Leistungslücken beim Rehabilitationsgeldentziehungsverfahren

FABIANGAMPER / ELISABETHHANSEMANN
1..
Leistungen aus der Pensionsversicherung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit

Personen, die krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten können, haben bei Erfüllung der entsprechenden Wartezeit Anspruch auf eine Leistung aus der gesetzlichen SV. Zuständig für die Überprüfung eines solchen Anspruches ist bei ASVG-versicherten Personen die Pensionsversicherungsanstalt (PVA).* Diese entscheidet auch über die Leistungsart: Bei voraussichtlich dauerhaft vorliegender Arbeitsunfähigkeit erhält die betroffene Person eine Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension gem §§ 254 bzw 271 ASVG. Personen, die zwar zum Stichtag arbeitsunfähig und dies voraussichtlich auch für zumindest sechs Monate sind, aber anzunehmen ist, dass sich der Gesundheitszustand kalkülsrelevant bessern wird, erhalten bis inklusive Jahrgang 1963 eine befristete Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension gem § 256 iVm § 669 Abs 5 ASVG und ab Jahrgang 1964 ein Rehabilitationsgeld (kurz: Rehageld) gem § 143a ASVG.

Die Höhe der (befristeten) Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension berechnet sich, so wie die normale Alterspension auch, aus dem Betrag, welcher am Pensionskonto gutgeschrieben wurde. Pro Jahr, um das die Pension vor dem Regelpensionsalter beansprucht wird, werden 4,2 % der Leistung, höchstens jedoch 13,8 %, abgeschlagen. Personen mit weniger als 469 Versicherungsmonaten gebühren bis zum 60. Lebensjahr noch Zurechnungsmonate. Diese wirken sich pensionserhöhend aus.*

Das Rehageld wiederum ist eine Leistung aus der KV, es gebührt in der Höhe eines fiktiven Krankengeldanspruchs aus dem zuletzt bezogenen Entgelt einer Erwerbstätigkeit.* Das entspricht rund 60 % des zuletzt bezogenen Monatsbruttoentgelts. Insb bei jüngeren Versicherten bzw Personen mit einem lückenhaften Versicherungsverlauf, die noch nicht so viel auf ihr Pensionskonto einbezahlt haben, kann das Rehageld deutlich höher ausfallen als eine dauerhafte Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension.

Ein zusätzlicher Vorteil des Rehageldes sind die Sachleistungen, welche mit dieser Leistung verbunden sind. Gem § 143b ASVG werden vom Krankenversicherungsträger in Form eines Case-Managements aktiv Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des/der RehageldbezieherIn eingeleitet und die RehageldbezieherInnen umfassend bei der Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit unterstützt. Den/die RehageldbezieherIn trifft dabei eine Mitwirkungspflicht. Ein weiterer Unterschied zur befristeten Pensionsleistung ist, dass Zeiten des Rehageldbezuges als Versicherungszeiten in der PV zählen und Beiträge auf dem Pensionskonto gutgeschrieben werden.

2..
Entzug des Rehageldes und Rechtsmittelverzicht
2.1..
Entzug des Rehageldes

Wenn der Pensionsversicherungsträger feststellt, dass einer der Tatbestände nach § 99 Abs 3 Z 1 lit b ASVG – Besserung des Gesundheitszustandes (sublit aa), Verweigerung der Mitwirkung an medizinischen Maßnahmen der Reha (sublit bb), Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit der Maßnahmen beruflicher Reha (sublit cc), Vorliegen von voraussichtlich dauerhafter Invalidität (sublit dd) – vorliegt, kann dieser das Rehageld mit Ablauf des Kalendermonats, welches der Zustellung des Bescheides folgt, entziehen.

