. Allein er wäre nach dem Inhalt der Pensionszusage von der Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer geschuldet. Wie vom Berufungsgericht unter Übernahme der Ausführungen von Schrammel/Kietaibl (BPG2 § 13 Rz 14) dargelegt, ist eine Klausel wie die hier vorliegende auch nicht abwegig.
2. Ein natürlicher Konsens der Parteien geht dem objektiven Erklärungswert, also auch dem abweichenden 446 Inhalt einer schriftlichen Vertragsurkunde, vor (9 Ob 65/16y [Pkt 4.]). Ein solcher natürlicher Konsens liegt bereits bei übereinstimmendem Verständnis der Parteien vor (4 Ob 143/18k [Pkt 3.2.]). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Annahme eines natürlichen Konsenses noch nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin ihren vom Erstgericht festgestellten „wahren Willen“ nicht geäußert hat.
Der Kläger hatte kein von der schriftlichen Pensionszusage abweichendes Verständnis. Der vom Urkundeninhalt abweichende „wahre Wille“ der Arbeitgeberin ist nun für ihn freilich einzig vorteilhaft. Wäre das vom Vertragstext abweichende Verständnis der Arbeitgeberin beim Vertragsschluss zur Sprache gekommen, hätte sich der Kläger wohl diesem Verständnis angeschlossen und mit einer entsprechenden Abänderung des Urkundentextes einverstanden erklärt. Daher könnte in Erwägung gezogen werden, hier einen deckungsgleichen wahren Willen des Klägers und damit einen natürlichen Konsens zu fingieren. Die vorliegende Konstellation wurde soweit ersichtlich von Rechtsprechung und Lehre noch nicht behandelt. Sie bedarf aber keiner Vertiefung, weil sich der Anspruch des Klägers auch dann als berechtigt erweist, wenn man mit dem Berufungsgericht einen natürlichen Konsens verneint.
3.1. Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung führt, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der Arbeitnehmer zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags begünstigter Arbeitnehmer und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen (RS0014539). Ein Arbeitgeber, der sich bei wiederkehrenden Leistungen an seine Arbeitnehmer für die Zukunft nicht binden will, muss einen entsprechenden Vorbehalt erklären (9 ObA 265/93 =
[Kerschner]; Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 §§ 861–864a ABGB Rz 65, 87; Kietaibl, Arbeitsrecht I11 327 ua). Folglich kommt es – bei Fehlen eines solchen Vorbehalts (zu diesem zB Rebhahn, aaO Rz 96) – auf das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers nicht an; entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung seinem Erklärungsverhalten entnehmen können bzw welchen Eindruck sie von seinem schlüssigen Verhalten haben durften (RS0014154 [T3]; 9 ObA 108/16x [Pkt 1.]; Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1152 Rz 33). Hiebei darf der Kollektivbezug der Verpflichtung des Arbeitgebers, bei dem davon auszugehen ist, dass er die betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich behandeln wollte, nicht übersehen werden. Es ist daher nur objektiv zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften. Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen (RS0014489; Obereder in Kozak, ABGB und Arbeitsrecht [2019] §§ 861–864a Rz 26 ua).Betriebsübungen bedürfen insoweit für ihre einzelvertragliche Wirkung eines erkennbar generalisierenden Prinzips (RS0014539 [T22]). Zu einem konkludenten Anspruchserwerb kann es auch kommen, wenn die Leistung (noch) nicht jedem einzelnen Arbeitnehmer gewährt wurde, sofern dieser nur damit rechnen durfte, die Leistung insbesondere aufgrund der bestehenden „betrieblichen Übung“ unter den gleichen Voraussetzungen zu erhalten wie seine Kollegen (Pfeil in Schwimann/Kodek, ABGB4 V § 1152 Rz 18 mN zur Rspr). So kann eine zu einem konkludenten Anspruchserwerb führende betriebliche Übung vorliegen, wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmer nach Erlangung einer bestimmten Qualifikation automatisch besserstellt, etwa wenn bei ihm die Absolvierung einer Fachprüfung ohne Weiteres zur Einstufung als Facharbeiter führt (9 ObA 165/05p). Zu einer betrieblichen Übung kann auch führen, wenn der Arbeitgeber etwa über längere Zeit den Arbeitnehmern eine Leistung in der irrigen Annahme, zu ihr rechtlich verpflichtet zu sein, erbringt, den Arbeitnehmern der Irrtum aber auch bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar ist (vgl RS0014505 [T1, T4]; Eypeltauer, Vertrauenstheorie und Arbeitsleben,
).3.2. Damit ist für die Annahme einer betrieblichen Übung im zu entscheidenden Fall zwar ohne Relevanz, dass die Arbeitgeberin bei Eingehen der Pensionszusage gegenüber dem Kläger bzw allenfalls auch anderen Arbeitnehmern den Willen hatte, bei Überschreitung des Unverfallbarkeitsbetrags durch den Rückkaufswert automatisch den letzteren zur Auszahlung zu bringen. Sehr wohl aber kommt es darauf an, dass die Arbeitgeberin ebendieses in der Vergangenheit gegenüber anderen Arbeitnehmern, denen sie eine offenkundig gleiche Pensionszusage gegeben hatte, wiederholt praktizierte. Den Feststellungen ist zwar nicht zu entnehmen, bei wie vielen Arbeitnehmern dies der Fall war. Es kann aber zwanglos von mehreren und von einer generellen Praxis der Arbeitgeberin ausgegangen werden. Diese Praxis durften die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit – auf das Verständnis eines einzelnen Arbeitnehmers kommt es wie bereits dargestellt nicht an – dahin verstehen, dass die Arbeitgeberin gekündigten Arbeitnehmern stets zumindest jenen Betrag zubilligen will, den sie anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Versicherungsanstalt aus dem jeweils abgeschlossenen Versicherungsvertrag erhält (Rückkaufswert).
