235Rückforderung des Familienzeitbonus bei unrechtmäßigem Leistungsbezug infolge Behördenfehlers zulässig
Rückforderung des Familienzeitbonus bei unrechtmäßigem Leistungsbezug infolge Behördenfehlers zulässig
Der Kl war zunächst bis 2.8.2018 im Rahmen eines Dienstverhältnisses beschäftigt und von 3.8.2018 bis 12.8.2018 arbeitslos gemeldet. Am 13.8.2018 begann sein Dienstverhältnis zu einem neuen DG. Nach der Geburt seines Sohnes am 29.1.2019 begab er sich in eine Außenstelle der Österreichischen Gesundheitskasse, um den Familienzeitbonus zu beantragen, wo er von einem Mitarbeiter der Bekl die Auskunft erhielt, dass 14 Tage Arbeitslosigkeit für den Bezug des Familienzeitbonus irrelevant seien. Infolgedessen nahm der Kl den Familienzeitbonus von 2.2. bis 2.3.2019 in Anspruch. Mit Bescheid vom 4.7.2019 widerrief die Bekl den zuvor zuerkannten Familienzeitbonus und verpflichtete den Kl zum Rückersatz von € 678,-.
Der Kl begehrte die Feststellung, dass dieser Widerruf zu Unrecht erfolgt und er nicht zum entsprechenden Rückersatz verpflichtet sei. Insb sei die Anordnung einer allein auf objektiven Tatsachen basierenden Rückforderung verfassungswidrig.485
Die Bekl beantragte dagegen die Abweisung der Klage. Sie wendete im Wesentlichen ein, dass die Rückforderungsregelung in § 7 FamZeitbG ausschließlich auf die Tatsache abstelle, dass die Leistung nicht gebührt habe, ohne dass es auf ein Verschulden ankomme. Unrichtige Auskünfte eines Mitarbeiters der Bekl könnten allenfalls einen Schadenersatzanspruch begründen, der allerdings im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl mit der Begründung Folge, dass insb bei Leistungen, die als Einkommensersatz dienen sollen, eine Rückerstattungspflicht ohne subjektive Vorwerfbarkeit verfassungsrechtlich bedenklich sei. Dass Leistungsempfänger trotz mangelnder Erkennbarkeit des Behördenfehlers das sich aus diesem Fehler ergebende Risiko zur Gänze tragen sollten, sei sachlich nicht zu rechtfertigen und § 7 Abs 1 FamZeitbG verfassungskonform dahingehend zu reduzieren, dass Rückforderungen bei Behördenfehlern ohne Erkennbarkeit der Unrechtmäßigkeit durch den Leistungsempfänger unzulässig seien. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Bekl war nach Ansicht des OGH zulässig und auch berechtigt.
Gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG hat ein Vater Anspruch auf Familienzeitbonus für sein Kind, sofern er in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend eine in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der AlV erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Tagen nicht anspruchsschädigend auswirken. Nach der auf diese Bestimmung übertragbaren Rsp zu § 24 Abs 1 Z 2 KBGG (vgl zB OGH 13.10.2020, 10 ObS 107/20p) steht dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bzw Familienzeitbonus selbst ein weniger als 14 Tage andauernder Bezug von Leistungen aus der AlV entgegen. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Familienzeitbonus lagen beim Kl, der zum Zeitpunkt des Beginns des 182-tägigen Beobachtungszeitraumes am 4.8.2018 Arbeitslosengeld bezog, folglich nicht vor.
§ 7 Abs 1 FamZeitbG verpflichtet den Krankenversicherungsträger, einen jeden unrechtmäßig bezogenen Familienzeitbonus vom Leistungsbezieher zurückzufordern.
Der OGH sprach sich in seiner E gegen die Vornahme einer teleologischen Reduktion dieser Bestimmung aus. Eine solche könne schließlich nur vorgenommen werden, wenn der Wortlaut des Gesetzes im Vergleich zu dessen erkennbarem Zweck überschießend sei. Es gebe aber insb in Anbetracht der Materialien zum FamZeitbG keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass im Fall eines Behördenfehlers eine Rückforderung gar nicht oder etwa nur dann stattfinden solle, wenn dem Empfänger die Unrechtmäßigkeit der Leistung auffallen musste. Darüber hinaus stehe einem ungewollten Übersehen der Schaffung eines entsprechenden Ausnahmetatbestands entgegen, dass mit BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 (zeitgleich mit der Kundmachung des FamZeitbG) die Rückforderungsbestimmung in § 31 KBGG novelliert und darin explizit ein Rückforderungstatbestand für den Fall der irrtümlichen Auszahlung geschaffen wurde. Insofern liege es nicht nahe, dass der Gesetzgeber im Bereich des FamZeitbG von einer Rückforderung bei irrtümlicher Auszahlung absehen wollte.
Ferner teilte das Höchstgericht auch nicht die Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 7 FamZeitbG. Der VfGH sehe schließlich Rückforderungsvorschriften, die lediglich auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellen, nur unter besonders schwerwiegenden Umständen als verfassungsrechtlich bedenklich an (zum Fall der gänzlichen Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitslosengeldes, in dem die Rückzahlungsverpflichtung die Einkünfte uU weit übersteigt: VfGHG 271/94 VfSlg 14.095).
Entsprechend schwerwiegende Umstände verneinte der OGH im Falle der objektiven Rückzahlungsregelung in § 7 FamZeitbG deshalb, weil sich der Zweck dieser Leistung darauf beschränke, lediglich eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Darüber hinaus lasse sich die den Materialien zu § 31 KBGG entnehmbare sachliche Rechtfertigung – nämlich die Vermeidung einer durch Behördenfehler verursachte Besserstellung mancher Eltern – auf rechtsirrtümlich erbrachte Leistungen nach dem FamZeitbG übertragen.
Insgesamt sei die Rückforderung des Familienzeitbonus deshalb auch bei unrechtmäßigem Leistungsbezug infolge eines Behördenfehlers zulässig, und zwar auch dann, wenn die Unrechtmäßigkeit dem Leistungsbezieher nicht erkennbar war.