237

Überschreiten der Zuverdienstgrenze beim pauschalen Kinderbetreuungsgeld: Auch bei Bezug für mehrere Kinder hintereinander nur einmalige Rückforderung in Höhe des Überschreitungsbetrags für das Kalenderjahr

KRISZTINAJUHASZ

Bezog ein Pflegeelternteil (hier: Krisenpflegemutter) im Jahr hintereinander für mehrere Kinder pauschales Kinderbetreuungsgeld, kann – bei Überschreiten der Zuverdienstgrenze – der Überschreitungsbetrag nur einmal für das Kalenderjahr zurückgefordert werden. Die Überschreitung der Zuverdienstgrenze ist nicht für jedes Kind gesondert zu ermitteln.

SACHVERHALT

Die Kl betreute als Krisenpflegemutter zunächst das Kind E und anschließend das Kind C. Sie bezog für das Kind E im Zeitraum von 14.3.2014 bis 31.7.2014 sowie für Kind C von 1.8.2014 bis 31.12.2014 pauschales Kinderbetreuungsgeld. Der Gesamtbetrag der von der Kl für das Jahr 2014 erzielten maßgeblichen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit überschritt die von § 2 Abs 1 Z 3 KBGG vorgesehene Zuverdienstgrenze von € 16.200,-.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl widerrief mit Bescheid zunächst die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für das Kind E sowie mit einem weiteren Bescheid für das Kind C jeweils in Höhe der Überschreitung der Zuverdienstgrenze und verpflichtete die Kl zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistungen. Der erste Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit ihrer Klage begehrte die Kl die Feststellung, dass sie nicht zum Rückersatz des im Zeitraum von 1.8. bis 31.12.2014 für das Kind C bezogenen Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet sei, da die Zuverdienstgrenze ein absoluter Grenzbetrag sei, der nicht mehrmals überschritten werden könne. Die Bekl wandte dagegen ein, dass bei Bezug von Kinderbetreuungsgeld für mehrere Kinder während eines Kalenderjahres stets vom Bezugszeitraum für die jeweilige Leistung pro Kind auszugehen sei. Die Zuverdienstgrenze könne daher auch mehrfach überschritten werden.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass für jedes von der Kl betreute Kind die Zuverdienstgrenze gesondert zu ermitteln sei. Das von der Kl angerufene Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. § 8a KBGG sei dahin auszulegen, dass der Überschreitungsbetrag nur einmal pro Kalenderjahr zurückgefordert werden könne.487

Die Revision der Bekl war zulässig, aber nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

1.Die „Zuverdienstgrenzen“ im KBGG

[…]

1.2 Im vorliegenden Fall ist § 2 Abs 1 Z 3 KBGG idF BGBl I 2014/35BGBl I 2014/35 anzuwenden. Danach hat ein Elternteil (Adoptionselternteil, Pflegeelternteil) Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern der Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte (§ 8 Abs 1 KBGG) des Elternteils im Kalenderjahr den absoluten Grenzbetrag von 16.200 EUR oder den höheren individuellen Grenzbetrag nach § 8b KBGG nicht übersteigt.

1.3 Ähnlich ordnete auch § 24 Abs 1 Z 3 KBGG in der für das Kalenderjahr 2014 geltenden Fassung (BGBl I 2013/117BGBl I 2013/117) an, dass ein Elternteil (Adoptionselternteil, Pflegeelternteil) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind) hat, sofern dieser Elternteil während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften (§ 8 Abs 1 KBGG) von nicht mehr als 6.400 EUR pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt. Weiters darf der Elternteil keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten haben.

1.4 Sowohl § 2 Abs 1 Z 3 KBGG als auch § 24 Abs 1 Z 3 KBGG verweisen für die Bestimmung des Begriffs der „maßgeblichen Einkünfte“ auf § 8 Abs 1 KBGG. […]

1.5 […] Weder § 2 Abs 1 Z 3 KBGG noch § 24 Abs 1 Z 3 KBGG unterscheiden danach, ob in einem Kalenderjahr für ein oder mehrere Kinder Kinderbetreuungsgeld bezogen wird.

2. Höhe der Rückforderung

2.1 Die für die Höhe der Rückforderung maßgebliche Bestimmung ist § 8a Abs 1 KBGG. Diese Bestimmung enthält eine Einschleifregelung für das pauschale und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld. […] Diese Regelung stellt schon vom Wortlaut her nicht auf das für eines oder mehrere Kinder in einem Kalenderjahr gebührende Kinderbetreuungsgeld ab, sondern auf das für das betreffende Kalenderjahr gebührende Kinderbetreuungsgeld.