Damit hat auch der Kläger wegen einer im Wege des § 863 ABGB (auch) sein Vertragsverhältnis ab447ändernden betrieblichen Übung Anspruch auf den den Unverfallbarkeitsbetrag übersteigenden Rückkaufswert.
Weil sich der Klagsanspruch bereits unter Zugrundelegung der vorliegenden betrieblichen Übung als berechtigt erweist, ist auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch nicht mehr einzugehen.
3.3. Nach den Feststellungen wurden die Rechte und Ansprüche aus der Versicherung bis zu einer Versicherungssumme von 36.400 € mit den erworbenen Gewinnanteilen zu Gunsten des Klägers verpfändet. Es ist damit von einem wirksamen vertraglich begründeten Absonderungsrecht des Klägers iSd § 48 IO auszugehen. Auf die Frage der Reichweite des von der Rechtsprechung (9 ObA 67/04z; vgl ferner 8 ObA 14/10g = DRdA 2012/38 [Resch]; aus der Literatur zB Maschke/Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze [2020] § 48 IO Rz 20 f mwN) in Analogie zu § 11 Abs 1 BPG angenommenen gesetzlichen Absonderungsrechts an der Rückdeckungsversicherung kommt es damit nicht an.
3.4. Das Klagebegehren ist durch den Zusatz „dies bei sonstiger Exekution in den Rentenversicherungsvertrag (Pensionsrückdeckungsversicherung) bei der U* AG zu Pol.Nr. 3*“ zu verdeutlichen (vgl RS0064068).
Der AG kann seinen Mitarbeitern eine Betriebspension gewähren. Bei dieser Zusage handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Als Rechtsgrundlage kommen einseitige Erklärungen des AG, Einzelvereinbarungen oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, wie BV oder KollV, in Betracht (§ 2 BPG).
Man unterscheidet verschiedene Arten von Betriebspensionszusagen. Der AG kann sich verpflichten, während des Arbeitsverhältnisses Beiträge in eine Pensionskasse einzuzahlen. Die Pensionskasse veranlagt die Beiträge und zahlt dem AN ab Pensionsantritt einen Pensionszuschuss aus.
Der AG kann sich aber auch verpflichten, bei einem bestimmten Ereignis (zB Pensionsantritt) eine direkte Pensionszahlung zu erbringen. In diesem Fall spricht man von einer direkten Leistungszusage.
Im Anlassfall liegt eine direkte Leistungszusage vor.
Gem § 7 BPG werden Anwartschaften auf eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die auf einer direkten Leistungszusage des AG beruhen, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Leistungsfalles (Pensionsantritt) unverfallbar, wenn seit Erteilung der Leistungszusage drei Jahre vergangen sind. Davon abweichende – für den AN günstigere Vereinbarungen – sind zulässig. Der AN hat in diesem Fall Anspruch auf den Unverfallbarkeitsbetrag.
Der Unverfallbarkeitsbetrag errechnet sich, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach dem Teilwertverfahren und den bei der Bildung der Rückstellung anzuwendenden versicherungsmathematischen Grundsätzen.
Sofern für direkte Leistungszusagen Pensionsrückstellungen nach § 211 Abs 2 UGB zu bilden sind, sind diese in dem Ausmaß, das sich nach den Vorschriften des § 14 Abs 7 EStG ergibt, mit Wertpapieren zu decken (§ 11 BPG).
Auf die nach § 11 Abs 1 BPG geforderte Wertpapierdeckung können Ansprüche aus einer vom AG geschlossenen und dem § 14 Abs 7 EStG entsprechenden Rückdeckungsversicherung angerechnet werden. Der AG kann also, anstatt die geforderten Wertpapiere anzuschaffen, auch eine Rückdeckungsversicherung abschließen. Der AG schließt dabei als Versicherungsnehmer einen Lebensversicherungsvertrag zu Gunsten des AN ab. Versicherte Person ist somit der AN. Die Rechte und Ansprüche aus der Versicherung werden zu Gunsten des AN verpfändet.
