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Meldeverpflichtung wird nicht durch Angaben im Leistungsantrag eines anderen Verfahrens erfüllt

FABIANGAMPER

Ein Versicherter bezog ab 10.8.1990 eine Witwerpension. Gemeinsam mit dem Pensionsbescheid erhielt er ein Informationsblatt über die gesetzliche Meldepflicht und er wurde darauf hingewiesen, dass Überzahlungen, die durch die Verletzung der Meldepflicht entstehen, zurückzuzahlen seien. Am 8.9.1994 heiratete der Versicherte die nunmehrige Kl, ohne dies jedoch an die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) zu melden. In einem Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld vom 10.5.2014 gab er allerdings an, dass er verheiratet sei. Dies hat er jeweils auch bei Erhöhungsanträgen im April 2015, März und August 2016 wiederholt. Weiters wurde auch in den Anstaltsgutachten hinsichtlich des Pflegegeldes vermerkt, dass die Kl mit dem Witwer verheiratet war und ihn auch pflegte. Er verstarb am 12.11.2016.Die bekl PVA bemerkte erst im März 2017, dass der Verstorbene eine Witwerpension bezogen hatte, obwohl er mit der Kl verheiratet war. Die Kl hat eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben und ist daher Rechtsnachfolgerin des Witwers.

Die Bekl forderte aufgrund der Meldepflichtverletzung des Verstorbenen einen Überbezug von € 27.826,10 mit Bescheid vom 23.9.2019 von der Kl zurück. Die Kl begehrte die Feststellung, dass keine Rückersatzpflicht bestehe und der Verstorbene seiner Meldepflicht nachgekommen sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da die Wiederverehelichung nicht ausdrücklich gemeldet wurde. Auch das Berufungsgericht hat der Berufung der Kl nicht Folge gegeben, da zwischen den Verfahren auf Zuerkennung einer Witwerpension und von Pflegegeld kein Zusammenhang bestanden habe.

Der OGH hat die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückgewiesen.

Dazu stellt der OGH Folgendes klar: Gem § 107 Abs 1 ASVG können vom Sozialversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen ua zurückgefordert werden, wenn der Zahlungsempfänger den Bezug durch Verletzung der Meldevorschriften (§ 40 ASVG) herbeigeführt hat. Die Meldepflicht hat im Massenverfahren den Zweck, dass der Versicherungsträger verlässlich auf die für die Leistung relevanten Umstände aufmerksam gemacht und er von eigenständiger Informationsbeschaffung und Zuordnung zu jeweiligen Akten entlastet wird. Die Meldepflicht besteht auch, wenn dem Versicherungsträger die Informationen „beiläufig“ schon zugegangen sind.

Im konkreten Fall standen die Verfahren bezüglich der Witwenpension und auf Zuerkennung bzw Erhöhung von Pflegegeld in keinem Zusammenhang. Die Anträge auf Zuerkennung und Erhöhung von Pflegegeld verfolgten nicht den Zweck, einer Meldepflicht zu entsprechen, sondern vielmehr, eine zusätzliche Sozialleistung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sieht der OGH die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass keine besonderen Gründe vorliegen, aus denen der verstorbene Gatte der Kl auch bei gebotener Sorgfalt schließen hätte können, dass eine Meldung seiner Wiederverehelichung an die Bekl nicht erforderlich sei, als nicht korrekturbedürftig an.

Das Rückforderungsrecht besteht aber gem § 107 Abs 2 lit a ASVG dann nicht, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen musste, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, die für die bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb angemessenerer Frist unterlassen hat. Bei dieser Norm handelt es sich um ein im Interesse des Leistungsempfängers gegenüber § 1432 letzter Fall ABGB verschärftes Rückforderungsverbot, das schon dann besteht, wenn der Versicherungsträger erkennen musste, dass er Geldleistungen zu Unrecht erbracht hat; er ist ab diesem Zeitpunkt ver478pflichtet, innerhalb angemessener Frist die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Überbezüge zu verhindern. Ignoriert der Versicherungsträger eine ihm zugekommene Information, aus der er erkennen musste, dass eine Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, und erbringt er diese Leistung weiter, dann besteht kein Rückforderungsrecht.

Die Frage des Vorliegens des Tatbestands des Rückforderungsausschlusses kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und stellt daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar. Es wäre der Bekl jedoch nur bei Verletzung einer gesetzlichen Pflicht oder einer allgemein bestehenden Übung vorzuwerfen, dass sie aus den Angaben des verstorbenen Ehegatten im Verfahren über die Zuerkennung und Erhöhung des Pflegegeldes über seinen Familienstand nicht erkannte, dass diese Information auch seinen Anspruch auf Witwerpension berührt. Eine solche gesetzliche Pflicht oder allgemein bestehende Übung behauptet die Kl aber nicht, sodass sie auch insofern keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts aufzeigt.