2.2 § 8a KBGG wurde mit der Novelle BGBl I 2007/76BGBl I 2007/76 geschaffen. Den Grund dafür nennen die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 6): „[…] Überschreitet in Hinkunft jemand die Zuverdienstgrenze z.B. um 500 Euro, so verringert sich das für dieses Kalenderjahr gebührende (ausgezahlte) Kinderbetreuungsgeld um diesen Betrag und es muss nicht das gesamte KBG zurückgezahlt werden.“ Auch daraus ergibt sich erstens, dass der Gesetzgeber von einer Zuverdienstgrenze und deren (einmaligem) Überschreiten im Kalenderjahr ausgeht. Zweitens verfolgt der Gesetzgeber die Intention, für die Eltern finanzielle Verbesserungen zu erreichen und die Rückforderungsbeträge zu verringern.

3. Kinderbetreuungsgeld für mehrere Kinder:

3.1 Gemäß § 4 Abs 1 KBGG (idStF BGBl I 2001/103BGBl I 2001/103) gebührt das Kinderbetreuungsgeld auf Antrag, frühestens ab dem Tag der Geburt des Kindes, bei Adoptiv- und Pflegekindern frühestens ab dem Tag, ab dem das Kind in Pflege genommen wird.

3.2 Nach § 5 Abs 5 Satz 1 KBGG (in der hier anwendbaren Fassung BGBl I 2007/76BGBl I 2007/76) endet der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit Ablauf jenes Tages, welcher der Geburt eines weiteren Kindes bzw der Adoption (In-Pflege-Nahme) eines jüngeren Kindes vorangeht (nunmehr: § 3 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53). Zur Novellierung des § 5 Abs 5 KBGG mit der Novelle BGBl I 2007/76BGBl I 2007/76 führen die Gesetzesmaterialien aus (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 5): „Es erfolgt dahingehend eine Klarstellung, dass das Kinderbetreuungsgeld jedenfalls endet, wenn ein weiteres Kind geboren bzw. ein jüngeres Kind adoptiert oder in Pflege genommen wird […].“ Das Kinderbetreuungsgeld soll daher nur für das jeweils jüngst geborene Kind einer Familie gebühren (10ObS87/19w&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 87/19w […]).

3.3 Aus den hier noch anzuwendenden §§ 4 und 5 KBGG (nunmehr: §§ 4 und 3 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) ergibt sich, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht als einheitlicher Anspruch für mehrere Kinder, sondern separat bezogen auf das jeweilige Kind zu sehen ist. […] Bei der Berechnung der Zuverdienstgrenze ist auch bei (sukzessivem) Bezug von Kinderbetreuungsgeld während eines Kalenderjahres für verschiedene Kinder stets von dem Bezugszeitraum für dasjenige Kind auszugehen, für das gerade ­Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht (10ObS21/14g&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 21/14g; 10ObS50/14x&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 50/14x).

3.4 Wird daher Kinderbetreuungsgeld zeitlich nacheinander für mehrere Kinder in einem Kalenderjahr bezogen, so handelt es sich dabei zwar nicht um einen einheitlichen Anspruch, sondern ist dieser separat auf das jeweilige Kind bezogen zu sehen. Dies ändert aber nichts daran, dass immer nur für ein – das jüngere – Kind Kinderbetreuungsgeld bezogen werden kann […].

4. Zur Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld

4.1 § 31 Abs 2 KBGG normiert eine objektive Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann, wenn rückwirkend Tatsachen festgestellt werden – hier die Überschreitung der Zuverdienstgrenze –, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht […]. […]

4.3 Aus den Entscheidungen 10ObS21/14g&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 21/14g und 10ObS50/14x&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 50/14x ergibt sich […], dass bei der Berechnung der Zuverdienstgrenze auch bei (sukzessivem) Bezug von Kinderbetreuungsgeld während eines Kalenderjahres für verschiedene Kin488der stets von dem Bezugszeitraum für dasjenige Kind auszugehen ist, für das gerade Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht. […] die Überschreitung der Zuverdienstgrenze kann nur bei einem Kind zur Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld führen, für das gerade Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht. […]

4.4 Für die Rechtsansicht der Beklagten, dass der sich nach § 8a Abs 1 KBGG ergebende Überschreitungsbetrag im Fall des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld für verschiedene Kinder in einem Kalenderjahr bei jedem dieser Kinder separat zu berechnen ist, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Träfe die Ansicht der Beklagten zu, müssten bezugsberechtigte Elternteile (oder Pflegeeltern), die in einem Kalenderjahr Kinderbetreuungsgeld zeitlich nacheinander für mehrere Kinder beziehen, im Fall der Überschreitung der Zuverdienstgrenze in diesem Kalenderjahr insgesamt einen höheren Betrag an Kinderbetreuungsgeld zurückzahlen als bezugsberechtigte Elternteile in der vergleichbaren Situation, die nur für ein Kind Kinderbetreuungsgeld beziehen. Eine solche Ungleichbehandlung wäre schon deshalb nicht sachgerecht, weil bezugsberechtigte Elternteile, die für mehrere Kinder zeitlich nacheinander Kinderbetreuungsgeld derselben Art beziehen, insgesamt nicht mehr erhalten als bezugsberechtigte Elternteile, die nur für ein Kind Kinderbetreuungsgeld beziehen. Der Schutzzweck der Regelung liegt darin, dass der Anspruchsberechtigte ungeachtet der Anzahl an Kindern, für die er zeitlich nacheinander Kinderbetreuungsgeld bezieht, einen Überschreitungsbetrag nach der Einschleifregelung des § 8a Abs 1 KBGG nur einmal, bezogen auf das Kalenderjahr, zurückzahlen soll.