Der Entziehungstatbestand nach sublit dd nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, da hierbei den Versicherten das Rehageld entzogen wird, jedoch gem § 361 Abs 5 iVm § 86 Abs 6 ASVG die Pensionsleistung ohne weitere Antragstellung mit dem der Entziehung folgenden Tag anfällt. Mit dem Anfall einer Leistung beginnt das Leistungsverhältnis, der Anfall setzt die Leistungspflicht des Versicherungsträgers voraus.*

2.2..
Rechtsmittelverzicht bei Entziehung nach sublit dd

Die derzeit gängige Praxis der PVA, als größten Pensionsversicherungsträger Österreichs, ist, zeitgleich oder in zeitlicher Nähe zum Entziehungsbescheid aufgrund voraussichtlich dauerhafter Invalidität bzw Berufsunfähigkeit, einen vorgefertigten Rechtsmit496telverzicht an die Versicherten zu schicken.* Diese Praxis steht zwar, wie unter 4.1. dargelegt, im Einklang mit der restriktiven Rsp des OGH, führt jedoch für die Versicherten zu einer in einem Rechtsstaat bedenklichen finanziellen Drucksituation, den Rechtsmittelverzicht zu unterzeichnen, um rasch und gesichert zu einer Leistung zu kommen.

3..
Leistungslücken für Versicherte für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens
3.1..
Leistung aus der Pensionsversicherung

Personen, denen das Rehageld gem § 99 Abs 3 lit b sublit dd ASVG entzogen wurde, aber der Ansicht sind, dass sich ihr Gesundheitszustand kalkülsrelevant bessern kann, haben die Möglichkeit, eine Klage gegen den Entziehungsbescheid einzubringen. In diesem Fall ist es Praxis der PVA, dass vorerst kein Bescheid über eine dauerhafte Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension ausgestellt wird. Folglich wird den betroffenen Personen zunächst keine Pensionsleistung ausgezahlt. Ausführlicher dazu unter 4.2.

3.2..
Leistung aus der Krankenversicherung

Da Arbeitsunfähigkeit vorliegt, werden Personen, die zu diesem Zeitpunkt noch ein aufrechtes Dienstverhältnis haben, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu ihrer Erwerbstätigkeit zurückkehren. Ein Krankengeldbezug ist in den meisten Fällen nicht möglich, da ein solcher für gewöhnlich bereits vor der erstmaligen Zuerkennung des Rehageldes ausgeschöpft wurde. Selbst wenn noch ein (Rest-)Anspruch bestünde, so ist nicht gesichert, dass dieser für die gesamte Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens ausreicht. Ein neuer Anspruch auf Krankengeld entsteht aufgrund des Rehageldbezuges nicht.* Ein Anspruch auf Sonderkrankengeld besteht gem § 139 Abs 2a ASVG nur für Personen mit aufrechtem Dienstverhältnis, bei denen die Höchstdauer ihres Krankengeldanspruches abgelaufen ist und die ein Verfahren gegen einen ablehnenden Bescheid des Pensionsversicherungsträgers über eine beantragte Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension führen und keinen Anspruch auf Rehageld haben. Verfahren gegen Entziehungsbescheide sind nicht angeführt. Ein Anspruch besteht daher aufgrund des eingeschränkten Wortlautes nicht.

3.3..
Leistung aus der Arbeitslosenversicherung

Ebenso sind Personen ohne aufrechtem Dienstverhältnis, die gegen einen das Rehageld gem § 99 Abs 3 lit b sublit dd ASVG entziehenden Bescheid klagen möchten, mit einer Leistungslücke konfrontiert: Aufgrund der festgestellten Arbeitsunfähigkeit besteht kein Leistungsanspruch aus der AlV. Das Arbeitsmarktservice ist an die durch die PVA bescheidmäßig festgestellte Beurteilung der Arbeitsfähigkeit gebunden.*

Ebenso besteht kein Anspruch auf Pensionsvorschuss nach § 23 Abs 1 Z 1 und Abs 4 AlVG, da auch hier der enggefasste Wortlaut entgegensteht. Denn Anspruch auf Bevorschussung von Leistungen aus der PV haben nur jene Personen, die eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit oder eines Übergangsgeldes aus der gesetzlichen PV oder UV beantragt haben und auf die Entscheidung über ihren Antrag warten. Über den Leistungsantrag der Personen, die gegen einen Rehageld-Entziehungsbescheid klagen, wurde aber bereits entschieden, nämlich mit dem Zuspruch des Rehageldes, welches nun aus den Gründen des § 99 Abs 3 lit b entzogen wird.