Der AN muss bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Leistungsanfall (Pensionsantritt) zumindest den Unverfallbarkeitsbetrag erhalten. Der AG kann aber auch eine für den AN günstigere Regelung vorsehen. Die Rückdeckungsversicherung dient dazu, den Anspruch des AN auf den Unverfallbarkeitsbetrag zu sichern.
Im Falle einer Insolvenz des AG kann die direkte Leistungszusage nicht mehr erfüllt werden, unabhängig davon, ob sich der AN bereits im Leistungsbezug befindet oder im aufrechten Arbeitsverhältnis noch Anwartschaften erworben werden könnten.
Im Anlassfall war strittig, ob dem AN nach der vorliegenden Pensionszusage nur der Unverfallbarkeitsbetrag oder der höhere Rückkaufswert aus der Rückdeckungsversicherung zustehen solle.
Eine einzelvertragliche Pensionszusage stellt einen zweiseitigen Vertrag dar und ist nach den §§ 914, 915 zweiter Halbsatz ABGB auszulegen. Gem § 914 ABGB ist bei Auslegung von Verträgen „nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs
448entspricht
“. Maßgeblich ist demnach der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung sowie die Absicht der Parteien. Unter der „Absicht der Parteien“ ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen.
Im Anlassfall hatte der Kl nach den erstgerichtlichen Feststellungen kein von der schriftlichen Pensionszusage abweichendes Verständnis. Den Erklärungswillen der AG betreffend wurde vom Erstgericht festgestellt, dass die AG mit der Formulierung in § 11 der Pensionszusage klarstellen wollte, dass in jenen Fällen, in denen der Rückkaufswert aus dem betrieblichen Lebensversicherungsvertrag höher ist als der nach den Vorschriften des BPG errechnete Unverfallbarkeitsbetrag, dem ausscheidenden AN die Leistung aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag – sohin jener Betrag, den die Versicherung bei vorzeitiger Auflösung an den Versicherungsnehmer ausbezahlt (Rückkaufswert) – gebührt und nicht der (niedrigere) Unverfallbarkeitsbetrag. Wäre das vom Vertragstext abweichende Verständnis der AG beim Vertragsschluss zur Sprache gekommen, hätte sich der Kl wohl diesem Verständnis angeschlossen und mit einer entsprechenden Abänderung des Urkundentextes einverstanden erklärt. Laut OGH könnte daher in Erwägung gezogen werden, einen deckungsgleichen wahren Willen des Kl und damit einen natürlichen Konsens zu fingieren. Eine derartige Konstellation wurde soweit ersichtlich von Rsp und Lehre bis dato noch nicht behandelt. Nach Ansicht des OGH bedarf diese Überlegung aber keiner Vertiefung, weil der Anspruch des Kl auf den höheren Rückkaufswert auch dann berechtigt ist, wenn man einen natürlichen Konsens verneint.
Im Anlassfall ist nämlich zu prüfen, ob durch die Auszahlung des Rückkaufswerts an ausscheidende Mitarbeiter in der Vergangenheit eine betriebliche Übung begründet wurde. Nach der stRsp führt eine regelmäßige vorbehaltlose Gewährung von bestimmten Leistungen an die Gesamtheit der AN zu einem einzelvertraglichen Anspruch, wenn sich aus diesem Verhalten eine Vertrauensposition der AN ableiten lässt, der Wille des AG für eine dementsprechende Verpflichtung in die Zukunft unzweideutig zum Ausdruck kommt und eine schlüssige Zustimmung der AN iSd § 863 ABGB angenommen werden kann. Durch die schlüssige Zustimmung der AN zur – ebenfalls – schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags durch das Verhalten des AG werden neue einzelvertragliche Ansprüche begründet.
Eine betriebliche Übung ist auch dann gegeben, wenn der AG über längere Zeit den AN eine Leistung in der irrigen Annahme, zu ihr rechtlich verpflichtet zu sein, erbringt und dieser Irrtum den AN auch bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar ist.
Damit ist für die Annahme einer betrieblichen Übung im Anlassfall zwar ohne Relevanz, dass die AG bei Eingehen der Pensionszusage gegenüber dem Kl den Willen hatte, bei Überschreitung des Unverfallbarkeitsbetrags durch den Rückkaufswert immer den Rückkaufswert zur Auszahlung zu bringen. Sehr wohl aber kommt es darauf an, dass die AG dies in der Vergangenheit gegenüber anderen AN, denen sie eine gleiche Pensionszusage gegeben hatte, wiederholt praktizierte. Den Feststellungen ist zwar nicht zu entnehmen, bei wie vielen AN dies der Fall war. Die AN in ihrer Gesamtheit – auf das Verständnis eines einzelnen AN kommt es wie bereits dargestellt nicht an – durften diese Praxis aber dahin verstehen, dass die AG gekündigten AN zumindest stets jenen Betrag zubilligen will, den sie anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Versicherungsanstalt aus dem jeweils abgeschlossenen Versicherungsvertrag erhält (Rückkaufswert).
Auf Grund der auch sein Vertragsverhältnis abändernden betrieblichen Übung hatte auch der Kl Anspruch auf den höheren Rückkaufswert.