5. Ergebnis

5.1 Bezog ein Pflegeelternteil im Jahr 2014 hintereinander für zwei Kinder pauschales Kinderbetreuungsgeld, kann bei Überschreiten der Zuverdienstgrenze der Überschreitungsbetrag nur einmal für das Kalenderjahr zurückgefordert werden. Die Überschreitung der Zuverdienstgrenze ist nicht für jedes Kind gesondert zu ermitteln. […]“

ERLÄUTERUNG

Gegenstand des Verfahrens war die Rückforderung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld aufgrund der Überschreitung der zulässigen Zuverdienstgrenze gem § 2 Abs 1 Z 3 KBGG. Strittig war, ob der Überschreitungsbetrag nur einmal für das Jahr 2014 zurückgefordert werden kann oder, ob er für jedes Kind zurückzufordern ist, wenn im betreffenden Jahr hintereinander für mehrere Kinder Kinderbetreuungsgeld bezogen worden ist.

Zielsetzung des KBGG ist es, das Kinderbetreuungsgeld nur jenen Eltern(-teilen) zu gewähren, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken. Die Zuverdienstgrenzen in § 2 Abs 1 Z 3 und § 24 Abs 1 Z 3 KBGG dienen diesem Zweck. § 2 Abs 1 Z 3 KBGG und § 24 Abs 1 Z 3 KBGG unterscheiden sich da­rin, dass § 2 Abs 1 Z 3 KBGG auf die Erzielung von Einkünften im Kalenderjahr abstellt, während nach § 24 Abs 1 Z 3 KBGG (idF BGBl I 2013/117BGBl I 2013/117) die Erzielung von Einkünften während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens maßgeblich ist (anders nunmehr § 24 Abs 1 Z 3 KBGG idgF BGBl I 2019/75BGBl I 2019/75); sie ordnen jedoch unabhängig von dem Zeitraum, in dem Einkünfte erzielt werden, an, dass ein bestimmter Betrag pro Kalenderjahr nicht überschritten werden darf. Hierbei wird aber nicht darauf abgestellt, ob in einem Kalenderjahr für ein oder für mehrere Kinder Kinderbetreuungsgeld bezogen wird.

Vor Schaffung des § 8a KBGG durch die Novelle BGBl I 2007/76BGBl I 2007/76 musste bei Überschreiten der Zuverdienstgrenze das gesamte, im betreffenden Kalenderjahr gebührende Kinderbetreuungsgeld zurückgefordert werden, sofern nicht ein Härtefall vorlag. Insofern hat die Einschleifregelung des § 8a KBGG zu einer Verringerung der Rückforderungsbeträge geführt. Zudem ist der Gesetzgeber hierbei von einer einmaligen Überschreitung der Zuverdienstgrenze im Kalenderjahr ausgegangen. Nach dem Wortlaut des § 8a Abs 1 KBGG umfasst die Rückforderung nur den für das betreffende Kalenderjahr aus der Differenz des Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte gem § 8 KBGG zur jeweils maßgeblichen Zuverdienstgrenze ergebenden Betrag.

Der OGH führte aus, dass das Kinderbetreuungsgeld nicht dem Kind, sondern dem Elternteil gebührt, der die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (OGH 27.7.2004, 10ObS110/04f&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 110/04f) und der allenfalls auch rückzahlungspflichtig wird, dies aber – und zwar auch im Fall des Bezugs für mehrere Kinder in einem Kalenderjahr – immer nur für ein Kind. Im vorliegenden Fall hat die Kl im Jahr 2014 die für sie geltende Zuverdienstgrenze um € 974,08 überschritten, daher kann dieser Betrag gem § 31 Abs 2 KBGG von ihr zurückgefordert werden. Die Bekl hat bereits für das Kind E, für das die Kl im Zeitraum von 14.3. bis 31.7.2014 Kinderbetreuungsgeld bezogen hat, den Betrag zurückgefordert. Da die Kl aber den Überschreitungsbetrag für das Jahr 2014 nur einmal zurückzahlen muss, war die neuerliche Rückforderung betreffend das Kind C, für das die Kl von 1.8. bis zum 31.12.2014 Kinderbetreuungsgeld bezogen hat, zu Unrecht erfolgt.

Zum identen Ergebnis kommt der OGH in der ebenfalls am 22.6.2021 getroffenen E zu 10 ObS 73/21i in einem Fall, in dem ein Pflegeelternteil im Jahr 2015 hintereinander für drei Kinder pauschales Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. 489