3.4..
Leistung aus der Sozialhilfe

Als letzte Möglichkeit bliebe daher nur mehr der Antrag auf Mindestsicherung, eine Leistung der Sozialhilfe. Die Voraussetzungen und Höhe der Mindestsicherung variieren je nach Bundesland, sind aber allesamt sehr restriktiv, sodass bei weitem nicht alle Versicherten die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.* Die Mindestsicherung hat den Zweck als letztes soziales „Auffangnetz“, die Existenz der AntragstellerInnen zu sichern und sollte nicht he­rangezogen werden, um Lücken in der beitrags­finanzierten SV zu schließen. Daher wird diese Möglichkeit nicht näher erörtert.

3.5..
Konsequenzen der Leistungslücke

Für die Dauer eines Gerichtsverfahrens gegen einen Entziehungsbescheid wegen § 99 Abs 3 lit b sublit dd ASVG besteht daher kein Anspruch auf eine Leistung (auch nicht vorschussweise) aus der SV – egal ob mit oder ohne aufrechtem Dienstverhältnis. Nicht nur, dass die Betroffenen dadurch vor einer massiven finanziellen Hürde stehen, so ist auch der Status in der KV für die Dauer des Verfahrens ungewiss, da die KV an einen laufenden Leistungsanspruch gekoppelt ist. Wer während des laufenden Verfahrens ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, muss (sofern nicht die Möglichkeit einer Mitversicherung besteht) die Kosten vorerst selber übernehmen. Erst nach dem Verfahren – nachdem rückwirkend festgestellt wurde, welcher Anspruch bestand – kann eine Kostenerstattung beantragt werden.497

Der Mangel an finanzieller und sozialrechtlicher Absicherung für die Dauer des Verfahrens stellt zweifelsohne ein großes und für einen Rechtsstaat durchaus bedenkliches Hindernis dar. Indirekt werden die Betroffenen daran gehindert, den Klagsweg zu bestreiten. Gerade in Anbetracht der Bedeutung des Klagsgegenstandes (in den meisten Fällen die finanzielle Lebensgrundlage für einen längeren Zeitraum) ist die Hürde zu einem gerichtlichen Verfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten sehr niedrig gehalten. So ist etwa das erstinstanzliche Verfahren für die klagende Partei in der Regel kostenlos (auch bei negativem Verfahrensausgang),* die Klagsfristen gegen Leistungsbescheide in der PV mit drei Monaten sehr lange* und eine qualifizierte Vertretung vor den Gerichten erster Instanz ist auch bei hohem Streitwert nicht erforderlich.* Systematisch kann daher nicht gewollt sein, dass die mangelnde finanzielle Absicherung für die Dauer des Verfahrens für viele Versicherte ein faktisches Klagshindernis darstellt.

4..
Verfahrensrechtliche Beurteilung des Entziehungs- und Gerichtsverfahrens
4.1..
Inhalt des Entziehungsbescheids

Wie oben bereits angeführt, kann das Rehageld gem § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit aa bis dd ASVG aus mehreren Gründen mit Ablauf des Kalendermonats, das der Zustellung des Bescheides folgt, entzogen werden. Bei den Entziehungstatbeständen nach sub lit aa, cc und dd leg cit handelt es sich um Fälle des Wegfalls einer ursprünglich vorhandenen Leistungsvoraussetzung iSd Grundtatbestands des § 99 Abs 1 ASVG.* Wird der Bescheid, mit dem das Rehageld entzogen wird, mittels Klage bekämpft, tritt dieser gem § 71 Abs 1 ASGG im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft. Nur wenn sich ein bestimmter Teil des Bescheids vom anderen Teil trennen lässt, kann dieser für sich allein rechtskräftig werden. Im Zweifel ist iSd Rechtssicherheit anzunehmen, dass durch die Klage der Bescheid möglichst weit bekämpft wird und außer Kraft tritt. In Leistungssachen nach § 65 Abs 1 Z 1, 6 und 8 ASGG, zu denen auch das Rehageld und die Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension zählen, muss gem § 71 Abs 2 ASGG, trotz Außerkrafttretens des bekämpften Bescheids, die im Bescheid zuerkannte Leistung weitergewährt werden.* Da im gegenständliche Fall allerdings keine Leistung zuerkannt, sondern entzogen wird, kommt § 71 Abs 2 ASGG nicht zur Anwendung. Ein Rehageld kann daher für die Dauer des Verfahrens nicht weitergewährt werden, auch wenn der Entziehungsbescheid außer Kraft getreten ist. Wenn sich im Verfahren ergibt, dass rechtswidrig entzogen wurde und weiterhin Rehageld zusteht, dann wird das Rehageld rückwirkend zugesprochen.

Gegen einen Leistungsbescheid eines Versicherungsträgers kann die Klage gem § 67 ASGG nur in dem bescheidgegenständlichen Ausmaß (hier: Entzug von Rehageld) eingebracht werden. Der Bescheid grenzt somit den möglichen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein. Ob eine Klage denselben Anspruch wie der bekämpfte Bescheid behandelt oder darüber hinausgeht, kann im Einzelfall schwer abgrenzbar sein. Nicht zulässig ist jedenfalls eine Klage, die auf eine andere Versicherungsleistung abzielt oder die Feststellung eines anderen Versicherungsfalls begehrt. In solchen Fällen kann bloß ein neuerlicher Antrag beim jeweiligen Träger gestellt werden.*

Die aktuelle* Praxis der PVA, den Spruch des Entziehungsbescheids möglichst unkonkret zu formulieren* und erst in der Begründung den eigentlichen Entziehungsgrund anzuführen – nämlich dass Invalidität bzw Berufsunfähigkeit voraussichtlich dauerhaft vorliegt und Anspruch auf Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension besteht –, führt zu einer rechtlichen und der oben erörterten finanziellen Unsicherheit für die Versicherten.

Grundsätzlich ist bloß der Spruch eines Bescheides für die Beurteilung des bescheidgegenständlichen Ausmaßes von Bedeutung. Nur dieser Teil des Bescheids wird rechtskräftig und kann vollstreckt werden. Daher muss der Spruch entsprechend bestimmt, klar und deutlich sein. Die Begründung dient bloß der Erklärung und gegebenenfalls der Auslegung der im Spruch genannten Rechtsfolgen: Ist der Spruch klärungsbedürftig, ist dieser im Rahmen seines Wortlautes gesetzeskonform und anhand der Begründung auszulegen.* Die Begründung entfaltet in solchen Fällen soweit indirekt rechtliche Wirkung. Dies wurde vom OGH und VwGH in mehreren Entscheidungen bestätigt.*, *

Da die PVA derzeit den Spruch der Entziehungsbescheide so unkonkret (wie rechtlich gerade noch zulässig) formuliert und der eigentliche Entziehungsgrund erst aus der Begründung hervorgeht, ist die Begründung jedenfalls für die Auslegung des Spruchs heranzuziehen. Diese entfaltet 498daher indirekt rechtliche Wirkung und wird daher ebenso Bescheidinhalt. Dies ergibt sich auch systematisch aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen der einzelnen Tatbestände des § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit aa–dd ASVG, die abgesehen von der Entziehung des Rehageldes bestehen.

Auch die Vollziehungspraxis der PVA, den Versicherten bei einem Entzug des Rehageldes einen vorgefertigten Klagsverzicht zuzusenden und bei Unterzeichnung die Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension nach § 86 Abs 6 ASVG ohne weitere Antragstellung zu gewähren, spricht dafür, dass trotz der bewusst offenen Formulierung die Entziehung des Rehageldes bloß aufgrund des Tatbestandes der voraussichtlich dauerhaft vorliegenden Invalidität bzw Berufsunfähigkeit gem § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit dd ASVG vorgenommen wird. Der Pensionsversicherungsträger darf nämlich gem § 361 Abs 5 ASVG nur in den Fällen des § 86 Abs 6 ASVG von Amts wegen tätig werden. Abseits dieser Ausnahme herrscht hinsichtlich der Leistungsgewährung aus der PV ein striktes Antragsprinzip. Dies bedeutet, dass ohne einen entsprechenden Antrag durch den oder die Versicherten der Pensionsversicherungsträger nicht über einen Leistungsanspruch entscheiden kann bzw darf.*, *

Trotz der oben beschriebenen Tatsache, dass der Vollzug mit dem Klagsverzicht rechtsstaatlich bedenklich ist, ist der Klagsverzicht des oder der Versicherten ab Bescheidausstellung an sich rechtlich zulässig.* Der OGH hat bereits entschieden, dass die §§ 361 Abs 5 ASVG iVm § 86 Abs 6 ASVG erst zur Anwendung kommen und damit kein eigenständiger Antrag für die Zuerkennung der Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension beim Pensionsversicherungsträger notwendig ist, wenn das Entziehungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.* Vorausgesetzt der/die Versicherte ist ebenso der Ansicht, dass sie dauerhaft invalid bzw berufsunfähig ist, ist der Klagsverzicht daher sogar sinnvoll, da somit ein rascherer, lückenloser Übergang in den Pensionsleistungsbezug sichergestellt werden kann.

4.2..
Verfahrensrechtliche Probleme im und aufgrund eines Gerichtsverfahrens gegen den Entziehungsbescheid aufgrund dauerhafter Arbeitsunfähigkeit
4.2.1..
Während der Dauer des Verfahrens

Problematisch ist die E des OGH* jedoch für Versicherte, die sich zwar subjektiv arbeitsunfähig halten, jedoch weiterhin eine Besserungsmöglichkeit ihres Gesundheitszustands sehen. Klagen diese Personen gegen den Entziehungsbescheid, tritt dieser gem § 71 Abs 1 ASGG außer Kraft. Das Entziehungsverfahren ist damit jedenfalls bis zur Beendigung des sozialrechtlichen Verfahrens vor dem zuständigen Arbeits- und Sozialgericht nicht beendet und die Pensionsleistung wird für die Dauer des Gerichtsverfahrens nicht gewährt. Auch eine sonstige Leistung steht nach obigen Ausführungen nicht oder nur sehr eingeschränkt zu. Das Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht behandelt bloß die Entziehung des Rehageldes, selbst wenn sich im Gerichtsverfahren die dauerhafte Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension bestätigen soll, kann das Gericht nicht die Pensionsleistung zusprechen, sondern nur die Entziehung aufgrund des Tatbestandes nach § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit dd ASVG bestätigen.

Eines der zentralen Elemente des Sozialrechtsverfahrens ist das sogenannte Verschlechterungsverbot nach § 71 Abs 2 ASGG. Dieses beinhaltet einerseits, dass der Versicherungsträger eine im bekämpften Bescheid gewährte Leistung auch während des Gerichtsverfahrens weitergewähren muss und das Gericht in diesen Fällen nicht nachteiliger bzw in der Höhe nach geringer als der Versicherungsträger entscheiden darf.

4.2.2..
Bei Beendigung des Verfahrens durch Klagsrückziehung

Wird im gerichtlichen Verfahren die Klage zurückgenommen, tritt gem § 71 Z 1 ASGG der durch die Klage außer Kraft getretene Bescheid nicht wieder in Kraft. Ein Wiederholungsbescheid muss binnen vier Wochen gem Z 2 lit c leg cit nur ausgestellt werden, wenn der Versicherungsträger eine Leistung nach § 71 Abs 2 ASGG weiter zu gewähren hat. In der gegenständlichen Fallkonstellation wäre dies nur der Fall, wenn man die Gewährung der Pensionsleistung als Bescheidinhalt (entgegen der Rsp des OGH in 10 ObS 116/16f vom 13.9.2016) qualifizieren würde.*

Durch eine Klagsrückziehung gilt der Antrag des/der Kl soweit als zurückgezogen, als der darüber ergangene Bescheid durch die Klage außer Kraft getreten ist. Faktisch wird durch die Klagsrückziehung die Entziehung des Rehageldes rechtskräftig bestätigt. Hierbei stellt sich die Rechtsfrage, aufgrund welchen Tatbestands des § 99 Abs 3 Z 1 lit b ASVG das Rehageld nun entzogen wurde. Die rechtskräftige Entziehung aufgrund voraussichtlich dauerhafter Invalidität bzw Berufsunfähigkeit nach sublit dd leg cit hätte wie beschrieben gem § 361 Abs 5 iVm § 86 Abs 6 ASVG zur Folge, dass der Pensionsversicherungsträger die Pensionsleis499tung ab dem der Entziehung folgenden Tag ausbezahlen müsste. Argumente für diese Ansicht sind, dass wie oben dargelegt der Entziehungstatbestand nach § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit dd ASVG Bescheidinhalt geworden ist. Das Rehageld wurde daher von der PVA ausschließlich aufgrund dieses Tatbestandes entzogen und im Gerichtsverfahren wurde mangels Entscheidung nicht über das Vorliegen eines anderen Entziehungstatbestands abgesprochen. Auch wenn das Verfahren mittels Klagsrückziehung geendet hat, wurde das Rehageld faktisch entzogen.

Folgt man der Ansicht der PVA, dass das Rehageld zwar faktisch entzogen wurde, durch die Klagseinbringung und Klagsrückziehung und des damit verbundenen Außerkrafttretens des Bescheids auch der Entziehungsgrund weggefallen sei, hätte dies zur Folge, dass ab dem Entzug des Rehageldes zumindest bis zur Klagsrückziehung, keine Versicherungsleistung zustehen würde (siehe 3.).

5..
Lösungsansätze
5.1..
Lösung durch Änderung der Verwaltungspraxis

Die Grundlage für die fehlende finanzielle Absicherung bzw rechtliche Unsicherheit liegt (auch) in der Vollzugspraxis der Pensionsversicherungsträger. Wenn der Pensionsversicherungsträger entweder im Entziehungsbescheid nach § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit dd ASVG bereits im Spruch oder in einem eigenständigen Bescheid über die Gewährung der Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension abspricht, hätten die Versicherten gem § 71 Abs 2 ASGG jedenfalls während des laufenden Gerichtsverfahrens die Pensionsleistung als zustehende Geldleistung. Auch bei der Zurücknahme der Klage müsste der Pensionsversicherungsträger binnen vier Wochen gem § 72 Z 2 lit c ASGG einen Wiederholungsbescheid über die Pensionsleistung erlassen.

Warum dies nicht bereits gängige Praxis ist, liegt wohl in der mangelnden Rückforderungsmöglichkeit des Trägers bei doppeltem Bezug. Das ASVG kennt keine Bestimmung, die das zeitliche Aufeinandertreffen von Rehageld und Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension regelt, sodass eine Rückforderung der Pensionsleistung in jenen Fällen, in denen schließlich doch das Rehageld zugesprochen wurde, nicht möglich ist.

5.2..
Lösung durch Gesetzesänderung

In jedem Fall wäre eine oben genannte Aufrechnungs- oder Ruhensbestimmung zwischen Rehageld und Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension notwendig, um einen unsystematischen Doppelbezug der Versicherten zu verhindern.

Ein Lösungsansatz wäre, dass in § 86 Abs 6 ASVG festgehalten wird, dass allein die Erlassung eines entsprechenden Entziehungsbescheids den Anfall der Pensionsleistung bedingt, diese ohne weitere Antragstellung mit dem der Entziehung folgenden Tag gewährt wird und eine Bekämpfung des Entziehungsbescheids nach § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit dd ASVG für den Anfall unbeachtlich ist.

Alternativ würde auch eine Erweiterung des § 139 Abs 2a ASVG um Verfahren gegen entziehende Bescheide zumindest für betroffene Personen mit aufrechtem Dienstverhältnis Erleichterung schaffen. Für Personen ohne aufrechtem Dienstverhältnis wäre wiederum eine Änderung des zu eng gefassten Wortlautes des § 23 Abs 1 Z 1 und Abs 4 AlVG notwendig.

Fest steht, dass eine rechtliche Änderung notwendig ist, um die Rechtssicherheit sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger sicherzustellen. Dass diese rechtliche Lücke bereits seit der Einführung des Rehageldes im Jahr 2014 besteht und sich bisher weder Verwaltung noch Politik um die Lösung dieses Problems bemüht haben, stößt in Anbetracht der prekären Lage der Betroffenen auf Unverständnis.